Sowie man einen solchen Satz fertig gedacht, ausformuliert und verrückterweise auch noch zu (virtuellem) Papier gebracht hat, durchzucken einen folgende Gedanken: Ich weiß, was der sich hierher verirrte Leser nun tun wird: Er muss nicht einmal lachen, so lächerlich ist das Ansinnen. Er nimmt den Zettel, das Buch, zerreißt ihn/es und bedauert, dass es keine Ofenheizungen mehr gibt, muss also Not gedrungen die Recycling Tonne aufsuchen. Das war früher. Heute hingegen klickt man auf den „Löschen“ oder „Delete“ Button und sorgt sich nicht um die Umwelt.
Der Grund für dieses Verhalten ist schnell ausgemacht: Falls man kein Fußball Anhänger ist, liest man sowieso nicht. Fußball ist bäh. Man hat gute Gründe, ist meist stolz darauf. Falls man aber Fußballanhänger ist, hat man noch viel bessere Gründe, das zu tun. denn zum einen weiß man selber bereits alles darüber und das gilt wirklich für jeden Fan, zum anderen weiß man, dass alles, was man darüber noch nicht gehört oder gewusst hat bereits von Beckenbauer, Platini, Cruyff und Pele besprochen, durchdacht, erörtert und — verworfen wurde.
Nun liege ich also als zerknüllter Zettel in einem Papierkorb und mucke dennoch auf. Ich behaupte: a) der Fußball muss attraktiver gemacht werden, b) das haben auch zahlreiche Offizielle längst erkannt, ich renne damit also offenen Türen ein, c) er kann auch attraktiver gemacht werden und d) die dafür erforderlichen Mittel sind relativ schlicht.
Eine ganz zentrale Rolle nehmen selbstverständlich dabei die Medien ein. Sie haben die Macht, können die Diskussionsthemen vorgeben, können den Fußball als „langweilig“ oder „dramatisch“ verkaufen, können diesen Schiedsrichter wegen eines anerkannten Tores verteufeln oder jenen für eine „mutige Entscheidung“ in Form eines Platzverweises oder eines gegebenen Elfmeters hervorheben. Sie können die Schwalbenkönige entlarven, sie können die Art und Weise des Zustandekommens eines Sieges als „da fragt in drei Wochen keiner mehr nach“ oder als “schändlich” bezeichnen – und damit in gewisser Weise die Volksmeinung dirigieren. Bevor dieser Part näher erläutert wird müssen ein paar Fragestellungen zunächst aufgeworfen, dann abgearbeitet werden. Das sind dann die ersten kleineren Felsbrocken, welche man als zerknüllter Zettel aus dem Weg zu räumen hat:
1) Was soll man sich unter „attraktiver“ vorstellen?
2) Warum sollte er attraktiver gemacht werden?.
3) Was soll geändert werden?
4) Wie soll es umgesetzt werden?
Pro und Contra, mit allen reflektierten Einwänden und Bedenken.
Zu 1) Was soll man sich unter „attraktiver“ vorstellen?
Attraktiv bedeutet generell, dass es für Zuschauer interessant, spannend, fesselnd, faszinierend, leidenschaftlich, emotional, dramatisch ist. Ein prinzipieller Einwand ist immer der: Es ist doch schon so. Und wer weiß, was irgendeine beliebige Veränderung mit sich bringen würde? Vielleicht würde sie die Attraktivität verringern? Der Fan möchte den Fußball genau so wie er ist!
Somit zuerst zu
2) Warum sollte er attraktiver gemacht werden?
Hier sind ein paar Punkte klar und offensichtlich: gegen Attraktivität spricht rein gar nichts und es wird auch von den Großen des Sports und den Verantwortlichen für den Sport propagiert. Sie suchen ebenso nach Mitteln, etwas in diese Richtung, Spannung, Attraktivität, zu verändern. Nur gibt es immer den gleichen Einwand: Seit Jahrzehnten sooooo erfolgreich. Warum ändern, warum eingreifen? Zitat Beckenbauer: „Lasst´s den Fußboi wie er ist.“ So war es gut, so ist es gut und es bleibt auch so. Der Einwand: wenn man es nicht probiert, wird man die Auswirkungen von Veränderungen nie erfahren.
Eine weitere Behauptung : Ungerechtigkeiten sind unerwünscht, mehr Fairplay und Sportlichkeit würden zur Attraktivität beitragen. Es gibt sehr wohl die Gegenargumente: Der Fußball war schon immer ein emotionaler Sport. Man möchte sich als Zuschauer aufregen können, es ist am Wochenende für den Fan die willkommene Abwechslung zum Alltag. Dazu gehören erlebte und ausgelebte Emotionen, die nicht nur aus Freude und Begeisterung, Trauer oder Enttäuschung bestehen, sondern zu denen auch Aggressionen gehören.
