Unabhängigkeit von Ereignissen
Der Titel hört sich so richtig trocken an. Man fühlt sich fast wie in der Schule, stimmts? Und wenn ich jetzt noch das Wort „Mengenlehre“ ausspreche, landet das Buch garantiert endgültig im Ofen. Glück gehabt, Sie haben keinen? Ich erkenne Ihr Bemühen an.
Also die rein mathematische Formulierung lautet so: Bei unabhängigen Ereignissen werden die einzelnen Eintrittswahrscheinlichkeiten multipliziert für die Gesamteintrittswahrscheinlichkeit. Rumms! Aber wenn wir es ganz einfach ausdrücken oder am einfachsten Beispiel betrachten, wird das relativ schnell klar: Zwei Mal Kopf hintereinander beim Münzwurf: 1/2*1/2 = 1/4. Das stimmt doch, oder? Zur Veranschaulichung könnte man noch die 4 möglichen Sequenzen notieren, die ja alle gleichwahrscheinlich sind (zu diesbezüglichen Zweifeln andere Kapitel lesen): 1. Wurf Zahl, 2. Wurf Zahl; 1. Wurf Zahl 2.Wurf Kopf; 1. Wurf Kopf 2.Wurf Zahl; 1. Wurf Kopf 2.Wurf Kopf. Also das Ereignis „1. Wurf Kopf 2.Wurf Kopf“ ist eine der vier Möglichkeiten, alle gleichwahrscheinlich, 1/4, stimmt. Beim Würfeln sieht es so ähnlich aus. Zwei 3en hintereinander, 1/6 *1/6 = 1/36. Und wenn wir zwei Würfel gleichzeitig werfen, so ist eines jeden einzelnen Zahl auch unabhängig von der des anderen. So die Theorie.
Also zurück zu den „unabhängigen Ereignissen“: Vielleicht haben Sie ja selber auch schon mal gewettet, womöglich auf Fußballspiele. Wenn Sie dann sogar eine Kombi-wette gemacht haben, haben Sie ja festgestellt, dass man für die Errechnung der Gewinnquote alle einzelnen Quoten miteinander multiplizieren muss. Und verantwortlich ist dafür das Gesetzt der unabhängigen Ereignisse.
Weiter oben haben wir festgestellt, dass das Verhältnis zwischen Quote und Wahrscheinlichkeit der Kehrwert ist. Da wir also bei den Wahrscheinlichkeiten multiplizieren müssen, müssen wir das auch bei den Quoten. Viele Spieler kombinieren dann immer einen Haufen von Favoriten. Also Bayern, (1.30) Liverpool (1.45), Chelsea (auswärts, 1.65), ManU(1.20), Arsenal(2.20, auch auswärts, guter Gegner), Inter Mailand (1.50), Real Madrid(1.25) und FC Barcelona (1.40). Dann ergibt sich eine gigantische Auszahlungsquote von 1.30*1.45*1.65*1.20*2.20*1.50*1.25*1.40 = 21.55. Also 21.5-faches Geld.
Das hört sich doch toll an. Phantastisch, und die gewinnen doch alle? Ja, da schlägt dann wohl doch die unerbittliche Kraft der Mathematik zu. Die Eintrittswahrscheinlichkeit von ALLEN Vorhersagen gleichzeitig ist jedenfalls durch Multiplikation zu ermitteln. Und die ist dann auch wirklich in der Größenordnung von 1/21. Oder wollen wir es noch genauer betrachten? Also schauen wir uns jede Quote an mit einer angenommen Eintrittswahrscheinlichkeit. Und wir nehmen noch dazu an, dass der Quotenmacher ein guter war, also seine Einschätzungen stimmen. Dann zahlt er eine 1.30 ja nur, wenn die faire Quote höher ist, also 1.35 sagen wir. Das entspräche einer Wahrscheinlichkeit von 1/1.35 = ca. 0.74. Weiter, die 1.45 stammt von 1.50, 1/1.50 = 0.667, die 1.65 stammt von einer 1.72. 1/1.72 = 0.581, die 1.20 kommt von 1.23, 1/1.23 = 0.813. Weiter die 2.20 kommen von 2.4, 1/2.4 = 0.417, 1.50 kommt von 1.57, 1/1.57 = 0.637. Die 1.25 kommen von 1.29, 1/1.29 = 0.775 und die 1.40 wieder von 1.45, 1/1.45 = 0.69.
Dann multiplizieren wir, regelgerecht, die Eintrittswahrscheinlichkeiten. Also 0.74*0.667*0.0.581*0.813*0.417*0.637*0.775*0.69= 0.033. Die Gesamtwahrscheinlichkeit liegt also bei 3.3 %. Die korrekte Auszahlungsquote dafür wäre aber 30.2. Sie bekommen aber nur 21.55.
