Nur kurz notiert erneut die größten Ärgernisse vom Wochenende des 4.8. bis 7.8.2017.
Bei der Partie Braunschweig – Heidenheim, Sonntag 15:30, kommt Heidenheim nach einer blitzschnellen Kombination über eine Vielzahl von Stationen mehrfals fast zu einem Torschuss. Jedes Mal aber doch noch ein Bein dazwischen. Der Kommentar: „Souverän ist anders.“ Sicher auf die Braunschweiger Defensive bezogen?! Man muss annehmen, dass ihm durchgängig „souveräne Defensivreihen“ lieber wären. Denn die Anmerkung allein deutet eine Art von Beschwerde an, also weg damit? „Wann gibt es endlich keine Fehler mehr und keine Tore. Dann können wir mit unserer Zeit endlich wieder was Vernünftiges anfangen“, oder wie könnte man sonst folgern, was das Ziel ist? Die blitzschnelle und schöne Kombination ist dabei ohnehin in Grund und Boden gestampft. Davon kann keine Rede sein: es gab etwas Gutes daran?
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Bei der Partie Kaiserslautern – Darmstadt (1:1) wurde der Sprecher durchgehend nicht müde, darauf hinzuweisen, dass „dies ein schwaches Spiel“ wäre.
Nun könnte man zunächst nach dem Wahrheitsgehalt fragen, danach nach der Absicht dahinter. Gerne natürlich auch nach den Ursachen, warum es doch so erkennbar häufig vorkommt, dass der eingeteilte Sprecher eine hochgradige Unzufriedenheit mit den Geschehnissen vermittelt?
Zum Wahrheitsgehalt: ein Gradmesser, ein Indikator, sind in aller Regel die Zuschauer, die live im Stadion sind. Die Stimmung dort war durchgehend überragend. Dies nun damit abzutun (was er machen müsste), dass diese Fans aber sehr genügsam sind, wäre ohnehin schon sehr fragwürdig. Denn a) wissen sie schon, ihrem Unmut Luft zu machen, wenn es ihnen nicht gefällt und b) war es einfach ein Spiel auf diesem Niveau der zweiten Liga, nach den Regeln des modernen Fußball, welche offensichtlich ja gemeinhin akzeptiert wird (die Verbesserungsideen diesbezüglich an anderer Stelle). Dann dürfte man schlicht mal nach den Kriterien für ein „schwaches Spiel“ fragen? Da wird es garantiert bereits diffus. Denn: bei jedem Tor werden Fehlerketten aufgedeckt, welche zwar gar nicht vorliegen, aber dennoch müsste man ja dann, wenn viele Tore fallen von vielen Fehlern ausgehen — als Sprecher von diesem Irrsinn infiziert (wie sie nun mal alle sind). Da es nur zwei Tore gab, wäre dieses Kriterium schon mal nicht erfüllt. Falls es um „Langeweile“ ginge, dann hätte er dieses Empfinden exklusiv. Den Zuschauern hat es gefallen, das ist sicher. Und dem neutralen Zuschauer (dem einzigen vermutlich) hat es ebenfalls so weit gefallen: Spiel auf Zweitliganiveau, und dieses Niveau ist sehr anständig und ansehnlich. Was hätte es sonst sein sollen? „Intensiv“ gilt auch nicht als nachteilig. Viele Zweikämpfe könnten es sein, diese waren aber im Rahmen. Viele Fouls und Unterbrechungen? Auch nicht der Fall. Die Zweikämpfe wurden im Rahmen der Regelauslegungen so weit fair geführt (zumindest nicht auffällig anders als in anderen Spielen). Viele Fehlpässe? Dies könnte erfüllt sein. Wobei diese meist eine Folge von eng stehenden Deckungsreihen sind — was auf keinen Fall im Erfolgssinn als schlecht oder überhaupt unvorteilhaft zu bezeichnen wäre —, sowie meist hoher Laufbereitschaft, da es sich ohne Ball ein wenig schwerer läuft als mit, demzufolge die Löcher zu schließen die weiteren Laufwege erfordert. War hier der Fall.
