Nach meinem temporären Hamburg-Auftritt war ich wieder nach Berlin zurückgekehrt. Da ich Britta einfach nicht bekommen konnte – oder doch? Details bitte dem an anderer Stelle erzählten amourösen Kapitel „Britta“ entnehmen – hatte ich mich in einem Anflug von Schwäche mit Ilona eingelassen. Wir bewohnten gemeinsam das „Hotel Papa“. Ich hielt mich auch recht ausdauernd an der Uni auf, allerdings nicht direkt zu dem eingetragenen Studium, sondern eher auf einer eigenmächtigen Umschulungstournee. Durch die Vorlesung „ALGOL 68“ hatte ich die Zugangsberechtigung zu der Harris Grissrechenanlage und gehörte über viele Monate dort beinahe zum Inventar. Ich entwickelte dort mein Black Jack Programm und bald auch das erste Fußballprogramm, welches allmählich zu einem Prognosetool entwickelt wurde. Im Frühjahr ´86 aber beschloss ich, meine Spielerkarriere komplett „auf Eis zu legen“. Ich konnte an einer einjährigen, staatlich geförderten richtigen Umschulungsmaßnahme zum EDV-Fachmann/Wirtschaft teilnehmen. Dazu exmatrikulierte ich mich gezwungenermaßen und hatte den Sommer bis zum Beginn der Maßnahme komplett frei.
Ideal also, um die wieder in Mexiko stattfindende Weltmeisterschaft zu verfolgen, da die Spiele, wie bereits 1970, spät abends bis tief nachts stattfanden. So verpasste ich bei dieser WM nur in etwa anderthalb Spiele, als ich an einem Wochenende zur Deutschen Blitzschachmeisterschaft fahren durfte und die Rückfahrt etwas länger als erhofft dauerte.
Ansonsten wurde Fußball geschaut. An dieser Stelle möchte ich mal mein persönliches Empfinden und Erleben einer Weltmeisterschaft erzählen, und was mich warum fasziniert hat. Wenn das Turnier bevorstand war das Gefühl in etwa vergleichbar mit der kindlichen weihnachtlichen Vorfreude. Als ich einmal vor der 98er WM mit einem englischen Bekannten sprach, da verriet er mir die Formulierung, die ich bis heute überzeugend finde, rein von der Formulierung. Er sagte nämlich: „I cant wait.“ Die Vorstellung, „nicht einmal warten zu können“, hat mir gut gefallen.
So war es also, bevor es losging. Dazu wurden regelmäßig die Fußballbilder gesammelt, damit ich mich allmählich mit Spielern, Aufstellungen und Mannschaften, deren Chancen und Spielstärken vertraut machen konnte. Andere Vorberichte wurden natürlich ebenso gierig verschlungen und zurate gezogen. Auf diese Art sucht man sich auch seine eigenen Idole oder Geheimtipps, Mannschaften oder Spieler, auf die man sich richtig freut, da man für möglich hält, dass sie von der Allgemeinheit unterschätzt werden. Dazu noch wusste man ja aus einiger Vorerfahrung, dass es immer ein paar Überraschungen gibt, ein paar Exoten, die vielleicht hier oder da einem Großen ein Bein stellen konnten. Darüber hinaus konnte ich mich auf spannende Gruppenkonstellationen freuen, die mir regelmäßig Freude bereiteten, sie durchzurechnen. Wer bei welchen Ergebnissen weiterkommen oder ausscheiden würde, das machte Klein-Pauli Freude.
