Ich fasse zunächst noch mal zusammen: Das ganze Leben ist ein Spiel von Wahrscheinlichkeiten. Selbst dem lieben Gott wird ja gelegentlich unterstellt, dass er würfelt. Da sehen Sie mal. Keiner kann sich diesem Spiel entziehen, jeder nimmt teil. Und jeder wettet auch. Sie wetten auch. Der Staat verordnet uns sogar zu wetten (die Pflichtversicherungen). Hierbei sind die Auszahlungsquoten obskur, oft nicht nachvollziehbar. (die letzten drei Versicherungsvertreter, die mich besucht haben, haben nach einiger Zeit immer ein Taschentuch verlangt; und ich hatte nicht überheizt).
Also wir müssen uns leider einen Moment damit beschäftigen, wie der richtige Zusammenhang zwischen der errechneten, geratenen, geschätzten oder auch bekannten Eintrittswahrscheinlichkeit und der Auszahlungsquote ist.
Ziemlich offensichtlich erscheint mir zunächst der Zusammenhang: kleine Wahrscheinlichkeit – hohe Quote bzw. hohe Wahrscheinlichkeit – kleine Quote. Zum Beispiel „Griechenland wird Europameister 2004“ ist ein sehr unwahrscheinliches Ereignis. Also bekäme man eine hohe Quote. Das kann schon sein, dass man eine 40.0, also 40-faches Geld ausgezahlt bekäme. Ein absoluter Irrglaube ist es aber andererseits, dass, wie man dann gerne mal in der Zeitung liest „die Buchmacher richtig bluten mussten..“ oder ein derartiger Unsinn. Der „Normalwetter“ wettet die Ereignisse, die nach seiner Einschätzung auch kommen. Also sicher nicht Griechenland. Die Quote ist dabei sekundär. Leicht fortgeschrittene Spieler spielen vielleicht schon mal einen Außenseitertipp, weil, da kann man bei geringem Risiko auch schon mal viel Geld gewinnen. Dennoch halten sich die Einsatzhöhen dabei in der Regel im Rahmen, bleiben klein. Favoriten werden schon mal teuer gespielt. Also für die Buchmacher, Wettanbieter gibt es nichts Schöneres als einen solchen Außenseitererfolg.
Da also die Wahrscheinlichkeit und die Quoten gegenläufig anwachsen (eines hoch – das andere runter und umgekehrt) spricht der Mathematiker dann gerne von umgekehrtem oder auch reziprokem Verhältnis. Das drückt sich mathematisch als Kehrwert aus. Also der Kehrwert der Wahrscheinlichkeit ist die Quote (und auch da gilt Umgekehrtes). Der Kehrwert selber sieht so aus: 1/Quote = Wahrscheinlichkeit bzw. 1/Wahrscheinlichkeit = Quote.
Nun ist das natürlich nur im Ansatz richtig. Denn irgendeiner möchte gerne profitieren von der Wette. Meist wollen es am liebsten beide aber im mathematischen Sinne kann es nur eine Seite geben, die den Vorteil hat. Es gibt eine Seite, die am Ende gewinnt und eine Seite, die den Vorteil hat. Ob diese deckungsgleich sind ist zu einem gehörigen Maße von dem so viel zitierten Zufall abhängig. Und der Reiz des Spielens und des Wettens liegt ja zu einem großen Teil darin, dass man es a) nicht vorher weiß und b) dass auch gelegentlich die falsche Seite gewinnt. Würde, wie im Schach, mit schöner Zuverlässigkeit und Regelmäßigkeit, der bessere, der „richtige“ gewinnen, würde das Spiel selber, dieses spezielle zumindest, sehr schnell langweilig werden. Abgesehen davon bleibt das später analysierte Problem der Nachweisbarkeit des Vorteils.
