Wie entsteht eine Quote?
—- Noch komplett zu überarbeiten ab hier —
Grundsätzlich gibt es zwei beleuchtenswerte Aspekte, die für das Entstehen einer Quote verantwortlich sind. Das eine ist der philosophische Aspekt, das andere der mathematische.
Der philosophische Aspekt ist der, dass eine Quote nur dadurch entsteht, dass es sozusagen ein Bedürfnis nach einer Quote gibt. Dieses Bedürfnis rekrutiert sich daraus, dass es eine Form von Interesse gibt, in der Zukunft liegende Ereignisse auf ihr Eintreten vorherzusagen. Wie groß dieses Bedürfnis ist, hängt auch teilweise von der Bedeutung des Ereignisses (Erläuterungen weiter unten) ab.
Jedenfalls ergibt sich aus dem Bedürfnis des Vorhersagens auf das Eintreten eines Ereignisses das Bedürfnis, diese Meinung auch finanziell zu stützen. Das ergäbe eine Art von Wette in dem Sinne, wie wir uns damit befassen wollen.
Sie müssen bitte Verständnis dafür aufbringen, dass es nicht gänzlich ohne mathematische Überlegungen geht, einen solchen Begriff herzuleiten und letztendlich auch in seiner Bedeutung zu erfassen. Sicher, es verhält sich mit diesem Begriff ebenso wie mit vielen anderen: Man hat eine Auffassung des Begriffs. Diese kann, außer „sehr vage“ beziehungsweise „falsch“ oder „richtig“, auch gerne mal „unvollständig“ sein. Falls es sich bei Ihnen so verhält, möchte ich gerne versuchen, den Begriff allmählich mit Bedeutung zu füllen.
Nun ist es auch dabei so, dass ein Vorverständnis erforderlich ist. Dieses erlangt man über andere Begriffe, die zum Aufbau des Begriffs „Quote“ dienlich oder auch unabdingbar sind, vor allem in mathematischer Hinsicht.
—- Noch komplett zu überarbeiten bis hier —
- Begriffsdefinitionen
- Ereignisse
Definieren hört sich immer schon so schrecklich mathematisch an und das ist es auch. Im Kapitel „Glücksphilosophie“ habe ich schon ein wenig darüber gesprochen, wie Begriffe entstehen, an Bedeutung gewinnen, ihre Bedeutung verändern, verwendet werden und anschließend so herrlich missverstanden werden (können). Es gibt häufig keine feste Definition. Es gibt eher Auffassungen. Und gerade abstrakte Begriffe, so wie auch der Begriff „Ereignis“, lassen Spielraum für Deutungen. Gelegentlich wird es dann aber doch erforderlich, eine Übereinkunft zu erzielen, wie man jenen Begriff in solchem Zusammenhang verstanden haben möchte.
Was stellen Sie sich sofort vor, wenn Sie den Begriff „Ereignis“ hören? George Clooney war in Ihrer Heimatstadt?
Es gibt zunächst zumindest zwei Auffassungen von einem Ereignis. Das eine ist das Stattfinden eines Ereignisse, dass andere das Auftreten eines Ereignisses (synonym zu Auftreten in der Folge auch häufig das Wort Eintreten verwendet).
Anschließend ist es noch wichtig, zu unterscheiden zwischen zukünftigen und vergangenen Ereignissen. Das obige Beispiel steht stellvertretend für die Auffassung: Ein Ereignis findet statt. In diesem Falle Vergangenheit, also es fand statt. Diese Auffassung ist dabei auch insofern erwähnenswert, dass sich insbesondere die so gerne zitierten stattfindenden Großereignisse, zum Beispiel eine Fußballweltmeisterschaft, hervorragend dafür eignen, für die andere Auffassung, das Eintreten von Ereignissen, Fragestellungen zu liefern. Stellvertretend für viele andere stehe die übliche Frage, die uns alle beschäftigt und meist mit „Ja“ beantwortet werden kann: Wird Deutschland wieder Weltmeister/Europameister?
Hauptursache dafür ist, dass ein Großereignis deshalb so heißt, weil es viele Menschen interessiert, fasziniert, begeistert, in den Bann zieht, dass sie sich mit den möglicherweise eintretenden Ereignissen befassen. Man diskutiert Chancen, mögliche Ausgänge und das erste Mal begegnet man gar dem Begriff „Spannung“, der irgendwo teilverantwortlich für das ganze Spielen und Wetten ist.
Also ohne zu definieren rede ich mal kurz über Ereignisse in der Vergangenheit. Und Ereignisse die stattgefunden haben oder solche, die eingetreten sind. Stattgefundene Ereignisse dienen dabei im Wesentlichen Erlebnisberichten („Ich war live im Stadion, als Maradonna…“). Für Wetten, Spielen und Quoten sind sie also in diesem Sinne irrelevant.
Lediglich geschieht es ab und zu, dass man sich in Diskussionen über Ereignisse, gleichgültig, welcher Auffassung sie waren, verstrickt, und im Verlaufe der Diskussion auf unterschiedliche Erinnerungen stößt. Das veranlasst Hitzköpfe dann gelegentlich gar, auf ihr überlegenes Gedächtnis vertrauend, Wetten darauf abzuschließen. Nun ist auch diese Art der Wette für uns hier, im mathematischen Sinne zumindest, irrelevant. Es wird gewettet auf eine Tatsache. Der Wahrheitsgehalt steht fest (Ausnahmen hier: Die exakte Formulierung einer Wette auf eine Tatsache kann zu Diskussionen führen. Ebenso gibt es solche Wetten, die auf einen nicht exakt prüfbaren Sachverhalt abgeschlossen werden. Also man kann sich selbst bei Wetten auf Tatsachen die Köpfe einschlagen. Allerdings gibt es nur eine sehr eingeschränkte Form von „Wahrheit“ dabei). Die Wette kann abgeschlossen werden und sie kann ausbezahlt werden. Man könnte gar eine Quote zahlen („ich bin mir ganz sicher, dass Hertha 1968 aufgestiegen ist. Ich zahl dir zehnfaches Geld.“). Aber diese Art von Wetten (und Quoten) sind für uns hier ebenfalls unerheblich.
Interessant sollen für uns hier in der Zukunft liegende Ereignisse, deren Eintreten (Auftreten) einen unbekannten Wahrheitsgehalt haben. Das heißt, ihr Eintreten ist noch offen. Es kann passieren oder nicht passieren. In diesem Moment kommt der Begriff „Wahrscheinlichkeit“ ins Spiel. Der Wahrheitsgehalt ist offen, unbestimmt. Nachdem das Ereignis aufgetreten ist oder nicht haben wir den Wahrheitsgehalt bei 1 oder bei 0. 1 heißt „es ist eingetreten“, 0 „es ist nicht eingetreten“. Vorher war es eine Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1, dann ist es bei 0 oder bei 1 gelandet.
Eine Wahrscheinlichkeit löst vielleicht auch eine Assoziation aus: Prozent, ja? Also ist es an dieser Stelle vielleicht sinnvoll, noch zu erwähnen, dass sich die Zahlen gerade zwischen 0 und 1 exzellent und perfekt eignen, um sie in Prozent umzuformulieren. Aber auch hier haben wir Glück: Es ist synonym. Die Zahl 0.5 ist identisch mit der Zahl 50%. Denn das % Zeichen steht ja nur für Division durch 100. Und 50/100 = 0.5. Auch interessant übrigens, dass der Mathematiker bei einem Ereignis mit der Wahrscheinlichkeit 1 vom „sicheren Ereignis“ spricht und bei einem mit der Wahrscheinlichkeit 0 vom „unmöglichen Ereignis“.
Das „sichere Ereignis“ auf die Vergangenheit angewendet bedeutet einfach nur: „Es war so“. Das unmögliche hingegen „es war nicht so“.