Es bliebe dem Sprecher nichts als schlichte Miesmacherei, ohne irgendeine Grundlage. Nur: falls es tatsächlich im Rahmen vorher festgelegter Kriterien tatsächlich ein schwaches Spiel gewesen wäre: was wäre der Sinn dahinter, dies dem Zuschauer alle dreieinhalb Minuten aufzudrücken? „Bitte schalten Sie endlich ab. Das Spiel ist schwach!“ Für jeden, der es bisher noch nicht gehört hätte oder sich noch nicht entfernt hätte?
Es hat ein bedauerliches derartiges Phänomen Einzug gehalten. Die Ursachen dafür? Ein Grund ist der, dass man sich aufwerten kann, wenn man es schafft, das Beobachtete und Kommentierte schlecht zu reden. „Geht viel besser, habe ich schon gesehen oder könnte ich auch.“ Ein scharfer Kritiker MUSS doch einfach als hoher Experte anerkannt werden?
Ein weiterer tiefer liegender Grund ist jedoch dieser: „Hier ist Fußball und das ist so groß und da schaut ohnehin jeder, insofern also kein Problem, wenn ich es kritisiere. Eigentlich gleichgültig, was immer ich sage. Die Zuschauer sind sowieso da.“ Dies jedoch der fatale Anteil des Irrtums.
Wann würde man je senderseitig Erhebungen starten, wer da zugeschaltet hat? Wie hoch der Prozentsatz der Abonnenten für eine derartige Übertragung? Dann wäre natürlich noch mehr die Frage, was diese gerne sehen und hören würden? Wobei hier ja nun eines der grundsätzlich angesprochenen und genannten Probleme greifen würde: es schauen nur jene, die eine Anhängerschaft für diese oder jene Mannschaft hegen.
Weiterhin beim gleichen Spiel: Lautern machte irgendwann das 1:0 durch einen tollen Fernschuss. Sicher, es lag nicht unbedingt in der Luft und war auch nicht verdient in dem Sinne. Darmstadt bis dahin mit Vorteilen. In der Folge war jedoch urplötzlich Darmstadt richtig schwach und wurde zunehmend schlechter geredet. Bis das 1:1 fiel – im Anschluss waren wieder beide schwach. Unfassbar platt, derartige Spielbewertungen, ausschließlich am Spielstand abgelesen.
Es unterliefen ihm jedoch genau vor den beiden Toren zwei eigentlich unverzeihliche Malheure. Vor dem 1:0 nämlich hörte man dies: „Wenn das Spiel ein Auto wäre, dann wäre es eines mit eingeklemmtem Rückwärtsgang.“ Genau da fiel jedoch dieses Traumtor. Wohin nun mit dieser ultimativen Vernichtung?
Vor dem 1:1 drang einem folgender Unsinn ans Ohr: „Die einen können nicht, die andern wollen nicht.“ Wenn doch wenigstens das Phrasenschwein bereit stehen würde oder die 5 Euro bei jedem solch unsinnigen und zudem Zuschauer vergraulenden, zugleich unrichtigen Kommentar abgezogen würden von seinem Konto… Was macht man bloß, wenn genau in diesem Angriff der Ausgleich fällt, welcher selbstverständlich mehr als verdient war?
Man hört übrigens bei jedem Spiel, welches 1:0 steht, dass die zurückliegende Mannschaft dann, wenn sie den Ball erobert, „nicht schnell genug nach vorne spielt.“ „Das dauert alles zu lange.“ 5 Euro, ok, aber die Richtigkeit dieser Aussage? Wer interessiert sich denn dafür? Hauptsache der Zuschauer erfährt, dass das hier nicht gut ist. Wird sich schon in den Abo-Zahlen niederschlagen.
Außerdem müsste man sich doch mal schämen für den ausgesprochenen Unsinn? Die können nicht – aber erzielen genau in dem Moment das 1:0. Da fällt einem nichts auf, Herr Kommentatoreneinteiler, Herr Programmdirektor, Herr wer-auch-immer-verantwortlich? Nein, es fällt nicht auf. Aus einem einfachen Grund: auch dieser hört nicht zu. Es hört nämlich gar keiner zu. Weil es gar keiner aushält.