Man kann lange, viel, gut und auch geschickt argumentieren: Wenn man eine Wette verloren hat, muss man sie (s.o., sofern zuverlässig) bezahlen. Vorteil hin oder her. Wenn man sie gewinnt, kann man die Argumente genüsslich an sich abprallen lassen. „Red du nur, solange du zahlst. Ich hab die Wette gewonnen. Und du argumentierst. Was ist besser?“
Es ist also so, dass ein Ereignis in seiner Eintrittswahrscheinlichkeit abgeschätzt werden muss, damit man überhaupt eine Quote machen kann. Dazu kommt, dass sämtliche Wahrscheinlichkeiten, die bei einem bestimmten Zufallsexperiment (meist Sportereignisse) als Ausgänge möglich sind, zusammen 100% ergeben müss(t)en. Im einfachsten Fall könnte man sich immer damit behelfen: Das Ereignis tritt ein: Ein Prozentsatz. Das Ereignis tritt nicht ein: 1-Prozentsatz. (Mehr zu diesem Thema im Kapitel „
a) Wetten um „gleiches Geld“
So, wie Sie möglicherweise bisher unter Freunden gewettet haben, haben Sie quasi ohne Quote gewettet. Das bedeutet, dass jeder den gleichen Einsatz riskiert hat. Wenn man also sagte: „Ich wette um 10 Euro, dass…“, dann meint man im Prinzip, wer wettet 10 Euro dagegen. Und die Wetten kommen häufig zustande, wenn man auf Tatsachen wettet. Jeder ist überzeugt, dass es sich so verhält, wie er sich erinnert. Man wettet und schaut es dann nach. Der Verlierer zahlt (so er eine gute Zahlungsmoral hat). Diese Wette ist quasi um gleiches Geld. So sagt man das auch in der Spielersprache. „Ich wette gleiches Geld, dass…“ drückt aber schon ein höheres Verständnis aus. Weil der gleiche Mensch könnte ja auch sagen „Ich wette nicht gleiches Geld, sondern bin mir so sicher, dass ich dir sogar eine Quote zahle.“
Auch derartige Gespräche finden in Spielerkreisen gelegentlich statt. Dennoch ist dringend zu unterscheiden zwischen Wetten auf feststehende Tatsachen und Wetten auf zukünftige, meist sportliche, Ereignisse (man kann heutzutage aber auch bereits auf den Ausgang des Grand Prix d´Eurovision oder die Bundestagswahl wetten).
Ich möchte Wetten auf Tatsachen eigentlich immer gerne dann verwenden, wenn einer Unsinn redet. Und selbstverständlich bilde ich mir nur ein, dass es Unsinn ist. Aber ich hörte mal den Satz „in Chicago leben 400000 Griechen.“ Dann möchte ich gerne sagen: „Bitte, lass uns wetten, wir schauen nach. Ich sage, es sind weniger, wir formulieren die Wette und wechseln das Gesprächsthema.“ Oder: „Hertha hat im letzten Spiel der Aufstiegssaison 1967/68 nicht gegen Alsenborn und auch nicht 1:1 gespielt.“ Das war übrigens meine letzte derartige Wette.
Selbstverständlich ist das Wetten ohne Quote dennoch ein Wetten mit Quote. Denn die tatsächliche Auszahlungsquote ist, als Buchmacherquote ausgedrückt, eine 2.0. 2.0 bedeutet in der Buchmachersprache, und der Buchmacher ist derjenige, der eine Wette „hält“, dass Sie bei 10 Euro Einsatz den Einsatz multipliziert mit der Quote ausgezahlt bekommen. Also Einsatz = 10, multipliziert mit Quote = 2.0, ergibt 2 * 10 = 20 Euro. Also haben Sie 10 Euro verloren, falls Ihre Vorhersage nicht eintritt und er, der Buchmacher, Anbieter, hat 10 Euro verloren, wenn Ihre Vorhersage eintrifft.
Das war also eine Wette um exakt gleiches Geld. Er verliert 10 oder Sie verlieren 10, Quote ist 2.0. Warum das so formuliert wurde, hat zwei Gründe: Der erste ist, dass der Buchmacher das Geld zunächst annimmt, also einkassiert. Er hat seine offizielle Lizenz und seine (erarbeitete) Zuverlässigkeit, auf die Sie sich in dem Moment verlassen müssten. Unter Freunden wäre es aber albern, wenn man sagen würde, wir wetten, aber du musst bei mir das Geld zunächst einlegen, also deinen möglichen Verlust vorher zahlen. Keiner der beiden ist der Anbieter oder Buchmacher. Man wettet und vertraut sich hoffentlich.
Der zweite Grund ist der, dass Sie mehrere Vorhersagen kombinieren können. Und zur Berechnung des Gewinns im Falle dass sämtliche Vorhersagen (man kann sie auch Tipps nennen) eintreffen, dürfen Sie die Quoten miteinander multiplizieren. Das dem zugrunde liegende Gesetz wird im Kapitel „unabhängige Ereignisse“ erläutert. Dennoch hier erwähnt. Es vereinfacht die Berechnung oder, besser noch, ermöglicht die Berechnung.
