Eine der aufgestellten Thesen lautet — mal so, mal so zum Ausdruck gebracht –, dass die Position auf dem Platz, da eine zu beurteilende Aktion stattfindet, unentbehrlich wird für den Schiedsrichter, um Foul oder Nicht-Foul bewerten zu können (bei fraglichem Handspiel ist es kaum anders). Je näher sich eines der Tore befindet, umso besser schneidet die in der Abwehr befindliche Mannschaft bei den getroffenen Entscheidungen ab.
Wie wohl zu erwarten sein dürfte, wird diese Aussage vehement in Frage gestellt – wenn man sie erstmals hört und noch nicht durch ist mit diesem Text. Die Schiedsrichter selbst dürften sich vor allem dagegen verwehren – in allererster Instanz –, aber auch sonst wird vermutlich ein sich direkt regender Widerstand spürbar werden in der Form: „Das kann ja gar nicht sein.“ Auch für diese Aussage räumte ein beliebiger Leser, Hörer nur diese beiden Möglichkeiten ein, welche sich später noch (einmalig) unterteilen ließen: a) entweder schon gehört oder b) automatisch falsch. Punkt a) unterteilte sich dann noch in „schon gehört, ich teile die Meinung“ oder „schon gehört, das sehe ich aber anders“.
Nun könnte man einerseits einfach ein paar Beispiele hervorkramen und den Zweifler befragen, wie er denn diese Szenen selbst beurteilen würde?! Vermutlich würde sogar Übereinkunft erzielt werden können, dass hier „ kein Stürmerfoul vorlag“, da es nämlich „gar kein Foul“ war, während bei der anderen Situation automatisch die Zustimmung ertönte : „War im Strafraum, war auch Foul, hätte Elfer geben müssen, gab es aber nicht, war ein Fehler.“ Nur könnte er zugleich darauf verweisen, dass es x andere Beispiele gäbe, welche er dann seinerseits auftischen müsste: „Erinnerst du dich noch an die Szene bei der Partie Köln – Hoffenheim, als der Elfer zum 1:1 mehr als fraglich war?“ (Spielstand, fragliche Aktion: frei erfunden).
Nein, eine derartige Diskussion zu eröffnen wäre sinnlos, dies gehörte weiterhin üblicherweise an die Stammtische. Der hier unterbreitete Vorschlag lautet dahin gehend: es müssten etliche Szenen herausgepickt werden, welche frei auswählbar sind, aber möglichst reichhaltig und so weit objektiv, dass keine Tendenz dabei bereits vertreten wäre, allesamt Szenen, in welchen man zumindest über Foul oder nicht beziehungsweise Handspiel oder keines nachdenken könnte (und/oder es tatsächlich so entschieden wurde). Das „Herauspicken“ allein ist dabei vielleicht eine verantwortungsvolle Aufgabe, — man könnte ein paar Vorgaben vereinheitlichender Art machen und sich die Aufgabe so erleichtern — jedoch ist dies noch lange nicht der zentrale Vorschlag.
Übrigens wäre bei der Auswahl zu beachten, dass es nicht allgemein bekannte Szenen sind, aus der jüngsten Vergangenheit, welche dann aufgrund der Wiedererkennung „richtig“ beurteilt würden. Also wäre möglichst eine Auswahl aus längst vergangenen Spielzeiten, aus kleineren Ligen oder aus garantiert unbekannten (da unbedeutenden) Szenen zu treffen.
Der Vorschlag, welcher die vermutlich überraschenden Ergebnisse produzieren soll schließt erst daran an. Hier kommt er nun endlich: nachdem die Szenen mit allgemeinem Konsens ausgewählt sind, müsste man diese videotechnisch nur noch dahin gehend bearbeiten, dass der Ort des Geschehens unkenntlich gemacht wird. Es soll also lediglich der Zweikampf selbst bewertet werden (alternativ das Handspiel, in den derart kritischen ausgewählten Szenen), aber nicht erkennbar sein, wo die Aktion stattfand.
Die Idee ist offensichtlich: die Schiedsrichter selbst sollten nun ihr Urteil abgeben: in dieser Szene ein Pfiff erforderlich, denkbar, unangebracht, definitiv unrichtig? In der nächsten die gleiche Fragestellung. Selbstverständlich wird im Anschluss die Kongruenz überprüft: wie hoch ist der Übereinstimmungsgrad mit den tatsächlich in der jeweiligen Szene getroffenen Entscheidungen?