Das Schicksal der Deutschen Mannschaft interessierte mich in diesen Jahren nicht mehr als das der anderen Teilnehmer. Dass sie weiterhin „Vorrang“ hatten, hatte ich ausschließlich der Berichterstattung zu verdanken, die mir tägliche Berichte aus dem Deutschen Lager lieferte und für die die anderen Mannschaften im Wesentlichen nur dann interessant waren, wenn sie gegen die Deutschen spielen mussten. Sicher, bei einer WM wurden so etwa ab 1974 alle Spiele übertragen, so dass die Kommentatoren sich Not gedrungen auch mit den Chancen und den Zuständen der anderen Teilnehmer beschäftigen mussten. Aber es war eher eine Art Pflicht, so mein Gefühl. Nun gut, in gewisser Weise habe ich zwar Verständnis für ein solches Verhalten, da für die meisten Bundesbürger einfach das Abschneiden der eigenen Mannschaft im Vordergrund steht –in anderen Ländern vielleicht genauso. Aber ein bisschen mehr Begeisterung und auch Objektivität für Andere könnte hierzulande ganz gut tun. Ich behaupte einfach mal, dass gerade in Deutschland das Gefühl vermittelt und aufrechterhalten wird, dass Deutschland der Nabel der Welt ist. Wenn man die bescheidenen Urteile anderer Urlauber in die Wagschale wirft, wenn man im Ausland aufeinander trifft, könnte das diese unerfreulichen Erkenntnisse bestätigen. So viel Haue ich auch dafür einstecken mag, eine Beobachtung ist die, dass ein Deutscher es zum Beispiel nicht für nötig hält, eine andere Sprache zu erlernen. Dabei haben Vorurteile immer zwei Eigenschaften: Sie stimmen im großen Ganzen. Und sie treffen niemals auf den aktuellen Gesprächspartner (hier: Leser) zu.
Jetzt kommt aber noch ein Phänomen hinzu: Die Vorrunde umfasste 1982, 1986, 1990 und 1994 24 Mannschaften. Also gab es 6 Gruppen á vier Mannschaften. In jeder Gruppe wurden sechs Spiele ausgetragen, damit Jeder gegen Jeden gespielt hat. Das macht 6 * 6 = 36 Vorrundenspiele. Danach kam das Achtelfinale mit 8 Spielen, Viertelfinale mit 4 Spielen, Halbfinale noch zwei Spiele und das Finale, ein Spiel, für wahre Enthusiasten noch das Spiel um Platz 3, also ab Achtelfinale noch 8 + 4 + 2 + 2 = 16 Spiele. Vorrunde sind 36 Spiele, danach nur noch 16 Spiele. Das bedeutete für mich, dass, wenn alle sagten „jetzt geht es erst richtig los“, es für mich praktisch schon vorbei war. Ich freute mich nur auf die Vorrunde so richtig. Jeden Tag viele Spiele, alle Mannschaften dürfen noch mitspielen und man kann rechnen, wer mit welchem Ergebnis weiter kommen kann, welches benötigen würde und wer auf wen treffen könnte, wenn er weiter käme. Ab Achtelfinale gab es nur noch k.o. Spiele, die noch die bedauerliche Begleiterscheinung hatten, dass man die eine Mannschaft fortan nicht mehr sehen konnte und zum Rechnen gab es auch nicht mehr viel, dazu die geringe Anzahl der verbleibenden Spiele. Ich verstand also nicht, was mit „jetzt geht’s erst los“ gemeint sein konnte?
Nie war übrigens das Englische Sprichwort, für welches ich keine Deutsche Entsprechung finden kann, passender als an dieser Stelle: „You can´t have the cake and eat it.“ Du kannst nicht den Kuchen haben und ihn essen. So waren die Turniere. Es war wunderbar, das weihnachtliche Gefühl der Vorfreude. Aber der Kuchen musste gegessen werden. Und mit der Vorrunde war er schon weit über halb aufgegessen. Und das ohne Wahlmöglichkeit.
