Unter der Woche wurde ebenfalls Fußball gespielt, und zwar Ligafußball – das Kerngeschäft des Autoren –, denn im „Ligaalltag“ funktionieren die Algorythmen am besten, welche letztendlich den Lebensunterhalt sichern sollen. Im Ligaalltag sieht es nämlich so aus: jeder spielt gegen jeden, in Hin- und Rückspiel. Das lässt schon einmal verlässliche Zahlen für den Toreschnitt sowie die Unentschiedenhäufigkeit zu, welche für die Berechnungen benötigt werden. Zugleich kann man sich ziemlich gut darauf verlassen, dass man im Alltag eben sein Alltagsgesicht zeigt. Es ist das Gesicht, was jeder kennt und auf welches ebenso Verlass ist. Dies sorgt weiterhin dafür, dass die Berechnungsgrundlagen einheitlich und zuverlässig sind, so weit eben möglich.
Nur um einen Vergleich herzustellen: internationale Auftritte haben immer etwas Besonderes. Hier gibt es keine Alltgsgesichter, sondern eher die Feiertagsgesichter. Diese haben jedoch den Nachteil, dass man sie zu selten sieht, um sie gut beurteilen zu können, gut einzuschätzen, dass sie ein klares Bild abgeben. Konkreter: auch auf den Toreschnitt bezogen gibt es nur ein höchst unscharfes Bild. Nicht nur, dass die Bedürfnislage anders ist. Man bedenke, dass auch die Rückspiele in die Auswertung gelangen und hier meist beiden bekannt ist, welches Ergebnis den Mannschaften nützlich ist und welches zu vermeiden wäre. Sofort einsichtig, dass dies einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Spielverhalten hat: man liegt 1:2 zurück, denkt aber nicht im Traum daran, nun auf Angriff umzuschalten – wie bei einem Ligaspiel üblich –, sondern hält das Ergebnis mit Zähnen und Klauen fest, da man nämlich mit selbigem eine Runde weiter wäre.
Auf den Toreschnitt und die Unentschiedenfrequenz bezogen: es gibt keine feste Anzahl von Mannschaften, die teilnehmen, beziehungsweise spielen die Teilnehmer unterschiedliche Anzahlen von Spielen. Insofern ist der auftretende Schnitt immer ein verfälschender.
Auf nationale Cupspiele angewandt: hier weiß ja jedes Kind schon, dass „der Pokal seine eigenen Gesetze hat“. Wieso ihn also versuchen, in ein (mathematisches) Korsett zu zwängen? Und überhaupt spielen die Mannschaften ja klassenübergreifend gegeneinander, so dass Vergleiche schwer anzustellen sind.
Das Alltagsgeschäft ist der Ligabetrieb – womit man aber durchaus und locker ausgelastet ist. Welche Liga spielte nun unter der Woche? Eines der Steckenpferdchen des Dirk Paulsen, die zweithöchte Klasse in Österreich, die so geannte „Sky Go Liga“, offensichtlich nach dem Sponsor benannt, der jedoch auch hier alles tut, nur ja möglichst jeden sich auf den Kanal verirrenden fortzuschicken.
Man könnte doch kommentatorenseitig eventuell diesen Akteuren gegenüber gnädig sein oder zumindest erkennen, dass, wenn man schon unterklassig überträgt, man nun garantiert nicht mit zusammenbrechenden Leitungen zu rechnen hätte, weil diese aufgrund der Vielzahl der Zuschauer sie zum Glühen brächten? Man vergleiche dies in etwa mit einer Tischtennisveranstaltung, welche ausnahmsweise mal ins Fernsehen gelangt: würde der Reporter hier überhaupt nur den leisesten Gedanken daran verschwenden, dass hier irgendwelche Fehlleistungen vorliegen? Vermutlich kaum. Nicht nur, dass er und kein Zuschauer überhaupt Fehler erkennen würde, sofern sie gegeben wären. Nein, man empfände automatisch und selbstverstädnlich das Glück, hier auf Sendung zu sein und fühlte die dringende Verpflichtung, wenn schon Randsportart, dann diese durch das kunstvolle Erzeugen von Dramatik und Hervorhebens der Höchstleistungen möglichst den Zuschauer hier mit hineinzuziehen ins Geschehen. Ein negatives Wort? Fiele nicht, fiele ihm im Traum nicht ein. Wäre deplatziert – und das wüsste und spürte er und würde sich daran so klammern, wie ein Rabbi an sein Gebetsbuch.
