1) Einleitung
Da ich einleitend behauptet hatte, den Fußball allein dadurch verbessern zu wollen (und auch zu können), dass bestehende Regeln angewendet werden, muss ich jetzt natürlich rechtfertigen, dass ich dennoch hier und da einen Vorschlag für eine Regeländerung hätte, der einen ebenso großen Beitrag leisten könnte.
Der Grundgedanke, durch Anwendung und korrekte Interpretation der bestehenden Regeln die Attraktivität des Fußballs grundsätzlich zu erhöhen, dadurch dass dann einfach mehr Tore fallen (sagen Sie bitte nachher nicht, ich hätte die Suppe „versalzen“), basiert ja vor allem auf dem Umdenkprozess. Eine Situation, die zu einem Tor führen könnte, sollte nach Möglichkeit laufen gelassen werden. Der Linienrichter (ok, Schiriassistent) sollte nach Möglichkeit (dem amerikanischen Vorschlag zur WM 1994 folgend, der sogar in den Regeln nieder geschrieben wurde) die Fahne unten lassen und sie nicht panisch hoch reißen, wann immer jemand sehr frei steht. Der Schiri sollte den „Mut“ aufbringen, bei klaren Fouls, selbst bei nicht klaren Torsituationen auf den Punkt zu zeigen und nicht stattdessen Gelb wegen Schwalbe zücken. „Es war ein Foul, die Regel sieht bei Foul im Strafraum Elfmeter vor, also gebe ich Elfmeter“. Die Intuition lässt ihn zurück schrecken, weil man denkt, mit einem Elfmeter (der zu über 70% zu einem Tor führt) ein Spiel entschieden zu haben. Selbst dieser Effekt wäre bei einer höheren Anzahl von Toren wesentlich geringer (wenn eine Mannschaft 1:0 führt,,ist es bei 4 Toren oder mehr im Schnitt noch lange keine Entscheidung. Man könnte auch sagen: Jetzt wird’s erst richtig spannend!).
Dennoch gibt es außer den bereits beschriebenen Missständen ein paar weitere, die man durchaus zusätzlich in den Regeln manifestieren könnte. Die Reihenfolge ist nicht durch Größe des Missstandes bestimmt. Bevor ich diese jedoch vorstelle, möchte ich noch ein paar Gedanken über das leidige Thema…
2) „Fair Play“
los werden. Ich bin der Meinung, man sollte den ganzen Gedanken an das Fair Play, zumindest unter den heutigen Bedingungen, vernachlässigen, vergessen. Die Medien machen die Vorgabe, die Vorgabe lautet, dass die Wahl der Mittel oder das Zustandekommen des Erfolges, ein untergeordnetes Kriterium ist. Der Sieger wird vorbehaltlos gefeiert. Er hat den Sieg verdient, weil nun mal die Tore zählen. Wenn der wichtigste Spieler des Gegners durch ein übles Foul „außer Gefecht gesetzt“ wurde und der Übeltäter dafür die dem Vergehen angemessenen Strafe (natürlich Gelb) erhalten hat, dann tut das der Ehrerbietung dem Sieger gegenüber keinen Abbruch. Der lapidare Kommentar nach dem Sieg „…aber danach fragt ja in zwei Wochen eh niemand mehr…“ und das wars. Jetzt kann gefeiert werden. Und genauso schön auf dem Verlierer rumgehackt. Wage es der Trainer bloß nicht, die Ursache für die Niederlage in dem Verlust seines besten Spielers zu suchen! Das sind billige Ausreden, die nur von den eigenen Fehlern und Schwächen ablenken sollen. „Machen Sie es sich da nicht zu einfach?“
Selbstverständlich würde mir vorschweben, dass die Medien den Schalter grundsätzlich umlegen. Nach einem 4:3 sollten sie nicht als erstes die beiden Trainer nach den „katastrophalen Abwehrfehlern“ , den Trainer des Siegers sogar noch anfeinden, dass er doch sicher trotz des Sieges niemals mit diesen Schnitzern in der Defensive… und noch dazu sicher das eine oder andere graue Haar dazu bekommen hätte, fragen sondern beiden erst mal für ein tolles Spiel danken. „Der Sieger war (mal wieder) der Fußball.“
Mein Vater hatte immer gerne den folgenden Satz gesagt: „Fußball ist vollwertiger Kriegsersatz.“ Muss ich erwähnen, dass es sich hierbei um Sarkasmus handelt?
Die olympische Idee sollte in den Vordergrund treten. Ohne Zuschauer helfen dem Fußball absolut keine Sieger oder Verlierer. Gefeierte Helden gibt es nur, wenn sie auch jemand feiern möchte. Einen Sieger gibt es nur dadurch, dass es auch einen (manchmal mehrere) Verlierer gibt. Dankt auch dem Verlierer. Durch ihn ist das Spektakel erst möglich. Und: verloren hat er oftmals nicht deshalb, weil er vieles, geschweige denn alles, falsch gemacht hat, sondern oft genug nur deshalb, weil eben nur einer gewinnen kann und das Glück den Ausschlag gab. Dabei sein ist alles! Tore sind das Salz in der Suppe! Egal, ob für oder gegen die „eigene“ Mannschaft.
Bevor ich endgültig die Bodenhaftung verliere, erinnere ich mich selber noch einmal daran, dass wir uns nicht in Utopia befinden. Dies ist die reale Welt. Nur kann ich zumindest erwähnen, dass es im amerikanischen Sport zum Großteil so gehandhabt wird. Die Zuschauer und die Spieler wissen, dass sie nur Teil eines großen Spektakels sind. Emotionen gehören dazu, Ehrgeiz auch, Siegeswille, Spannung und gekrönte Sieger. Aber bitte vergesst nicht, dass das ganze Geschäft nur läuft, wenn der Zuschauer es auch „schluckt“. Der Zuschauer finanziert es, da führt kein Weg dran vorbei. Und wenn der mal vergrault wird…
Das waren jetzt mal wieder etwas längere Ausführungen zu dem Thema im Allgemeinen. Ich wollte dennoch ein paar konkrete Situationen beleuchten, die man gemeinhin mit dem Gedanken „Fair Play“ verbindet. Zugleich zeige ich auf, dass es mehr als scheinheilig ist.
Angefangen hat das Ganze mit der folgenden Spielsituation: Ein Spieler liegt verletzt am Boden. Früher, ich kann mich sogar noch ganz gut daran erinnern, war es so, dass, falls die „Verletzung“ nicht durch eine Foulsituation hervorgerufen wurde, das Spiel einfach weiter lief. Ich finde daran auch nichts auszusetzen. Der Verletzte war durch eine unglückliche Aktion zu Fall gekommen und versuchte, so schnell es ging, wieder weiter spielen zu können. Es war teilweise noch zu Zeiten, als Auswechslungen grundsätzlich nicht erlaubt waren. Als die Regel mit den Auswechslungen eingeführt wurde, galt sie lediglich im Falle von Verletzungen (das war tatsächlich so; es wurde aber nach einer Saison geändert, weil die Verantwortlichen sehr bald merkten, dass man die laut Regel geforderten Verletzung partout nicht überprüfen konnte). Die 11 Spieler, die aufliefen, mussten also ganz früher sowieso die Zähne zusammen beißen.
Zurück zu der angesprochenen Situation: Ein Spieler lag verletzt am Boden. Die gegnerische Mannschaft wollte ihren Angriff starten. Aber ein anderer Spieler stellte fest, dass der am Boden liegende Spieler tatsächlich und ernsthaft verletzt war. Er signalisierte das, der Ball führende Spieler spielte den Ball, völlig unbedrängt, die eigenen günstigen Chancen ignorierend, ins Aus. Die Helfer konnten den Platz betreten, der verletzte Spieler behandelt und das Spiel fortgesetzt werden. Mit welcher Aktion? Natürlich mit Einwurf für den Gegner, also für die Mannschaft, die den verletzten Spieler hatte. Der Einwurf wurde zum eigenen Mann ausgeführt, dieser Mann aber spielte, ebenso unbedrängt, den Ball wieder dem Gegner zu. Die Zuschauer, die als erste Zeuge einer solchen Situation wurden, haben dies honoriert. Sie bedachten die Aktion mit einem wohlwollenden Applaus. Beide Parteien haben fair agiert. Die einen haben den Ball ins Aus gespielt, obwohl sie hätten versuchen können, die günstige Situation zu nutzen, die anderen hätten im Anschluss auf ihren Ballbesitz beharren können, der ihnen nach Regeln zustand. Fair Play, Klatschen. Alles richtig.
So weit, so gut. Diese Aktion hat sich nun in allen Stadien, in allen Ligen, auf allen Fußballplätzen der Welt durchgesetzt. Wenn ein Spieler verletzt am Boden liegt, dann hat die in Ballbesitz geratene Mannschaft die verdammte Pflicht, den Ball ins Aus zu spielen. Wenn sie es nicht tut, wird gnadenlos gepfiffen (ein Schelm, wer behauptet, dass diese „Regel“ nur für die Auswärtsmannschaft gilt). Dann wird der Ball, oft genug widerwillig, ins Aus gespielt, der „Verletzte“ wird behandelt, das Spiel wird mit der Aktion wie oben beschrieben fortgesetzt, der Applaus wird aber schon weniger warm und herzlich, falls überhaupt. Eine Art „Pflichtapplaus“.
Es scheint eine Art Regel zu sein, welche nicht festgeschrieben wurde. Damit hat es prinzipiell natürlich sowieso nichts mehr mit Fair Play zu tun, da jede einzelne Aktion der ganzen Spielsituation vorgegeben ist. Man muss es so machen. Und damit ist der Fair Play Gedanke nichts mehr als eine schale Worthülse..
Leider kommt es noch wesentlich schlimmer: Zunächst mal geschah es einmal in der Englischen Premier League, dass eine Mannschaft den Ball nicht ins Aus spielte, ihren Angriff fortsetzte und dabei gar ein Tor erzielte. In die Medien ging es natürlich zunächst als „Un-Fair play“ des Jahrhunderts ein, darüber hinaus hat die Mannschaft, die „Opfer“ dieser Aktion wurde, Protest gegen die Spielwertung eingelegt! Das ist einfach nur pervers. Der Fair Play Gedanke wird ins Gegenteil verkehrt, Und es ist exakt das richtige Wort dafür. Das, was als Fair Play galt wird zur Pflicht, ein Zuwiderhandeln kann geahndet werden und sogar die Spielwertung in Frage gestellt werden! Das ist absolut lächerlich. Ach so, Fair Play nennt man das.
Richtig lächerlich wird es erst, wenn ich die neuzeitliche Praxis dieses „erzwungenen Fair Play“ beschreibe. Die sieht nämlich so aus: ein Spieler verliert im Angriff den Ball. Er versucht, in letzter Instanz die Aktion durch ein simuliertes Foulspiel des Gegners zu „retten“, lässt sich dementsprechend auf den Boden fallen. Er bekommt aber richtigerweise keinen Freistoß, weil der Schiri ihm auf die Schliche gekommen ist, sondern der Ball ist einfach nur weg. Die nun in Ballbesitz gelangte Mannschaft freut sich über das gute Auge des Schiris, der auf Weiterspielen entscheidet und trägt eilig einen Konterangriff in die nun entblößte gegnerische Hälfte vor. Aber was passiert denn jetzt? Die Angreifer schauen sich fragend an, der Gegner leistet gar keinen Widerstand, der Weg zum Tor ist frei! Die gegnerischen Spieler deuten aber alle mit dem Finger in die entgegen gesetzte Richtung. Ach herrje, der arme, nicht gefoulte Angreifer liegt ja noch immer, und zwar mit Schmerz verzerrtem Gesicht am Boden, er wälzt sich sogar hin und her! Die gerade im Angriff befindliche Mannschaft spielt den Ball, sichtlich genervt, ins Aus.
Zum verletzten Spieler und dessen Tragik zurück: Ich nehme an, der Krankenwagen wurde gerade in Bewegung gesetzt, der Notfallchirurg bereits alarmiert, als der Mann doch noch, nach relativ kurzer Behandlung, aber noch immer humpelnd, aufs Spielfeld zurückkehrt. In der nächsten Aktion ist er wieder ganz der Alte. Mir scheint, es handelte sich doch um eine Art „blinden Alarm“, eine Art „Montagskrankheit“? Wer sollte denn schon prüfen können, wenn ich montags früh wegen meiner Migräne nicht aus dem Bett komme und das nur, weil ich erst 3 Stunden vorher mit 1.8 Promille ins Bett gefallen bin?
Jedenfalls spielt die nun wieder in Ballbesitz gelangte Mannschaft den Ball auch wieder zurück. Aber nicht etwa in die viel versprechende Situation, in der sich die andere Mannschaft objektiv befunden hätte, sondern einer drischt den Ball ganz weit nach vorne, so dass er nach Möglichkeit ins Seitenaus, aber nahe der Eckfahne geht. Danach wird wieder ordentliches „Pressing“ gespielt, das heißt, alle Gegenspieler werden abgedeckt. Wenn wir jetzt den Ball erobern, können wir vielleicht sogar… Da erzähl mir noch einer was von Fair Play!