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Bei der Partie Sandhausen – Ingolstadt (Endstand 1:0) erhielt Sandhausen eine Ecke (sicher, ja, mehrere….). Diese segelte in den Strafraum und während der Ball in der Luft war, hörte man die folgende Eckballvariantenbeurteilung (Hauptsache das Wort „schwach“ taucht auf, und das möglichst häufig in einem Spiel; kleine Einmaleins der hohen Fußballreporterschule) : „Schwache Ecke.“
Kurioserweise war es jedoch für jeden, der etwas mit Fußball zu tun hat, sich dafür interessiert, der Freude daran hat und der einen Blick dafür hat – steht so nicht im Anforderungsprofil für Kommentatoren – eine Variante. Nämlich die, dass der Ball bewusst so weit geschlagen wird und sich jemand unbemerkt am langen Pfosten anschleicht. Dies war hier der Fall. Der Ball wurde zurückgelegt per Kopf und erzeugte Torgefahr, jedoch kein Tor.
Weder ein Anzeichen von Scham, eine Entschuldigung noch überhaupt eine Anmerkung dazu. War ja kein Tor, gehen wir einfach mal drüber weg. Oder, alternativ, aber nach zu vielen Beispielen vergleichbarer Art das einzig logische Urteil: der Mann merkt wirlich gar nichts.
Kurze Zeit danach jedoch hatte er folgende Formulierung für denjenigen parat, der sich versehentlich auf den Kanal verirrt hatte: „Wir quälen uns hinein, was die Chancen angeht.“ Sehr hübsch, wirklich. Es gibt immer neue Variationen, als Wortwitz sozusagen, die Unzulänglichkeiten und Empfindungen zu vermitteln. Sowie von „Qual“ die Rede ist, muss man mit erhöhten Zuschauerfrequenzen rechnen, denn noch waren ein paar ausgewiesene Masochisten nicht dabei? Oder so: der sich hierher verirrt haben schnappt das auf und ruft sofort Frau und Kinder dazu, die den Nachmittag eigentlich anders verplant hatten: „Kommt rasch her, das müsst ihr sehen. Man quält sich hinein. Das ist der Hit, darf man nicht verpassen!“
Man müsste ihn später nur mal einsperren und zwingen, sich über 90 Minuten sein eigenes Gelalle anzuhören. Ja, schon klar: Folter ist hierzulande verboten. Da könnte man doch mal eine Ausnahme machen? Die Vermutung liegt auch hier nahe: ausreichende Tumbheit unterstellt, würde er auch hier nichts merken sondern mit sich selbst eine La-Ola anstimmen. Motto so etwa: „Hach, ist der Rasen schön grün!“
Bei der Partie SV Mattersburg – Sturm Graz am frühen Abend des 6. August 2017, wurde mal wieder ein Kommentar eingefangen, an welchem man im Prinzip alles aufdecken kann, was so alles daneben geht und wie „verkommen“ das Niveau der Kommentierung ist. Dass es auf Österreich übergegriffen hat – wo es bis vor einigen Jahren noch ganz gut und gesittet zuging – ist einzig der Tatsache geschuldet, dass „der große Nachbar, der immer alle Turnier gewinnt“ die pace macht, das Tempo vorgibt, die Messlatte legt, den Jargon einschlägt, dem man gezwungen ist, zu folgen. „Vielleicht gewinnen wir ja dann auch irgendann la was? `I wird narrisch´ist auch schon wieder eine Weile her.“
Es ist nicht etwa so, dass man lange warten müsste, bis ein unsinniger Kommentar eingefangen würde. Man kann im Prinzip fast jeden einzelnen nehmen. Dennoch eignen sich gewisse ausgewählte besser, um zum Kern des Problems vorzudringen.
Zunächst vorausgeschickt die Beschreibung der Szene, wobei durchaus anzumerken wäre, dass man fast nie bei einem Spiel mit Torchancen und spannenden Szenen überhäuft wird. Der übetragende Sender – in dem Falle Sky – müsste sich schon Gedanken machen, ob diese verfügbare Menge ausreicht, um Menschen dauerhaft vor den Bildschirm zu fesseln. Wenn jedoch endlach mal eine auftaucht, dann hätte man jedoch die verdammte Pflicht, wenigstens aus der so viel herauszuholen, dass der (verbliebene) Zuschauer vor dem Wegdämmern bewahrt bleibt und vielleicht diesen einen Moment nochmal aufschaut, bevor er sich in Morpheus Arme begibt.