Beim Fußball verschwimmen all diese Gesetze, werden mit Füßen getreten, werden misshandelt von Scheitel bis Sohle, werden auf den Kopf gestellt, durcheinander gewirbelt, werden ins Gegenteil verkehrt. Natürlich beständig der Grund dahinter: jedes Lob würde einen als Laien identifizieren. Man spricht etwa waghalsig ein „schöner Schuss“ aus — und müsste unmittelbar folgende Reaktion befürchten: „Schöner Schuss? Von wegen schöner Schuss! Wenn man dem so viel Platz lässt? Da muss doch einer drauf gehen, da schauen doch alle bloß zu! So war das kein Problem und hätte jeder dahergelaufene Straßenfußballer auch hinbekommen.“
Was auch immer es wäre: man darf es anscheinend nicht sagen. Man muss die Finger in die Wunden legen. Und wenn keine Wunden da sind, dann reißt man diese eigenhändig. Man erdichtet sie einfach. Wer könnte da gegen an? Es gibt eine solch unendliche Palette von Standardsprüchen, die Null Gehalt, dafür lediglich Verunglimpfung des Geschehens, oft eine Verunstaltung der Deutschen Sprache, und meist ein gewaltsames Überwinden schlichter Logik darstellen. „Da sieht der Torwart aber nicht gut aus.“ wäre einer davon.
Nun, die Mutmaßung ist recht einfach: der Kommentar erfolgt, nachdem der Ball im Netz zappelt. Er sieht nicht gut aus bei der Aktion, den Ball aus dem Netz zu holen?! Wie auch immer: bitte möge der Sprecher doch nur die eine Szene herauspicken, bei welcher der Torwart gut aussieht, während der Ball an ihm vorbei ins Netz geht? Der Satz „da sieht er nicht gut aus“ ist eine Tautologie, eine sich selbst beweisende Aussage, die nicht den geringsten Wissenszuwachs für den Zuhörer bedeutet. Nur hat sie einen einzigen Effekt: da eine Schwäche, eine Fehlerhaftigkeit, einen Mangel aufdecken zu wollen, der eben in Wahrheit nicht vertreten ist. Falls er vertreten wäre: durch reflexartigen wiederholten und regelmäßigen Gebrauch der Floskel fehlt jegliche Differenzierung. Sie wird per se unglaubwürdig, da sie jedes Mal angewandt wird. Davon merkt der dies Absondernde rein gar nichts. Er fühlt sich gut in dem Moment. Fehler erkannt, Fehler aufgezeigt, noch bevor der Zuschauer Luft holen kann, geschweige denn aus seinem Sessel springen könnte, weil ihm möglicherweise die Aktion sogar gefallen hätte, ein Torschrei das ist, worauf er nun schon eine gute halbe Stunde gewartet hätte, dieser ihm aber im Rahmen der angeblich so unvermeidlichen „Fehleranalyse“ im Halse stecken bleibt. Hier wie auch sonst: der neutrale, aber nicht vorhandene Zuschauer gemeint. Der ist nämlich ängst vergrault worden. Falls noch einer da, dann hätte er in etwa diese Gedanken:
„Ich wollte mich gerade freuen über ein schönes Tor, aber jetzt erfahre ich, dass es gar nicht schön war. Nun gut. Ich freue mich nicht, sehe ich ein, ich wechsle den Kanal – vielleicht gibt es bei der „Sendung mit der Maus“ something to cheer about – und ich komme auch garantiert nicht wieder. Spaß verleidet – bis ultimo. Schönen Dank, auf Wiedersehen.“ So, wie es alle seine Vorgänger schon getan haben
Dies ja nun der Senf, der so oft beigetragen wurde, dass er an allen Ecken und Ende klebt. Nun kommt noch etwas Butter hinzu, und zwar „bei die Fische“. Was war nun wirklich los unter der Woche? Übrigens: ein Mitschreiben sämtlicher reporterdeutschen „Fehlleistungen“, Entgleisungen, Logik- und Sprachvergewaltigungen, Selbstbeweihräucherungen, Spannung und Spaß verderbenden Plattitüden, unsäglichen Dummheiten würde a) eines Stenographen bedürfen und b) ist gar nicht erforderlich, da es ein einzelnes Sammelsurium davon ist, wo ein beliebiges Herauspicken eines einzelnen Satzes genügt, um daran die komplette Vernichtung – so wie es die Reporter am Geschehen tun, diese jedoch absolut zu unrecht, wie leicht beweisbar wäre, aber nicht einmal vonnnöten – der Kommentare sicher zu stellen. Es ist in etwa wie unter dem Schottenrock: da ist nichts und da war nichts.