Ich kann es auch so ausdrücken: die sicherste Methode, einen erfolgreichen Konterangriff zu unterbinden ist die, dass ein Spieler der vom Auskontern bedrohten Mannschaft am Boden liegen bleibt. Das bietet sich auch bei (abgewehrten) Eckbällen an. Denn bei dem Gerangel vorm Tor kann doch immer mal was passieren, oder?
Im Zusammenhang mit Fair Play fällt mir noch die eine Geschichte ein, in der Form, wie ich sie immer gerne erzähle. Es ist die 83. Minute in einem wichtigen Spiel. Eine Mannschaft führt, knapp, wie üblich, mit einem Tor. Dann liegt plötzlich ein Spieler verletzt am Boden. Ich schaue (extra) gar nicht hin, es erzählt mir nur jemand, der zuschaut. Dann biete ich sofort eine Wette an und zahle fünffaches Geld (Quote: 6.0) dass der Spieler das Trikot von der führenden Mannschaft trägt. Eine gewagte Wette, finden Sie? Sollte die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Spieler verletzt, nicht in etwa 50% für beide Mannschaften betragen? Ich wage es trotzdem. Die Erfahrung lehrt mich nämlich, dass der Spieler in 9 von 10 Fällen von der führenden Mannschaft ist. Falls 9 überhaupt reicht. Sollte er sich etwa einen Vorteil davon versprechen und auch auf das Phänomen „Nichtprüfbarkeit“ vertrauen? Es ist eine Farce, wirklich. Fakt ist, dass das Verhalten Vorteil bringt. Erstens in der Form, dass der Spielfluss unterbrochen wird und zweitens in der Form, dass die eingesparten Sekunden, Minuten niemals in voller Länge nachgespielt werden. Zeitspiel hat einen Sinn, es bringt einen Vorteil. Wenn ich Kindergärtner wäre, würde es aber sicher keinen Vorteil für die Kinder bringen, wenn sie nicht, wie angeordnet, das Zimmer aufräumen. Und das liegt ganz sicher nicht daran, dass ich ein besonders strenger Erzieher bin. Es muss einfach ein Mittel dagegen geben. Ich würde als Schiri so reagieren — und ich bin kein gelernter Pädagoge — : wenn ein Spieler eine Minute am Boden liegt, lasse ich zwei Minuten dafür nachspielen. Vielleicht gewöhnt er es sich dann ab?
Auch die folgende Spielsituation ist einfach nur noch unglaublich, so, wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Lage ist die: eine Mannschaft liegt mit zwei Toren zurück und erzielt das Anschlusstor(so was gibt’s doch gar nicht!), 10 Minuten vor Schluss. Es ist noch Zeit genug also, an Ausgleich oder sogar noch mehr zu denken. Voraussetzung dafür allerdings: das Spiel geht weiter. Wie sorgt man dafür, dass das Spiel weiter geht? Man holt den Ball aus dem Netz. Haben die Spieler auch vor 50 Jahren so gemacht. Nicht abdrehen, jubeln, sich feiern lassen (wofür auch?) sondern Ball holen, weiter spielen, ganz klar. Nur, was stellt man fest als Torschütze? Man rennt ins Tor, dahin, wo der Ball liegt, und es ist schon jemand da! Der Torwart hat sich auch auf den Ball gestürzt! Was soll das denn? Der war drin, du bist zu spät, Keeper!
Sinn der Sache ist der, das Spiel aufzuhalten. Und es gelingt. Der Torwart hat den kürzeren Weg (meistens) und hält den Ball einfach fest. Das ist auch so schon eine Provokation. Aber der Angreifer, der gerne möchte, dass weiter gespielt wird, versucht, dem Torwart den Ball abzunehmen. Es kommt zum Streit. Der Schiri muss eingreifen. Beide Spieler bekommen Gelb, das ist die Regel (nein, der Regelfall), und meist weit mehr als eine Minute ist gewonnen! Das Verhalten des Torhüters, so absurd es auch ist, wird wieder mal belohnt! Und ein Torwart mit einer gelben Karte ist längst nicht so gefährdet wie ein Feldspieler, das kommt noch dazu.
Die Szenen, die man zu sehen bekommt, sind einfach nur absurd. Oftmals liegen heutzutage auch vier, fünf Spieler plötzlich im Netz, ein Tumult, dabei wollte nur ein Spieler den Ball rausholen, damit das Spiel weiter geht…
3) Mauerabstand
Hier jetzt aber ein paar echt praktische Beispiele. Das erste ist der leidige Mauerabstand. Meines Wissens wurde im Jahre 1863 mal eine Regel notiert. Die lautete so: wenn ein Foulspiel geschieht, so wird dieses mit einem Freistoss geahndet. Damit die ausführende Mannschaft auch wirklich einen Vorteil aus der Situation hat, müssen alle gegnerischen Spieler mindesten „10 yards“ vom Ball entfernt sein. Die Idee war die: wenn eine Mannschaft einen Regelverstoß begeht, so ist dafür eine Strafe vorgesehen. Sie soll ja keinen Vorteil davon haben, oder?
Niedergeschrieben wurde auch, dass sich die Spieler „at least 10 yards off the ball“ befinden müssen. Das erschien den damals Verantwortlichen eine angemessene Distanz, bei der, gerade Freistöße in der Nähe des Strafraumes, durchaus zu einer gefährlichen Schusssituation, einem Tor, führen könnten.
Nun habe ich in diesem Zusammenhang zwei Fragen:
1) da es auf 10 yards festgelegt wurde, ist mir nicht ganz klar, warum man es nicht schaffen sollte, diese 10 yards auch einzuhalten?
2) falls 10 yards eine zu kurze Entfernung wären, also zu selten daraus ein Tor entstehen sollte, könnte man es dann nicht einfach auf 12 yards erhöhen?
Zu 1): ich halte die 10 yards für ausreichend, sofern sie auch eingehalten würden. Ich habe aber in den letzten 45 Jahren praktisch keinen wichtigen Freistoß in Tornähe gesehen, bei dem es dem Schiedsrichter gelungen war, diesen Abstand durchzusetzen. Man sieht die Schiris immer wieder mit gewichtigen Schritten die Distanz abmessen, dann verzweifelt versuchen, die Mauer allmählich in die Nähe dieser Marke zu drängen, da die Spieler der Aufforderung partout nicht nachkommen wollen (ganz beliebt dabei: das Reklamieren und Richtung Schützen deuten). So tippelt der Schiri der Mauer allmählich rückwärtig entgegen um sich dann auf einen Kompromiss von 9.5 yards mit den Spielern zu einigen, diese den restlichen halben bis ganzen yard wieder herausschlagen, indem sie während des Anlaufs des Schützen wieder in die Richtung nach vorne tippeln. Bei Ausführung ist der Abstand in der Regel 9 yards höchstens, also 8 Meter.
Mir kommt es schon wieder ein bisschen vor wie im Kindergarten. Man verbietet den Kindern auf dem Tisch zu tanzen, sie tun es aber trotzdem. „Ja, was hätte ich denn machen sollen? Die haben einfach nicht aufgehört damit.“ Mir würde etwas einfallen, garantiert.
zu 2): für meine Begriffe wird ein direkter Freistoss in Strafraumnähe zu selten zu einer wirklich spannenden Aktion, also einem Tor. Der Hauptgrund ist natürlich oben erklärt. Aber ich würde auch sonst einfach entscheiden, dass die Mauer einen oder zwei Meter weiter zurück muss. Nur weil es 1863 einmal festgelegt wurde…? Mehr Tore, mehr Spannung. Außerdem kommt es mir oft genug so vor, als ob der Freistoß für die den Freistoß verursachende Mannschaft zum Vorteil wird. Man begeht das Foulspiel absichtlich – dazu reißt man natürlich direkt im Anschluss entschuldigend oder Unschuld beteuernd die Arme hoch, das ist auch wichtig — , weil man weiß, dass die resultierende Aktion, der Freistoß, eine geringere Gefährdung für das eigene Tor darstellt als es der durchgebrochene Stürmer tun würde. Die Torsituation wäre besser, wenn nicht gefoult würde.
Ich bleibe bei der insgesamt bedenkenswerten Forderung:
Jedes im Regelbuch stehende Vergehen sollte eine so harte Strafe nach sich ziehen, dass sich das Vergehen nicht rentiert (Crime dont pay).
Die Folgen des Vergehens sollten nach Abwägung der Konsequenzen jeden Spieler dazu raten lassen, dass Vergehen zu unterlassen. Warum soll ein Vergehen nicht eine wirkliche Strafe zur Folge haben?
Die Strafe müsste prinzipiell immer so groß sein, dass die Bestrafung schlimmer ist als die Folgen wären, wenn man das Vergehen nicht begangen hätte.
4) Nachspielzeit
Früher war es so, dass der Schiri nach eigenem Gutdünken entschieden hat, wie lange er noch spielen lässt. Das hatte die angenehme Folge, dass die Spieler bis zum Schluss konzentriert waren und auch bis zum Schluss versucht haben, konstruktive Angriffe vorzutragen. Der Schiri dachte dann oft genug: „Ok, den Angriff noch.“ Und das Spiel ging einfach weiter.
Dann hat sich ein schlauer Mensch einmal ausgedacht, dass es ratsam sein könnte, die Nachspielzeit nicht zur reinen Willkür zu machen. Dazu wurde ein weiter Offizieller an den Spielfeldrand geschickt, der eine Tafel hoch hielt, auf der eine Empfehlung für den Schiri ausgesprochen war. „Wir empfehlen drei Minuten Nachspielzeit.“
Die Schiris hatten eine Orientierung, der Zuschauer auch. Es gab immer noch Spannung, aber man hatte in etwa eine Ahnung, wie lange es noch gehen könnte. Welche negativen Folgen eine solche Regeländerung haben könnte, habe auch ich damals nicht ahnen können. Es schien eine sinnvolle Ergänzung, auch mir.
Die Folgen waren aber äußerst traurig. Nur hat das bis heute keiner so recht bemerkt. Deshalb schildere ich hier meine Beobachtungen, vergleichen Sie es mit Ihren:
Wenn ich heute ein Spiel auf die 90. Minute zugehen sehe, dann weiß ich quasi, dass jetzt nichts mehr passieren kann. Und ein Ziel, man bedenke bitte, Gerechtigkeit, Logik hin oder her, habe ich immer klar zum Ausdruck gebracht: Das Spiel soll spannend sein, wie kann man dazu beitragen, wie kann man sie erhöhen? Wieso also diese traurige Folge und wie macht sie sich bemerkbar?
Das erkläre ich am besten an einem Beispiel: Vor ein paar Tagen hatte ich mal wieder ein Spiel gesehen, bei der eine Mannschaft, wie üblich, 1:0 führte. Der schlaue Trainerfuchs hatte sich aber noch zwei Auswechslungsoptionen aufgespart. Diese beiden Joker hat er, ganz geschickt und völlig regelkonform, ausgespielt in dem Moment, als die Nachspielzeit von zwei Minuten angezeigt war. Die erste Auswechslung dauerte exakt 43 Sekunden. Denn der ausgewechselte Spieler hatte kurioserweise einen sehr weiten Weg (ich glaube, er befand sich zum Zeitpunkt der Auswechslung ausgerechnet, aber doch sicher „zufällig“, gerade auf Rechtsaußen!), darüber hinaus war die Auswechslung, für jeden erkennbar, auch absolut gerechtfertig, Weil: Der Mann konnte wirklich nicht mehr. Ich wollte gerade einen Sanitäter für ihn rufen, der ihn die letzten 14 Meter über die Seitenauslinie trägt, als er sie doch noch bewältigt hat. Erstaunlich, was Männer, wahre Männer, richtige Kerle eben, in solchen Notsituationen zu leisten imstande sind!
Das Spiel wurde zwar fortgesetzt, aber nur für 3 Sekunden. Der Ball wurde sofort wieder ins Aus befördert. Sinn der Sache: Die zweite Auswechslung durchzuführen! Und, Glück für den Trainer, dass er noch eine aufgespart hatte, denn der jetzt zur Auswechslung erkorene Spieler war noch erschöpfter als der erste! Er tat mir wirklich leid, da hätte doch jemand eingreifen müssen, ihn wenigstens stützen müssen? Aber das Wunder geschah: Auch er schaffte es über die Seitenauslinie. Die Nachspieluhr zeigte inzwischen 1:45 an. Die zurück liegende Mannschaft hatte meiner Erinnerung nach einen Abstoß erhalten. Der Torwart lief an, schlug den Ball weit nach vorne. Das war ein großer Fehler! Denn jeder weiß doch, dass abgepfiffen wird, sowie der Ball die Mittellinie überquert! Er hätte garantiert auch noch 15 Sekunden spielen dürfen, sofern er, ganz brav und artig, am eigenen Strafraum abgespielt hätte…
2 Minuten Nachspielzeit sollten es werden. Es waren in der Summe 8 Sekunden. Diese aber ohne eine einzige Möglichkeit, überhaupt einen Angriff durchzuführen. Da schüttelt´s einen doch, falls man irgendeine Form von Gerechtigkeitssinn hat. Hätte er doch lieber gleich abgepfiffen.