Dem kann man entgegen stellen: die Aggressionen können gut unterbleiben. Nicht nur, dass sie immer wieder für unerfreuliche Schlagzeilen, sogar mit Mord und Totschlag, sorgen, sie sorgen auch für eine Abnahme der Attraktivität für den zivilisierten Fan. Zitat: „Ich soll ins Stadion? Da kriegste mich nich mehr hin. Zu viele Chaoten dort.“ Die Atmosphäre wird von den Aggressionen so verdorben, dass man dadurch auf zahlreiche Fans verzichten muss.
Eine weitere Behauptung an dieser Stelle : die Anzahl der Tore ist zu gering. Das hat Ursachen, eine Begründung und Folgen. Die Gegenargumente sind bekannt, auch jene gegen die Toranzahl. Pro ist jedenfalls, dass auch von offizieller Seite nach Mitteln und Wegen dafür gesucht wird. Dagegen spricht: a) es war schon immer so. b) Fußball ist ein Spiel mit wenigen Toren. c) der Moment, der Jubel des einen einzigen Einschlags wird durch die geringe Frequenz so sehr erhöht, dass sämtliches vorheriges Leiden , Hoffen und Bangen daimt aufgewogen wird. Wenn die Tore ständig fallen würden, dann wäre der Wert eines einzigen Tores so gering, dass man gar nicht mehr jubeln würde. Wenn du Tore sehen willst, geh zu Eishockey, Handball oder Basketball.
Die Gegenargumente:
a) erinnernswert bleiben fast ausschließlich Spiele, in denen es viele Tore gab. Ein 0:0, ein 1:0, ein 1:1 sind bald vergessen. Ein 4:3 kann durch den Spielverlauf für echte Dramatik sorgen. Einer führt, der liegt später hinten, gewinnt doch noch. Drama pur, Spannung, Faszination, Erinnerungswert. Deutschland – Italien 1970. Spiel des Jahrhunderts.
b) einen Angriff, eine Spielszene zu beobachten ist beinahe sinnlos. Man weiß eigentlich schon vorher, dass sie nicht zu einem Tor führt. Die Chance, dass ein Angriff ein Tor wird, liegt in etwa bei 1:100. Man könnte sich zwar an einem tollen Pass, einem gelungenen Tackling, einem platzierten Schuss, an einer phantastischen Parade erfreuen, aber am Ende „springt nichts Zählbares dabei heraus.“ Die Frequenz der Tore ist so gering, dass es sich nicht ausreichend lohnt, eine Aktion zu verfolgen. Es geht um die Tore, nicht um Rote oder Gelbe Karten, nicht um Eckbälle oder Freistöße, Flanken oder Toschüsse. Es geht nur um Tore. Und die kommen einfach nicht. Das Argument bezieht sich – und hier wird es wirklich heikel – jedoch nicht auf den echten Fan einer Mannschaft, Dieser Fan ist nämlich leidensfähig. Er erduldet viele, viele misslungene Angriffe, er freut sich, wenn der Gegner am Torschuss gehindert wird, er freut sich sogar, wenn seine Mannschaft in der letzten Minute einen Spieler auswechselt, um das 1:0 über die Zeit zu schaukeln.
Nein, der Einwand richtet sich an den neutralen Zuschauer. Der möchte gelungene Aktionen sehen, der möchte garantiert Tore sehen. In der Phantasie wäre vielleicht sogar eines Tages der neutrale Fan in der Überzahl. Alle wollen Fußball sehen. Es gibt Tore, es gibt Spektakel. In einer für jeden faszinierenden Frequenz, so, dass es sich lohnt, ständig aufs Spielfeld zu schauen. Nicht nur eben, dass es sich lohnt, sondern sogar, dass man gar nicht anders kann. Utopie? Man wird es nicht herausfinden, wenn man es nicht probiert.
Die USA hatten die Ausrichtung für die WM 1994 gewonnen. Als es so weit war, hatten sie nur ein Ziel, was die Regeln und deren Auslegung betrifft: es müssen mehr Tore her. Die FIFA hat schwerfällig ein paar winzigen Modifikationen zugestimmt. Das Ergebnis war aber nicht, dass diese Modifikationen gewirkt haben. Die Spieler auf dem Platz haben verstanden, dass sie der Welt hier in den USA ein Spektakel zu bieten haben. Sie haben das große Glück, auf der Weltbühne des Fußballs im Mittelpunkt zu stehen. Und sie haben verstanden: Ziel des Spiels ist es, den Zuschauer zu fesseln. Und dieses Ziel ist deckungsgleich mit dem per Regel definierten Ziel, etwas Zählbares zu erreichen: Ein Tor zu erzielen. Wenn man eines hat, bleibt das Ziel, ein weiteres zu erzielen. Und nicht, das 1:0 „über die Zeit zu schaukeln.“ Der Zuschauer trägt das Ganze mit seinem Stadionbesuch, mit seiner Auswahl des Fernsehprogramms. Der Zuschauer ist derjenige, für dessen Unterhaltung gesorgt werden muss. In den USA 1994 haben das alle beherzigt. Heraus kam eine phantastische WM mit vielen Toren. Zum Beleg: Gerade bei einer WM gibt es permanent bei allen Spielen sehr viele neutrale Zuschauer.