- Aussagen
Dann gibt es den Begriff der Aussage, zumindest mathematisch, logisch gesehen. Der Mathematiker hat seine ganze Liebe den Aussagen gewidmet. Er trifft permanent Aussagen und versucht, diesen einen Wahrheitsgehalt zuzuordnen. „Wahr“ wird dann eine Aussage, sofern sie, auf Basis der vorhandenen Axiome und bereits vorher bewiesenen Aussagen, bewiesen ist. „Falsch“ ist eine Aussage, die wider legt werden konnte (über Aussagen ohne Logik beziehungsweise mit unklarem Wahrheitsgehalt bitte das Kapitel „Paradoxa“ studieren).
In diesem Sinne ist übrigens jedes Ereignis auch automatisch umzuformulieren in eine Aussage. Derartige Aussagen lassen sich in ihrem Wahrheitsgehalt allerdings nur auf vergangene Ereignisse überprüfen.
- Zufallsexperiment
Leider genügt das immer noch nicht an Begriffen, um zu einer Quote zu gelangen. Wir benötigen noch das so genannte „Zufallsexperiment“. Leider hat es sich der Mathematiker auch hier viel zu einfach gemacht. Zunächst aber ist es zum Verständnis gut geeignet. Ein Zufallsexperiment wird durchgeführt. Dazu nimmt man einen bestimmten Versuchsaufbau. Hier genügt es, wenn wir uns das an ein paar Beispielen vergegenwärtigen: „Eine Münze wird einmal geworfen“, „Ein Würfel wird einmal gewürfelt“ oder „eine Roulettekugel wird einmal geworfen“, genauso auch „Die Lottozahlen werden gezogen“.. Natürlich kann man auch nehmen „Ein Würfel wird zehn mal geworfen“ oder „Es werden zehn Würfel gleichzeitig geworfen“. Das sind die Zufallsexperimente
- Der Ereignisraum
Die Möglichkeiten, bei einem Zufallsexperiment schon eine große Vielfalt an möglichen Ereignissen (im Sinne von Eintreten, wie ab jetzt stets) zu untersuchen, wird vielleicht so klar: Der Würfel kann nicht nur eine 1,2,3,4,5 oder 6 zeigen. Er kann auch eine gerade Zahl oder eine ungerade Zahl zeigen. Er kann eine Primzahl oder eine Zahl kleiner als 4 oder auch eine Zahl größer als 4 zeigen. Alles sind mögliche Ereignisse. Man müsste sie immer so formulieren: „Der Würfel zeigt eine gerade Augenzahl.“ „Der Würfel zeigt eine ungerade Augenzahl.“ „Der Würfel zeigt eine 5.“ „Der Würfel zeigt eine Primzahl.“ Oder gar, ganz kurios „ Die Punkte auf der oben liegenden Seite des Würfels sind punktsymmetrisch angeordnet“ (Punktsymmetrisch sind übrigens bei einem herkömmlichen Würfel die 1, die 4 und die 5. Schauen Sie sich einen Würfel doch bitte an und drehen die Seite, wo eine 5 abgebildet ist, während die Seite oben bleibt. Das Bild bleibt unverändert. Anders bei der 3).
Bei der Roulettekugel sieht es natürlich ähnlich aus. Sie kann eine Zahl 0 bis 36 zeigen, aber auch eine gerade oder ungerade Zahl, eine Zahl die durch 3 teilbar ist, eine Zahl, die im Roulettekessel Schwarz unterlegt ist oder eine Rote (bloß nicht Zero!). Es kann aber genauso gut eine Primzahl sein oder keine Primzahl. Man könnte auch das Ereignis „Primzahl, größer als 12 und Rot“ untersuchen. Keine Ahnung, wie viele es davon gibt. Ich schau auch jetzt nicht nach. Man kann das auch nicht wetten oder setzen(höchstens alle betreffenden Zahlen einzeln). Unmöglich wird es hingegen, wenn man sagen sollte, Primzahl und durch 7 teilbar. Denn ausgerechnet eine Primzahl hat keine Teiler außer der 1 und sich selber.
Man könnte sogar die Zahlen nehmen mit der Quersumme 8, alle Zahlen, die ein „b“ enthalten oder alle Zahlen mit zwei „N“ (zB sechsuNdzwaNzig, zweiuNdzwaNzig). Die Vielfalt wird hier schon fast unendlich. Und immer gibt es für das Eintreten eine Wahrscheinlichkeit zwischen 0 und 1. Wenn man sagen sollte „Es kommt irgendeine Zahl zwischen 0 und 36“ dann ist es in diesem Sinne das „sichere Ereignis“, sollte man nehmen „Primzahl und durch 7 teilbar“ hat man das unmögliche Ereignis. Also die Wahrscheinlichkeiten 0 und 1 sind auch vertreten.
Beim Lotto will ich jetzt nicht noch eine spezielle Untersuchung anstellen, was man bei 6 Zahlen plus Zusatzzahl alles für Ereignisse herauskitzeln kann (Beispiel? Na gut: „Mindestens vier der sieben gezogenen Kugeln haben eine geschlossene Rundung in der Schreibart.“ Das wären übrigens die Ziffern 0, die 6, die 8 und die 9. Bitte nicht streiten! Was ist rund? Und was eine Schreibart? Das heißt „Schreibweise“ etc…), aber ich möchte zumindest zwei Punkte erwähnt haben: Alleine die 6 ersten Zahlen, ohne die Zusatzzahl, miteinander zu kombinieren bietet eine ausreichend große Vielfalt von 13.983.816 Möglichkeiten. Und zweitens: Vor der Ziehung wird einem stets versichert, dass das Gerät sich im ordnungsgemäßen Zustand befindet. Die Relevanz dieses, allseits bekannten, Sachverhalts möchte ich etwas später untersuchen.
Jetzt habe ich vielleicht ein paar mehr oder weniger anschauliche Beispiele für „Ereignisse“ geliefert. Noch bin ich Ihnen aber eine Definition schuldig, sowohl von Ereignisraum als auch von Ereignis selber.
Der Ereignisraum umfasst alle möglichen Ausgänge eines Zufallsexperiments. Der Mathematiker schreibt das dann gerne in der Form, und bleiben wir der Einfachheit mal beim Würfeln:{1,2,3,4,5,6}. Das ist eine Mengenschreibweise. Die Zahlen 1,2,3,4,5,6 sind die Menge aller möglichen Ausgänge bei dem Zufallsexperiment „Einen Würfel ein Mal werfen.“ Die sich daraus ergebenden möglichen Teilmengen sind die Ereignisse. Also jede Teilmenge der Menge {1,2,3,4,5,6} ist ein Ereignis. So ist es definiert.
Oben habe ich verbal umschrieben, auf welche Arten man Teilmengen bilden könnte. Alle Primzahlen aus der Menge {1,2,3,4,5,6} ist die Menge {2,3,5}. Alle Zahlen größer als 4 ist die Menge {5,6} und so weiter. Sicher kann man auch eine Teilmenge einfach so notieren, ohne eine erkennbare Gemeinsamkeit. Ich nehme mal die Teilmenge {1,2,6}. Man könnte entweder einfach sagen, „die Zahlen 1,2 oder 6 interessieren mich“ oder aber die Zahlen „kleiner 3 und größer 5“. Ich habe sie natürlich noch anders ausgewählt: Es sind die Zahlen zwischen 1und 6 die einen Zischlaut enthalten. Geprüft? Gut. Aber auch ohne Gemeinsamkeit bilden sie eine Teilmenge und damit ein Ereignis.