Weiterhin vorausgeschickt, dass eine Unwetterwarnungn vorlag, also nicht einmal garantiert werden konnte, dass das Spiel regulär zu Ende ging, Entsprechend regnetete es dauerhaft und meist heftig, inklusive der Sturmböen (nicht allein von Sturms Angriffswellen ausgelöst…), welche den Sprecher einmal sogar veranlassten, anzumerken, dass ein vom Torwart abgeschlagener Ball beinahe wieder zu ihm zurück gelangte, was auf die Hefitigkeit schließen ließe, die aber auch nur temporär gewesen sein mag; dennoch nennt man derartige Bedingungen „widrig“ und würde den Spielern per se ein kleines Entlastungsargument zusprechen und ihre Aktionen möglicherweise nicht ganz mit dem gewohnt strengen Maß messen?!
Zur Szene selbst: Sturm war im Angriff, ein gelungener, schnell vorgetragener, alle waren in Bewegung, ein wenig Platz, ein durchstartender Stürmer, der Ball genau im richtigen Moment in den Strafraum gespielt, der Ball und der Rasen regennass, der Stürmer hat dennoch diesen halben Meter Vorsprung vor dem hechelnden Verteidiger, kommt fast schon im Fallen dennoch aus gerade noch nicht zu spitzem Winkel zum Schuss. Der Ball geht knapp am kurzen Pfosten vorbei. Nicht einmal beim Spieler direkt Ärger oder so. Es hätte klappen können, die Torchance war da, aber keineswegs eine gigantisch hohen Kalibers.
Man hätte nun alle Chancen, diesen Angriff aus gut, gelungen, sehenswert und was auch immer zu bezeichnen. Anteilnahme am Spieler, vielleicht ein wenig Bedauern,dass es nicht noch enger wurde, ein wenig Anerkennung täte auch gut. Es wäre eine jener Szenen, auf welche man leider oft viel zu lange warten muss – und vielleicht deshalb die Zuschauerfrequenz gering ist, man diese jedoch mit höherer Vielzahl von derartigen Szenen anlocken könnte, gerade die „neutralen“?
Der Kommentar fiel so aus, und garantiert kann werden, dass der vor sich hin dämmernde verbliebene Zuschauer NICHT aus seinem Zustand hoch geschreckt wurde. „Den MUSS er wenigstens aufs Tor bringen.“
Nichts weiter. Es ist das Deutsche Vorbild. Diese Gnadenlosigkeit in der Aburteilung. Es spräche eigentlich für sich selbst, wie groß dieser Unsinn ist, vor allem im Abgleich mit der Beschreibung der Szene (wobei es hier ein „so war es wirklich“ nicht gibt, so ehrlich muss man schon sein). Dennoch darf man die Aussage ruhig mal sezieren, in alle Einzelteile zerlegen, und das vernichtende Urteil einzig auf den Kommentator anwenden. Einfach auf diese Weise: „Wenn man den Sender am Leben halten will und die paar Zuschauer, die einem verblieben sind, wenigstens bei diesem Spiel gut unterhalten möchte, dass sie zumindest wieder kämen und nicht auch noch wegliefen, dann muss er, der Sprecher, aus dieser Szene mehr herausholen als diese eine unsinnige, total daneben liegende Anmerkung.“
Sezieren war angesagt. Wann immer man einen Kommentar hört, kann man sich diese zwei Fragen stellen. Wie hoch ist der Wahrheitsgehalt? Und: wie hoch ist der Unterhaltungswert? Man könnte diese sowohl ausweiten als auch präzisieren, aber das wären die Kernfragen. Sofern der Wahrheitsgehalt nämlich gering – etwa dem Kommentar beim Catchen ähnlich –, dafür jedoch der Unterhaltungswert groß, entweder im Sinne von „Drama erzeugen“ oder auch „gelungener Wortwitz“ oder auch „Spannung herauskitzeln“, dann würde man womöglich sogar über den verminderten Wahrheitsgehalt hinwegsehen. „Schauen Sie, da, zwei Schmetterlinge begegnen sich beinahe im Flug, ouh, da dreht der eine auch schon wieder ab.“
Zurück zu den Fragestellungen. Eine Präzisierung oder Erweiterung der Frage 1 wäre zum Beispiel, inwieweit hier das Geschehen gut eingefangen, plastisch gemacht wird. Inwieweit ist der Kommentar der Szene angemessen, inwieweit wird der Kern erfasst, beschrieben? Dies ginge zwar schon in Frage 2 über – den Unterhaltungswert – aber selbst da ginge es noch weiter: erkennt man ein Erfodernis, den Zuschauer zu unterhalten oder ist es prinzipiell gleichgültig? Weiterhin diese Frage: ginge es dem Sprecher womöglich vorrangig darum, selbst gut da zu stehen und sich keineswegs mit Publikumsbelangen auseinander zu setzen?