Ich denke, es ist nicht nur ausreichend erörtert worden, warum er attraktiver gemacht werden sollte, sondern auch, dass das Problem von offizieller Seite bekannt ist und längst angegangen. Nur scheinen die verfügbaren und bisher entdeckten Methoden nicht ausreichend zu sein. Ein Toreschnitt über die letzten 15 Jahre (laut meiner seit 20 Jahren gepflegten Datenbank) von 2.6 Tore/Spiel erscheint mir zum Erzeugen von Spannung zu gering. Die Fragestellung lautete zwar unter diesem Punkt „warum soll er attraktiver gemacht werden?“ nur impliziert das auch die Vermutung, dass etwas am Status Quo unattraktiv ist, woran gefeilt werden könnte. Insofern will ich das gerne am Beispiel anschaulich machen:
2.6 Tore pro Spiel bedeuten in etwa, dass man 34 Minuten auf ein Tor warten muss. Dieses bedeutet einerseits, dass auf eine Art permanent für eine Form von Spannung gesorgt ist, da der Ausgang des Spieles unbekannt ist und in dem Sinne „offen“, dass es meist entweder 0:0, 1:0, 0:1 oder 1:1. Das sind Momentaufnahmen aus einem normalen Fußballspiel. Der Ausgang ist offen, da der Toreabstand der Mannschaften so gering ist, dass er jederzeit durch ein Tor überwunden werden kann. Sprich: Fast jedes fallende Tor verändert die Tendenz, von X auf 1 oder 2, von 1 oder 2 auf X. Nur bei einem 2:0 ist das nicht der Fall. Wenn es mehr Tore gäbe, würde es vielleicht bald 3:0, 4:0 stehen und die Spannung aus dem Spiel wäre raus. Das sind die Argumente gegen mehr Tore.
Entgegenhalten tue ich dem: wenn man im Schnitt 34 Minuten warten muss, dann erscheint bereits ein 1:0 in der 60. Minute wie eine Art Entscheidung, es fühlt sich so an. Der Ausgang wird durch die wenigen Tore zwar irgendwie offen gehalten, andererseits ist es schwer, das auch so zu empfinden. Die eigenen Mannschaft kassiert das 0:1. Falls es mehr Tore gäbe, würde man vielleicht trotzdem denken, fühlen: „Jetzt wird’s spannend.“ Bei den derzeitig so wenigen Toren kann man sich des Gefühls schwerlich erwehren: „Das war es.“ Und dann denke man noch an ein 2:0 oder 0:2! Da spricht man dann gerne schon mal von einer Vorentscheidung. Das Gefühl, das noch aufholen oder gar drehen zu können, ist kaum zu erzeugen, aufrecht zu erhalten. Man schaut es nicht mehr. Der Fan vielleicht ja, der neutrale Zuschauer schaltet ab. Den Geist, den Fernseher oder die Spannung.
Ich behaupte sogar, dass es bei höheren Spielständen, und dazu gehören nicht nur 2:2, 3:3 oder gar 3:4, sondern auch ein 5:1 oder 5:0, die Spannung immer höher ist als bei einem faden 0:0. Bei dem 0:0 hört man auch oft genug den Kommentar: „Das Spiel lebt von der Spannung.“ Das bedeutet, dass es eigentlich langweilig ist, den einzigen Spannungsmoment daraus bezieht, dass der Ausgang noch nicht feststeht und es nicht die Spielszenen sind, die faszinieren. Die Sorge, das Tor zu kassieren wird auch mit zunehmender Spielzeit immer größer, da die Spieler auf dem Platz spüren: „Ein Gegentor, dann war es das.“ Also wird nichts mehr riskiert. Wenn es aber bereits Tore gab – egal, ob vornehmlich für eine Seite oder gut verteilt – schaut jeder gerne hin. Man weiß dann, dass es noch mehr Tore geben kann, man weiß und spürt auch, dass ein einzelnes Tor nicht die Entscheidung bringt und man kann sich dem hingeben, was den Fußball letztendlich so interessant macht: Toraktionen, Tore. Das berühmte Salz in der Suppe. Ich habe zahlreiche Spiele beobachtet und auch die Reaktionen der Fans. Und es war mit Sicherheit nicht auszumachen, dass bei hohen Spielständen die Spannung abgenommen hat. Ganz im Gegenteil. Ein weiterer Beleg: Es müssen mehr Tore her.