So schön es auch für mich war, um 3 Uhr morgens ein Spiel wie Portugal gegen Marokko schauen zu können, hier und für dieses Werk muss mich das Schicksal der Deutschen speziell bei diesem Turnier, aber wieder einmal unter dem Aspekt „die Duseldeutschen“ beschäftigen. Die Gruppenauslosung bescherte ihnen mit Uruguay, Schottland und Dänemark eine nicht ganz so einfache Aufgabe wie sonst immer üblich. Wobei ganz echte Schwergewichte auch da nicht bei waren. Im ersten Spiel bekamen sie es mit Uruguay zu tun. Da die Südamerikaner heimischem Boden und Verhältnissen wesentlich näher waren als in Europa üblich, so wurde diese Aufgabe auch erwartet schwer. Es kam zu einem 1:1 Unentschieden. Im zweiten Spiel gegen Schottland trafen sie auf ihren kongenialen Widerpart: Das, was die Deutschen an Glück hatten, hatten die Schotten immer wieder an Pech. So hätten einem schon 1978 die Tränen kommen können, als sie zwar die übermächtigen Holländer mit 3:2 besiegten, aber dennoch nach den damals üblichen Regeln – bei Punktgleichheit zählt das Torverhältnis – ausgeschieden waren. Und das war kein Einzelfall für Schottland.
Wie üblich gewannen die Deutschen also dieses Spiel mit 2:1. Es gäbe auch mal andere Ergebnisse. Auch bei dem speziellen Spielverlauf.
Nun muss man an dieser Stelle wieder ein paar Worte über den erneut geänderten Austragungsmodus verlieren: Die lächerlichen Dreiergruppen von 1982 waren wieder abgeschafft. Stattdessen sollte es ein echtes Achtelfinale geben mit 16 Mannschaften. Nun überlege man, wie macht man aus 24 Mannschaften 16? So sehr es auch für mich erfreulich war. Es wurden 36 Vorrundenspiele ausgetragen, um die Anzahl der Teilnehmer von 24 auf 16 zu reduzieren! Wie gesagt, für mich war es interessant und dem Geiste eines Endturniers entsprechend war es auch gut, dass jeder qualifizierte Teilnehmer zumindest seine drei Gruppenspiele garantiert bekam. Der Kommerz kam auch nicht zu kurz, indem die WM längst weltweit übertragen wurde. Aber der sportliche Wert ist zweifelhaft. Die Verantwortlichen mussten sich ja auch noch eine Regelung ausdenken, um das Vorhaben umzusetzen. So beschloss man, dass die Gruppensieger und Gruppenzweiten weiterhin durch waren, klar. Das ergibt bei sechs Gruppen 6 * 2 = zwölf Mannschaften fürs Achtelfinale. Die anderen vier sollten die besten vier Drittplatzierten werden. Und spätestens da wird es sportlich fragwürdig und noch dazu höchst kompliziert. Denn es musste ja festgelegt werden unter welchen Umständen wer gegen wen im Achtelfinale zu spielen hat. Und was passiert bei Punkt- und Torgleichheit? Ich möchte das Verfahren aber nur an den erforderlichen Stellen näher erläutern.
Für Deutschland bedeuteten diese beiden Ergebnisse bisher wie üblich bereits die gesicherte Qualifikation für das Achtelfinale. Man spielte im dritten Spiel also nur noch um Gruppensieg beziehungsweise um die Platzierung. Und im Nachhinein habe ich sehr viel Verständnis für Franz Beckenbauer, den Trainer damals, aufgebracht, als er auf die erbosten Reporterfragen schlichtweg behauptete, bei dem erspielten 0:2 eines der besten Spiele einer deutschen Mannschaft gesehen zu haben. Denn möge man über die Leistung denken, wie man wolle, das Ergebnis selber war wirklich „gut“. Und ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. Die Deutschen hatten „zufällig“ anschließend im Achtelfinale Marokko zum Gegner, während sich Gruppensieger Dänemark mit „Aufbaugegner“ Spanien auseinandersetzen durfte. Das 1:5 der Dänen war sicher nur ein Ausrutscher?! Die Deutschen aber nahmen Marokko regelrecht auseinander. Denn schon in der 88. nahm sich Lothar Matthäus ein Herz und hämmerte einen Freistoß aus ca. 40 Metern aufs Tor, der dem Torwart tatsächlich durch die Hosenträger rutschte. Das 1:0 und das Viertelfinale der Lohn für die zwei Glanzleistungen.