Es bleibt aber dabei, der Mathematiker hat seine Arbeit so weit gut gemacht. Alle Teilmengen, die man aus den möglichen Ausgängen eines Zufallsexperiments bilden kann, stellen die möglichen Ereignisse dar. Wenn man die leere Menge {} und die Gesamtmenge {1,2,3,4,5,6} mit einbezieht, also das sichere und das unmögliche Ereignis, dann kann man auch ganz gut ausrechnen, wie viele mögliche Ereignisse es gibt. Es sind immer 2^n. Beim Würfeln mit einem Würfel also 2^6 = 64 mögliche Ereignisse. (Die Berechnung dessen bitte an anderer Stelle, im Kapitel „“, nachlesen; jedenfalls ist es die Summe der Einträge in der 6. Zeile des Pascalschen Dreiecks. Und diese sind 1, 6, 15, 20, 15, 6, 1. Aufaddiert? Klasse, weiter so. Ausformuliert stellen diese Zahlen alle nullelementigen Teilmengen, alle einelementigen Teilmenge, alle zwei-, drei-, vier- , fünf- und sechselementigen Teilmenge dar; nullelementige gibt es eine, einelementige gibt es sechs und so weiter).
Die Formulierungen, die man sich ausdenken kann, wie oben zum Teil geschehen, bilden eine schier endlose Vielfalt. Die sich daraus ergebenden Teilmengen sind aber durch n begrenzt in der Form 2^n. Das liegt daran, dass man mit unterschiedlichen Formulierungen garantiert irgendwann identische Teilmengen beschreibt.
Bitte hier noch beachten, dass die einzelnen Ausgänge des Zufallsexperiments jeweils auch eine Teilmenge darstellen, also zugleich auch Ereignisse sind. Es sind nämlich alle einelementigen Teilmengen. Das ist eben insofern zu beachten, als die Begriffe bedauerlicherweise im Alltag ganz gerne mal fälschlicherweise synonym verwendet werden.
- Wahrscheinlichkeiten
Ich möchte hier jetzt auf keinen Fall Berechnungen anstellen. Ich möchte lediglich erwähnt haben, dass der Begriff der Wahrscheinlichkeit früher oder später auch erforderlich sein wird und ein paar kleine Vorbemerkungen dazu machen.
Die einzelnen Ausgänge eines Zufallsexperiments haben je eine Eintrittswahrscheinlichkeit. Ebenso alle anderen Teilmengen, die wir beliebig aus den möglichen Ausgängen zusammenstellen können.
Diese einzelnen Wahrscheinlichkeiten addieren sich zu 1 auf. Das war der Inhalt der Aussage „es kommt eine Zahl zwischen 0 und 36“ beim Roulette oder die Aussage „eine Zahl 1 bis 6“ beim Würfeln. Denn das sind für diesen Ereignisraum alle möglichen Ausgänge. Eine Zahl wird kommen. Die Summe der Wahrscheinlichkeiten muss 1 sein.
Untersucht man allerdings solche Ereignisse wie oben definiert, also andere Teilmengen, dann muss man mit den Summen der Wahrscheinlichkeiten etwas vorsichtiger agieren. Wir haben dann eine große Vielfalt von Ereignissen, deren Summe keinesfalls 1 ist, sondern selbstverständlich wesentlich größer. Denn die Ereignisse „Der Würfel zeigt eine 4“ und „die Zahl ist gerade“ und „die Zahl ist größer als 3“ (auch beliebig viele andere) können gleichzeitig eintreten (in diesem Fall offensichtlich, und zwar genau dann, wenn der Würfel eine 4 zeigt). Die Vorsicht ist aber sehr einfach zu wahren. Man nimmt im einfachsten Fall das Ereignis und sein Gegenereignis. Also „Der Würfel zeigt eine 4“ und „der Würfel zeigt keine 4“. Diese beiden Ereignisse ergänzen sich dann wieder, mathematisch sauber und korrekt, zu 1. Anders ausgedrückt, da werden Sie mir sicher zustimmen: Die Aussage „Der Würfel zeigt eine 4 oder er zeigt keine 4“ ist garantiert wahr. Die Eintrittswahrscheinlichkeit dafür ist 1 (das ist wie bei meinem Hündchen, Waldi, der gehorcht mir aufs Wort. Wenn ich sage: „Kommste her oder nich“ dann kommt er her oder nich).
Auch hierbei gibt es aber die Möglichkeit, das ganze etwas komplexer zu gestalten und dennoch die mathematischen Gesetze einzuhalten. Ich bleibe aber sicherheitshalber mal beim Würfel, weil wir uns den gerade so gut vorstellen können. Man könnte auch Ereignisse nehmen derart: „Der Würfel zeigt eine Zahl kleiner als 3“, „Der Würfel zeigt eine Zahl größer als 2 aber zugleich kleiner als 5“ und „Der Würfel zeigt eine Zahl größer als 4“. Mit allen drei Ereignissen zusammen hätten wir offensichtlich auch alle Zahlen abgedeckt und keine Überschneidung. Also wird auch die Summe dieser drei Einzelwahrscheinlichkeiten 1 ergeben, und wir haben nicht mit der Gegenwahrscheinlichkeit argumentiert. Das erste Ereignis hier wären die Zahlen 1 und 2, das zweite die Zahlen 3 und 4 und das dritte die Zahlen 5 und 6. Man sieht also, dass man bei jedem Ausgang des Zufallsexperiments anschließend einem der drei Ereignisse den Eintritt desselben als „wahr“, eingetreten, und den beiden anderen als „unwahr“, nicht eingetreten, attestieren kann.
Man kann die möglichen Ausgänge eines Zufallsexperiments also beliebig zerlegen in einzelne Ereignisse. Zu beachten bleibt, vor allem fürs spätere korrekte Rechnen, dass die Summe der einzelnen möglichen Ausgänge, im Sinne dieses Ereignisses, 1 ergeben müssen. Das einfachste Mittel, das zu erreichen bleibt stets, zu sagen: „Das Ereignis tritt ein“ und dem gegenüber stellen „das Ereignis tritt nicht ein“. Die Summe dieser beiden ist garantiert 1.
In mathematischen Definitionen sieht das dann so aus: Man nimmt eine Teilmenge A. Dann gibt es die Gegenmenge A`. Also wenn wir die Gegenmenge von {1,2,3} suchen, dann finden wir alle Elemente, die darin nicht enthalten sind, aber dennoch ein möglicher Ausgang sind. Also A´ ist dann {4,5,6}.
Wenn man das Wort „und“ verwendet, dann meint man, mathematisch gesehen, die Schnittmenge. Wenn man also die Mengen A = {1,2,3} und B = {2,4,6} schneidet, dann erhält man als Schnittmenge die Menge {2}. Also A geschnitten(mir fehlt das Zeichen, ein umgekipptes U) B ist {2}. Dass ein gesprochenes „und“ eine Verkleinerung der Menge ergibt, ist insofern logisch und einleuchtend, dass man ja ausgesprochen verlangt, dass das Ereignis und das andere auch noch eintritt. Und das erschwert die Sache offensichtlich.
Wenn man allerdings „oder“ sagt, dann ist es die Vereinigungsmenge. Also bei den Mengen A = {1,2,3} und B = {2,4,6} ergibt die Vereinigung A U B = {1,2,3,4,6}. Dass ein gesprochenes „oder“ ein Anwachsen der Menge ergibt, ist ebenso logisch, denn man lässt mehr zu. Also es kann das oder das kommen. Das erhöht die Menge der einzelnen Ausgänge, die für das Eintreten des Ereignisses A U B sorgen.
Das verdient nur insofern Erwähnung, als dass die Wörter und und oder in der Mengenlehre für ansonsten nicht vertraute Effekte sorgen: Das Wort und, was sonst auch mal synonym mit „plus“ verwendet wird, sorgt für Subtraktion, Verkleinerung. Das oder hat vielleicht in diesem Sinne keine automatische Assoziation, aber eine Vergrößerung würde man nicht unbedingt vermuten, oder?
- Die Auswertung eines Zufallsexperiments
Die Ereignisse, die wir oben stehend bezeichnet haben, lassen sich anhand des aufgetretenen Ausgangs des Zufallsexperiments untersuchen auf ihr Eintreten.