Fazit: Mit den wenigen Toren hält man auf eine Art die Spannung möglichst lange offen, da es selten hohe Torabstände gibt. Bei mehr Toren ist jederzeit für eine bestimmte Art – und diese ist sicher nicht weniger attraktiv als die andere – für Spannung und damit Attraktivität, Zuschauerinteresse gesorgt.
Nunmehr komme ich also zu dem Punkt
3) was soll geändert werden?
Eigentlich ist es sehr einfach. Ich schließe mich ohne Zögern Franz Beckenbauer an: „Lassts den Fußboi wie er ist…“. Nur füge ich einen Nebensatz an: „… und wendet die bestehenden Regeln an.“ Diese so schlicht klingende Forderung wird sicher für weiteres Aufbegehren sorgen. Denn selbstverständlich werden die Regeln doch angewandt? Nun, genau hier habe ich meine Zweifel. Nicht nur kann ich diese sehr gut begründen, sondern bin durch reifliches Überlegen auf eine Beweistechnik gekommen. Dazu aber lohnt es auch hier, sich auf Ursachenforschung zu begeben. Womit fängt man nun an?
Deshalb treffe ich hier eine Unterteilung und bringe sie in diese Reihenfolge, zunächst in der Übersicht:
a. Beispiele aus dem Fußballalltag
b. Ursachenforschung
c. Beweistechnik
d. Bekämpfung
… und nun detailliert.
zu a. Beispiele aus dem Fußballalltag
Es gibt eine Reihe von Beispielen, welche sich praktisch ohne Ansicht des Spieles vorhersagen und im Spiel auffinden lassen. Dabei stelle ich in diesem Abschnitt nur drei dieser offensichtlichen Ungereimtheiten vor, die ein Jeder kennen sollte – und welche dadurch das Grundprinzip der Beobachtungen aufzudecken ausreichend sind.
i. Bei Abseitsentscheidungen im Zweifel für den Angreifer
Das obige Beispiel aus der Weltmeisterschaft in den USA hatte durch die Ausrichter angeregt nur ein paar winzige Regelmodifikationen zur Folge. So gelang es ihnen aber immerhin, eine sehr zentrale Forderung sogar in die Regel mit aufzunehmen. Dabei wird bereits offenbar, was eine zentrale Forderung sein sollte: Wenn der Hauch eines Zweifels besteht, sollte der Assistent die Fahne unten lassen. Und dass es ausreichend oft bei der heutigen Spielgeschwindigkeit Zweifel gibt, wird spätestens anhand der im Anschluss gezeigten Zeitlupe (bei Live- oder aufgezeichneten Spielen) deutlich. Die Gegenbewegung von Angreifern und Abwehrspielern, der Versuch der Angreifer, den hauchdünnen Vorsprung zu erzielen, um zum erfolgreichen Torabschluss zu kommen und damit stets an der Grenze zu lauern auf den entscheidenden Pass sind alles Elemente, die es für das menschliche Auge im Grunde nicht erfassbar gestaltet. Insofern macht der Regeleintrag auch durchaus Sinn.
Eine Behauptung von mir lautet, und ich glaube, dass sich der Leser bei aufmerksamer Beobachtung vorbehaltlos anschließt: Es gibt fast in jedem Spiel eine Situation, in welcher auf Abseits entschieden wird, bei welcher es sich im Anschluss herausstellt, dass es kein Abseits war. Es gibt darüber hinaus sicher auch mehrere Szenen, in denen man ganz klar von „Auslegungssache“ sprechen darf. Denn trotz Standbild ist der Moment, in dem der Ball den Fuß verlässt nicht eindeutig zu bestimmen und auch die Körperteile, die für das Abseits verantwortlich sind, können kaum ganz fest und eindeutig definiert werden. Der Assistent hätte die Chance, ohne größere Sorge, auf „Weiterspielen“ zu entscheiden und hätte wohl keine Probleme.
Fakt ist, dass es mehrere zweifelhafte Entscheidungen pro Spiel gibt. Fakt ist auch, dass die Mehrzahl der nachweislichen Fehlentscheidungen zu Ungunsten der Angreifer ausfällt. Man wird also eine Weile suchen müssen, um eine Situation vorzufinden, in denen das Spiel nachweislich zu Unrecht weiterlief, ein klares Abseits nicht erkannt wird. Das Verhältnis der Fehlentscheidungen nach Beobachtung: 1:10. Eine zu Gunsten der Angreifer, 10 zu Ungunsten. Und das ausgerechnet bei einer Regel, in der den Assistenten der Spielraum bewusst und vorsätzlich eingeräumt wurde. „Wenn Zweifel bestehen, dann lass die Fahne unten.“ Selbst in einem anschließenden Interview hätte der „Übeltäter“ also die Möglichkeit, auf korrekte Regelauslegung und –anwendung zu beharren, ohne, dass ihm der Kopf abgerissen werden könnte.