Also, wie gesagt, es ist eine Farce. Ich habe so viele Spiele gesehen und ein Standardverhalten der führenden Mannschaft sieht noch so aus: wenn man einen viel versprechenden Konterangriff hätte, dann dribbelt man mit dem Ball in Richtung der gegnerischen Eckfahne! Dort tritt man dann auf den Ball und wartet, mit dem Rücken zum Spielfeld, versteht sich. Und wenn sich dann ein gegnerischer Spieler darin versucht, den Ball zu bekommen, lässt man sich theatralisch ins Aus fallen. Die gelbe Karte für den Gegenspieler nimmt man doch gerne noch mit…
Wenn es dem Gegenspieler allerdings gelingt, den Fuß mit fairen Mitteln an den Ball zu bekommen, dann erhält man einen Einwurf. Für Einwürfe an der rechten Eckfahne ist übrigens der Einwurfspezialist, also der linke Verteidiger, vorgesehen. Die ersten beiden Spieler in Ballnähe lassen den Ball wieder fallen. Der Spezialist ist endlich da! Er wirft den Ball auf tatsächlich. Er wirft, so weit er unter diesen Umständen noch kann, also 2 Meter 50. Der Mann, der den Ball bekommt, dribbelt wieder Richtung Eckfahne. Da wird Fußball zum Fest! Wenn sie mich fragen, wie man das unterbinden soll? Keine Ahnung, ich weiß ja nicht mal, wie man die Kinder vom Tisch bekommt!
Das alles hätte es bei der früheren Version der Regel nicht gegeben. Da widerspreche noch mal einer, wenn ich doch den Satz auskrame: „Früher war alles besser. — (Sogar die Zukunft).“
5) „Ball ins Aus begleiten“
Mir ist schon klar, dass meine Beobachtungen teilweise auch sehr unspektakulär sind. Und wieso ein Feuer löschen, bevor es überhaupt brennt? Grundsätzlich habe ich, auch in vorherigen Abschnitten, darauf aufmerksam gemacht, dass die Ungerechtigkeit, die ich im Fußball sehe vor allem auf einer Benachteiligung der Angreifer gegenüber den Verteidigern beruht, was dem Spiel eine Menge Attraktivität raubt. Die Schiedsrichter entscheiden, bei absolut identischen Vergehen, im Falle, dass der Verteidiger es begeht auf Weiterspielen – aber nur, wenn der Angreifer Glück hat, ansonsten bekommt er auch schon mal Gelb wegen „Täuschungsversuches“, im Falle das der Angreifer es begeht auch auf Gelb – aber dann für den Stürmer, für sein rüdes Einsteigen. Der Freistoß wird beinahe automatisch ausgesprochen – und zwar gegen den Angreifer. Wie gesagt, identische Vergehen. Entlarven würde ich die Schiedsrichter dadurch, dass ich sie bitte, Foulsituationen zu beurteilen, nachdem ich die Linien, die Zuschauer, die Mitspieler und anderen Gegenspieler alle „wegretouchiert“ habe und dann um ein Urteil zu einer Reihe von Szenen bitten würde. Das Ergebnis wäre vernichtend – und zwar für die Spielleiter und auch für die Regelkommissionen.
Aber in dem Zusammenhang „Bevorteilung der Verteidiger gegenüber den Angreifern“ fällt mir auch noch die eine, absolut lächerliche, Szene ein, die man heutzutage sehr häufig beobachten muss: Ein Angreifer bekommt ein Zuspiel, was er nicht so leicht erreichen kann. Ein Verteidiger bringt seinen Körper dazwischen. Der Verteidiger glaubt, die Szene absolut im Griff zu haben. Er hat seinen Körper zwischen Ball und Angreifer. Nur: wenn er jetzt den Ball spielen sollte wäre die Frage: wohin eigentlich? Er steht mit dem Rücken zum Spielfeld und kein Mitspieler in erreichbarer Nähe. Er entscheidet sich also, den Ball gar nicht zu spielen. Er hatte ihn vorher nicht berührt und hat jetzt auch nicht die Absicht ihn zu spielen. Er hat die Absicht, den Ball ins Aus zu begleiten. Der Angreifer versucht alles, um an den Ball noch heranzukommen, der Verteidiger schiebt immer wieder den Körper dazwischen, schließlich spitzelt der Stürmer den Ball doch noch weg, vor der Auslinie. Der Verteidiger fällt sofort und theatralisch hin. Der Stürmer bekommt Gelb oder auch manchmal nicht Gelb, einen Freistoß gibt es wo oder so. Jedenfalls ist eines sicher: den Ball bekommt er nicht.
Das Ärgernis für mich dabei: ich will die ganze lächerliche Szene überhaupt nicht sehen. Wenn ich sie mir anschauen würde, dann nur, wenn ich wüsste, dass es ein „fairer Kampf“ wäre, den der Stürmer auch gewinnen kann. Das ist schlicht nicht möglich. Sie sollte mal die empörten Verteidiger sehen, wenn der Ball weggespitzelt wurde (ich gehe jetzt von wirklich fairen Mitteln aus, was aber gar nicht so selten ist). Sogar die Mitspieler bestürmen den Angreifer wegen seines rüpelhaften Einsteigens. Nun gut, wenn es also mit fairen Mitteln geführt würde und jeder eine Siegchance bei dem Zweikampf hätte, könnte ich es vielleicht ertragen. Aber so, wie es praktisch gepfiffen wird, ist es einfach nur ein Ärgernis.
Ich untersuche das dennoch mal Regel technisch, denn wir befinden uns ja im Kapitel „Regeländerungsvorschläge“: Der im Ballbesitz befindliche Spieler hat ein gewisses Vorrecht. Dadurch, dass er im Ballbesitz ist, erlaubt die Regel ihm, den Ball vor Angriffen des Gegners zu schützen, und das sogar mit einem gewissen Körpereinsatz. Daran ist nichts auszusetzen. Ich will ja dem, der den Ball hat auch gerne ein gewisses Vorrecht lassen, da ja auch diese Kleinigkeit zum Vorteil der Angreifer und damit der Attraktivität des Spiels dient.
Jedoch in dieser Szene frage ich mal ein bisschen provozierend: Warum ist der Verteidiger eigentlich in Ballbesitz in dieser Szene? Er nutzt alle Vorteile, die dem im Ballbesitz befindlichen Spieler zustehen. Nur hat er bis dahin weder den Ball gespielt noch überhaupt die Absicht, diesen zu spielen.
Ich würde einfach sagen, dass man nur dann diese Vorteile des Ballbesitzes nutzen kann, wenn man den Ball auch gespielt hat oder die Absicht dazu hätte. Hier wäre das Verhalten des Verteidigers eindeutig ein „Sperren ohne Ball“. Er hat den Ball nicht, spielt den Ball nicht, will ihn auch nicht spielen, stellt aber dennoch seinen Körper dazwischen. Strafe: Foulspiel, mit Freistoß zu ahnden.
Also selbst hier wären die vorhandenen Regeln beinahe ausreichend, um ein solches Ärgernis zu unterbinden. Aber wenn es eines Zusatzes bedürfte, dann dieses hier: Ein Spieler ist erst dann in Ballbesitz, wenn er diesen auch gespielt hat oder die erkennbare Absicht hat, es zu tun.
6) Torhüterschutz
Auch hier hat die Zeit es mit sich gebracht, dass die Torhüter weit über Gebühr „beschützt“ werden. Es ist eine Art von Regelauslegung, die dann einfach und still schweigend weltweit übernommen wird, von jedem Referee. Nur hat es mit den niedergeschriebenen Regeln längst nichts mehr zu tun. Grund ist immer der gleiche: Ein Tor verändert ein Spiel so sehr, dass man sich scheut, es zuzulassen. Den Schiedsrichtern ist jedes Mittel recht, um eine Entscheidung gegen die Angreifer zu treffen. Dann gibt es kein Tor und alles bleibt wie es ist. Wenn ein Tor fallen sollte, dann haben sich die Chancen extrem verschoben.
Heutzutage ist es tatsächlich so: wenn ein Torwart den Ball bei einer Flanke fallen lässt, dann gibt es Freistoss. Und zwar für den Torwart. Fast immer ist es auch so, dass er sich in Bedrängnis befindet, es demnach eine Rechtfertigung für einen Freistoß gibt. Dafür gibt es drei mögliche Ursachen:
a) Es sind häufig genug eigene Spieler, die da im Weg stehen. Diese behindern den eigenen Torwart. Der lässt den Ball fallen. Der einzige Stürmer, der irgendwo im Spielerknäuel stand, wird als „Schuldiger“ ausgemacht. Entscheidung: Freistoß, was auch sonst. Für die Abwehr.
b) Der Torhüter macht oft genug eine Bewegung in Richtung der Spieler, selbst wenn es gegnerische sind. Also eine Flanke kommt in den Fünfmeterraum auf einen am kurzen Pfosten stehenden Stürmer. Der Torhüter sieht das Unheil kommen, stürzt sich in die Richtung, überspringt dabei den Angreifer, kommt jedoch nicht ganz sauber an den Ball, fällt über den Stürmer und lässt den Ball fallen. Entscheidung: Freistoß. Für den Torhüter.
c) Die Aktion ist sehr häufig ohnehin weit außerhalb des Fünfmeterraumes. Dort hätte der Torhüter gar keinen Sonderschutz. Der Schiri aber bekommt einen Schreck, wenn der Keeper den Ball fallen lässt und entscheidet auch hier: Freistoß. Für die Abwehr.
All dies wäre durch die vorhandenen Regeln bereits abgedeckt, bedürfte keiner Änderung. Nur müsste es so angewendet werden. Das Umdenken geht, wie in allen anderen Situationen auch, so, und das reflektiert das Denken des neutralen Zuschauers und nicht des reinen Fans der Verteidiger, der als einziger ein Interesse am Nicht-Tor haben: Der Torhüter lässt den Ball fallen. Wow, jetzt wird’s aber spannend! Laufen lassen, vielleicht fällt ein Tor. Und das trägt allgemein zur Spannung bei, für fast jeden. Das wollen wir sehen. Und nicht das: immer wenn es interessant wird, wird gepfiffen.
Aber ich sehe nicht einmal einen Grund, dass der Torhüter im Fünfer geschützt sein sollte. Warum denn? Wir brauchen Tore. Und diesem Ziel muss man sich zunächst verpflichten. Mit den Toren bleiben die Zuschauer und kommen die neutralen wieder dazu. Fußball? Will ich sehen. Da passiert was.
7) Alternativen zum Elfmeter
Das ist ein uralter Vorschlag von mir. Na gut, ich gebe zu: mein Vater hat mich schon in frühester Kindheit darauf aufmerksam gemacht. Was ich nämlich nicht verstehe ist, warum man nicht einfach die Verteidigerfouls im Strafraum differenzieren kann? Es gibt zahlreiche Aktionen im Strafraum, die viel versprechend sind. Der Stürmer möchte gerade schießen, der Verteidiger rasiert ihm die Beine weg. Elfmeter. Ein Verteidiger macht auf der Linie ein Handspiel. Elfmeter. Das ist richtig so, so soll es sein.
Aber es gibt auch zahlreiche Fouls, die in Situationen entstehen, die absolut nichts mit Torgefahr zu tun haben. Warum sollte man dafür nicht einfach eine alternative Strafe einführen? Zumal eben gerade hier die Beobachtung greift, dass Schiedsrichter sich scheuen, ganz prinzipiell, überhaupt einen Elfmeter zu geben. Auch in recht klaren Situationen wird häufig genug der Pfiff verweigert. Aber dazu jetzt noch in Situationen, wo zwar ein klares Foul zu erkennen ist, aber die Bestrafung offensichtlich zu hart ist? Da gibt es gar nichts.
Also entweder die Regeln anwenden. Dann wäre die Konsequenz nicht etwa die, dass es 20 Elfmeter pro Spiel gäbe, sondern dass die Verteidiger sich insbesondere im Strafraum sehr zurückhalten würden. Man hätte mehr und attraktivere Torsituationen. Oder eben die Änderung der Regel, die eine alternative Strafe vorsieht.
Eine Idee hierfür: die kurze Ecke, wie beim Hockey. Oder auch einen Schuss aus 16 oder 20 Metern ohne Verteidiger.
8) Ein paar freie Vorschläge, Ideen aus den USA
a. Entscheidung durch Elfmeterschießen?
Ich wollte auch das hier nur einmal erwähnt haben: Die Amis haben zur WM 1994 die Steigerung der Attraktivität des Spiels gefordert. Dazu wollten sie ein paar Dinge ändern, damit mehr Tore fallen. Übrig geblieben sind diese hier: Die Rückpassregel wurde eingeführt und die Empfehlung an die Schiedsrichter ausgesprochen, im Zweifelsfall bei Abseitssituationen für den Angreifer zu entscheiden.