Beispiel: Der Würfel hat eine 4 gezeigt. Das war der Ausgang des Zufallsexperiments. Nun ordnen wir den Ereignissen einen Wahrheitsgehalt zu, im Sinne von „eingetreten“ und „nicht eingetreten“. Wir hatten das Ereignis „Der Würfel zeigt eine gerade Augenzahl.“ Dieses Ereignis ist eingetreten. Anders ausgedrückt: Die Aussage, „der Würfel zeigt eine gerade Augenzahl“, ist wahr. Wir prüfen das Ereignis „Der Würfel zeigt eine 5.“ Das Ereignis ist nicht eingetreten beziehungsweise die Aussage, „Der Würfel zeigt eine 5“ ist unwahr. Ebenso ist 4 keine Primzahl. Die Aussage „Der Würfel zeigt eine Primzahl“ ist also unwahr. Genauso ist das Ereignis „Die Punkte auf der oben liegenden Seite des Würfels sind punktsymmetrisch angeordnet“ eingetreten. Jeweils ist das Gegenereignis dann entsprechend eingetreten oder nicht eingetreten.
Zusammengefasst noch mal diese beiden Punkte hier:
1. Sollte man ausformulieren, also verbal beschreiben wollen, was für Ereignisse man sucht, dann bietet sich wirklich eine schier endlose Vielfalt. Jedoch würden viele dieser Formulierungen die gleichen Teilmengen ergeben. Die Anzahl der möglichen Teilmengen, also die Anzahl der Ereignisse, ist durch die Anzahl der möglichen Ausgänge begrenzt, und zwar durch 2^n.
2. Die möglichen Ausgänge eines Zufallsexperiments sorgen dafür, dass definierten Ereignissen vor der Durchführung des Experiments eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden kann und nach der Durchführung des Experiments ein Wahrheitsgehalt im Sinne von richtig oder falsch, also 1 oder 0.
Die konkrete Berechnung von Wahrscheinlichkeiten nehmen wir etwas später vor.
- Das LaPlace Experiment
Dieses Experiment stellt eine Idealisierung dar. Es gibt in der Theorie bei jedem Zufallsexperiment n Ausgänge (Würfeln mit einem Würfel: n=6, Roulettekugel werfen: n=37, Münze werfen n=2). Im LaPlace Experiment werden diese n Ausgänge alle als gleichwahrscheinlich angesehen. Das ist der so genannte „idealisierte Wahrscheinlichkeitsraum.“
Zur Veranschaulichung ist das nicht ungeeignet. Man kann mithilfe des LaPlace-Raumes, wie er auch genannt wird, herrlich und problemlos zahlreiche Berechnungen anstellen, die auch dafür zutreffend sind. Die Realität sieht zwar immer etwas anders aus, aber es kann hilfreich sein, die grundsätzlichen Überlegungen zu kennen.
- Meine ersten kleinen Einwände
- Der tatsächliche Ereignisraum
Ich möchte es zumindest erwähnt haben, dass selbst die Annahme, dass es diese n möglichen Ausgänge gibt, selber schon eine Form der Idealisierung ist.
Es gibt ein paar weitere, mögliche Ausgänge, je nach Aufbau des Zufallsexperiments.
Beim Münzwurf zum Beispiel sagte mein Freund Micha immer gerne, zum Teil scherzhaft, zum Teil auch, um seine Chancenlosigkeit zu illustrieren: „Komm, wir spielen Kopf oder Zahl. Ich nehm Kante.“ Theoretisch kann die Münze also wirklich auf der Kante landen. Das ist in dem Ereignisraum bei den möglichen Ausgängen einfach nicht abgedeckt. Es müsste eigentlich heißen: Beim Münzwurf gibt es folgende mögliche Ausgänge: Kopf; Zahl; Kante; die Münze zerfällt beim Aufkommen; die Münze geht verloren, weil sie wegrollt; die Münze „brennt“. Fallen Ihnen noch weitere ein?
Alles dieses lässt sich ohne weiteres auch auf andere Zufallsexperimente übertragen. Wie behilft man sich in der Praxis? Man wiederholt das Experiment, klar. Wie oft es allerdings dabei zu Diskussionen kommt, ahnen Sie gar nicht. Die Fälle beschäftigen einen so lange nicht, bis sie eintreten. Wann hat der Würfel gebrannt? „Der brennt doch nicht!“ Oh je, und das gerade jetzt, wo es um Geld geht! Ein Ereignis ist eingetreten, was nicht im Ereignisraum vorgesehen war.
Albert Einstein:“ If at first an idea is not absurd, then there is no hope for it.“ Wenn eine Idee auf den ersten Blick nicht absurd ist, hat sie keine Chance.
Welche Rolle diese Überlegungen in der Praxis spielen, schildere ich anhand einiger Beispiele im Kapitel „Praxis des Ereignisraumes“.
- Vergangenheit und Zukunft
Das ist auch ein rein praktischer Aspekt, der mich an der Mathematik stört. Es ist tatsächlich so, dass allgegenwärtig irgendwelche Zufallsexperimente durchgeführt werden. Und irgendetwas kommt dabei heraus. In den leblosen Definitionen dagegen heißt es lapidar: Ein Ereignis ist dann als eingetreten zu betrachten, wenn der Ausgang des Experiments in der Menge enthalten ist.
Ja, ist es nun eingetreten oder nicht? Es ist dann, wenn, aber irgendwann muss es doch mal so weit sein. Es fehlt irgendwie der Praxisbezug. Hat dieser Absatz etwas Erhellendes gebracht? Da bin ich nicht ganz sicher.
Mir ging es nur während meiner ganzen Studienzeit so, dass ich entweder Praxis gemacht oder sie vermisst habe. Und diese Allergie gegen Praxismangel in der Mathematik hat mich trotz aller ihr eingestandenen Zuneigung auch immer wieder abgeschreckt. Oder, drücken wir es so aus: Ich habe nur praktische und angewandte Mathematik betrieben. Es gibt mindestens eine Seite an der Mathematik, die ich liebe und ein paar andere, die ich wohl oder übel akzeptieren muss.
- Zwischen vollkommener Berechenbarkeit und absolutem Chaos
LaPlace selber hat übrigens durchaus gewusst, dass es sich nur um eine Idealisierung handelt. Im Gegenteil hat er gar die absolut entgegen gesetzte Annahme postuliert:
Ich zitiere: „Ein Dämon, der für einen gegebenen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte sowie die gegenseitige Lage aller Atome kennte, und der überdies scharfsinnig genug wäre, die gegeben Größen der Mathematik zu unterwerfen, würde in einer einzigen Formel die Bewegungen der größten Weltkörper und des leichtesten Atoms erfassen können. Nichts wäre ihm ungewiss, und Zukunft und Vergangenheit würden ihm offen vor Augen liegen“.
Nun, die Wirklichkeit bewegt sich, wie üblich, irgendwo dazwischen. An beiden Erwägungen ist etwas Wahres dran. Der eine Aspekt wird im folgenden Abschnitt erörtert (wer hat welche Absicht?). Ein Teil wird davon auch im Kapitel „Meine Chaostheorie“ betrachtet.
Hier möchte ich kurz nur erwähnen, dass die philosophischen Überlegungen dominieren. Das absolute Chaos, also dieser Teil der Chaostheorie, beschreibt in mathematischer Hinsicht die völlige Nichtvorhersagbarkeit. Alles ist gleichwahrscheinlich. Alles kann passieren.
Die gegenüberliegende Perspektive ist die, dass man bei Bekanntheit sämtlicher Parameter alles exakt ausrechnen könnte. Also bei einem gegebenen Zufallsexperiment gibt es ganz konkret bestimmte Bedingungen, unter denen das Experiment durchgeführt wird, gerade in dem Moment, wo es durchgeführt wird, die es vorhersagbar, und das gar exakt, machen. Ein Zufallsexperiment ist reine Theorie. Erst die Durchführung macht es aus. Ist es also doch berechenbar, zumindest in der Theorie?