Die grobe Richtung bei dem Fragenkomplex Teil 1, dem Wahrheitsgehalt, kann man allmählich so näher kommen: die Absicht des Stürmers ist keineswegs, zum Wohlgefallen des Sprechers, den Ball „wenigstens aufs Tore zu bekommen.“ Er hätte nur diese eine Absicht: den Ball INS Tor zu bekommen. Dabei wäre ein knappes Verfehlen des Gehäuses möglicherweise eine in Kauf zu nehmenden bessere Option, als ihn mittig zu platzieren, wo er locker aufgenommen würde. Das knappe Verfehlen des Tores war also irgendwo sogar einkalkuliert, da er die Ecke anvisierte. Zugleich müsste man natürlich die äußeren Umstände mit einkalkulieren. Ball und Rasen nass, der Stürmer kommt gerade so heran, im Fallen bereits schießt er, da es halt alles ziemlich schnell ging.
Das Urteil hier über das Sprecherurteil fällt leider berechtigterweise für den Punkt „Inhalt“ mit einer glatten 6 etwas unerfreulich für ihn aus. Da war kein kleinstes Körnchen Wahrheit dran. Er hatte nicht das angeblich vom Sprecher für erstrebenswert erklärte Ziel. Nun könnte man über die Gnadenlosikgeit nachdenken, welche mit dem Wörtchen „muss“ zu verbinden ist. Wenn man seiner Arbeit nachgeht, und einen Punkt nicht zu erfüllen in der Lage ist, welcher im Anforderungsprofil steht – also das MUSS man einfach können oder erledigen – und sich der Sache nicht gewachsen erweist, dann sollte man so rasch wie mögliche die Todesart wählen und selbst Hand anlegen, bevor unweigerlich die Lynchjustiz zuschlägt und einem dieses Freiheitsgrades beraubt.
Mit ein wenig verminderter Polemik: man sollte, als Stürmer zum Beispiel, schnell die letzten drei Gehälter zurücküberweisen und seine Steifel an den Nagel hängen, bevor es die noch schlimmeren Konsequenzen gäbe: man wird gekündigt und findet auch keinen neuen Verein mehr. Denn, nachgewiesen ist ja, dass er etwas, was er hinbekommen muss, einfach nicht hinbekommt.
Auch hier liegt ein kompletter Irrtum vor. Er muss angeblich etwas schaffen, was er gar nicht schaffen wollte. Nur darf man die Szene gerne mal in alternativer Ausprägung weiter spinnen und sich den dann gehörten Kommentar – von anderen vergleichbaren Situationen hier hinein kopiert – vor Ohren führen. Der Stürmer erfüllt das gar nicht gestellte Anforderungsprofil – er hat die Szene von letzter Woche in Erinnerung, die ähnlich bewertet wurde – und schießt den Ball stattdessen mittig aufs Tor, der Torwart nimmt den Ball locker auf.
Illusorisch wäre es, anzunehmen, dass er nun Gnade fände und die logischerweise nun angebrachten, aber noch immer total deplatzierten Worte, vorfände: „Immerhin hat er den Ball aufs Tor gebracht.“ So, wie ich es ihm letzte Woche oktruiert habe. „Wenigstens aufs Tor bringen, egal, was dein Trainer dir dazu immer sagt, orientiere dich an der Macht de Medien…“.
Nein, absolut rein gar nichts davon bekäme er und auch der Zuschauer zu hören. Der Kommentar würde nämlich stattdessen so ausfallen: „Viel zu unplatziert.“
Nun, selbst wenn ein nur für diesen Fall erdachter Kommentar: es gab diesen Satz bereits zu hören. Hier nun würde außer, dass der Wahrheitsgehalt weiterhin Richtung „unterirdisch“ tendieren würde, auch noch die Logik auf den Kopf gestellt und zugleich die deutsche Sprache arg vergewaltigt werden.