Nun kommen die Medien ins Spiel. Deren Rolle müsste es einerseits sein, für Ausgewogenheit und Gerechtigkeit zu sorgen, andererseits auch für Spannung und Attraktivität. Nun ist es jedoch ganz offensichtlich so, dass ein Tor welches zu Unrecht anerkannt in den Medien hohe Wellen schlägt. Ein Tor, bei welchem man das Abseits also klar nachweisen kann, wird dem Schiri zum Verhängnis. Er bekommt den Zusatz „Tomatenschiri“, dazu noch von der „benachteiligten“ Mannschaft den Stempel „.. hat uns verpfiffen.“
Umgekehrt aber, wenn es auch 10 Situationen in einem Spiel gibt – und das ist nicht einmal selten – bei denen man gut und gerne hätte weiterlaufen lassen können, in drei davon sogar müssen, verdienen kaum Erwähnung nach heutiger Medienansicht. Diese werden zur Randnotiz. Ein Trainer, der darauf verweisen sollte, mit gutem Recht auf ein „korrektes Tor, dem die Anerkennung versagt blieb“, wird als schlechter Verlierer dargestellt, der die Schuld immer bei den Anderen sucht, anstatt doch endlich zuzugeben, dass seine Mannschaft einfach schlecht war.
Hier wird für mich die gestellt Forderung am deutlichsten. Fußball so lassen wie er ist? Ja, gerne. Aufgeschriebene Regeln anwenden, genau.
ii. Bei Foulspiel im Strafraum – Elfmeter
Es soll bei Foulspiel im Strafraum laut Regel einen Elfmeter geben. Es bestehen aus meiner Sicht ausreichend viele Zweifel daran, dass diese Regel angewendet wird. Dabei ist selbstverständlich die Entscheidung „Foul oder nicht Foul“ in sehr vielen Fällen Auslegungssache, es gibt demnach kein absolut „richtig“ oder „falsch“. Jedoch denke ich, dass man ein paar recht offensichtliche Dinge beobachten kann, welches sowohl in der Beweistechnik als auch in der Ursachenforschung noch klarer werden sollten. Hier nu so viel:
Sicher könnte man eine Statistik anfertigen, ebenso wie bei Abseits(fehl-)entscheidungen, die hier deutlich macht, dass es ein krasses Missverhältnis zu Ungunsten der Angreifer gibt. Es gibt sehr viele Spiele, in welchem man nicht nur im Live- oder anschließenden Kommentar, sondern auch in den Printmedien, zu hören/lesen bekommt: „Hier hätte es Elfmeter geben müssen. Der Referee hat das wohl anders gesehen“ oder auch ein „hier hat er beide Augen zugedrückt“, „hier hatten die Abwehrspieler Glück, dass es keinen Elfmeter gab“ oder Ähnliches. Diese kleineren Irrtümer werden sehr großzügig gehandhabt und dem Schiri kaum zur Last gelegt. Der umgekehrte Fall eines Elfmeters aufgrund einer Schwalbe kann noch nach 10 Jahren für Diskussionsstoff sorgen (die Möller –Schwalbe!).
Dazu aber gibt es noch ein paar von den Medien erfundene Ausdrücke, welche a) die Last von den Schiris nehmen und b) recht deutlich ausdrücken, was man darüber empfindet und auf diese Art ebenso deutlich aufzeigen, dass die Beobachtung grundsätzlich – und noch ohne Wertung – richtig ist. Diese Formulierungen lauten so: Es ist die Rede vom „nicht elfmeterreifen Foulspiel“ oder von „das reicht nicht für einen Elfmeter“. Offensichtlich ist die Verarbeitung dieser Situationen längst in Fleisch und Blut übergegangen, ohne rechtes reflektieren. Erkannt scheint doch zu sein, dass es sich bei einem „nicht elfmeterreifen Foulspiel“ um ein Foulspiel handelt? In die Regel ist kein Passus aufgenommen worden, der da lautet, dass im Strafraum die Foulsituationen anders zu behandeln sind. Es war ein Foul. Die Regel sieht dafür Elfmeter als Strafe vor. Die Praxis: Es gibt ihn nicht. Warum? Später dazu mehr.