Wir erhalten also für die Kombinationswette einen satten Nachteil von –28.6%! (Berechnung unter „Erwartungswert“, aber hier trotzdem kurz die Formel: 0.033*(21.55-1) – (1-0.033) = -0.286). Obwohl Sie also bei den einzelnen Spielen jeweils nur einen kleinen Nachteil hätten im Prozentbereich, haben Sie auf die Kombiwette einen sehr großen Nachteil. Der Grund ist leider der hier: Bei der Multiplikation der Quoten multipliziert sich nicht nur die Chance für das Eintreten, sondern gleichzeitig auch der Nachteil. Das war für Buchmacher immer ein El Dorado. Anstatt mit 3-4% Gewinn konnten sie teilweise mit bis zu 20% oder gar mehr Gewinnspanne kalkulieren. Selbstverständlich bezog sich das nur auf (relativ) gute Buchmacher, die mit schlechten Spielern zu tun hatten.
Mir hat dieser Umstand umgekehrt genutzt. Denn ich habe ja immer nur die Spiele rausgesucht, die nach meinen Berechnungen Vorteil ergaben. Dann habe ich diese Spiele kombiniert (das habe ich in so genannten Systemwetten gemacht. Bei denen wählt man beispielsweise 6 Spiele aus und kombiniert diese in allen möglichen 3er Kombinationen, das sind insgesamt 20 Kombinationen). Und genau wie die Nachteile multiplizieren sich auch die Vorteile.
Ach so, ich sprach ja von der Unabhängigkeit von Ereignissen und der Mengenlehre. Also „unabhängig“ sind immer jene Ereignisse, die keine bzw., mathematisch ausgedrückt, eine leere Schnittmenge haben.
Ein Beispiel für abhängige Ereignisse wäre: Sie würfeln mal wieder mit zwei Würfeln. Jetzt berechnen wir die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis „mindestens einer der beiden Würfel zeigt eine 6“. Die Wahrscheinlichkeit berechnet man, indem man die Gegenwahrscheinlichkeit dieses Ereignisses von1 abzieht. Also das Ereignis „zwei Mal keine 6“ ist einfacher zu berechnen. Ein Mal keine 6 ist 5/6, 2 Mal keine 6 ist 5/6 * 5/6, das ist = 25/36. Das ganze von 1 abgezogen, für die Gegenwahrscheinlichkeit, 1 – 25/36 = 11/36 (dazu auch an anderer Stelle mehr). Also die Wahrscheinlichkeit „mindestens ein Würfel zeigt eine 6“ ist 11/36.
Jetzt betrachten wir das Ereignis „Die Augensumme ist exakt 9“. Das Ereignis tritt ein, wenn der erste Würfel eine 5 zeigt und der zweite eine 4, bzw. der erste eine 4 und der zweite eine 5. Genauso wenn der erste eine 3, der zweite ein 6 oder der erste eine 6 und der zweite eine 3. Das sind 4 Möglichkeiten von 36. Also 4/36 = 1/9.
Jetzt multiplizieren wir (???) die Wahrscheinlichkeiten und erhalten 1/9*11/36 = 11/324. Also so ca. 1/30 ist die ausmultiplizierte Wahrscheinlichkeit „mindestens ein Würfel zeigt eine 6“ und zugleich „die Augensumme ist 9“.
Natürlich stimmt das nicht. Denn erstens ist offensichtlich, dass die Ereignisse nicht unabhängig sind und außerdem kennen wir die Wahrscheinlichkeit ja schon. Es sind exakt 2 Fälle von 36, also 2/36 bzw. 1/18, dass das kombinierte Ereignis eintritt (3-6 oder 6-3). Auf gut Deutsch kommt die 9 häufiger, wenn einer der beiden Würfel eine 6 zeigt.
Hätte ich gefragt, wie oft die Augensumme 5 ist und einer der beiden Würfel eine 6 zeigt, hätten wir uns jeden Rechenaufwand sparen können: Das wäre unmöglich.
Dazu mal wieder ein Beispiel aus meiner Praxis: Ich hatte mal einem Italiener (übrigens meine Freunde, und das meine ich so, meine Töchter heißen zB Chiara und Giulia) einen Wettzettel gezeigt, wie man wetten und spielen kann. Dann sagte ich zu ihm, er könne auch alles miteinander kombinieren, um so eine höhere Auszahlungsquote zu erhalten (die verringerte Eintrittswahrscheinlichkeit habe ich erstmal nicht erwähnt). Dann kam er am nächsten Tag und fragte mich (EM 92, Schweden spielte gegen Dänemark), ob er kombinieren könne „Schweden Sieg“ und „1:0 für Schweden“. Das war wirklich eine tolle Idee. Der Kurs auf Sieg Schweden war 2.0, der Kurs auf 1:0 war 7.0. Kombiniert ergibt das 2*7 = 14. Er hat also auf einen Schlag den Kurs auf 1:0 von 7 auf 14 geschraubt!
Leider hat der Buchmacher ihn durchschaut. Immer, wenn es 1:0 ausgeht hat ja Schweden auch gewonnen… das ist ein Beispiel für die maximale Abhängigkeit. Die Menge der Spiele, die 1:0 enden, liegen komplett innerhalb Menge der schwedischen Siege. Sehen Sie das Mengendiagramm vor sich?