Die Major League Soccer wurde 1994 nach der WM eingeführt. Die Amis hatten natürlich eine kleine Hoffnung, dass durch die WM ein Boom ausgelöst werden könnte. Die MLS wurde aber kein so großer Erfolg. Sie läuft noch immer, es werden auch immer wieder Stars geholt, aber die Zuschauer nehmen es eher nur schleppend an. Fußball ist kein amerikanischer Sport. Aber er könnte es vielleicht noch werden.
Dennoch haben sie die Regeln für ihre Liga in dem Rahmen geändert, wie es möglich war und ihnen zur Steigerung der Attraktivität dienlich erschien.
Die eine Sache, die sofort dort geändert wurde war das leidige Elfmeterschiessen. Es ist einfach so, dass es keine gerechte Chancenverteilung ergibt. Der Sieger wird im Prinzip durch Glück ermittelt. Tragödien sind vorprogrammiert. Ein Schütze wählt eine Ecke, der Torhüter entscheidet sich für die gleiche Ecke und pariert! Das nun auf Olli Kahn und seinen berühmten Zettel zurückzuführen, dazu sind nur die Deutschen dreist genug. Es gibt vielleicht auch kleine Unterschiede in den Befähigungen, der Großteil bleibt Glück. Die Chancenverteilung ist unausgewogen. Der Schütze ist im Vorteil, „er kann nur verlieren“, wie der Volksmund das so schön zum Ausdruck bringt, während der Torhüter „nur gewinnen kann“. Er spekuliert, wenn falsch, kein Problem, er war ja Außenseiter.
Die Amis hat das gleich gestört. Sie führten die Penaltys ein. Eine sehr gute Idee, wie ich finde. Dabei muss der Angreifer aus 35 Metern alleine auf das Tor zulaufen. Er darf jederzeit schießen, muss aber nach spätestens 6 Sekunden abgeschlossen haben. Er kann den Torhüter ausspielen, ihn überlupfen oder mit einem Fernschuss zu überwinden versuchen. Der Torhüter seinerseits kann herauslaufen, kann sich hinwerfen, spekulieren oder abwarten, schnell, langsam oder auch gar nicht entgegen gehen. Kurzum: es gibt eine viel breitere Palette von Möglichkeiten. Es wäre garantiert interessant, das zu sehen. Man könnte Penaltys auch im Spiel verhängen, ebenfalls als Alternative zum Elfmeter.
Liegt es daran, dass die Regelkommissionen „zu verkrustet“ sind? Oder daran, dass Franz Beckenbauer einmal sagte: „Lassts den Fußball, wie er ist.“
b. Drei-Punkte-Regel
Die Drei-Punkte-Regel wurde eingeführt, um die Attraktivität des Spiels zu steigern. Ein durchaus positiver Versuch. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Auswirkung sehr gering war. Die Unentschiedenhäufigkeit hat sich nicht drastisch reduziert, der Toreschnitt sich nicht gesteigert. Hier mal exemplarisch die Zahlen von den letzten drei Spielzeiten der deutschen Bundesliga vor und nach der Einführung der Dreipunkteregel:
Zweipunkteregel
1993: Remis: 29.29% Tore: 2.936
1994: Remis: 27.21% Tore: 2.918
1995: Remis: 28.10% Tore: 3.016
Dreipunkteregel
1996: Remis: 35.29% Tore: 2.715
1997: Remis: 22.87% Tore: 2.977
1998: Remis: 27.78% Tore: 2.879
Schnitt mit Zweipunkteregel: Remis: 28.20%
Tore: 2.957
Schnitt mit Dreipunkteregel: Remis: 28.64%
Tore: 2.857
Wenn man bösartig wäre, könnte man sagen, dass die Regel eher den unerwünschten Effekt verstärkt hätte. Es gab (geringfügig) mehr Unentschieden und auch weniger Tore. Und ich finde auch nicht, dass die Regel eine höhere Gerechtigkeit darstellt. Man bekommt einen Lohn für das Risiko, indem man bei einem Spiel, welches Unentschieden steht auf Sieg spielt, da man nur den einen Punkt riskiert, den man so hätte, aber zwei gewinnen könnte. Die Mannschaften halten sich einfach nicht daran, dass es sich lohnt dafür zu kämpfen. Aber es ist für mich auch gar nicht gesichert, dass es sich rein mathematisch überhaupt rechnet. Damit es sich rechnet, müsste man zumindest in 33.3% der Fälle einen Sieg erzielen können, gegenüber den 66.7%, in denen man die Niederlage hinnehmen müsste. Und das kann ich zumindest nicht gesichert beweisen, dass es sich so verhält. Aufgrund der Vorteile, die man beim Verteidigen hat und der Chance, dass sich der Gegner entblößt und man dann beim Konter die sich bietende Chance nutzen kann, könnte ich mir sogar vorstellen, dass es sich nicht rechnet. Die Spieler verhalten sich also (vielleicht auch der Trainer, der die Anweisungen gibt) sogar korrekt, wenn sie „nicht zu viel riskieren.“
Man darf die Situationen auch nicht verwechseln: Es gibt eine Situation, bei der eine Mannschaft mit 1:0 führt und diesen Vorsprung über die Zeit retten will. Auch hier besteht für die zurückliegende Mannschaft die Gefahr, die Abwehr zu entblößen und durch einen Konterangriff das 0:2 zu kassieren. Aber die zwei riesigen Unterschiede: Wenn man bereits verloren hat, also 0:1 zurückliegt, kann man seine Chancen nur verbessern. Aber noch gravierender: Die führende Mannschaft hat bei einem genutzten Konter nur eine geringe Chancenverschiebung zu ihren Gunsten zu erhoffen. Man hat auch bei 1:0 alle drei Punkte. Das bedeutet, dass man nicht mit allen Mann nach vorne rennt sondern eher „gemäßigt“ kontert. Man würde zwar gerne, man muss aber nicht und eins steht über allem: Nur nicht zu viel riskieren!
Im Gegensatz dazu ist für den Fall, dass die Partie Unentschieden steht für die konternde Mannschaft ein Lohn zu erwarten. Man kann ganze zwei Punkte hinzugewinnen! Da lohnt es sich dann doch schon mal, auszuschwärmen und viele Spieler nach vorne zu schicken, wenn sich die Gelegenheit bietet. Auf gut Deutsch könnte man sagen, beide Mannschaften „belauern“ sich, ob der eine mal so dumm sein könnte, „zu viel“ zu riskieren und die Abwehr zu entblößen.
Das erinnert mich ein bisschen an das Schachspiel. Dort ist unter Großmeistern längst bekannt, dass man eine Partie nicht einfach so gewinnen kann. Normalerweise wird sich auf dem Topniveau „abgetastet“. Und wer zu viel riskiert, wird ausgekontert. Die Stellung gibt es nicht her. Das Spiel gibt es nicht her. So wie Fußball eben. Verteidigen ist schlauer. Die Null muss stehen.
Natürlich sind auch hier die Medien zu einem großen Teil mitverantwortlich. Wenn nicht immer nur auf den Verlierern herumgehackt würde, sondern eben für die Unterhaltung gedankt würde, würde sich auch hier die Perspektive verändern. Stellen Sie sich mal einen Trainer vor, der wieder mal nach einer Niederlage vom Reporter attackiert wird, was seiner Mannschaft so alles fehlen würde und ob er noch den Rückhalt in der Vereinsführung spüren würde und er entgegnet: „Das Spiel stand 1:1. Ich habe in der 70. Minute einen dritten Angreifer eingewechselt. Ich hatte mir ausgerechnet, dass die Chancen, dass wir das Tor noch erzielen 40% gegenüber den 60% der Chance, noch ein Tor zu kassieren lag, also habe ich es riskiert. Die 60% Chance ist aber, für mich übrigens nicht überraschend, eingetreten. Nächste Woche mache ich es wieder. Vielleicht haben wir dann insgesamt drei Punkte anstatt zwei Punkte aus den beiden Spielen.“
Rational wäre die Überlegung zwar korrekt, vielleicht auch mathematisch korrekt. Leider aber wäre er in der folgenden Woche schon gar nicht mehr auf der Bank… Schuld? Die Medien. Sie sägen an den Stühlen. Der Trainer verordnet seiner Mannschaft weiterhin die „geordnete Offensive“ und kein Harakiri Spiel, welches sich zwar mathematisch lohnen könnte, aber seine Jobsicherheit gefährdet und somit einen nicht zu berechnenden Faktor darstellt. Leid tragend: Wieder einmal der Zuschauer, der sich Spektakel wünscht. Und das tuteigentlich jeder. Nur die paar Fans der durch das Spektakel womöglich unterliegenden Mannschaft nicht.
Also, wie dem auch sei, man könnte genau so gut zur Zweipunkteregel zurückkehren. Sie ist einfach gerechter. Oder aber man folgt einem weiteren Vorschlag von mir. Der sieht nämlich so aus:
In jedem Spiel werden drei Punkte vergeben. Wenn es nach 90 Minuten einen Sieger gibt, so erhält dieser die drei Punkte, der Verlierer natürlich 0. Wenn das Spiel Unentschieden steht, hat jede Partei einen Punkt sicher. Der dritte Punkt wird in einer Verlängerung und/oder dann in einem Penaltyschießen ermittelt. Das Risiko lohnt sich in angemessener Weise. Man kann einen dritten ganzen Punkt erzielen, wenn man in der regulären Spielzeit das Siegtor schafft. Aber der dritte Punkt ist bei einem Remis nicht endgültig verloren. Er wird trotzdem ausgespielt. Die Gerechtigkeit gibt es dann in der Tabelle zu sehen. Es gibt wieder Plus- und Minuspunkte. Wer viele Spiele regulär gewinnt, hat nach wie vor die besten Karten. Und ich hoffe mal, dass auch für Spannung gesorgt ist.
Die Schattenseite einer solchen Regelung: Man weiß nicht mehr exakt die Spielzeit. Das könnte sowohl für die Übertragung in den Medien für Schwierigkeiten sorgen, als auch beim zahlenden Fan im Stadion, der lieber eine Zeitplanung hätte. Andererseits: Im Pokal klappt es seit Jahrzehnten schon so. Also wäre es wohl eher ein Gewöhnungseffekt.
9) Elfmeter Wiederholung
Was ich nicht verstehen kann ist auch hier, wieso die Schiedsrichter nicht in der Lage sind, dafür zu sorgen, dass ein Elfmeter regelgerecht ausgeführt wird. Nicht etwa, dass ich einen Elfmeter für eine besonders gerechte Sache hielte, wie an anderer Stelle nachzulesen. In den Fällen, wo eine klare Torchance verhindert wird ist es selbstverständlich die richtige Strafe. In anderen Fällen sollte eine alternative Strafe her, siehe oben. Aber wenn nun mal auf Elfmeter entschieden wurde, dann müsste es doch möglich sein, für eine korrekte Ausführung zu sorgen?
Was ich meine ist dies: es laufen praktisch immer Spieler in den Strafraum. Das ist prinzipiell ein Ärgernis für mich, da es einfach nicht erlaubt ist, sich im Strafraum aufzuhalten, bevor der Ball geschossen wurde. Da ist er wieder, unser Kindergarten. Die Spieler machen, was sie wollen — wenn es nicht gelingt, es ihnen zu verbieten. Nun gut, es ist aber verboten. Also muss man Strafen für das Fehlverhalten aussprechen, so dass es sich nicht mehr „lohnt“. So wie bei Kindern.
Es laufen natürlich immer Spieler beider Mannschaften los, fast zeitgleich. Das macht die Sache etwas komplizierter. Jetzt soll der Schiri die korrekte Ausführung des Schützen und des Torhüters, aber auch zeitgleich sämtlicher anderer Spieler überwachen. Vor allem wäre für mich die Differenzierung notwendig: Sieht der Schiri, dass ein Verteidiger als erster in den Strafraum läuft und der Elfer dennoch verwandelt wird, müsste der Strafstoß natürlich nicht wiederholt werden. Wenn es kein Tor wird aber doch.
Umgekehrt, wenn ein Spieler der ausführenden Mannschaft als erster im Strafraum ist und der Elfmeter verwandelt würde, müsste er wiederholt werden, wenn er nicht verwandelt wird natürlich nicht. Warum sollte man so etwas nicht einfach in die Regeln schreiben? Abgesehen davon, dass ich grundsätzlich bei zu frühem Loslaufen auch für eine gelbe Karte plädieren würde. Denn ärgerlich bleibt es in allen Fällen, dass es überhaupt geschieht, obwohl verboten.