Da springen mich gleich die Physiker an. Und das mit Recht. Denn seit Heisenberg wissen wir, dass man bei gewissen Kleinstteilchen nicht gleichzeitig Ort und Geschwindigkeit bestimmen kann (als Heisenberg mal mit dem Auto zu schnell fuhr wurde er angehalten. Der Wachtmeister: „Wissen Sie, wie schnell Sie gefahren sind?“ „Nein, aber dafür weiß ich, wo ich bin.“). Also es wäre selbst theoretisch nicht möglich, den Ausgang eines praktische durchgeführten Zufallsexperiment, selbst bei Kenntnis aller Parameter, exakt auszurechnen. Wie gesagt, die Übergänge zur Philosophie oder gar Religion sind in diesen Bereichen fließend. Hatte Piet Klokke womöglich doch Recht, als er sang: „Das ist Schicksal, alles vorbestimmt.“ Oder ist es einfach nur eine Weltanschauung?
Jedenfalls scheint mir klar, dass sich die Wahrheit irgendwo zwischen der exakten Berechenbarkeit und dem absoluten Chaos befindet. Ich liefere Ihnen hier noch ein Beispiel: Wenn Sie einen Würfel in die Hand nehmen und diesen jetzt zu werfen beabsichtigen, dann könnte ich möglicherweise einen Blick darauf werfen. Dann sehe ich vielleicht, entlang welcher Achse Sie ihn werfen, rollen. Es wäre denkbar, dass die Zahlen, die auf dieser Achse liegen etwas wahrscheinlicher fallen, als jene, die an den Außenpositionen liegen. Die Wahrscheinlichkeiten könnten geringfügig verschoben sein. Kann man sich so etwas vorstellen? Jedenfalls leitet das über zu dem nächsten Abschnitt, der Frage nämlich…
- Wer hat welche Absicht?
Es bleibt bei allen diesen Fragen immer bei den philosophischen Überlegungen, die irgendwie stets eine Rolle spielen. Ich möchte Ihnen das noch einmal in der Form näher bringen, dass ich erwähne, dass das Problem seit Menschengedenken besteht. Es passiert irgendetwas. Man sucht hinterher nach Erklärungen und Gründen. Und stellt doch nur die Unabwendbarkeit, Unvermeidlichkeit fest. Es ist passiert. Man kann es nicht ungeschehen machen. War es eine Fügung, Schicksal, Gott gelenkt, Chaos, einfach nur Zufall? Die Frage bleibt immer die gleiche: Hätte es auch anders kommen können? Die Antwort bisher: Nein. Ich erinnere in diesem Zusammenhang noch einmal an Biff Tannen, Zurück in die Zukunft II.
Man kann niemals die Alternative ausprobieren. Das gilt in dieser Form natürlich auch für echte, beabsichtigte oder auch beeinflusste Zufallsexperimente. „Wusst ich doch, dass jetzt da hinten an dem Tisch die 32 kommt.“
Apropos Roulette: Rudolf Taschner schreibt in seinem Buch „Zahl, Zeit, Zufall“, dass es gerade beim Roulette (auch bei der Konstruktion eines Würfels) die Absicht ist, es zu einem reinen und möglichst gleich verteilten Zufallsexperiment zu machen. Ich zitiere: „…die Präzision des Spiels, den feinsinnigen Aufwand, den die Spielbank betreibt, um für den Zufall, und nur für diesen, zu sorgen.“
Der Veranstalter hat ein ausgesprochenes Interesse daran, dass die Zahlen wirklich rein zufällig fallen. In diesem Falle garantiert es dem Casino am sichersten die langfristigen Gewinne. Das Spiel soll für den Spieler nicht zu schlagen sein, nichts vorhersehbar, nichts berechenbar. Deshalb ist die Gewinnspanne auch sehr klein berechnet, weil es eben so zuverlässig funktioniert. Das macht es attraktiv, sowohl für Spieler als auch für Veranstalter.
Beim Lotto sieht es ein klein wenig anders aus. Auch wenn sich die Verantwortlichen angeblich vom „ordnungsgemäßen Zustand des Geräts“ überzeugt haben, so ist es ihnen letztendlich doch gleichgültig. Es wird ohnehin nur ein Teil des Geldes ausgeschüttet. Die Auszahlungsquoten berechnen sich nach den eingegangenen Einsätzen und der Anzahl der Gewinner.
Dennoch möchte ich auch hier noch daran erinnern, dass es Menschen gibt, denen es gelingt, beim Roulette die Fehler zu entdecken und mit Wetten, Setzen darauf sich zu ernähren. Selbst bei zumindest beabsichtigter Exaktheit des Geräts gelingt es hier dem Veranstalter also nicht unbedingt, diese Gleichverteilung zu gewährleisten. Derjenige, der beobachtet, hat ja die Chance, die Geschwindigkeit der Kugel abzuschätzen, ihren Lauf vorherzusehen, wenn auch nur die grobe Richtung, den Kesselbereich, wo sie eher einschlägt, er ist ja live dabei.
Ein anderer Fall liegt vor, wenn man zum Beispielt Backgammon spielt. Dann mag es zwar sein, dass die Gleichverteilung einigermaßen gesichert ist (ich erinnere daran, dass bei großen Turnieren stets mit Präzisionswürfeln gespielt wird), aber ich bin nicht daran interessiert. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wenn ich eine 1 brauche, dann möchte ich sie gerne würfeln. Mein Gegner mag entweder auf die Mathematik vertrauen oder aber auf seinen Einfluss, indem er meine Würfel verhext. Aber er möchte sicher nicht, dass ich eine höhere Chance als die mir zustehende. Entweder, im günstigsten Falle, diese oder eine kleinere. Also wir sind beide nicht interessiert an der Gleichverteilung.
Ob diese Absichten in irgendeiner Hinsicht auch nur den geringsten Einfluss darauf haben können, bleibt vielleicht noch länger ein ungelöstes Rätsel. Aber versichern kann ich Ihnen, dass praktisch jeder Spieler, ob Amateur oder Profi, seine Gedanken dazu hat. Sicher, die meisten sind der Überzeugung, Pech zu haben (bei mir ist das anders: Im Gegensatz zu denen, die es nur glauben, weiß ich es).
Gedanken über Glück und Pech habe ich an anderer Stelle etwas näher untersucht (zum Beispiel im Kapitel „Über Glück und Pech“). Aber ein paar Überlegungen extra können nicht unbedingt schaden: Ein jeder Spieler sucht Hände ringend nach irgendwelchen Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen auf die Geschehnisse. Es wäre so schön, so verlockend, wenn man irgendetwas entdecken könnte, was zuverlässig funktioniert: Kaffeesatz -, Handlinien -, Horoskop lesen; immer wenn ich dieses Jackett anziehe, habe ich Glück; mein Glückspulli (Udo Lattek); der Stift, mit dem ich die Schachpartie aufgeschrieben habe: Mit dem hab ich gewonnen, den nehm ich wieder. Das ist endlos. Es ist der so genannte Aberglaube. Und die Gefahr besteht nicht darin, abergläubisch zu sein. Nur ist die Gefahr, dass man tatsächlich relevante Entscheidungen davon abhängig macht. Ich kenne auch keine allgemeine Lösung für dieses Problem. Nur so viel: Mein Weltbild schreibt mir vor, diese Überlegungen, so sehr sie sich auch von Zeit zu Zeit aufdrängen, nicht in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. Wenn es eine Münzwurfentscheidung ist – und das ist sicher nicht selten – dann kann durchaus eine Winzigkeit den Ausschlag geben. Vor allem gibt es ein Argument für den Aberglauben: wenn du dir so sicher zu sein glaubst, dass er nicht hilft, dann kann er logischerweise auch auf keinen Fall schaden. Das wäre nämlich wirklich paradox!