Die Kommentare allesamt der Konferenz entnommen, in welcher vier Spiele parallel, alle angepfiffen am 8.817 um 18:30, ausgetragen wurden.
Ein Beispiel nun endlich: als in der Partie zwischen Wiener Neustadt und Hartberg kurz nach der Pause das 1:0 fiel, hörte man zwar den Torschrei und sah auch kurz danach die Einblendung, jedoch hätte man wohl lieber darauf verzichtet – wer mit ausreichend Verstand ausgestattet ist –, als man nämlich zu hören bekam: „Das Tor hatte sich abgezeichnet in den letzten Minuten…“ Der wahre Prophet hat es kommen sehen, na klar, ein rechter Experte, der kennt sich aus, der ist mit allen Wassern gewaschen. Wenn man ihn jedoch fragen sollte, warum er das erst jetzt verrät, nachdem es passiert ist, und nicht einfach die drei Minuten zuvor, dann bekäme man die folgende, tatsächlich für den Moment klug ersonnene, Ausrede zu hören: „Na, ich wollte euch doch nicht die Freude vorwegnehmen. Ich kann doch nicht vorhersagen, dass gleich ein Tor fällt, obwohl ich es weiß? Wer würde denn dann noch zuschauen?“
So relativ klug die Ausrede auch wäre: sie würde ja an jeder anderen Stelle sofort widerlegt werden können. Denn am beliebtesten – und auch an jenem Abend zu hören – sind ja die Kommentare : „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die noch ein Tor schaffen. So schwach, wie sie die ganze Zeit waren.“ Genau so geschehen in der Partie Kapfenberg – Blau Weiß Linz, Spielstand 0:1, 82. Minute. Dies würde einem nun sicher die Freude verderben, dieses Spiel anzuschauen. Die sind so schwach, machen eh kein Tor. Kurioserweise jedoch – dies räumte der Sprecher allerdings dann leicht schambewusst ein – hatte Kapfenberg danach noch mindestens zwei riesige Ausgleichschancen. Das Orakeln wird also immer dann verwandt, wenn man ausreichend gute Erfolgschancen sieht, dass man richtig liegt.
Zurück zu dem 1:0 von Wiener Neustadt: es hatte sich also abgezeichnet. Was fängt man damit jetzt an? Soll man nun mit all den versammelten Freunden – fiktiv, denn man selbst hat ja sogar Oropax in den Ohren und ist an solchen einzigartigen „Freudentagen“ selbstverständlich allein, und das auf der ganzen weiten Welt — die Welle anstimmen, ein Hoch auf den Reporter? Was gedenkt er, was man mit dieser Aussage anfängt, wie sehr sie hilfreich ist, inwieweit sie nichts weniger Niederträchtiges erfüllt als den Tatbestand der Klugscheißerei?
Nun, einmal in Fahrt geraten, kann man sich sehr locker den alternativen Werdegang vorstellen. Er behielte in der reinen Theorie sein Wissen weiterhin für sich – jenes des sich ankündigenden Tores –, weil das Tor nämlich gar nicht erst fiele.