Die möglichen Folgen möchte ich hier gerne noch anführen. Es ist ein gängiger Spruch, dass „man für so was doch keinen Elfer geben kann“ mit der weiteren Schlussfolgerung „… sonst würde es pro Spiel ja 10 oder 20 Elfmeter geben.“ Hier widerspreche ich energisch. Die Verteidiger würden sehr schnell lernen, wie man sich verhalten darf und wie nicht. Unter anderem darf man gerade im Strafraum nicht foulen. Man gewänne die Erkenntnis, dass man mit dem Foul mehr Schaden als Nutzen anrichtet – was generell bei allem Verhalten auf dem Platz der „clevere“ Profi berücksichtigt – und sich entsprechend zurückhalten. Die Folge wären also nicht etwa mehr Elfmeter – welche per se noch keinen Schaden anrichten würden und auch nicht das Problem wären, es wäre einfach so – geben, sondern mehr spannende Spielszenen, da sich die Stürmer wesentlich häufiger im Zweikampf behaupten könnten. Mehr Torszenen – mehr Tore. Wie schrecklich!
iii. Bei Handspiel im Strafraum – Elfmeter
Nicht anders verhält es sich bei Handspielen im Strafraum. Nur hat es eine Weile gedauert, bis die Spieler gemerkt haben, dass man die Hände im Prinzip überall haben darf. Wenn der Ball dagegen fliegt, war es doch sicher „keine bewusste Bewegung zum Ball“, also weiterspielen. Egal, ob, oder nein, noch besser aus Sicht des Verteidigers, wenn man damit eine Riesenchance oder sogar ein Tor verhindert hat. Die Standardentscheidung lautet: Weiterspielen. Es gab in letzter Zeit eine solch hohe Zahl von Handspielen im Strafraum – insbesondere bei Flankenbällen, in die sich der Abwehrspieler hineindreht und den Arm kurz rausstreckt –, die allesamt „großzügig übersehen“ wurden. Die Medien reagieren ebenso gelassen: „Ja, da hätte man wohl einen Elfer geben müssen, aber…“. Keine weitere Kritik. Aber wehe, es gibt einen Elfmeter, welcher einen kleinen Zweifel lässt ob seiner Berechtigung.
In der Jugend hatte ich noch gelernt, dass man insbesondere im Strafraum die Arme am Körper lässt. Da die unerfreuliche Folge bei Handspiel – welches unweigerlich eintritt, sofern der Arm den Körper verlässt und zugleich der Ball dagegen geht – Elfmeter wäre. Ich weiß nicht, was der Anlass gewesen sein könnte, dass man diese so einfache Regel geändert hat und von „bewussten Bewegungen zum Ball“ die Rede ist? Vielleicht dachte man: „Oh weh, da gibt schon wieder ne Torszene. Wer will das denn?“ Na, mehr als fragwürdig.
iv. Stürmerfoul
Eine weitere, heutzutage sehr typische Situation: Eine Flanke segelt in den Strafraum – bevorzugt Eckbälle, da die Angreifer in diesem Moment meist zahlreich sind —
Gerangel, alles zieht und zerrt, ein Pfiff, eine Entscheidung. Und hier gibt es wirklich mehr als 99% Gewissheit: Die Entscheidung lautet auf Stürmerfoul! Man kann danach die Szene aus allen Perspektiven beleuchten (was nicht getan wird), man erkennt garantiert nicht, dass ein Stürmer mehr gefoult hat als ein Verteidiger. Unstrittig ist, dass beide die Regeln verletzen. Insofern bleibt es bei der berühmten „Auslegungssache“. Nur: Einen Elfmeter wird es praktisch nie geben. Der Kommentar der übliche: „Dafür kann man dich keinen Elfer geben…“ Nee, richtig, genau. Deshalb immer: Stürmerfoul.
Grundsätzlich ist es in letzter Zeit so, dass Stürmer bei kleinsten Vergehen – falls überhaupt welchen – zurückgepfiffen werden, während der Verteidiger mit einem vergleichbaren vergehen davon kommt. Für mich ist ein Foul und dessen Ahndung nicht davon abhängig, was der Schiedsrichter sieht, sondern wo es stattfindet. Wenn man zu nahe ans gegnerische Tor kommt, muss man zunehmend mit Widerstand der Verteidigung – auch in Form von Ziehen, Zerren, Halten – rechnen, für das einem selber nichts mehr zusteht, während, falls man mit gleicher Münze zurückzahlt, dieses Vergehen ohne Zögern geahndet wird. Die Medien nehmen die Rolle ein: „Alles richtig gesehen. Stürmerfoul.“ Sicher, es ist ein Foul. Nur trifft die Formulierung „es ist auch ein Foul“ viel besser zu. Beide haben nämlich oft genug gefoult und in keiner Weise in unterschiedlicher Härte. In diesen wird den Verteidigern ebenfalls zu weit mehr als 90% „Vorfahrt“ gewährt.