Unter Freunden hört man gelegentlich auch Phrasen wie „Wir wetten 1:1“, um das Phänomen „gleiches Geld“ zum Ausdruck zu bringen. Und traditionelle englische Buchmacher drücken ihre Quoten nach wie vor so aus. Gleiches Geld ist bei ihnen nach wie vor 1/1 oder sogar, noch klassischer, evs. Das evs. Steht für evens, bedeutet gleich oder auch gleiches Geld. Gerade eben, Mittwoch, den 24.9.2008, habe ich einen englischen Buchmacher angerufen, um in Erfahrung zu bringen, ob sie immer noch die Preise in dieser Form aufschreiben. Und sie tun es, tatsächlich. Und die einzige Ausnahme, wo es nicht als Dezimalbruch notiert ist, ist bei evs., gleiches Geld. Für Kombinationswetten und deren Berechnung muss nach wie vor zu jeder Quote 1 dazu addiert werden.
b) Die Berechnung einer Vorteilswette
Wenn Sie also heute (außerhalb Englands) in ein Wettbüro gehen, dann bekommen Sie Quoten, auf die Sie wetten können. Das sind so genannte Fixquoten. Die Quote wird vorher festgelegt. Sie bekommen bei Eintritt des Ereignisses eine garantierte Summe ausgezahlt. Wenn also die Quote für das Spiel Bayern –Schalke 1.70 auf Sieg Bayern ist und Sie setzen 100 Euro, bekommen Sie im Siegfall 100*1.7 = 170 Euro ausgezahlt, also ein Nettogewinne von 70 Euro. Wie müsste nun die Eintrittswahrscheinlichkeit sein, ab welcher sich die Wette „lohnt“?
Na ja, man kann das natürlich auch herleiten. Also sagen wir, das Spiel findet immer wieder statt, Sie können es 100 Mal hintereinander wetten. Dann hätte Sie in der Summe 100 * 100 Euro = 10000 Euro eingesetzt. Um diese wieder zu erhalten, müssten Sie so oft 170 Euro ausgezahlt bekommen, dass diese Summe die 10000 Euro übersteigt, also 10000/170 Mal. Das wären dann ca. 59 Mal. Wir prüfen das: Sie bekommen 59*170 Euro ausgezahlt, also 10030 Euro. Die anderen 41 Mal bekommen Sie gar nichts zurück. Aber immerhin, Sie hätten profitiert. 30 Euro verdient. Also, wenn die Siegwahrscheinlichkeit von Bayern im Spiel gegen Schalke höher als 59% liegt und ein Buchmacher Ihnen eine Quote von 1.70 anbietet, dann hätte Sie gerade so eine rentable Wette. Die Wette „lohnt“ sich ab 59%.
Und eines können Sie mir glauben: Niemand kennt diese Wahrscheinlichkeit wirklich und genau.
Der bedenkliche Aspekt: Sie kennen die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht. Der erfreuliche Aspekt: Der Anbieter kennt sie auch nicht.
Die Buchmacherquote ist nicht per se eine schlechte Wette für Sie. Der Mann spekuliert genau wie Sie. Er weiß es nicht. Und immerhin habe ich es geschafft, mich 18 Jahre lang von derartigen Wetten zu ernähren. Dabei habe ich stets meine Eintrittswahrscheinlichkeit gegen die des Anbieters gestellt.
Abgesehen davon, dass man bei genauerem Hinsehen feststellt, dass die Buchmacher selber sehr unterschiedliche Quoten anbieten. Daran erkennt man schon die Richtigkeit der Aussage: Sie raten alle. Sie raten aber nicht, was kommt, sondern wie hoch in etwa die Chance ist. Also das Verhältnis zwischen Eintrittswahrscheinlichkeit und Auszahlungsquote ist so: Das eine ist der Kehrwert des anderen. Jeder, der spielt und wettet, versucht natürlich, auf der „richtigen“ Seite zu spielen, als so, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit im günstigen Verhältnis zur Auszahlungsquote steht. „Günstig“ ist es für denjenigen, der bei wiederholter Durchführung des Experiments langfristig im finanziellen Plus landet. Klar ist also, dass derjenige, der 1.70 als Quote anbietet, die Hoffnung hat, dass auch für ihn das Verhältnis günstig ist. Er schätzt also auf gut Deutsch die Siegchance für „sicher unter 59%“ ein (er tut dies übrigens nicht bewusst; so viel nur zu den Qualitäten von Buchmachern. Sie schreiben als Summe ihrer Erfahrungen immer nur irgendwelche Werte hin; aber Vorsicht: Die Intuition ist meist ein guter Ratgeber, oder?). Je häufiger Sie profitable Wetten machen, umso sicherer wird es langfristig, dass Sie auch wirklich gewinnen.