Ich akzeptiere aber jedenfalls, wenn jemand eine andere Sichtweise der Dinge hat und gerade und stets seine Entscheidungen auf diese Art trifft. Erstens kann ich ja nicht beurteilen, ob er damit erfolgreich ist. Denn das ist denkbar. Warum sollte ich ihn also für die Entscheidungen kritisieren? Zweitens kann es ja sein, dass es ihn glücklich macht, obwohl er nicht erfolgreich ist. Es ist sein Lebensweg. Dann soll er ihn gehen. Ich gehe einen anderen und vertraue auf die Mathematik. Obwohl ich sie an so vielen Stellen auch verachte (und sie mich). Aber gehören zu einer guten Beziehung nicht auch der Streit und die Versöhnung?
Ein Freund und früherer Partner hatte Psychologie studiert. Er hatte damals den Plan, eine Untersuchung anzustellen, ob man irgendeine Form von Einfluss auf die Ausgänge nehmen kann. Er wollte dazu ein gigantisches Experiment durchführen, bei der eine Gruppe von Menschen versuchen sollte, sagen wir mal zum Beispiel eine bestimmte Zahl zu würfeln, natürlich unter möglichst korrekten Bedingungen (also Präzisionswürfel, Würfelbecher etc.). Wenn es einem gelingt, bekommt man eine Belohnung oder es werden Gesamtsieger und Tagessieger ermittelt oder etwas derartiges. Dann wollte er die Ergebnisse als Diplomarbeit abliefern. Es wäre natürlich auch ein Ergebnis, wenn herauskäme, dass das Kokolores ist: Man hat keinen Einfluss.
Aber fragen Sie mal irgendeinen beliebigen Spieler. Jeder wird Ihnen zu dem Thema eine Geschichte, eine Theorie, Beobachtungen erzählen können, die zumindest die Chance offen halten, dass man doch daran glaubt, dass es andere Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die auf die Ausgänge eines Zufallsexperiment Einfluss haben als nur die schnöde Mathematik.
- Elementare Kombinatorik
Wie ist Ihr Eindruck bisher von der Mathematik im Allgemeinen und der Wahrscheinlichkeitsrechnung im speziellen? Mein Tip: Viel Blabla und gaaaaanz viel gääääääähn. Aber doch sicher nicht so, wie Sie es erwartet hatten?
Wie sagt man so schön, wir wollen doch jetzt mal „Butter bei die Fische tun“. Also ein paar Rechenoperationen, ich bin schon ganz zapplig.
Nee, geht immer noch nicht. Man muss das elementare Gesetz erst mal ausformulieren: Die Eintrittswahrscheinlichkeit im idealisierten Wahrscheinlichkeitsraum berechnet sich als Division der Anzahl der Ausgänge, die für das Ereignis „günstig“ sind durch die Anzahl der Ausgänge, die „möglich“ sind. Also, kurz gesagt, günstig/möglich.
Das Ereignis, eine gerade Augenzahl werfen bei dem Zufallsexperiment „einen Würfel einmal werfen“ ist die Menge {2,4,6}. Das sind in der Summe 3 Ausgänge. Die möglichen Ausgänge sind (im Idealfall; s.o.) 6. Also die Rechenvorschrift lautet günstig/möglich, wir haben eine Rechenoperation: 3/6. Nun ist 3/6 nach Kürzen 1/2 oder auch 0.5 oder auch 50%.
Irgendwie habe ich den Eindruck, das war nicht direkt neu für Sie?
Eine ganz bestimmte Zahl zu werfen ist ein Ausgang, also dividiert man dann 1/6 und so weiter. Beim Roulette ist die Berechnung zwar nicht wesentlich komplizierter, aber die entstehenden Zahlen sind unhandlicher. Also das Ereignis „eine durch 3 teilbare Zahl“, zwischen 0 und 36 zu bekommen, sind 12 Möglichkeiten. Allerdings muss man blöderweise diese 12 jetzt durch 37 dividieren und erhält 12/37. Nix kürzen oder so.
- Nur noch eine letzte Definition
Alle möglichen Begriffe haben wir definiert, nur den Begriff der „Quote“ noch nicht. Vielleicht hatten Sie davon auch bisher schon eine Vorstellung? Glauben sicher, es genau zu wissen? Oder doch nur vage?
Ich bemühe mich jedenfalls um weitere Erhellung, auch für mich selber (ich behaupte immer, dass man erkennen kann, ob man etwas verstanden hat, wenn man es auch erklären kann).
Ganz prinzipiell ist die Quote, von der hier die Rede ist, auf Wetten und auf Auszahlungen bezogen. Man könnte eine solche Quote auch allgemein immer „Auszahlungsquote“ nennen (was auch hier und da vorkommen mag).
Viele Menschen, denen ich begegnet bin, haben keine so ganz konkrete Vorstellung von einer Quote. Sie wetten üblicherweise um „gleiches Geld“, oft nicht mal das wissend. „Ich wette um 10 Euro, dass ich…“ bedeutet dann eigentlich automatisch „gegen 10 Euro eines anderen.“
Die Quote, von der ich hier und fürderhin sprechen möchte, ist eine Auszahlungsquote in der Form:
Sie wetten auf ein, am besten in der Zukunft liegendes, Ereignis. Sie geben dem Anbieter der Quote dafür Geld in die Hand. Dann wird das „Zufallsexperiment“ durchgeführt. Das Ereignis, auf dass Sie gewettet haben tritt, im günstigen Fall, ein. Der Anbieter zahlt Ihnen einen Betrag aus. Dieser Betrag errechnet sich als Multiplikation des Einsatzes und der Quote, auf die Sie gewettet haben.
Diese Art der Quoten nennt man auch „europäische Quoten“. Man geht eben dabei davon aus, dass der Anbieter der Wette ein Geschäft unterhält. Er garantiert die Auszahlung. Also muss der Wettende, der Wetter, das Geld einlegen vorher. Der Einsatz muss gebracht sein. Der Anbieter zahlt dann den Einsatz zurück plus den Gewinn.
Im konkreten Beispiel: Sie wetten heute Bayern auf Sieg gegen Florenz, auswärts (heute ist das Spiel, 5.11.2008). Quote 3.80. 10 Euro Einsatz. Bayern gewinnt tatsächlich. Sie bekommen 10 * 3.80 = 38 Euro zurück. Nettogewinn aber „nur“ 28 Euro, bitte das stets zu beachten (meine Mutter fragte ich oftmals, wie mein finanzielles Endergebnis an einem Tag/Wochenende war. Ich antwortet zB „ich habe 3000 DM gewonnen.“ Dann fragte sie zurück: „Aha, und wie viel hast du verloren?“ 28 Euro ist das Nettoergebnis. Damit meine Mutter das verstehen könnte, müssten sie ihr antworten „ich habe 38 Euro gewonnen und 10 Euro verloren.“)
Anmerkung: Es gibt in England andere Arten von Quoten. Da wird die eine Einheit für den Einsatz nicht abgezogen. Also eine Quote von 11/10 würde bedeuten, dass Sie 10 Einheiten riskieren, der Anbieter seinerseits 11. Allerdings müssen Sie auch da das Geld in der Regel einlegen. Also die 10 Einheiten bezahlen Sie vorab und bekommen im Erfolgsfall 10 + 11, also 21 Einheiten zurück. Europäisch ausgedrückt würde das einer Quote von 2.10 entsprechen. 10 Euro Einsatz, gewonnen, 10 * 2.1 = 21 Euro Auszahlung.
Noch verrücktere Quoten gibt es in Amerika, typisch Amerika. Aber man erkennt daran ein fortgeschrittenes Verständnis von Wetten. Wie das funktioniert erkläre ich Ihnen jetzt aber nicht auch noch.
- Jetzt aber raus mit der Sprache: Wie entsteht die Quote wirklich?