Es gibt auch ein recht einfaches Mittel als Verteidiger, einen Ballverlust wieder gut zu machen. Man verliert den Ball, merkt, dass nichts mehr zu retten ist, in dem Moment nimmt man den letztmöglichen Körperkontakt wahr – bevor der Stürmer auf und davon ist – und lässt sich fallen. Die Entscheidung ist sicher: Man hat den Ball durch den Schiripfiff „zurück erobert“. Stürmerfoul!
zu b: Ursachenforschung
Wenden wir uns nun also der Ursachenforschung zu. Um die Ursachen zu verstehen, muss man sich leider ein klein wenig auf das Gebiet der Psychologie vorwagen. Unterschwellig klingt es ja schon in den vorherigen Abschnitten durch, jedoch möchte ich es hier noch etwas deutlicher machen: Der Schiedsrichter hat Angst vor einer Entscheidung, welche zu einem Tor führt. Er sucht quasi den Fehler. Einen Großteil der Schwierigkeiten, die ihm blühen, werden ihm von den Medien bereitet. Er hat diese Mannschaft verpfiffen durch ein irreguläres Tor. Ein nicht anerkanntes, korrektes Tor, ein nicht gegebener Elfmeter, ein fälschlicherweise gepfiffenes Abseits, wird ihm kaum zur Last gelegt. Das anerkannte Tor wird zum Desaster. Man kann ruhig eine Standardfloskel verwenden, wie sich die Schiris am besten verhalten. Man nennt dieses verhalten „den Weg des geringsten Widerstandes.“
Weiters möchte ich auf den Umstand aufmerksam machen, dass sich ein Schiri – und er war zu dem Zeitpunkt unsere Nummer 1, Markus Merk – einmal selbst angezeigt hat, sich selbst in Frage gestellt hat. Die Spielsituation war die, dass er ein Tor für Weder Bremen gegen Borussia Dortmund anerkannt hat, welches irregulär zustande kam. Ob der Umstand, dass ausgerechnet dieses Tor in der verbotenerweise in der Wiederholung auf der Videoleinwand gezeigt wurde und die Zuschauer sofort die Regelwidrigkeit erkennen konnte, möchte ich gerne offen lassen. Fakt ist, dass Herr Merk nach dem Spiel von seinem „schlimmsten Fehler der letzten 10 Jahre sprach“ und zusätzlich dazu in einem 32-seitigen Papier einforderte, dass die Schiedsrichter noch auf dem Platz Entscheidungen korrigieren könnten, falls sie sofort den Irrtum bemerken.
Man bedenke nur die Folgen für die Schiedsrichterzunft: Jeder Schiri hat seither — falls er es nicht schon vorher hatte und Herr Merk damit nur das Gefühl ausdrückte, dass man alles tun dürfe, nur niemals ein irreguläres Tor anerkennen – eine panische Angst davor, ein Tor anzuerkennen, überhaupt in die Lage eines Zweifels zu kommen. Man vermeidet diese Situationen. Die eine Möglichkeit ist die, bei Gerangel im Strafraum möglichst zeitig auf Stürmerfoul zu entscheiden. Das heißt, heutzutage ertönt der Pfiff oft schon, wenn der Ball noch in der Luft ist. Er hat alle Rechtfertigung dafür, angelastet wird es ihm auch nicht, also abpfeifen, keine Probleme. Verglichen damit, dass der Ball tatsächlich nach der Ecke im Tor landet und er in der Nachbetrachtung erfahren muss: „Dieser Treffer hätte nie und nimmer gelten dürfen. Da war ein klares Schubsen des Angreifers, und noch eine Torwartbehinderung.“ Abpfeifen, immer wieder abpfeifen. Ganz einfach.
Die Folge für den zahlenden Zuschauer darf ich an dieser Stelle ruhig mal kurz einfließen lassen: Der Fan erträgt alles. Der, dem das Tor aberkannt wird, geht vielleicht auf die Barrikaden und wird als verrückt, aber befangen erklärt, da er nur seine Interessen vertritt. Der, dem das Tor nicht zugefügt wird, reibt sich die Hände und bleibt ruhig. Jedoch der neutrale Fan macht diese Mogelpackung nicht mehr mit. Er schaut nicht mehr Fußball. Ihm wird ein Krimi ohne Leiche, ein Hitchcock ohne Horror, der permanente Anti-Climax präsentiert.