Die Dänen hatten ihre Naivität bereits (teuer) bezahlt, so wie die DDR damals 1974. Aber das Glück der Deutschen war noch nicht ansatzweise aufgebraucht. Denn so richtig belohnt wurde man erst im Viertelfinale. Dort bekam man es mit Veranstalter Mexiko zu tun. Die Folgepaarungen standen aber schon fest, es wurde nicht etwa gelost. Konnten die Deutschen schon wieder „zielen“, wie schon 1974? Und Mexiko hatte bereits mehr als die Pflicht Achtelfinale erfüllt. Das Viertelfinale war schon Bonus. Von allen Gegnern dort waren die Mexikaner mit Sicherheit auch noch die leichtesten. Aber auch ein solches Spiel muss erst noch gewonnen werden, selbst wenn die Welt mit Sicherheit Deutschland als Favorit sah und das objektiv so gewesen sein kann. Die Art und Weise, wie die Mexikaner niedergerungen wurden, war aber wieder einmal „typisch deutsch“. Glück, Glück ,Glück nämlich. Denn Briegel wurde irgendwann vom Platz gestellt und man musste mit 10 gegen 11 gegen die dann euphorische Heimmacht durchhalten. Das gelang natürlich nicht nur über die vollen 90 Minuten sondern auch noch über die Verlängerung hinaus. Das 0:0 war besiegelt Der Sieger musste mal wieder in einer rein deutschen Angelegenheit ermittelt werden: Dem Elfmeterschiessen. Immerhin gelang es den Mexikanern, einen der vier getretenen Elfmeter zu versenken. 4:1 für Deutschland. Eine klare Angelegenheit!?
Auch hier reißt das Glück aber noch lange nicht ab. Im Halbfinale wartete mal wieder Frankreich, wie schon 82. Die sannen natürlich auf Rache für Battiston und eine unverdiente Niederlage. Nur hatten sie in einem der besten Weltmeisterschaftsspiele im Viertelfinale Brasilien ausgeschaltet. Ich habe das Spiel später noch einmal angeschaut, die vollen 120 Minuten plus das Elfmeterschießen. Und wenn einmal die Formulierung angemessen war „dieses Spiel hätte zwei Sieger verdient“, dann hier. Das war wie Slapstick. Torchance hier, Torchance, dort, rauf und runter. 120 Minuten lang. 1:1 am Ende, aber auch 4:4 hätte man akzeptiert. Tragisch, dass eine dieser beiden phantastischen Mannschaften ausscheiden mussten. während die Schlaftabletten Deutschland weiterspielen durften. Ich sehe Sokrates noch vor mir, als sein Elfmeter verschossen war. Und bis heute kann es mir Tränen entlocken. Immer vor dem Hintergrund, dass sich Deutschland mal wieder die Hände reiben durfte. Und Frankreich nach dieser Großtat für das Halbfinale zugeteilt bekam.
Auch dieses Halbfinale ist für mich mehr als denkwürdig. Die Franzosen würden sich sicher nicht trauen, zu behaupten, dass sie die klar bessere Mannschaft waren. Denn das denkt seit etwa 40 Jahren fast jeder große Gegner. Nur am Ende steht man immer wieder mit leeren Händen da. Und in Deutschland würde man nur ein „von wegen besser. Wer die Tore macht war besser“ hören. So fühle ich mich ausgesprochen einsam auf der Welt. Vor allem mit der Einschätzung, dass Deutschland weitaus klarer unterlegen war, als 1982. Ein frühes Tor – war das der abgefälschte Freistoß von Brehme oder soll ich für dieses Turnier einmal meinen Vorsatz, nicht zu recherchieren vergessen? – danach Einbahnstrasse Richtung deutsches Tor. Und egal, wie viele Chancen. Der Ball ging einfach nicht rein. Letzte Minute, die französische Abwehr komplett entblößt, ein langer Ball, Völler alleine durch, den macht er – 2:0. Abpfiff.