(nur so, zur eigenen Belustigung, einfach mal die Szene beschrieben, die in der Zusammenfassung später noch viel weniger „nice“ beschrieben wurde: ein Angreifer verschafft sich fast am Schnittpunkt der Außenlinien — sprich: an der Eckfahne – genau so viel Platz, wie man benötigt, um den Ball nach innen zu bringen. Es sieht eher so aus, als ob man sich die Flakne sparen könnte, weil es aus dieser Position, fast aus dem Stand, einfach nichts werden kann: vermutlich spekulierte er eher auf einen Eckball. Der Ball kam jedoch am Verteidiger vorbei – wobei das Sprecherurteil natürlich lautete „lässt ihm zu viel Raum, geht zu zögerlich hin“ – und ziuemlich flach auf den kurzen Pfosten, wo sich tatsächlich ein weiterer Angreifer hinschlich und den Ball von dort, aus sehr schwieriger Position, da der Winkel recht spitz, im Kasten unterbrachte; es kann passieren, es hat nichts mit Fehler zu tun, welche natürich direkt danach der Innenverteidigung angelastet wurden, die diesen „völlig allein gelassen hatten“ und vergleichbarer, bekannter Unsinn)
Ein sehr unwahrscheinliches Tor in seinem Zustandekommen, also könnte es auch einfach ausbleiben? Das Spiel ginge weiter, möglicherweise hätte Wiener Neustadt sogar tatsächlich vorher und in der Folge die größeren Spielanteile und die besseren Chancen, erzielt aber weder jetzt noch bis zur 80. daraus einen Treffer.
Dann gelingt den Gästen mit einem der seltenen Konter das 0:1. Nun erkennt man sofort, wie die Einschätzung zu lauten hätte. Und auch an dieser Stelle empfähle es sich, anstatt der Reporter dort nur noch Bänder hinzustellen, welche vorab aufgezeichnet wurden und je nach Spielstand und Entwicklung – teils dann also auch per Zufallsalgorithmus, man muss ja flexibel bleiben – einen passenden Kommentar abspielen. Es wird ohnehin nicht differenziert und die sinnlosen Sprüche lassen keinerlei Muster erkennen. Außer jenem: Hauptsache negativ, Hauptsache, den Spaß verderben. Sinnhaftigkeit sucht man vergeblich. Für diese Situation gäbe es jedoch nur den einen, der tatsächlich immer käme: „Tja, so ist das, wenn du deine eigenen Chancen nicht nutzt, dann tut es irgendwann der Gegner.“
So hat man also für jeden möglichen eintretenden Fall die passende Erklärung parat: falls die bessere Mannschaft das Tor erzielt, hatte es sich angekündigt – er als Fachmann liegt ganz vorne –, wenn es der Gegner erzielt hat man diesen neunmalklugen Spruch auf Lager – und steht auch ganz toll da. Der kennt alle Regeln und Gesetze. Klasse, der Mann.
In allen Fällen hätte es mit Expertentum so wenig zu tun wie der Mars mit verbrauchter Energie – oder gab es da gar einen Zusammenhang? – oder die Milchstraße mit einem Bücherwurm. Es ist so wertloses Blabla in der Abicht, Expertenpunkte zu sammeln, dass man nur weiterhin seinen Boxsack zur Verfügung hat, um sich abzureagieren – oder zu Papier und Feder greift.
Genau in die gleiche Kerbe hiebe jener Kommentar, zu einer Auswechslung in der gleichen Partie, in der darauf folgenden Minute: „Da nimmt er Sanogo herunter. Der hatte heute keinen guten Tag, viel gelaufen, wenig Ertrag.“ Nein, wie schwach ist das bloß? Hier wäre es fast noch ein wenig schwächer als im ersten Fall. Denn bei einem Tor könnte man ja tatsächlich auf den Gedanken kommen: die bessere Mannschaft, hatte schon ein paar Szenen, nun das Tor, das ginge ja im Vergleich fast noch (nur der Alternativfall, zu häufig eingetreten, um es zum Zufall zu erklären, müsste ihm die Schamesröte ins Gesicht treiben, wenn er denn derartige Gefühle je erlebt hätte) erträglich. Aber eine Auswechslung so zu kommentieren?
Das heißt also: er würde locker die Rolle des Trainers gleichzeitig ausfüllen können. Oder sollte man sogar mutmaßen, dass er dem Trainer gerade ein verstecktes Zeichen gegeben hat: „Nimm mal den Sanogo runter, der bringt es heute nicht!“ Zumindest will er einem weis machen, dass er das Spiel lesen kann und Augen und Ohren überall hat. Auswechslung erfolgt: „Ja, richtig, der war heute nichtr gut. Den musste er runter nehmen.“ Wenn man in puncto „Primitivität“ Steigerungspotenzial fände, dann hätte er hier aber doch allmählich das Limit erreicht – im Vergleich zum vorherigen Kommentar.