10) Schiedsrichterball
Das ist auch nur ein kleiner „Einwurf“ von mir: Ich erinnere mich noch gut daran, wie der Schiedsrichter in früheren Jahren oftmals, wenn es ihm „zu bunt“ wurde, wenn irgendetwas nicht so verlief, wie es sollte, wenn es eine erkennbare Verletzung gab, die Zuschauer sich daneben benahmen oder sonst eine Irritation war, er einfach das Spiel unterbrochen hat. Es war auch egal, wer den Ball gerade hatte oder wo sich selbiger befand. Der Schiedsrichter entschied, dass das Spiel eine Unterbrechung nötig hatte und pfiff einfach ab. Die normale Fortsetzung des Spiels geschah dann durch einen Schiedsrichterball. Dabei musste sich von jeder Mannschaft ein Spieler bereit stellen, der Schiri warf den Ball ein und die beiden machten einen (fairen) Zweikampf um den Ball.
Ich habe gehört, dass die Schiris vor der Saison 2008/2009 die Anweisung bekommen haben, selbständig zu entscheiden, ob eine Verletzung vorliegt, wenn ein Spieler am Boden liegen bleibt. Die Spieler sollten sich nicht darum kümmern sondern normal weiter spielen. Für die Spielunterbrechung sollte der Schiri sorgen. Fortsetzung des Spiels durch? Schiedsrichterball, genau.
Eine sinnvolle Anweisung, wie ich finde. Sie wurde getroffen, um die weiter oben angeprangerte „Schauspielerei zum Verhindern eines Konterangriffs“ zu unterbinden. Problem dabei ist nur: zunächst halten sich die Spieler einfach nicht daran. Aber nicht etwa die angreifende Mannschaft, die an sich gerne weiter spielen würde, sondern die verteidigende Seite! Sie spielen einfach nicht mehr weiter und deuten empört in Richtung des „verletzt“ am Boden liegenden Spielers. Damit zwingen sie den Schiri oder den Gegner, den Ball doch ins Aus zu spielen. Die Zuschauer tragen ihren Teil dazu bei. Sprich also: Die durchaus sinnvolle Regel wird von entscheidender Seite boykottiert und findet damit keine Umsetzung. Die Regel wird an der praktischen Umsetzung gehindert. Sie findet keinen Einzug in die Praxis. Und nach einer Weile ist es den Schiris unmöglich, nach der Anweisung zu pfeifen. Wenn also jetzt ein Spieler am Boden liegen bleiben sollte und der Schiri auf Weiterspielen entscheidet (oder auch: gar nichts „entscheidet“), dann bleiben die Gegenspieler stehen. Dann fangen die Zuschauer an zu pfeifen. Dann wird das Spiel doch unterbrochen. Es funktioniert nicht.
Der Schiedsrichterball selber ist aber auch zur Farce verkommen. Der Schiri schaut die beiden Spieler, die um den Ball kämpfen sollen an, deutet dann an, wer in Ballbesitz zu gelangen hat, holt sich das zustimmende Nicken ab, wirft den Ball ein und der eine Spieler schießt den Ball in die gegnerische Hälfte, streng nach Abmachung. Die Spielsituation, die entsteht, hat auf jeden Fall nichts mehr mit der vor der Unterbrechung zu tun.
11) Handspiel im Strafraum – bewusste Bewegung zum Ball
Das ist übrigens eine der absurdesten Regeländerungen oder Auslegungen, die ich in meinem ganzen Leben gehört oder erlebt habe. Das Handspiel im Strafraum. Natürlich dann, wenn es ein Verteidiger begeht.
Wenn ich alles richtig verstanden habe, dann soll es einen Elfmeter nur dann geben, wenn das Handspiel des Verteidigers durch eine „bewusste Bewegung zum Ball“ verursacht wurde. Unfassbar, dass man einen solchen Unsinn in die Regeln schreiben kann. Ich möchte dazu mal kurz die entscheidenden drei Fragen stellen:
a. Möchte man gerne Elfmeter geben?
Der erste Punkt geht natürlich Hand in Hand mit all meinen anderen Behauptungen: Die Schiedsrichter wollen aus besagten Gründen im Prinzip keinen Elfmeter geben. Die Verschiebung der Chancenverteilung durch diese Entscheidung ist ihnen zu groß. Das Nichtgestatten einer Verschiebung durch die „Unentscheidung“ wird nicht als Veränderung der Chancenverteilung wahrgenommen, obwohl es natürlich in der Auswirkung identisch ist. Ob man eine Verschiebung zulässt oder das Zustandekommen einer berechtigten Verschiebung verhindert, ist natürlich gleich. Aber es wird so nicht wahrgenommen. „Wieso, wie meinst du das? Sie hatten doch hinterher immer noch genug Zeit, ein reguläres Tor zu erzielen.“
Durch diese Formulierung der „bewussten Bewegung zum Ball“ haben die Schiris einfach nur eine weitere Ausrede bekommen, , keinen Strafstoß zu geben. Und diese wird auch reichlich genutzt. Elfer für Handspiel gibt es nicht mehr.
b. Wie bewusst ist bewusst?
Ich frage das sicher etwas provozierend. Aber was ich da in letzter Zeit so alles an absurden, nach Schiri-und übrigens auch Berichterstatterauffassung alles an „unbewussten“ Bewegungen gesehen haben soll, lässt mir wirklich die Haare zu Berge stehen. Zunächst mal möchte ich die weitere Frage vorausschicken: Wenn ein Handballtorwart einen Ball „abbekommt“ und zwar an der Hand. War das dann eine „bewusste Bewegung zum Ball“? Nein oder doch, legen Sie es aus, wie sie es wollen. Jedenfalls ist es ihm mehr als recht, den Ball abzubekommen. Es ist seine Verteidigungsstrategie, den Körper inklusive aller vorhandenen Extremitäten so gut es geht in den Weg zu bekommen. Er macht sich „bewusst breit“. Jeder einzelne Körperteil wird dabei aber nicht in dem Sinne bewusst Richtung Ball gesteuert. Es mag schon sein, das hier oder da aber auch ein Reflex für die letztendliche Berührung verantwortlich ist. Aber auch dann darf man fragen, in wieweit werden Reflexe als „bewusst“ bezeichnet? Gar nicht, denke ich, es macht aber kaum einen Unterschied.
So in etwa verhalten sich die Verteidiger seit der Einführung der Regel. Sie sind alles kleine Handballtorwarte. Nur ist beim Fußball der Ball wesentlich langsamer als beim Handball. Man hat hier und da die Möglichkeit, den Ball „bewusst“ abzufangen, um dann die wohlwollende Regelauslegung des Schiris abzuwarten (und belohnt zu werden). Ich habe selber lange genug Fußball gespielt. Man weiß einfach, was man tut. Auf dem Feld bewegt man Arm oder Hand in die entsprechende Richtung. Als Zuschauer sehe ich es der Bewegung an, ob sie bewusst ist oder nicht. Eine wirkliche Rolle würde es aber für mich nicht einmal spielen.
Die Verteidiger machen sich breit, wie Handballtorwarte. Und sind dankbar, wenn sie den Ball dann abbekommen. Die Flanke, der Torschuss ist verhindert, das Weiterspielen garantiert, einfach clever.
Ich erinnere mich aber auch noch gut an meine Jugendzeit als Fußballspieler. Im Strafraum hieß es nicht nur „Arme an den Körper“, man hat sich auch äußerst kleinlich daran gehalten. Denn: wenn die Arme den Körper verlassen hatten, dann musste man befürchten, dass man den Ball dagegen bekommt. Und dann musste man auch sehr ernsthaft damit rechnen, dass der Schiri das sieht und auf den Punkt zeigt. Da weiß ich auf jeden Fall auch, dass man sehr bewusst verhindern kann, den Ball an die Hand zu bekommen. Wenn es doch geschah, gab es die einzige (dafür absolut logische und überzeugende Regelauslegung) Ausnahme. Und die hieß so: Angelegter Arm. Das ist kein Handspiel. Irgendwo musste der Arm ja sein. Und besser als am Körper kann man ihn einfach nicht unterbringen. Ich gebe aber auch gerne zu, dass ein cleverer Fußballer ihn auch dann noch nutzen kann als „Abfangkörperteil“. Man musste ihn einfach nur, obwohl am Körper, ein ganz kleines Stückchen ausfahren, den Ellenbogen knicken und bekam ihn trotzdem dagegen und kein Schiri hat es als Elfer gewertet. Aber das nur am Rande….
Also bitte bitte: Weg mit dieser Regel! Bei Handspiel Elfmeter.
c. Welche Rolle spielt die Auswirkung der Richtungsänderung?
Wenn man unbedingt darauf besteht, dann müsste man dennoch auch hier differenzieren dürfen. Wenn es ein Ball ist, der über die Torlinie gehen würde, selbst wenn dann die Hand nur „unbewusst“ im Wege sein sollte (was ich in praktisch allen Fällen dennoch anzweifle, siehe oben), dann muss man einfach trotzdem Elfmeter geben. Und so gibt es viele vergleichbare Situationen, wo man einfach sagen muss: Hier spielt es keine Rolle, ob die Bewegung zum Ball bewusst oder unbewusst ist: Man muss einfach Elfmeter geben.
Die absurden Situationen, mit denen die Verteidiger heutzutage „davon kommen“, möchte ich hier mal kurz schildern:
Ein Angreifer möchte eine Flanke in den Strafraum bringen. Der Verteidiger stellt sich ihm noch notdürftig in den Weg, der Ball passiert ihn dennoch, zumindest den Körper. Schon beim Abfeuern der Flanke aber reißt der Verteidiger die eigenen Arme hoch, streckt sie bei seiner Grätsche oder was er auch macht, weit über seinen Kopf (zumindest einen Arm). Der Ball prallt dagegen. Die Schiedsrichterentscheidung lautet, wie immer: Weiterspielen.
Eine andere Situation ist die: Ein direkter Freistoß aus 20 Metern. Die Mauer wird mühsam auf 8,20 Meter entfernt. Der Schütze feuert seinen Schuss ab. Alle Spieler in der Mauer halten ihre Arme in Köpfhöhe, so, als ob sie ihren Kopf schützen wollten. Der Ellenbogen wird dabei ausgeklappt, teilweise sogar hochgerissen über Kopfhöhe. Der Ball prallt nicht selten dagegen. Die Schirientscheidung kennen Sie bereits: Weiterspielen.
12) Gelbe Karten – früher und heute
Auch diese Geschichte ist nicht direkt ein Vorschlag zur Regeländerung. Es ist eher eine Auffassung, die man mit der Regel vertreten müsste. Ich habe gerade im Buch „Deutsch – Fußball, Fußball – Deutsch“ gelesen, wie die Regeländerung zur gelben Karte tatsächlich zustande kam. Es war ein Spiel bei der WM 1966 in England. Der deutsche Schiedsrichter Kreitlein hatte einen Argentinier vom Platz stellen wollen (Rattin). Der weigerte sich, der Aufforderung nachzukommen. Angeblich hat er sich später darauf berufen, das Kommando nicht verstanden zu haben, da der Schiri kein Spanisch sprach. Also würden kurze Zeit später die gelben und roten Karten eingeführt.
Nun gut, prinzipiell ist das natürlich in Ordnung. Ich erinnere mich nur mal wieder an die seligen alten Zeiten. Da war es nämlich so, dass die Zuschauer ein Empfinden für Unsportlichkeiten hatten. Ein Spieler, der mehrfach durch ruppiges Einsteigen (oder auch andere Unsportlichkeiten) aufgefallen war, wurde vom Schiri ermahnt oder verwarnt, das war für Zuschauer nicht zu erkennen. Wohl erkannt aber hat man, dass der Spieler unsportlich war. Er wurde in der Folge ausgepfiffen. Er hat die Regeln verletzt, er hat sich unsauber verhalten, er hat böse zugetreten, er hat Zeit geschunden, das wurde einfach mit Pfiffen quittiert.
Heute kommt es mir so vor (und wird auch teilweise so ausgedrückt), dass die gelbe Karte zur Regel dazugehört. Es war alles korrekt in dieser Spielsituation. Ein böses Foul, das muss mit gelb geahndet werden. Der Schiri hat auch gelb gezeigt, alles regelkonform. Jetzt geht’s weiter. Kein Pfiff eines Zuschauers, kein garnix. Ein Teil der Regel. Böses Foul, taktisches Foul, gelbe Karte. Alles korrekt. Weiterspielen.
Verstehen Sie? Die Unsportlichkeit wird durch die korrekte Bestrafung zum Teil der Regel. Es ist dann gar keine Unsportlichkeit mehr, diese wird dadurch vergessen.
Na gut, ist schwer zu verstehen. Ich möchte die Zeiten wieder, da man keine Unsportlichkeiten sehen will. Die Zuschauer nehmen es nicht an. Wenn Stefan Effenberg mal wieder sagt: „Ja, da muss man als Kapitän mal dazwischen hauen, sich Gelb abholen, damit die anderen aufwachen“, dann sollte er dafür ausgebuht werden und nicht der Hut gezogen werden. Das war eine Regelverletzung, Herr Effenberg. Wir wollen keine bösen Tritte sehen! Dann lieber mit Anstand verlieren. So ist es!