Deutschland im Finale. Die Argentinier hatten unterwegs England mit einem überragenden Maradonna und seiner „Hand Gottes“ in dem wegen des Falklandkrieges sehr brisanten Duells ausgeschaltet, die Brasilianer waren auf der Strecke geblieben, auch die Spanier und die Italiener. Die Giganten hatten sich gegenseitig zerfleischt, während Deutschland sich mit einem einzigen Tor aus dem Spiel heraus in der 88. gegen Marokko, einem Elfmeterschiessen und dann über einen Glückssieg gegen die von einem gigantischen Sieg gegen Brasilien vielleicht sogar leicht erschöpften Franzosen, die dennoch die weit bessere Mannschaft, „durchgemolcht“ und waren im Finale. Wie ungerecht kann die Welt sein! Und keiner merkts. Keiner stoppt die Bestie mit den sieben Leben und den gigantischen Tentakeln. Sie wird von Geisterhand gesteuert immer wieder ins Finale gebeamt. Wie geht so was?
Das Finale selber hat insofern besonderen Erinnerungswert, als es doch noch eine sehr späte Gerechtigkeit gab. Die Argentinier mit dem in diesem Turnier an der Spitze seiner Leistungsfähigkeit stehenden Maradonna schienen einem einfachen Sieg zuzustreben, als sie nach etwa einer Stunde bereits mit 2:0 in Führung lagen. Doch auch für dieses Spiel hatten die Deutschen noch ein paar Pfeile im Köcher. Anschlusstreffer durch Rummenigge, Ausgleich durch Völler. Das konnte doch nicht wahr sein? Nur muss ich auch für dieses eine Mal eine Legende bestätigen, wo ich doch sonst immer alle möglichen Zweifel an der Geschichte anzubringen habe: Die Deutschen glaubten in ihrer Euphorie nun, die Welt im Sturm erobern zu können. Einmal Weltmeister, immer Weltmeister oder so ähnlich. Sie stürmten sofort weiter und rannten praktisch alle nach vorne. Die Abwehr war komplett entblößt, als Burruchaga, von Maradonna in Szene gesetzt, alleine auf das Deutsche Tor zulief und auch keine weichen Knie mehr bekam, sondern den Ball kompromisslos an Schumacher vorbei in die Maschen hämmerte. Nicht der geringste Zweifel, dass Argentinien ein verdienter Weltmeister war. Falls es nicht Frankreich oder Brasilien sein durfte…
Ein paar interessante Begebenheiten gibt es aber auch noch darüber hinaus zu erzählen:
Zum Beispiel die Absurdität der Regel, dass die besten vier Drittplatzierten weiterkommen würden, hatte an einer Stelle die folgende Auswirkung. Als es im letzten Vorrundenspiel der Deutschlandgruppe zu der Paarung Uruguay – Schottland kam, wurde einmal mehr das Pech der Schotten offenbar. Das Spiel ging nämlich so: In der ersten Minute wurde ein Uru vom Platz gestellt. Der früheste Platzverweis bei einem Endturnier. Dazu noch hatte Uruguay nur den Punkt vom 1:1 aus dem Auftaktspiel gegen Deutschland auf dem Konto. Das Spiel gegen Dänemark wurde sang- und klanglos mit 1:6 verloren, die Dänen mit den überragenden Preben Elkjaer Larsen und einem noch jungen aber hoch veranlagten Michael Laudrup.
Also 2:7 Tore und ein Pünktchen für Uruguay. „Nothing to write home about“, eher ein Grund, mit gesenkten Häuptern herumzulaufen. Und nun stand auch noch die 90-minütige Abwehrschlacht mit 10 gegen 11 Mann gegen Schottland bevor. Als aber bei diesem Spiel der Schlusspfiff ertönte und das 0:0 tatsächlich besiegelt war, sehe ich bis heute die gigantische uruguayische Spielertraube, die sich am Mittelkreis bildete, inklusive aller Offiziellen. Unglaublich! Die Regeln waren verantwortlich, dass die Urus tatsächlich mit diesen drei Ergebnissen als viertbester Drittplatzierter das Achtelfinale erreicht hatten und sch derart euphorisch freuen durften!