Tja, jetzt sind Sie hoffentlich so weit „vorgewärmt“, dass ich Ihnen auch diese Berechnung spielend leicht und ohne Wegrennen Ihrerseits präsentieren kann: Die Quote ist in erster Linie der Kehrwert der Wahrscheinlichkeit. Einen Kehrwert erhält man sehr einfach, indem man eine 1 hinschreibt, dann einen Bruchstrich darunter macht und anschließend die Zahl wiederum darunter schreibt, von der man den Kehrwert haben möchte (Auszug aus dem Buch „Mathematik leicht gemacht“, erschienen im Jahre 2036 {im Selbstverlag}, Autor Dirk Paulsen; Gesamtauflage 2, ja, richtig, 2, meine Kinder haben eins genommen; selbst Otto hätte hierzu seinen Beitrag leisten können mit dem Buch „Mathematik for Runaways“, Mathematik für Fortgeschrittene, bevor sie away runnen).
Also die Quote auf das Ereignis „eine bestimmte Zahl werfen“, Schande über mich, das Ereignis „eine 2 würfeln“ (erstens bin ich kein Mathematiker und außerdem bescheiden, deshalb nicht immer nur die 6) mit der Wahrscheinlichkeit 1/6 müsste eine Auszahlungsquote von 6/1 ergeben. 6/1 kann man auch schreiben als 6.0.
Nun könnten Sie zwei Dinge hier irritiert haben. Die Formulierungen „die Quote ist in erster Linie…“ und diese hier „… müsste eine Auszahlungsquote von…“.
Beides habe ich deshalb geschrieben, weil es mal wieder die Frage ist, wer welches Interesse hat. Ich habe für diese ursprüngliche Formulierung „der Kehrwert der Wahrscheinlichkeit ist die Quote“ einen Begriff eingeführt, den ich selber seither verwende. Ich spreche dann von der „fairen Quote“. Die faire Quote ist also die — für den idealen Wahrscheinlichkeitsraum — korrekte Auszahlungsquote, bei der keine der beiden Seiten langfristig profitieren würde.
Man kann das relativ leicht überprüfen: Wenn Sie also den viel zitierten Würfel sagen wir mal zufällig 120 Mal werfen, dann würden Sie in etwa 20 Mal die 2 werfen. Wenn jemand Ihnen die Quote 6.0 zahlt darauf, dann ergibt sich die folgende Rechnung: 100 Mal verlieren Sie die 10 Euro. Macht einen Verlust von 1000 Euro. Die restlichen 20 Mal gewinnen Sie. Sie bekommen zurück jeweils 60 Euro, der Reingewinn ist aber jedes Mal nur 50 Euro. 20 * 50 = 1000 Euro. Sie haben also 1000 Euro verloren und genauso 1000 Euro gewonnen. Das Spiel endete unentschieden. Und so sollte es dann, mit oben erwähnten Einschränkungen, langfristig auch sein: Sie werden etwa pari, unentschieden spielen. Keine Seite hatte einen Vorteil. 6.0 war die korrekte Auszahlungsquote, in dem Sinne also die „faire Quote“. Es war doch fair?
Die Perspektive ist hier aber die, dass man für gewöhnlich auf einen Anbieter angewiesen ist, um seiner Leidenschaft, dem Wetten und Spielen, nachgehen zu können. Dieser Veranstalter muss etwas verdienen, das ist Marktwirtschaft. Unter Freunden spielen würde relativ schnell Freundschaften zerschlagen, langweilig werden oder, am ehesten, versiegen. („Du willst Bayern heute Abend spielen? Nicht bei mir. Ich spiel die doch auch!“)
Also gibt es in meiner Terminologie eine „faire Quote“ und eine „Bezahlquote“. Da ich mich, ausgesprochen erfolglos, ja auch schon mal als Wettanbieter versucht habe (siehe Kapitel „mein Wettbüro“), berechnet man also die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses, auf das man eine Quote anbieten möchte, nimmt den Kehrwert davon, hat also dann die faire Quote, und zieht sich schlussendlich einen Gewinn davon ab.
Im konkreten Fall beim Würfeln würde also der Anbieter ebenso behend die 1/6 in eine 6.0 verwandeln, dann, der Art des Spiels und seiner Ausgewogenheit vertrauend, ein klein wenig davon abziehen und dann ein Quote von 5.50 oder auch, vorsichtiger oder gieriger, eine 5.0 hinschreiben.
Das würde ihm, zumindest in der Theorie, einen langfristigen Vorteil sichern.
Bin ich jetzt am Ziel? Ja, ich finde schon. Ich hab doch eben eine Quote gemacht, oder? Und vorher ist sie entstanden, stimmts?
Aber dennoch, ich kann nicht darauf verzichten, auf
- diese grausame Wirklichkeit
zu verweisen. Denn in der Wirklichkeit sieht es anders als in der schönen, heilen Welt des Mathematikers, und zwar ganz anders.
Weiter oben habe ich bereits auf den Fall aufmerksam gemacht, dass der Ereignisraum nicht hält, was er verspricht. Es treten Ereignisse ein, die man einfach nicht erwartet hat, nicht mal erwarten konnte. Offensichtlich war es aber ein möglicher Ausgang des Experiments. Man hatte ihn bloß nicht bedacht.
Die Auswirkungen davon sind in der Welt des Spielens nicht ganz unerheblich. Und ich verweise ein weiteres Mal auf das Kapitel „Praxis des Ereignisraums“. Es gibt da wirklich etliche absolut kuriose Fälle.
Und selbst unser doch so handlicher Würfel macht schon Mucken. Er brennt. Der Fall geht ja noch. Er rollt irgendwo runter, wo man ihn nicht sehen kann. Aber immerhin ist ja eine Seite oben. Zählt das oder nicht? Man holt ihn hoch, aber wer? Wer hoch holt verdreht die Seite. Tja, Probleme über Probleme.
Aber die entscheidenden Auswirkungen sind die auf die Wahrscheinlichkeiten. Es gibt keine LaPlace Würfel. Es gibt nicht mal jemanden, der die Absicht hätte, ausgewogen zu würfeln. Kann sein, der Zufall richtet es so ein, Weltanschauung. Aber den perfekten Würfel, das ideale Zufallsexperiment gibt es in der Praxis nicht.
Immer gibt es eine Raumtemperatur, eine Würfelunterlage, eine Wurfachse, eine Rollreibung und eine Wurfgeschwindigkeit. Und auch bei perfekter Absicht, „korrekt“ zu würfeln, gäbe es ein paar Parameter, die garantiert einen Einfluss, gar einen berechenbaren, hätten. Es gibt sogar Schwerpunktwürfel, bitte nicht vergessen!
Und was hätte man noch dazu an Ergebnissen, bei vielfacher Durchführung? Nichts weiter als relative Häufigkeiten. Da zählen keine Wahrscheinlichkeiten mehr, sie existieren quasi gar nicht. Stellen Sie sich vor, Sie machen ein „ganz echtes Zufallsexperiment“. Sie nehmen den Würfel. Sie werfen ihn (ich tu es gleich). Er zeigt eine 4. Sie brechen das Experiment ab. Einmal geworfen. Nix Statistik, gar nichts. Keine Vorkenntnisse. Ich schau mir Ihren Würfel nicht mal an. Und ich wage eine Aussage, keine andere hätte einen Sinn, überlegen Sie kurz. Meine Aussage: „Am wahrscheinlichsten ist die 4.“
Ich weiß ja nicht mal, ob andere Zahlen drauf sind. Und ob vielleicht diese Seite schwerer ist, also ein Schwerpunktwürfel eben. Was soll ich sonst schließen?