Leider kann man in diesem Geschäft nichts, aber auch gar nichts beweisen. Ich sage immer, man kann nur täglich sein Geld zählen. Ist welches da, war man gut, ist viel da, war man sehr gut, ist es weg, alle, ist man pleite, hat man wahrscheinlich etwas falsch gemacht. Aber jede einzelne Wette auf ein Sportereignis wird immer nur zu einem Zeitpunkt und auf dieses eine Ereignis abgeschlossen. Ob sie gut war oder schlecht, ist nicht abschließend zu beurteilen. Einer gewinnt, einer verliert. Das Ereignis wird aber nicht wiederholt. Eine langfristige Statistik anzufertigen ist unmöglich. Man kann zwar sagen, nachschauen, Bayern hat gegen Rostock von den letzten 10 Spielen 8 gewonnen, aber die hatten ja ihrerseits auch allesamt unterschiedliche Voraussetzungen.
Man könnte eine jede Wette, die zum Abschluss kommt, auch umformulieren. Wir nehmen also die Quote, zu der gewettet wird. Jetzt nehmen wir mal eine andere Quote als vorher, sagen wir 2.50. Der Kehrwert von 2.50 ist 1/2.50 = 0.4 oder 40% (das % Zeichen ist ja nur ein Synonym für /100, 40/100 = 0.4). Die Partei, die die Wette anbietet, also „hält“, behauptet sozusagen, dass die Wahrscheinlichkeit höchstens 40% ist, die Partei, die die Wette eingeht, also selber wettet, behauptet, dass die Wahrscheinlichkeit mindestens 40% ist.
Den meisten Spielern wären Sie übrigens schon durch bloßes Wissen und Verstehen dieser zwei Behauptungen überlegen.
Die Qualität einer einzigen Prognose, einer einzigen Einschätzung ist tatsächlich nicht endgültig zu überprüfen. Falls es zu einer Wette kam, hat anschließend eine Seite gewonnen und eine Seite verloren. Aber es kann auch die „falsche“ Seite gewonnen haben, die, bei der das Verhältnis Quote/Eintrittswahrscheinlichkeit ungünstig war. Sicher wird derjenige dann behaupten, dass man ja daran, dass er gewonnen hat erkennen kann, dass er richtig lag. Es wird hier eben doch wieder relativ schnell philosophisch. Man kann ja zum Beispiel über die Frage „gibt es eine objektiv korrekte Wahrscheinlichkeitseinschätzung bei einem beliebigen Sportereignis“, oder gibt es sie eben nicht. Wenn der liebe Gott sich an dem Spiel beteiligen würde, könnte man dann davon sprechen, dass er die wahre Wahrscheinlichkeit kennt? Bei Gott müsste man ja eigentlich annehmen, dass er wesentlich mehr als nur die Eintrittswahrscheinlichkeit kennt. Also bereits den Sieger oder ein anderweitiges Endergebnis. Oder könnte er einfach sagen: „Objektiv ist die Einschätzung so: 45% — 33% — 22% (1-X-2).“ Den Rest überlasse ich eurem Schicksal. Der wird sozusagen „ausgewürfelt“.
Dazu mal ein Zitat, was ich in einem Buch fand mit dem Titel ´Alles Zufall´ von Stefan Klein: „Zufall ist das Pseudonym Gottes, wenn er nicht selbst unterschreiben möchte.“
Da sieht man mal wieder, wie nahe eigentlich religiöse, philosophische und mathematische Fragen bzw. Überlegungen beieinander liegen. Und oftmals ist eine Problematik nur mithilfe einer oder beider anderen zu beantworten. Man müsste es eben so ausdrücken: „Nach meiner Weltanschauung verhält es sich so…“
Die Mathematik selber, nur um dazu auch die Parallele zu zeigen, behilft sich in solchen Fällen immer mit den von ihr selbst aufgestellten Axiomen. Das sind die kleinsten, unbeweisbar und als unverrückbar geltenden Annahmen, auf der das ganze (Lügen-) Gebäude aufgebaut ist. Das war natürlich nur ein Scherz: Die Mathematik beruft sich auf ein paar wenige Axiome. Ohne diese könnte man einfach gar nicht arbeiten. Beweisbar sind sie nicht. Sie sind eben sozusagen die „Weltanschauung der Mathematik“. Jeder Satz, jede Aussage in der Mathematik, alles, was bewiesen scheint und als unumstößlich gilt müsste immer mit dem Satz anfangen: „Unter der Voraussetzung, dass meine Grundannahmen (Axiome) stimmen…“
So müsste ich eben die eine Frage, die mich durchs Leben begleitet, derart formulieren, und das Paradoxe wird schon durch die verwendeten Begriffe selber offenbar: „Gibt es eine wahre Wahrscheinlichkeit?“