Eine weitere Erinnerung ist das Handtor von Maradonna. Ich verstehe so gut, dass er später davon sprach, dass es „die Hand Gottes“ war, die für dieses Tor verantwortlich war. Das, was als Anmaßung, gar als Gotteslästerung, aber zumindest als unverschämte Dreistigkeit und Leugnen des wahren Sachverhaltes ausgelegt wurde, ist doch in Wahrheit ein Schuldeingeständnis. Im Prinzip gibt er zu, was die Kameras ohnehin nicht verheimlichen ließen, dass es Handspiel war. Andererseits ist doch das Tor anerkannt worden. Es gäbe nur die Möglichkeit, die Hand gar nicht erst zu nehmen. Aus der Erfahrung und Beobachtung als Fußballspieler weiß ich aber, dass man teilweise die Regeln gerne mal missachtete, vor allem in dem verständlichen Bemühen, irgendwie noch an den Ball zu gelangen. Die Verteidiger tun ja auch alles, um einen Stürmer aufzuhalten und am erfolgreichen Abschluss zu hindern. Und sie gehen mit der Wahl der Mittel immer an die Grenzen, falls sie diese nicht bereitwillig überschreiten, in der Hoffnung, dabei nicht ertappt zu werden. Und wie oft weiß ein Stürmer zum Beispiel beim Kopfball, dass er gehalten oder runtergezogen wurde und nur dadurch nicht zum Torerfolg kam. Nun würde doch kein Verteidiger auf die Idee kommen, zum Schiri zu gehen und zu sagen: „Hey, Schri, hast du nicht gesehen? Ich hab den Mann festgehalten, das war ein Elfer“, oder? Es gibt den Begriff der Tatsachenentscheidung. Und die Stürmer sind viel häufiger Opfer dieser Tatsachenentscheidung. Sie werden gefoult, der Verteidiger nimmt die Hand zu Hilfe, es gibt keine angemessene Bestrafung in Form eines Elfmeters. Aber ein Stürmer darf sich nicht auf diese Regel berufen? Darf nicht versuchen, dass einmal zu seinen Gunsten auszunutzen?
Dazu kam, dass sich die Argentinier sicher über lange Zeit von der Kolonialmacht England unterdrückt fühlten. Und in diesem Jahr waren sie sowieso die bessere Mannschaft. Der Sieg war verdient. Wer erinnert sich nicht an das zweite Tor von Maradonna, als er ab der Mittellinie fast die gesamte englische Mannschaft „vernaschte“ und sich in etwa sieben Engländer allesamt auf dem Hosenboden sitzend verwundert die Augen rieben, als der Ball im Tor war? So sagte Maradonn im Prinzip nur, dass es ein Sieg und eine Entscheidung der Gerechtigkeit war. Und Gott ist doch gerecht? Es sei denn, es geht um eine mitteleuropäische… aber lassen wir das.
Falls man aber der Meinung bleiben sollte, dass Maradonna sich selbst hätte anzeigen müssen, und das so etwas ein ehrbarer Deutsche nie machen würde, sei an das Phantomtor von Thomas Helmer im Spiel der Bayern gegen Nürnberg erinnert, als der Ball neben das Tor ging, Helmer sich sogar entgeistert an den Kopf fasst ob der vergebenen Chance, der Linienrichter aber auf Tor entschied und Helmer und ganz Bayern in Jubelstürme ausbrachen und das „Tor“ zu feiern begannen. Das war wesentlich dreister als Maradonna. Und auch hier ein kleiner Sieg der Gerechtigkeit. Die Offensichtlichkeit dieses „Betruges“ brachte den Bayern ein Widerholungsspiel des durch dieses Tor mit 2:1 gewonnen Spieles ein.
Und dieses gewannen sie mit 5:0 Eben gerecht. Wie die ganze Welt. Und Gott?!?!?