Aber, gut, ich bin bereit, ich werfe jetzt, ohne Notar, 100 Mal meinen Würfel hier. Ich notiere ganz korrekt. Ich versuche auch nicht, etwas zu steuern. Das tu ich aber nur Ihretwegen. Ich hätte nämlich insgeheim gerne eine 6, das kommt aus meiner Kindheit, die 6 beim Mensch-ärger-Dich-nicht und man durfte noch mal. Hat das geholfen? Also hier jetzt meine Zahlen:
Augenzahl/Häufigkeit | |||||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
16 | 19 | 17 | 16 | 13 | 24 |
Summe: | 105 | ||||
Relative Häufigkeiten | |||||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
15.24% | 18.10% | 16.19% | 15.24% | 12.38% | 22.86% |
Erwartete Häufigkeiten | |||||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
16.67% | 16.67% | 16.67% | 16.67% | 16.67% | 16.67% |
„Abweichungen“ | |||||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
-1.43% | 1.43% | -0.48% | -1.43% | -4.29% | 6.19% |
Das ist die Praxis. Zunächst mal hatte ich ein rein praktisches Problem: Beim Würfeln verzählt. Die letzten 5 Würfe konnte ich nicht mehr rekonstruieren, also habe ich die Versuchszahl auf 105 erhöht (gelassen).
Und mein Training in der Jugend scheint geholfen zu haben: Ich kann immer noch 6en am besten. Und ich konnte meine Gedanken einfach nicht von der 6 loseisen, das ist einprogrammiert.
Es gibt einfach irgendein Ergebnis. Wenn man überhaupt irgendeinen Schluss ziehen will, dann den, dass das die korrekte, dem Experiment angemessene Verteilung ist. Das ist die beste, die wir kriegen konnten, bisher, wohlgemerkt. Wenn ich wiederholen würde, gäbe es halt ein neues Ergebnis, möglicherweise total anders. Aber wer weiß, vielleicht habe ich den Raum oder die Unterlage gewechselt. Oder ich habe höher, härter geworfen. Oder halt kürzer, um schneller fertig zu werden. Oder ich habe den Würfel beim Aufnehmen immer gedreht, warum nicht? Was tut man nicht alles, um dem Statistiker gerecht zu werden. Möglich aber auch, dass sich die hier aufgetretenen „relativen Häufigkeiten“ ein weiteres Mal bestätigen würden. Warum eigentlich nicht?
Der Statistiker wäre im Großen und Ganzen aber sprachlos. Er hätte nur absolut lapidare Feststellungen zu treffen, die allesamt nicht dienlich sind. Er würde davon sprechen, dass gewisse Abweichungen normal sind. Die toleriert man einfach. Und auch größere Abweichungen würde er tolerieren. Da würde er aber manchmal schon anfangen, sich etwas zu wundern. Oder die Wahrscheinlichkeit dafür ausrechnen, dass eine so große Abweichung auftritt.
Aber ich würde regelrecht provozieren und fragen: „Ok, du tolerierst diese Abweichung. Aber wovon sind denn die Zahlen abgewichen?“
Antwort, aber schon eingeschüchtert, ich kenne diese Menschen: „Na, Abweichung vom Erwartungswert.“ Gut, jetzt bin ich wieder dran: „Woher kennst du denn den Erwartungswert?“ Nun gut, er ist ein gewissenhafter Mathematiker. Er nimmt gar den Würfel in die Hand. Er untersucht ihn. Er sagt: „6 Seiten, alle sehen ähnlich aus, nur hat jede Seite eine unterschiedliche Anzahl von Punkten. Diese bewegen sich zwischen 1 und 6, jede einmal vertreten.“
„Aha, so macht man das. Und was hast du anschließend gemacht?“ „Na dividiert, 6 mögliche Ausgänge, jeder 1/6, macht zusammen 1.“ „Sehr klug und weise. Aber wer hat wann, wie, wo und mit welcher Absicht, welchen Hintergedanken und wie überhaupt geworfen? Warum sollten die Seiten denn, wenn schon unterschiedliche Anzahlen von Punkten vertreten sind, gleich schwer…?“
Die ganze Mathematik spielt sich in der Theorie ab. Das ist nicht so schlecht, so lange man stets und ständig weiß, wo man an die Grenzen stößt.
Ich weiß auch, dass die angenommenen 1/6 eine ganz gute Näherung für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass der Würfel auf eine der 6 Seiten fällt, ist. Aber genau 1/6 ist es sicher nicht. Es gibt viele Einflussgrößen. Viele verschiedene Versuchsaufbauten. Viele verschiedene Menschen, die das Experiment auf unterschiedliche Arten und mit unterschiedlichen Absichten durchführen können. Und in der Praxis gibt es immer nur den einen Wurf, der gerade jetzt zählt.
Nun sind wir aber immer noch bei Zufallsexperimenten, die eine halbwegs übersichtliche Ordnung haben.
Schauen Sie mal die Wirklichkeit beim echten und realen Wetten an. Die Ereignisräume sind in keiner einzigen Hinsicht „ideal“. Da gibt es ein Fußballspiel, bei dem 11 Spieler der einen gegen 11 Spieler der anderen Mannschaft antreten. Dann gibt es einen Schiedsrichter mit seinen Assistenten, ein Publikum, einen Rasen, ein Wetter (ja, grad heute regnets), einen Ball, der eine bestimmte Härte hat und sich auf dem Untergrund oder auch in der Luft bewegt, von einer absolut unübersichtlichen Anzahl von Parametern gesteuert, die kein Mensch je kennen wird. Und dann gibt es die Absichten der einzelnen Teilnehmer an diesem Spiel. Das Runde muss in das Eckige. Und natürlich die Gegenabsicht: Die Null muss stehen. Und es gibt Befähigungen, die individuell und auch mannschaftlich unterschiedlich sind (ich zitiere einen berühmten deutschen Trainer und Philosophen: „eine Mannschaft ist mehr als die Summe der Einzelspieler“).
Und dann soll da jemand Wahrscheinlichkeiten und Quoten berechnen? Absurd und ausgeschlossen? Naja, immerhin, ich habe einen Weg gefunden. Und Buchmacher gibt’s auch. Nur: Wir spielen alle ein gigantisches Ratespiel. Trotzdem kann man besser oder schlechter sein. Nein, ich hab mich selbst ertappt: man kann erfolgreicher oder weniger erfolgreich sein. Ob man „gut“ war, besser als ein Anderer, wird wieder nur „statistisch“ gemessen. Diese „Statistik“ funktioniert so: Geld zählen.
Das kann schockierend aber auch beruhigend sein. Keiner kennt die richtigen Einschätzungen. Jeder rät mit. Nehmen Sie ruhig teil. Einfach Meinungen bilden und mitspielen. Ist wirklich gar nicht so schwer. Ein paar Tipps dazu gebe ich auch gerne, aber an anderer Stelle.
Sie können das mit dem Kehrwert auch in der anderen Richtung verwenden. Sie nehmen eine Quote her, bleiben wir bei den Bayern für den 5.11. Die Quote ist 3.80, die gibt es tatsächlich (auch hier, nur zur Untermauerung „Ratespiel“: unterschiedliche Anbieter zahlen unterschiedliche Quoten). Dann nehmen wir den Kehrwert. 1/3.80 = 26.32%. Sofern Sie der Meinung sind, Bayern hat mehr als 26.32& auf Sieg, hätten Sie eine gute Wette. Wenn Sie meinen, Bayern hätte weniger, können Sie es natürlich trotzdem spielen. Aus Spaß. Oder aus Überzeugung. Denn was interessieren die Bayern schon diese Prozente? „Mir san mir“ und gewinnen. Also rauf mit der Kohle!
Ich persönlich habe das Kapitel jetzt schon zum 10.Mal gelesen und noch immer nichts gelernt. Macht aber nichts. Erinnert mich an Eckart von Hirschhausen, der seinerseits auch mal so einen klugen Ratschlag gab zwecks Lebensqualitätsverbesserung: „Wenn Sie morgen früh in den Spiegel schauen und jemand lächelt Sie an, dann lächeln Sie einfach zurück. Sie werden sehen. Es hilft.“
Ganz genau.