Die Medien tragen hier auch ihren Teil dazu bei. Nicht immer nur sagen: Ein Sieg muss her, egal wie. Oder auch: In ein paar Wochen fragt niemand mehr, wie der Sieg zustande kam. Doch, bitte, fragen. Und feststellen. Das war unsauber, unerfreulich, das hat die Regeln verletzt, solche Sieger wollen wir nicht.
13) Die Rückpassregel
Ich erinnere mich noch gut an die Einführung der Rückpassregel. Die WM in den USA 1994 stand vor der Tür. Die Amis wollten ein schnelleres, spannenderes Spiel mit mehr Action und mehr Toren. Sie hatten verschiedene Regeländerungen vorgeschlagen. Diese Rückpassregel wurde eingeführt. Die zweite: die Anweisung an die Assistenten ausgegeben, „im Zweifel bei einer Abseitsentscheidung für den Stürmer“ zu entscheiden.
Das mit dem Abseits habe ich bereits ausführlich erörtert. Es gibt keine Zweifel mehr. Jede Entscheidung wird gegen den Stürmer ausgesprochen. Hinterher kann man dann diskutieren, ob es diesmal zu Recht (dann heißt es: „Gutes Auge. Es war haarscharf.“) oder zu Unrecht (dann heißt es: „Oh, das war ganz knapp, aber hier irrte er sich.“). Frage: was hat das mit der Qualität der Augen zu tun? Die Fahne ist oben. Du kannst diskutieren. Es ist ein eingebauter Reflex. Fahne hoch, wenn’s knapp ist! Damit kommt man immer davon („So knapp wie es immer ist. Wer will da immer richtig liegen? Kein Vorwurf an den Mann.“).
Zur WM hatte es damals übrigens ganz gut geklappt. Es gab viele Tore und tolle, schnelle Spiele, einfach tollen, spannenden Fußball. Das Einschalten hat sich gelohnt, garantiert. Das lehrte mich nur, wie schnell die Amis den Fußball attraktiv machen würden. Und meine Überzeugung gilt heute mehr denn je…
Nun gut, zur anderen Regel: Der Rückpassregel. Ich wusste noch nicht, was sie bringen würde und was ich davon zu halten hätte. Ich habe mir aber bald eine Meinung gebildet. Zunächst mal möchte ich hervorheben, dass die Regel bei korrekter Auslegung und Anwendung durchaus sinnvoll ist. Sie müssten mal ein Spiel in voller Länge sehen, welches vor der Einführung der Regel ausgetragen wurde. Der Torwart bekommt den Ball manchmal 10 Mal hintereinander zugespielt und nimmt ihn einfach auf. Er wirft ihn wieder ab, der angeworfenen Spieler gerät in Bedrängnis, spielt zurück zum Keeper, der nimmt ihn wieder auf, wirft ihn zur anderen Seite, ad infinitum (wissen Sie übrigens, wer bei meiner kleinen Szenario Beschreibung führte??).
Meine Theorien jetzt endlich zu der Regel: ich war kurz nach Einführung der Regel bei einem Fußballspiel im Stadion. Hertha – Wuppertal, 2.Liga. Ein Wuppertaler Spieler kam in höchster Bedrängnis an den Ball, eher war es eine Art Abpraller, der Ball kullerte darauf zurück zum Torwart, dieser nahm den Ball auf. Der Schiri gab indirekten Freistoß. Der wurde verwertet, das Spiel endete 1:0 für Hertha.
Mein erster Gedanke war aber der: Woher sollte der Torwart denn wissen, dass der Schiri diese Aktion als Rückpass werten würde? Es war definitiv kein Rückpass. Der Ball war nur zuletzt am Bein eines Verteidigers. Aber die Entscheidung stand.
Ich hielt die Regel nicht nur wegen dieser Geschichte für absurd, nicht umsetzbar. Meine Theorie (oder Aussage) ist die: theoretisch müsste der Schiri sofort nach dem Verlassen des letzten Spielers, der den Ball berührt hat, wenn sich der Ball also auf dem Weg Richtung Torwart befindet, die Hand heben, um anzuzeigen: „Das ist ein Rückpass, Torwart. Den Ball nicht aufnehmen, sonst gibt’s Freistoß.“ Sie merken schon, dass das einfach absurd, undurchführbar ist. Die Idee der Regel ist gut, die Durchführbarkeit eigentlich nicht gegeben. Ein bisschen wie Abseits. Ohne geht’s nicht, aber mit wird immer falsch (und immer gegen die Angreifer) entschieden.
Die zweite Beobachtung, die ich übrigens machte, war die: ein Torwart, der den Ball nicht aufnehmen darf (was aber keiner der Beteiligten „wissen“ kann, da es nicht angezeigt wird), wird von einem Stürmer bedrängt. Das haben viele damals versucht, auszunutzen. Der Torwart schlägt den Ball hektisch nach vorne. Der Ball landet bei einem anderen Angreifer. Der köpft den Ball beispielsweise wieder nach vorne, einfach, weil es die natürlichste Richtung ist und manchmal auch gar nicht anders geht. Der Stürmer, der für den Ballverlust gesorgt hatte, steht natürlich im Abseits. Das ist auch früher oft so geschehen. Das hatte es auch ein wenig absurd für mich gemacht. Man kann zwar für einen Ballverlust sorgen durch die neue Regel, man kann davon aber nicht profitieren. Diese Befürchtung hat sich aber nicht bestätigt. Heute geht zu vieles um Ballbesitz. Der Torwart, der den Ball unkontrolliert und unter Bedrängnis nach vorne spielt, hat einfach nur (sehr häufig) den Ball für seine Mannschaft verloren. Man versucht gar nicht erst, direkt zu profitieren. Man hat den Ball, das ist der Lohn.
Aber noch eine Situation hatte mich immer beschäftigt und so ganz richtig in der ursprünglichen Form habe ich sie noch nicht erlebt. Ich schildere Ihnen hier zunächst diese Spielsituation:
Ein Verteidiger spielt den Ball, bedrängt oder unbedrängt, zurück zu seinem Torwart. Aber der Pass ist ungenau, der Ball geht am Torwart vorbei und rollt Richtung Torlinie. Der Torwart hat nur noch eine Chance, ihn vorm Überqueren der eigenen Torlinie zu hindert: Er muss ihn mit der Hand aufhalten. Was würde der Schiri entscheiden? Ich würde es gerne mal sehen. Aber ich nehme an, dass er weiterspielen lassen würde. Begründung: die Regel sieht nichts vor für ungenaue Rückpässe. Ein ungenauer Rückpass ist quasi gar kein Rückpass. Der Ball rollt einfach irgendwo übers Spielfeld. Da es im Strafraum ist, darf der Torhüter ihn natürlich in die Hand nehmen. Wie gesagt, ich warte noch darauf. Und ich könnte mir sogar vorstellen, dass die Torhüter in gewisser Panik plötzlich falsch reagieren. Sprich: der Torhüter würde eventuell „vergessen“, dass er den Ball notfalls auch in die Hand nehmen könnte (selbst wenn ein indirekter Freistoß folgen würde; wäre ja nicht so schlimm wie ein Tor), er würde versuchen, ihn mit dem Fuß zu klären und ein Tor kassieren. Möglich. Aber da ich die Situation in echt noch nie in dieser reinen Form gesehen habe (wohl habe ich gesehen, dass ein Verteidiger eine Grätsche zurück macht, der Ball sogar fliegt, der Torwart auch, und zwar Richtung Ball, und hält ihn. Logisch, was die Folge war: Weiterspielen) gehe ich mal davon aus, dass ich ihr mehr Bedeutung beigemessen habe, als sie hat.
Aber wer erinnert sich nicht an das Saisonfinale 2001, als Schalke für viereinhalb Minuten Deutscher Meister war. Dass sie bereits gefeiert haben aufgrund einer Fehlmeldung vom Abpfiff in Hamburg ist der eine Teil der Tragödie. Der andere Teil war der: Ein Hamburger Verteidiger hat den Ball aus 10 Metern Richtung Torwart (aber in Bedrängnis!) zurückgespielt. Der Torwart dachte an nichts Böses. Der Ball war auch äußerst unpräzise, also weit am Torwart vorbei, gespielt. Der Torwart hechtete sich nach dem Ball um eine Ecke zu verhindern (er hätte ihn auch mit dem Fuß erreichen können und zum Einwurf bugsieren, wie von allen Seiten anschließend empfohlen wurde). Der Schiri entschied auf Rückpass. Indirekter Freistoß im Strafraum. Das 1:1 durch Andersson, mit der letzten Aktion der gesamten Saison.
Meine Anmerkung hier nur die: Ich habe die Sat1 Datenbank nicht befragt. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass es die einzige Entscheidung der ganzen Saison auf „unkorrekter Rückpass, mit indirektem Freistoß zu ahnden“ war. Wer kann das mal raussuchen? Oder gibt es darüber keine Statistiken? Aber wenn es so war, dann wird das Ausmaß der Tragödie erst richtig klar. Das einzige Mal, dass ein Schiri auf Rückpass entscheidet ist die letzte Aktion der ganzen Saison. Und das entscheidet die Meisterschaft. Damit konnte der Torhüter nun wirklich nicht rechnen. Da wird so ein Pfiff auf eine ganz andere Art absurd.
Zum Abschluss kann ich noch sagen, welche Rolle die Regel heute spielt: Gepfiffen wird es, wie auch 2001 schon, überhaupt niemals. Das liegt aber nicht an absolut korrekter Einhaltung der Regel. Es liegt daran, dass die Torhüter mit ihrer Aktion einfach die Entscheidung treffen, ob sie diesen Ball aufnehmen dürfen oder nicht. Das läuft ganz einfach so: Wenn der Torwart den Ball aufnimmt, war es kein Rückpass.
Man darf ruhig kurz darüber nachdenken. Man überlege kurz: er wäre doch blöd, wenn er ihn aufnehmen würde, falls es ein Rückpass war? Das Signal an den Schiri lautet also: „Herr Schiedsrichter, schauen Sie, das war kein Rückpass. Deshalb nehme ich den Ball auf.“ Der Schiri akzeptiert. Manchmal begeleitet der Torhüter seine Aktion noch mit einer kleinen Geste Richtung Schiri und bewegt den Zeigefinger hin und her: „Das war keiner. Hast du gesehen?“
14) Einwurf – wo?
Auch an diese Zeiten erinnere ich mich noch sehr gut. Nur, dass ich dazu kaum Erinnerungsvermögen brauche. Allein deshalb, weil die ganzen Kinder, die da so lustig zusammen spielen, heute doch wieder auf dem Tisch tanzen dürfen. Aber der Reihe nach:
Es gab mal eine Zeit, wo das Schinden von Metern beim Einwurf zu auffällig wurde. Die Einwerfer liefen dabei immer weiter nach vorne, weil sie immer noch keinen geeigneten Mitspieler gefunden hatten. Da wurden dann ganz gerne schon mal 10, sogar mehr, Meter „geschunden“. Das fiel den Herren Offiziellen irgendwann auf. Die änderten die Regel. Der Einwurf müsse fortan genau an der Stelle ausgeführt werden, wo der Ball die Auslinie überschritten hat. Falls der Einwerfer sich nicht daran hielte, ist der Einwurf falsch und die Gegenseite erhält den Einwurf zugesprochen.
Absolut sinnvoll, wie ich finde. Es ist nämlich ganz klar, dass die Spieler in der Regel ziemlich genau wissen, wo der Ball ausgegangen ist. Dort ist er auch wieder einzuwerfen. Diese Regel gab es schon, seit es Fußball gibt. Die Neuerung hier: Wer sich nicht daran hält, verliert das Recht komplett, einzuwerfen. Vor der Änderung wurde er lediglich vom Schiri aufgefordert, den Einwurf zu wiederholen. Demnach geschah das “Verlegen” der Einwurfposition ohne Risiko.
Was waren nun die über die Jahre zu beobachtenden Folgen dieser neunen Regel?
Die Spieler fangen an, auf den Stuhl zu klettern. Also sie fangen an, den Einwurf einen einzigen Meter weiter vorne auszuführen. Das wäre doch nun wirklich kleinlich, deswegen ein Vergehen anzudichten und dem Gegner den Einwurf zuzusprchen? Damit ist der eine Meter legalisiert, innerhalb der Regeln akzeptiert.
Also versucht man es bald mal mit zwei Metern. Der eine ist schon mal legal, damit wäre der neuerlich hinzugefügt geschundene ja auch legal? So wird aus dem einen zwei und aus den zweien drei, ganz allmählich. Und nachdem man es das eine Mal bei der einen Mannschaft hat durchgehen lassen, kann man es doch urplötzlich nicht bei der anderen bestrafen? Und dann im nächsten Spiel? Nein, geht eben nicht. Somit ist diese Regel quasi wieder abgeschafft.
Es wurde nie mehr geahndet. Ich erinnere mich an keinen einzigen Einwurf in den letzten 10 Jahren (ach doch, einen gab es!) der aufgrund der falschen Position der Ausführung der gegnerischen Mannschaft zugesprochen wurde. Dabei müsste es eigentlich fast jeder sein!