Warum dies? Zunächst, weil „unplatziert“ sich nicht steigern ließe. Abgesehen davon, dass ein Schuss in die Mitte ja eigentlich das Höchstmaß an Präzision darstellt. Nur würde ihn, den Sprecher, ja im Prinzip dabei stören, dass er nicht weniger präzise, und zwar ins Eck platziert worden wäre. Wie anders wäre sonst die vorherige Anmerkung „muss aufs Tor bringen“ zu deuten? Hat er hier erfüllt – zur andersartigen Unzufriedenheit des Sprechers. Falls er also hier ein Urteil fällen sollte, in der negativen Bauart, dann müsste es eigentlich heißen „viel zu platziert“, ohne das un-. Tor anvisiert, wie angeblich gefragt, Tor mittig getroffen – geht doch gar nicht besser? Nun war es „unplatziert“? Wie dumm…
Nun käme noch die Vorsilbe „zu“. Sowie man diese Vorsilbe davor setzt, dann hätte man, im Steigerungswahn auf der Suche nach Superlativen, was einzig den Sprechern geblieben ist von ihrem Besuch der Reporterschule, die Superlative der negativen Bauart jedoch, die Absicht, das Misslungene an der Aktion zu steigern. Dies Vorsilbe wird permanent verwendet – und ist in ganz seltenen Fällen rein logisch gesehen überhaupt vertretbar, zumindest, wenn man die Absicht zugrunde legt.
Sowie er nämlich sagt „zu unplatziert“, dann könnte ein alternativer Fall, jedoch aus einer Sicht weniger schlimmer Fall ja so kommentiert werden: „Der Schuss war unplatziert:“ Der eine war unplatziert, der kam nicht an, der andere war „zu“ unplatziert. Welcher hätte, rein nach Gefühl, den höheren Verfehlungsgrad? Das Urteil müsste so ausfallen: der unplatzierte Schuss war weiter vom Ziel entfernt als der „zu“ unplatzierte. Denn der „zu“ unplatzierte war doch, logisch gesehen, etwas näher dran? Da fehlte doch nur ein kleines bisschen? Es fehlte das kleine bisschen, dass er nur unplatziert gewesen wäre. Und somit war er näher dran.
Zugleich würde man übrigens, ebenfalls logisch gesehen, den Fall „unplatziert“ als in Ordnung einräumen, also der Sprecher mit dem eingeschränkten Logikvertständnis. Alternatives Beispiel: „Zu unkonzentriert“. Dann wäre es doch ok, wenn man nur unkonzentriert wäre?
Es ist eine beabsichtige Steigeruing der Fehlleistungen, welche mit der Vorsilbe „zu“ angestrebt wird – nur geht diese in die Hose. Sprachlich falsch, logisch falsch. Der Szene entsprechend ohnehin nicht, also Wahrheitsgehalt schon beurteilt. Nur hat er das ja in dem Moment gar nicht gesagt. Er hat nur eingefordert, dass der Stürmer sich nächste Mal bitte so verhalten möge, dass der „noch viel unplatziertere“ Kommentar abgegeben werden könnte.
Wenn man nun noch ein „viel“ vor das „zu“ setzt, dann beabsichtigt man eine weitere Steigerung der Fehlleistung, nur um das abzurunden an dieser Stelle. Gelungen wäre auch diese nicht. Weil nämlich ein „viel zu…“ schon wieder einräumen würde, dass, wenn es nur „zu…“ wäre, dann auch schon wieder in Ordnung wäre. Wenn er doch bloß nur „zu unplatziert“ geschossen hätte. Wäre gerade noch so ok. Nun hat er es aber „viel zu…“ getan. Logik .. nun ja, was sollte man so ihm mit Logik kommen?
Nun kann man wenigstens noch kurz zum Spektrum „Unterhaltungswert“ kommen. Das Spektrum ist jedoch recht schmal. Der Unterhaltungswert geht gegen Null. Wobei man sagen dürfte, dass jeder Zuhörer, der so etwas tatsächlich an sein Ohr dringen ließe – und das sind, versprochen, nicht sehr viele – bitte eine Boxsack bereit halten sollte. Irgendwo muss man schließlich hin mit seinen Aggressionen.
Erstaunlich, wer ihm die Sprecherlaubnis erteilt hat? Es gibt nur diese eine Erklärung: der es getan hat hört selbst niemals bei einer solchen Reportage zu. Dass er zusätzlich für das Absondern von Unsinn hoch drei bezahlt wird, muss eine Fata Morgana sein.