Die Phantasie ermöglicht auch hier, dem Tolpatsch das Handwerk zu legen. Es müsste im Interview, rein zufällig, der Trainer auf die Auswechslung zu sprechen kommen und sagen, dass er Sanogo aus taktischen Gründen heruntergenommen hat, nach dem Führungstor, oder, dass die Auswechslung lange vorher abgesprochen war. Nur würde der Mann dann noch lange nicht klein bei geben: „Also ich fand ihn schwach. Sie nicht?“ „Nein, er hat seine Aufgabe erfüllt.“ Scham, Eingeständins eines Irrtums? Niemals!
Ein Kommentar hier noch, der das gleiche glückliche Schicksal jedes anderen abgesonderten hatte — nämlich jenen der vollständigen Abwesenheit von Zuhörern — hörte sich so an: „Ziemlich biederer Zweitligafußball hier.“ Bei der Partie Kapfenberg gegen Blau Weiß Linz, in der 66. Minute. Es sind zwei Mannschaften am Start, die eher im Mittelfeld bis darunter zu erwarten wären. „Biederkeit“ lässt sich ohnehin nicht steigern. Nur im Scherz halt. Wie zum Beispiel bei Asterix und Obelix. Als eine lauwarme Cervisia serviert wurde und der Gast nicht zufrieden mit dieser schien. Der Ober fragte: „Was ist mit der Cervisia? Ist sie ihnen nicht lauwarm genug?“ Ein bisschen lauwärmer – dann wäre alles gut?!
Also sprachlich und logisch schon mal 6. Bieder, noch biederer, ziemlich bieder, wann wird er wieder gut? Etwas weniger bieder vielleicht? Es ist ohnehin genau das, was man sagen würde, wenn man etwas auf keinen Fall verkaufen wollte. Der Marktschreier stellt sich hin und ruft „ziemlich durchschnittliche Ware heute, mittelgroße Kartoffeln, zum gleichen Preis wie am Nebenstand! Wollen Sie ein paar? Ist wirklich absolut durchschnittlich, noch durchschnittlicher als letzte Woche.“ „Nein, danke!“
Das Spiel war irgendwo am Höhepunkt der Durchschnittlichkeit angelangt – und das ist absolut positiv formuliert. Denn „durchschnittlich“ ginge fast noch? Dieses war bieder. Freuen Sie sich auf die nächste Einbledung?!
Irgendwie könnte man es auch als Enttäuschung auslegen. „Ich dachte, heute Abend wäre Champions League. Stattdessen ist nur zweite Liga. Die ist aber bieder.“ Was man denn auch als versteckten Hinweis an die Chefetage verstehen dürfte: „Das hier ist Schrott, habt ihr dafür etwa Geld bezahlt?“ Nur auf den Konter „hast du Gehalt bekommen und wenn ja, weiß du, wer das finanzieren soll?“ blieben die Antworten aus.