15) Die Vorteilsregel
Das ist auch eine solch kuriose Regel(auslegung), die man bei genauerem Hinsehen einfach nicht begreifen kann, und welche, auf der Suche nach einem verständlicheren Namen eigentlich in “Nachteilsregel” umgetauft werden mütte. Dazu sollen ein paar Spielsituationen kurz beschrieben werden :
a. Akinbyi
In England sah ich mal ein Spiel aus der zweithöchsten Klasse, als kurz vor Schluss die mit 1:2 hinten liegende Mannschaft (FC Burnley) in den Strafraum vordrang, der am Ball befindliche Spieler (sein Name: Ade Akinbyi) klar und erkennbar gefoult wurde, er dennoch sich durchkämpfte, mühsam auf den Beinen blieb und den Ball trotzdem im Tor versenken wollte. Der Torwart konnte den Schuss aber gerade noch abwehren, das Spiel wurde kurz danach abgepfiffen. Der kurz zuvor gefoulte Spieler schlich Richtung Kabine, kam aber an seinem Trainer vorbei, der ziemlich böse dreinblickte und ihm ein paar noch bösere Worte mit auf den Weg gab. Ich wusste sofort, was er ihm mitteilte. Ich übersetze frei: „Du Idiot. Nächstes Mal lässt du dich fallen, dann kriegen wir Elfmeter und retten einen Punkt.“
Diese kleine Episode passt natürlich auch zum Thema „Fair Play“. Theoretisch müsste der Schiri und auch die ganze Welt das Verhalten als ehrenvoll und fair betrachten, wenn ein Spieler trotz Foulspiels versucht, weiter zu spielen. Es müsste sogar ein Indiz dafür sein, dass er tatsächlich gefoult worden wäre, und zwar im Vergleich zu demjenigen, der schon bei einer kleineren Berührung den Schiedsrichter durch theatralisches Hinfallen, mit einem Schrei verbunden, auf das Foulspiel aufmerksam machen möchte. Tatsache ist aber, dass das Verhalten nicht honoriert wird, insofern also als „Fehlverhalten“ einzustufen ist, im Sinne des Erfolges der Mannschaft. Fair Play ist out, Cleverness und gute Schauspielerei sind gefragt.
Da wir aber gerade beim Thema „Vorteil“ sind, ist in dem Zusammenhang die große Frage, wie der Schiri selber die Szene kommentieren würde. Wenn ich jetzt Mitspieler des Verliererteams wäre und den Schiri fragen würde, warum er den Elfmeter nicht gegeben hätte (Gott bewahre! Gelb wäre mir sicher!) und er zur Antwort geben würde: „Wieso Elfmeter? Ich habe Vorteil laufen lassen“, dann würde ich ihn am liebsten als Pfeife mitsamt seiner Pfeife ungespitzt in den Boden rammen wollen. Denn: Ich weiß ganz gut, was ein Vorteil ist. Und das war keiner, denn der Ball war nicht drin und wir haben das Spiel verloren.
b. Marek Mintal
Diese Szene wurde ebenfalls damals viel diskutiert, allerdings war das Ergebnis der Diskussionen, wie immer nach meiner Einschätzung, sinnlos, gar falsch. Marek Mintal war in letzter Sekunde frei vor dem Tor der Leverkusener aufgetaucht, Spielstand war 1:2, Nürnberg in Abstiegsgefahr, jeder Punkt war wichtig (Saison 2007/2008; Nürnberg stieg am Ende ab). Er wurde klar und erkennbar gefoult. Er hielt sich, ähnlich wie Akinbyi, mühsam auf den Beinen und kam zu einem Torabschluss. Der Ball streifte den Pfosten und ging von da ins Toraus. Alle waren sich einig, dass es sich um ein Foulspiel handelte. Wie hätte er sich verhalten sollen? Hans Meyer, damaliger Trainer bei Nürnberg, kommentierte die Szene so: „Nächstes Mal, sage ich ihm, dass er hinfallen soll.“ Irgendwie wird der Begriff „Vorteil“ etwas falsch verstanden, wie ich finde. Bestand der Vorteil für den Stürmer etwa darin, dass er, durch ein offensichtliches Foulspiel behindert, dennoch, wenn auch aus wesentlich ungünstiger Position und Körperhaltung zum Schuss kam? Der Vorteil also, dass der Schiri ihn nicht an der Ausführung seines Schusses durch einen Pfiff „gehindert“ hat? Den Vorteil hatte eindeutig die Verteidigung, die als Lohn für das Foulspiel kein Tor und keine Verwarnung kassierte, stattdessen aber mit satten drei Punkten nach Hause fuhr.
c. St. Pauli – MSV Duisburg, das 2:2
Absolut kurios die Diskussionen zu dieser Schiedsrichterentscheidung: Es war die Nachspielzeit bei dem Spiel, der Spielstand war 1:2, St.Pauli drängte auf den Ausgleich, hatte ein paar gute Szenen, schon vorher. Jetzt war das Chaos im Strafraum der Duisburger ausgebrochen, die den Ball nicht mehr klären konnten. Ein Stürmer des FC St.Pauli kam fast unbedrängt an den Ball, wollte gerade schießen, als er per Foulspiel daran gehindert wurde. Der Schuss kam allerdings dennoch aufs Tor, Tom Starke, der Torwart der Duisburger, hielt ihn mit einem Reflex, lenkte den Schuss an die Latte, der Abpraller fiel allerdings wieder einem St.Pauli Angreifer auf den Schlappen, er hielt drauf aus 5 Metern, der Ball ging übers Tor. Das ganze spielte sich natürlich in Bruchteilen von Sekunden ab. Der Reflex, der Ball an die Latte, der Abpraller, der Nachschuss, und — der Pfiff des Schiedsrichters. Was entschied er? Er zeigte auf den Punkt! Elfmeter für Pauli, das 2:2, der Abpfiff.
Eine völlig korrekte Entscheidung. Endlich mal ein Schiri, der das so ausgelegt hat, wie man es nur auslegen kann. Es war ein Foulspiel, klar zu erkennen, eine Panikreaktion mit Grätsche, der Schuss noch abgewehrt, der Nachschuss drüber, Elfmeter. Was auch sonst? Es war ja kein Tor, es war aber ein Foulspiel. Ich würde zwar dem Schiri auch noch zubilligen, dass es seinerseits gar keine „Regelauslegung“ (wie von mir gefordert) war, sondern dass es einfach eine Zeitverzögerung gab, die die Szene „überstand“. Er entschied sich gedanklich für Elfmeter, brachte die Pfeife zum Mund, und pfiff. Dass in der Zwischenzeit bereits ein paar andere Dinge geschehen waren, sind nur eine „Randnotiz“. Wäre der Ball drin gewesen, hätte er vielleicht auch auf Elfmeter entschieden, ohne das Tor zu bemerken.
Kurios also nicht die Szene selber, sondern die anschließenden Diskussionen. Tom Starke, der Torwart also, ereiferte sich gar heftig. Er war der Meinung, dass der Schiedsrichter St.Pauli „zwei klare Vorteilssituationen“ eingeräumt hätte, voller Inbrunst, seine Ereiferung. Erst den Schuss, dann sogar noch den Nachschuss. „So etwas hätte er noch nie gesehen oder erlebt.“ Anscheinend berief er sich auf das (mir nicht bekannte) Regelwerk? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass er doch irgendwie spüren müsste, dass der Schiri, selbst wenn nur im moralischen Sinne, „korrekt“ entschieden hat. Es war eine Riesentorchance, die durch ein Foulspiel verhindert wurde. Dafür sieht das Regelwerk garantiert Elfmeter vor. Und den gab es.
d. Chelsea – Liverpool
Dass es auch anders geht, möchte ich mit dem folgenden Beispiel aufzeigen. Grundvoraussetzung für das Verständnis meiner Einschätzung der Szene ist allerdings, dass man sich grundsätzlich auf meine Argumentation einlässt, dass die Schiris „Angst vor Toren haben“ und deshalb ihnen beinahe jedes Mittel Recht ist, mit dem man ein Tor verhindern kann. Die Angst kommt daher, dass ein Tor eine gewaltige Verschiebung der Chancenverteilung zur Folge hat, während ein Nicht-Tor gar keine Verschiebung bewirkt (das natürlich nur virtuell; wenn eine korrekte Verschiebung verhindert wird ist die Auswirkung die Gleiche, aber gefühlt eben nicht). Die Angst ist auch nicht direkt die Angst vor dem Tor, sondern vielmehr die Angst vor dem „inkorrekten“ Tor. Wenn also im Anschluss von der unterlegenen Mannschaft (es mögen auch die Medien sein) nachgewiesen werden kann, dass ein Tor zu Unrecht die Anerkennung fand, dann ist die Aufregung groß. Ein nicht gegebenes Tor sorgt für wenig bis gar kein Aufsehen. Wer sich darüber beschwert „lenkt von den eigenen Fehlern ab“ und „sucht die Schuld immer bei den Schiedsrichtern, anstatt bei sich selber“. So ist es eben. Also lieber ein Tor aberkennen, bei dem auch nur der leiseste Zweifel an der Korrektheit besteht.
Unter diesem Aspekt schildere ich Ihnen die folgende Szene: Es war das Rückspiel im Viertelfinale der Champions League Saison 2008/2009. Liverpool hatte das Hinspiel zu Hause gegen Chelsea mit 1:3 verloren. Es war also fast unmöglich, dass sie noch weiterkämen. Sie bräuchten mindesten 3 Tore, um eine Chance zu haben. Allerdings war ihnen schon nach 20 Minuten das 0:1 gelungen, die Führung. Es fehlten noch zwei Tore. Da kam ein Freistoß lang getreten in den Strafraum von Chelsea. Das übliche Klammern, Ziehen und Zerren an allen möglichen Trikots (bei denen in der Regel die Angreifer als Verlierer hervorgehen; der Schiri entscheidet bequemerweise auf Stürmerfoul, noch bevor der Ball so weit vorne ist), der Ball kommt aber dennoch durch, auf den völlig alleine und frei vor dem Torwart stehenden Skrtel. Dieser befand sich auch absolut nicht in Abseitsposition, da der Ball sehr lange unterwegs war und die Angreifer erst hineinliefen. Der Assistent hatte die Fahne unten. Skrtel nahm den Ball an, hörte aber währenddessen einen Pfiff des Schiedsrichters. Ob er den Ball deshalb aus drei Metern über das Tor schoss, sei dahingestellt. Jedenfalls schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Ob seine Fassungslosigkeit dem Umstand zu verdanken war, dass er den Ball aus dieser Distanz nicht im Tor untergebracht hatte oder ob sie dem Pfiff des Schiedsrichters galt, den er einfach nicht fassen konnte, da er, wie üblich, davon ausging, dass der ihm eine Abseitsstellung oder irgendein anderes nicht begangenes Vergehen ankreiden wollte, sei dahingestellt. Als er sich allerdings umschaute und die Reaktion des Schiris bemerkte, jubelte er plötzlich. Denn der Schiri hatte auf Elfmeter entschieden. Der wurde verwandelt, es stand 0:2, Liverpool brauchte nur noch ein Tor zum Weiterkommen. Das Spiel war wirklich berauschend. Liverpool schaffte gar noch zwei Tore und — schied aus. Denn Chelsea hatte in der Zwischenzeit auch 4 Tore erzielt. Ergebnis 4:4, Liverpool raus. Sieger: Der Fußball.
Teile der Interpretation der Szene habe ich sowohl vorangestellt als auch in der Szenenbeschreibung mitgeliefert. Dennoch hier noch die entscheidende Interpretation: Ich habe die Szene gesehen und weiß ganz sicher, dass der Pfiff ertönte, als der Ball vorne bei Skrtel landete, also noch bevor der (Fehl-)Schuss abgegeben wurde. Der Schiri hatte keine andere Möglichkeit mehr gesehen, ein Tor zu verhindern, als dass er jetzt abpfeift. Denn diese Chance konnte einfach nicht verpasst werden. Dass die Wiederholung eindeutig bestätigt, dass ein anderer Angreifer regelwidrig gefoult wurde (er wurde erkennbar zu Boden gerissen), der Elfmeter also als durch und durch berechtigt angesehen wurde, ändert nichts an meiner Aussage. Denn: Hunderte von anderen Szenen haben auch bereits klare Vergehen der Verteidiger bewiesen, die allesamt NICHT geahndet wurden. Also dass es hier geahndet wurde lag einzig und allein an dem Umstand, dass die Angreifer zu einer noch größeren Torchance gekommen waren OHNE den Elfmeter.
e. Mein Vorschlag
Auch aus diesem Abschnitt kann ich den Leser nicht entlassen, ohne meine Vorschläge zu unterbreiten. Sie sind einfach, logisch und ohne weiteres durchführbar. Dazu noch sind sie immer auf ein Ziel ausgerichtet: Mehr Tore, mehr Spannung, mehr Action, mehr Fans, mehr Gerechtigkeit.