Es sollte an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben, dass ein Tor sehr oft für eine riesige Chancenverschiebung sorgt was den Spielausgang angeht. Insbesondere gilt das für kritische Entscheidungen sehr spät im Spiel. Wenn ein Spiel also auf der Kippe steht – was, wie oben erwähnt, durch die geringe Anzahl der Tore meist gesichert ist – so bekommt eine Elfmeter- oder Abseitsentscheidung kurz vor Schluss einen oft Spiel entscheidenden Charakter. Das ist eine psychologische Komponente, die jedenfalls auch ihren Einfluss hat. Die Kommentatoren haben das in dieser Form auch erkannt: „Wer möchte in so einem Moment, in so einem wichtigen Spiel, eine solche Entscheidung tragen?“ Eine Folge davon ist, dass sogar das Zustandekommen von kritischen Szenen unterbunden wird. Es wird also recht gerne eine lächerliche Aktion im Mittelfeld abgepfiffen, damit der Angriff nicht zu einer Torchance führt.
zu c. Beweistechnik
Widme ich mich nun also der Beweistechnik. Im Grunde ist die Beweislast bereits erdrückend. Dennoch möchte ich jedem Zweifler gerne die Möglichkeit bieten, sich davon zu überzeugen, dass meine Aussagen und Behauptungen richtig sind. Am ehesten bieten sich dazu Schiedsrichter selber an, die sicherlich zunächst empört sein werden, da sie sicher nach eigener Ansicht absolut korrekt und den Regeln entsprechend pfeifen. Angesprochen auf ein Foulspiel im Strafraum erwidern sie: „Das konnte ich aus meiner Position schlecht sehen. Im Nachhinein erkenne ich auch: das hätte ein Elfer sein müssen. Tut mir leid.“ oder Ähnliches. Danach wird ihre Ehrlichkeit gelobt und ihre Spielbewertung auf 3 gesetzt.
Meine Beweistechnik sieht so aus: Man schneidet Spielszenen zusammen, nach eine bestimmten von mir getroffenen Vorauswahl. Dann werden Linien und Zuschauer und andere Spieler „wegretouchiert“, man sieht also nur noch den Zweikampf, kein Drumherum. Dann müssen die Schiedsrichter sich dazu äußern, ob sie diesen Zweikampf als unfair erachten, und wenn, wer das Foulspiel begangen hat, und gegebenenfalls, ob es Gelb oder Rot geben solle. Sie müssen entscheiden, als ob es eine reale Spielsituation wäre, nur wissen sie in dem Moment nicht, an welcher Stelle des Platzes die Szene stattfindet. Falls sich jemand darauf einlässt, kann ich ein ziemlich niederschmetterndes Ergebnis für die pfeifende Zunft prophezeien.
zu d. Bekämpfung
Die Bekämpfungsmethode sieht eigentlich noch einfacher aus und ist im Grunde schon aus allem vorher erzähltem ablesbar. Sie lautet ganz schlicht: Umdenken! Ganz einfach: Es gibt eine große Anzahl Fußball begeisterter Menschen. Die Fans einer Mannschaft, die ein Spiel schauen, sind klar in der Minderheit gegenüber den neutralen Zuschauern (was insbesondere eine Folge wäre, da weiter oben erläutert ist, dass sich neutrale Fans kaum noch auf das Großereignis Fußball einlassen). Diese Zuschauer – aber auch die echten Fans würden leicht und locker mitziehen und ebenfalls mit mehr Begeisterung und weniger Aggressionen dabei sein – wollen Tore sehen. Ob es eine Obergrenze gibt, ab welcher es nicht mehr spannend und interessant ist, bliebe abzuwarten. Jedoch gibt es zunächst aufgrund der Anwendung der bestehenden Regeln ausreichend viele Ansatzpunkte, dass die Toranzahl ohne weitere Eingriffe von selbst erhöht wäre. Wenn man dann ein Überflutung an Toren hätte, könnte man ja eines Tages die Tore kleiner anstatt größer machen, um sie einzudämmen, die Flut. Die Medien tragen die Mitverantwortung, indem sie einen Fehler gegen ein Tor genauso ernst nehmen wie jenen für ein Tor.
Das Umdenken würde für mich persönlich sogar noch weiter gehen. Das Verständnis, dass das Spektakel, die Action auf dem Platz, die Begeisterung, die Leidenschaft, die Emotion im Vordergrund steht. Die Freude darüber, ein tolles Spiel zu sehen, mit einem manchmal verdienten und manchmal weniger verdienten, vielleicht sogar glücklichen Gewinner. Aber immer den Dank an beide Mannschaften für die großartigen Leistungen und das gebotene Drama. Und nicht das Motto ausgeben – bitte, bitte, liebe Medien – dass „ein Sieg her muss, egal wie.“ Es ist nicht egal wie! Die paar Fans sagen es vielleicht, aber die neutralen „Fans“, die Fans des Fußballs“? Sie wollen ehrliche Leistungen, echte Freude, Begeisterung, Spannung, aber auch Fairness und Sportlichkeit. Seid versichert!