Oder auch so: er wollte zuerste sagen „das ist biederer Fußball“ aber in dem Moment fiel ihm ein, dass ja tatsächlich nur Kapfenberg gegen Blau Weiß Linz und nicht Bayern gegen Real spielte. Insofern müsste er das „bieder“ ja anerkennen, hätte es keinen Gehalt? „Ja, ist bieder, aber was hattest du denn erwartet? Es ist die zweite österreichische Liga?“ Nun fiel ihm das irgendwie doch auf, also fügte er hinzu, zugleich im Steigerungswahn des Negativtrends, dass es sogar für Zweitligaverhältnisse bieder sein könnte? Also war es plötzlich „ziemlich biederer Zweitligafußball“, wobei dies ja genau die Erkenntnis der Zweitklassigkeit einräumt, dem man diese vielleicht zuschreiben dürfte, ohne sie mit einer Anmerkung zu versehen? Alternativ hätte er also auch theoretisch sagen können – wie er es im Prinzip mit jedem Kommentar tut, hier so auf den Punkt gebracht: „Hier ist zweite Liga, das ist schwach, also schalten Sie bitte um und schauen Sie irgendwo zu, wo Sie besser unterhalten werden.“ Was immer die Konsequenzen sein mögen, wenn jemand, der bei der Verteilung der Dummheit laut „hier!“ geschrien hat, den Auftrag erhielte, einen Baum ein wenig zu stutzen und er sich aus rationellen Gründen entscheidet, den Ast, für den er sich entschieden hat, selbst zu besetzen, bevor er ihn absägt…
Wattens lag zurück gegen Floridsdorfer AC, wie üblich, mit 0:1. Nicht berechtigt, denn sie waren die bessere Mannschaft. Bei einer Einblendung zu diesem Spiel in der 70. bekam Wattens einen Standard zugesprochen. Dieser brachte nicht das 1:1 – oh Wunder. Wann fiele überhaupt je ein Tor? Der Kommentatator hatte aber einen wirlich guten Ratschlag parat, zu dem nicht erfolgten Ausgleich: „Wenn man zurück liegt, dann sollte man wenigstens aus den Standardsituationen ein bisschen mehr machen.“ Rumms! Der saß!
Das wird sich der Trainer garantiert hinter die Ohren schreiben. „Ah, verstehe, wenn es 0:0 steht, sind die Standards egal, wenn wir führen wohl noch mehr. Wenn wir hinten liegen, dann müssen wir was draus machen! Nehme ich für nächste Woche ins Trainigsprogramm auf: wir traineren Standards bei Rückstand. Da schießt man plötzlich ganz anders, habt ihr gemerkt?“
Nein, wirklich. Unsinn in höheren Potenzen von einer Einzelperson, die sich die ganze Zeit auf Zuhörers Kosten, auf Zuhörers Unterhaltung „öffentlich“ auf die Schulter klopfen darf, mit der hohen Kompetenz ausgestattet a) Mikrofon in der Hand, b) kennt den Spielstand c) am Wichtigsten: nichts im Kopf.
Zwei Szenen noch, die geeignet sind, den Regelunsinn deutlich zu machen.
Bei der ersten (herusgepickten; es gäbe eine Vielzahl) Szene, aus der Partie Wiener Neustadt – TSV Hartberg (Endstand 1:0) kommt der Gästetorwart aus dem Fünfer, um eine Flanke weg zu boxen. Ein Gegenspieler steht günstiger zum Ball. Der Torwart springt aber rücksichstlos zum Ball – wie üblich – verfehlt ihn aber denonch und trifft stattdessen nur den Gegespieler, auch mit der Boxeinlage. Kein Elfmeter, kein Foul, kein Rot, kein gar nichts. „Hauptsache, es fällt kein Tor. Da muss man dem Torwart doch noch ein paar weitere Sonderrechte einräumen? Dass der Spieler sich vielleicht verletzt—sein Pech. Warum steht er auch so blöd genau da, wo sein Mitspieler hinflankt? Da hatte er genug Zeit, noch aus dem Weg zu gehen – dann wäre ihm auch nichts passiert. Außerdem, die Frage muss erlaubt sein: wollte er etwa ein Tor erzielen? Na so weit kommt es noch!“
So in etwa müsste man es einem Regeloffiziellen in den Mund legen, der diese Szene zu beurteilen hätte. Oder sollte dieser wieder einmal sagen „Ja, das hat der Mann mit der Pfeife übersehen. Kommt vor.“ Obwohl er nahe daneben stand? Das ist einfach nur Unsinn. Er hat gesehen, meint aber, dass er davon kommt, wenn er keinen verhängt.
Zum Thema „nicht gesehen“ noch: merkwürdigerweise hat er jedoch in einer anderen Situation aus viel größerer Distanz ein Stürmerfoul erkannt, welches gar nicht vorlag, aber dies unmittelbar und unmissverständlich gepfiffen. Als der Stürmer fragte: „Was soll ich denn jetzt schon wieder gemacht haben?“ bekam dieser dafür Gelb.
Zugegeben: die zweite Szene ist eine fiktive, die aber dennoch so nicht selten vorkommt.