Was ein Vorteil ist, kann jeder erkennen. Und wenn der Verteidiger den Vorteil hat, ist dieser sehr leicht zu erkennen: Es fällt kein Tor. Für den Stürmer ist immer wieder „a mountain to climb“, ein Berg zu erklimmen, um tatsächlich zum Torerfolg zu kommen. Dem Verteidiger genügt es oft, den Angreifer nur geringfügig aus der Balance zu bringen („to put him slightly off balance“). Schon wird es nichts mehr mit dem erfolgreichen Abschluss. Fußball soll ruhig ein Spiel mit Körpereinsatz bleiben. Aber gebt den Stürmern auch eine Chance. Also: wenn ein Stürmer gefoult wird und das vom Schiedsrichter erkannt wird, dann soll er ruhig die Chance behalten, das Tor auch auf ehrliche Art zu erzielen. Wenn es ihm aber nicht gelingt, dann war der vermeintliche Vorteil eben keiner. Dann bekommt er dennoch den Freistoß oder den Elfmeter. Was spricht dagegen? Beim Eishockey wird die Regel schon seit Urzeiten erfolgreich angewandt. Ist denn der Tellerrand so hoch, dass man nicht mal darüber schauen kann? Einfach, logisch, anwendbar und am Wichtigsten: Es gibt mehr Tore. Und selbst das Fair Play kommt nicht zu kurz.
16) Torwart im Strafraum: darf er Hand nehmen, wenn der Ball innerhalb ist oder wenn die Füße innerhalb sind?
Eine weitere Absurdität, auf die, so weit ich weiß, noch nie jemand eingegangen ist. Es ist die Problematik „Handspiel des Torhüters außerhalb(?) des Strafraumes.“ Ich weiß, dass quasi jeder sofort und spontan eine Antwort parat hätte. Ich weiß auch, dass meine Ansichten darüber sicher für zumindest „unüberlegt“ eingestuft werden. Aber ich würde die Problematik hier nicht aufwerfen, wenn ich mir nicht wenigstens schon ein paar Gedanken darüber gemacht hätte. Dazu kommt, dass ich sogar die Regeln studiert habe und sie mir darüber keine Auskunft verschafft haben.
Ich stelle jetzt die Frage: Wo darf der Torhüter den Ball in die Hand nehmen? Gut, einfache Frage, einfache Antwort. Im Strafraum, du Knallkopp. Nun ist es hier wie in anderen Situationen auch. Welche Instanz klärt in Grenzbereichen den Sachverhalt? Der Ball oder der Körper des Torwarts? Sind es gar die Hände? Nun, auch da erwarte ich eine relativ klare und eindeutige Antwort: Sie werden vielleicht oder auch ganz sicher sagen: Der Ball, ist doch klar. Vielleicht sagt ein Anderer auch, vielleicht ebenso, vielleicht etwas weniger überzeugt: „Na, der Körper.“
Eines ist aber ganz gewiss: ich habe für beide Möglichkeiten der Regelauslegung Szenen gesehen. Und ich habe eine recht einfache Theorie. Diese lautet: Entweder der Körper ist im Strafraum, oder der Ball ist im Strafraum. Selbst dabei habe ich eine noch weiter gehende Regelauslegung ausgemacht: Theoretisch genügt es, wenn der Ball noch von innen betrachtet die Linie gerade so berührt, also maximal weit draußen ist, aber demnach noch als „innerhalb“ angesehen werden könnte. Die Frage, die sich anschließt: Warum eigentlich? Eine weitere, sehr gewagte Theorie lautet: Die Schiris wissen es selber nicht, worauf es ankommt. Nun, ich schildere Ihnen zum Beleg die eine oder andere Spielsituation.
Ein Torwart springt innerhalb des Strafraums ab und boxt einen Ball über einem Angreifer hinweg aus dem Gefahrenbereich. Habe ich oftmals gesehen. Der Torwart würde, wie selbstverständlich darauf verweisen, dass er doch innerhalb des Strafraumes seine Abwehraktion begonnen hat (vergleichbar mit dem Volleyball). Der Schiri würde ohnehin laufen lassen.
Auch die folgende Szene habe ich schon vielfach gesehen: Ein Angreifer versucht, einen Steilpass zu erlaufen. Der Torhüter stürmt ihm entgegen. Der Torwart merkt, dass er den Ball möglicherweise noch innerhalb des eigenen Sechzehners erreichen kann und mit der Hand aufnehmen kann. Der Ball springt auf, der Torwart wartet innerhalb seines Strafraums. Der Torwart muss aber die Arme beide nach vorne strecken, um den Ball vor dem Stürmer zu erreichen. Er achtet peinlich genau darauf, dass seine Füße innerhalb seines Strafraums bleiben, die Arme aber greifen nach vorne, nicht selten reichen sie nach außerhalb des Strafraums. Die Entscheidung des Schiedsrichters ist unstrittig: Weiterspielen. Ohne Diskussion.
Für die andere Auslegung der Regel gibt es auch ein paar Belege. Alternative Situation: Ein Torwart ist außerhalb seines Strafraumes geraten, Zweikampf, Laufduell. Aber der Ball ist innerhalb des Strafraumes. Der Torwart merkt, dass er den Ball mit den Händen erreichen kann. Er stürzt sich von außerhalb des Strafraumes auf den Ball, begräbt ihn unter sich. Die Füße lagern außerhalb, der Ball ist innerhalb: Die Entscheidung des Schiedsrichters? Keine Frage: Weiterspielen.
Aber eines ist doch gewiss: Zumindest eine der beiden Aktionen müsste ein Handspiel gewesen sein. Oder aber, die Regel lautet so, wie ich sie formuliert habe. Entweder Körper oder Ball. Das ist zwar ausgeschlossen, wie ich finde. Aber wenn es so wäre, würde ich es einfach ändern. Auf entweder oder.
Eine Spielsituation möchte ich in diesem Zusammenhang auch gerne noch erörtern: Die Abschläge. Also diese aus der Hand. Diese sind, vergleichbar mit Einwürfen, eigentlich immer falsch. Zunächst mal rennen die Torhüter sehr häufig ohnehin schon mit Ball über die Linie. Eine Frage hier wieder zum Regelverstoß: Würde es genügen, falls es um die Füße ginge, wenn ein Fuß die Linie gerade noch berührt beim Verlassen? Und auch hier gibt es zwei Arten des Verlassens: Torhüter-Strafraum und Ball-Hand. Und wenn ja, warum eigentlich? Warum immer Vorteile für die Torhüter einräumen? Aber wenn sie das nicht tun, dann tragen sie ihn mit den Händen vor ihrem Körper, also ist der Ball garantiert noch in der Hand, aber bereits außerhalb des Strafraumes. Zur Statistik: Anzahl der fehlerhaft ausgeführten und geahndeten Abstöße in den 500 zuletzt von mir live beobachteten Fußballspielen: 0. Exakt 0. Alle Abschläge sind korrekt. Prinzipiell. Egal, wer wann und wie und wo die Linie überquert hat. „Na, du bist aber kleinlich.“ Für mich geht es aber nur darum: Kennt jemand die richtige Regel? Existiert sie überhaupt? Wie lautet sie? Und wenn ja, wird sie angewendet? Wenn nein: Warum wird sie dann nicht formuliert? Und wenn sie formuliert wird oder bereits ist: Warum wird sie nicht für die Torhüter ungünstiger formuliert? Vorteile habe diese schon genug, Und 0:0 gibt’s auch schon genug. Also: Einfach erschweren für die Torhüter. Und nicht alles durchgehen lassen, was die Torleute machen. Ab und zu auch mal einen Freistoß gegen den Torwart pfeifen.
17) Absurde Elfmeter Situation bei Hoffenheim gegen Bochum
Es war das Spiel Hoffenheim – VfL Bochum in der Saison 2008/2009. Ein Hoffenheimer Spieler drang auf weit außen in den Strafraum ein. Er spielte den Gegenspieler mit einem gekonnten Trick aus. Der Ball kam dabei auf der Torauslinie zum Liegen, vom Hoffenheimer gestoppt. Der Verteidiger hatte diese Aktion nicht vorhergesehen und hat den Hoffenheimer glatt umgesenst, so dass dieser den auf der Torauslinie liegenden Ball nicht weiter verwerten konnte. Die Aktion geschah ziemlich eindeutig außerhalb des Spielfeldes. Ich sah das Spiel an und rief sofort empört: „Elfmeter!“ Der Schiedsrichter erhörte mich und pfiff. Es gab Elfmeter. Für mich die einzig richtige Entscheidung.
Die anschließenden Diskussionen aber bestätigten mal wieder meinen Gesamteindruck: ich bin wirklich ein Exot, so etwas für korrekt zu halten. Der Schiedsrichter rechtfertigte seine Entscheidung mit der absurden Begründung, dass er der Meinung gewesen wäre, das Foulspiel hätte gerade noch auf der Linie begonnen und somit wäre sie korrekt gewesen.
Wenn ich mit meinem Halbwissen und geringen Verstand allerdings hätte begründen dürfen, dann hätte ich sämtliche Regelkommissionen mal wieder ausgelacht, hätte den Elfmeter ebenfalls gegeben und hätte vorbehaltlos eingestanden, dass die Aktion außerhalb des Spielfeldes stattgefunden hat. Nun, ich wäre als Schiedsrichter für so viel Regelunkenntnis und nachgewiesener Dummheit entweder aus dem Verkehr gezogen worden oder zum „Idiotentest für Schiedsrichter“ verdonnert worden. Aber auch da hätte ich gleich mal wieder die Korrektheit meiner Entscheidung untermauert.
Die findigen Berichterstatter hatten nämlich bereits zur Halbzeit herausgefunden, dass Elfmeter die falsche Entscheidung war. Denn in den Regeln stünde eindeutig, dass eine Voraussetzung für ein ahndungswürdiges Foulspiel durch Elfmeter die sei, dass die Aktion „innerhalb des Spielfeldes“ stattfindet. Ich nehme prinzipiell erstmal an, dass die Herren im Moment der Notation dieser Regel nicht an einen solchen Sonderfall dachten.
Sie erinnern sich vielleicht an die Situation, auch aus der Bundesliga jüngst, als ein Verteidiger bei seiner Aktion außerhalb des Spielfeldes zum Liegen kam, der Angreifer aber, der den Ball dann ins Tor bugsierte, in dem Falle als Abseits gegolten hätte, dass der Verteidiger außerhalb des Spielfeldes NICHT als zusätzlicher Gegenspieler gegolten hätte. Der Schiri hat das aber, nach meiner und auch nach Einschätzung der anschließend darüber befindenden Medien, korrekt nicht so gewertet und das Tor hat gegolten. Für mich auch ganz klar deshalb: die Verteidiger hätten ja sonst ein zusätzliches Mittel der „Abseitsfalle“ zur Verfügung, wenn sie einfach durch kurzzeitiges Verlassen des Spielfeldes einen Stürmer Abseits stellen könnten. Man stelle sich vor: Ein Verteidiger sieht den tödlichen Pass kommen, aber anstatt dem Stürmer entgegenzugehen und so das Schlimmste verhindern zu wollen, macht er kurz einen Schritt nach hinten, der Pass kommt, der Schiri entscheidet auf Abseits. Absurd einfach.
Ähnlich ist es auch mit der Abseitssituation, in der zwei Angreifer auf den Torwart zustürmen, ohne Gegenspieler, und der Ball führende, als der Torwart auf ihn zukommt, im letzten Moment quer zum anderen Angreifer passt, den Ball erkennbar in der Bewegung nach vorne spielt, jedoch der zweite Angreifer im Moment des Abspiels sich hinter dem Ball befindet. Dann hat er zwar, wie laut Regel verboten „den Ball nach vorne gespielt“, jedoch ist das nicht als Abseits zu ahnden, da es um die Position des Mitspielers und nicht um die Laufrichtung des Balles geht.
Demnach würde ich also bei der beschriebenen Elfmetersituation von Hoffenheim die Regel so interpretieren, dass die Aktion innerhalb des Spielfeldes stattfand, da ja offensichtlich DER BALL innerhalb war. Insofern für mich ein klarer Elfmeter.
Was mir übrigens in der anschließenden Diskussion ein wenig zu kurz kam, war die Überlegung, welche Entscheidung denn „korrekt“ gewesen wäre. Die Frage wurde nämlich nicht einmal gestellt. Es wurde nur ausgesagt, dass es sich bei dem Elfmeter um eine Fehlentscheidung gehandelt hätte. Was hätte der Schiri denn pfeifen sollen? Ich habe mich dann wilden Spekulationen darüber hingegeben, wie die Antwort derjenigen, welche die Feinheit der Regel herausgekramt hatten, wohl ausgefallen wäre. Meine letzte Version war diese hier: Freistoß außerhalb des Spielfeldes. Und bei der Ausführung wird auf Abstoß entschieden, da der Ball klar im Aus ist. Wozu sind wir schließlich Deutsche? Da muss alles seine Ordnung haben. Gerechtigkeitssinn wird bei uns nicht mit der Muttermilch verabreicht, sondern offensichtlich und das auch noch vorsätzlich „ihr vorher entzogen“.