Der Kommentar zu der tatsächlichen Szene fiel übrigens so aus: „Hier hatten die Gäste Glück, dass es keinen Strafstoß gab.“ Immerhin würde dies die Erkenntnis mit einbeziehen, dass er auch die Regelwidrigkeit erkannt hat (in der Wiederholung sagt er: „trifft nur den Gegenspieler, nicht den Ball“), nur mit der Einschätzung „Glück gehabt“ kann man ihm keinesfalls recht geben. Viel mehr hätten die Stürmer Glück, wenn es in ganz seltenen Fällen mal doch den Strfafstoß gibt. Er hätte also sagen müssen: „Hier tat er das, was er immer tut, wenn er es gerade so noch für vertretbar hält: er pfiff nicht.“
Die andere Szene war dennoch die wesentlich bedenklichere: der FAC führte noch immer 1:0, die Nachspielzeit war längst angebrochen, bald schon rum. Der Torwart der Gäste war zur Ecke mit aufgerückt. Die Ecke wurde abgewehrt, ein FAC Spieler hätte gänzlich freie Bahn zum leeren Tor gehabt – da fing der Gegenspieler den anders nicht erreichbaren Ball mit der Hand ab. Ein ganz übles Vergehen natürlich, und an anderer Stelle derartiges Verhalten diskutiert (welche Strafe müsste her, damit er dieses Verhalten nicht wiederholte, weil es schändlich ist und eine Torsituation raubt, im Prinzip hier ein klares Tor), nur hat er in dem Sinne Pech mit dem Handspiel, dass er den Ball nicht endülgtig aus der Laufbahn des Angreifers befördern kann. Sprich: der Angreifer hätte noch immer freie Fahrt, die üble Aktion hat nichts genützt.
Was tut der Schiedsrichter? Er pfeift, und zwar sofort. Er gibt dem Ball gar keine Chance mehr, in den Lauf des Stürmers zu kommen – was er aber tut.
Alles an dieser Szene ist irgendwie „falsch“. Es dürfte nicht zu dem Handspiel kommen. Hier wäre das Hauptproblem, dass dem neutralen Zuschauer permanent auf diese Art Torszenen vorenthalten werden – und diese Vorenthaltung — auf unsportliche Art, wohlgemerkt — diesen neutralen Zuschauer schon vertrieben hat. Weiterhin ist die Unterbrechung des Schiedsrichters natürlich eine Farce. Es gäbe nicht die geringste Notwendigkeit sofort zu unterbrechen, vor allem eingedenk der so genannten (!!) Vorteilsregel. Sie wird eben nur so genannt, sie bietet keine Vorteile, stattdessen nur Nachteile – wie hier gesehen.
Warum er unterbrochen hat? Es ist beinahe ein Reflex, dass die Schiedsrichter bei der Anbahung einer Torchance irgendein Haar in der Suppe finden. „Könnte Tor werden, ich pfeife ab. Zur Sicherheit.“ Vor allem deshalb, weil zu befürchten stünde, dass dem Tor im Anschluss irgendein Makel angehaftet wird – welcher dem Schiri in dem Moment entgangen ist –, das Tor somit für „irregulär“ erklärt würde und er in Erklärungsnöte geriete, vor allem in gewisser Weise in den (nicht erstrebenswerten) Fokus. Denn: wenn ein Schiri im Fokus, dann praktisch ausschließlich wegen eines (entscheidenden) Fehlers. Dies alles eine Kette von Eventualitäten, zugegeben, aber dennoch sind davon die Reflexe bestimmt. „Ein Tor darf nur dann zählen, wenn alle Möglichkeiten der Regelwidrigkeit auszuschließen sind. Sobald es eine Chance gibt, dass was faul war, muss ich unterbrechen.“
Dieser intuitiv erspürte Irrsinn hat die Regeloffiziellen bereits zu dieser noch immer und eigentlich noch mehr unsinnigen „Regelmodifikation“ bewegt. Anweisung an die Schiedsrichter lautet: „Elfmeter nur dann geben, wenn man sich absolut sicher ist.“ Irgendwie musste man sich ja erklären, warum es in fast jeder Sportschau mindestens fünf Mal hieß: „Hätte Elfer geben müssen.“, gab aber nicht?
Auch dies teils Ursache für diese Art der Regelauslegung.