Das Problem dürfte jedoch sofort ins Auge fallen bei der derartigen „Nachentscheidung“ – und somit den Überführungsaspekt direkt verdeutlichen: die Befragten würden recht deutlich spüren, dass es ohne Kenntnis des Ortes kaum möglich ist, zu einem richtigen Urteil zu kommen. Oder sie würden sich so zu behelfen wissen: „Ich erkenne zwar auch, dass das kein Foul war, vermute aber, dass es sich um die Aktion eines Stürmers an einem Verteidiger handelt, insofern entscheide ich mich klugerweise für Foul.“
Die Überführung selbst – damit den Beweis liefernd – käme logischerweise dadurch heraus, dass es einen geringen Übereinstimmungsgrad zwischen im Spiel getroffener Entscheidungen gab und den später den Szenen zugeordneten „richtigen“ Entscheidungen. Weiterer Beweis wäre: die Abwehrspieler schnitten deutlich besser ab als sie dürften. Ihre oftmals im Nachgang als Foul bewerteten Szenen – durch Unkenntlichkeit des Ortes „unbeeinflusst“ so entschieden – wurden im Spiel häufig durchgehen lassen, während umgekehrt „angebliche“ und im Spiel so entschiedene Stürmerfouls im Nachgang nicht als Foulspiele gewertet würden.
Nun müsste man zunächst Übereinkunft erzielen, dass dies ein „zulässiges, repräsentatives Experiment“ ist, mit welchem sinnvolle Ergebnisse zu erzielen sind. Das wäre allein schon ein wenig fragwürdig, ob da jeder seine Unterschrift drunter setzt. Denn hier bereits ausreichend Diskussionsstoff: wie wird die Auswahl getroffen, inwieweit könnte gewährleistet werden, dass die Szenen nicht doch bekannt sind und insofern die Entscheidung durch Wiedererkennung erfolgt, weiterhin natürlich, ob es nicht doch eine Rolle spielen sollte, wie die Situation zustande kam (und nicht etwa: allein wo!). Sowie man nämlich den dazugehörigen Pass sehen würde (weil er zur Beurteilung als zugehörig angesehen wird), würde man bereits Aufschluss erhalten, wo es gewesen sein kann und demnach ein unerwünschtes zusätzliches Bewertungskriterium hätte. Letztendlich die Frage, ob nicht Fehler einfach dazu gehören und sich anschließend jene, ob gewisse Abweichungen (zwischen im Nachhinein der Szene zugeordneten Entscheidungen und im Spiel getroffenen) nicht zu tolerieren wären beziehungsweise ab wann eine Abweichung den angenommenen „kritischen Charakter“ hätte, inwieweit also überhaupt eine Art „Beweis“ damit geliefert wäre.
Insofern könnte man die vorgeschlagene Idee als reines Gedankenexperiment stehen lassen und die Reaktionen auf diese Art zu antizipieren versuchen.
Der Vorschlag würde zunächst so aussehen: bei kritischen Foulszenen (Handspiele bleiben stets ähnlich) wird in der Diskussion nur einfach mal die Perspektive vertauscht. Hier wird angeregt, sich vorzustellen, dass die Spieler, in den Zweikampf verwickelt, die Rollen tauschen würden. Angreifer ist Abwehrspieler und Abwehrspieler ist Angreifer. Wie würde die Bewertung dann ausfallen? Wie würde man es selbst sehen, falls die Rollen vertauscht wären?
Es stellt sich ein durchaus kurioser Effekt ein. Dies am beliebigen irrealen, aber häufig so (oder ähnlich) zu beobachtenden Beispiel: ein Stürmer soll sich mal wieder irregulär Zugang zum Ball verschafft haben. Es ist vielleicht auch ein minimaler Kontakt sichtbar. Der Pfiff ertönt, der Angreifer, natürlich ein exzellenter Schauspieler, schüttelt den Kopf, damit mehr oder weniger (aber, als guter Schauspieler, „wissentlich“) glauben machen wollend „was soll denn jetzt schon wieder gewesen sein?“, während der Verteidiger, kurz zuvor noch eher wie vom Blitz getroffen zu Boden gegangen, den „Foulspieler“ als solchen entlarvt hat, aufspringt, ihn beschimpft und ihm bösartig hinterhergeht. „Was willst du denn hier? Wolltest du etwa ein Tor schießen oder was? Nee, so läuft das hier nicht!“
Die Szene spielt sich fast noch häufiger so ab: Zweikampf zwischen Angreifer und Abwehrspieler, Laufduell, wie auch immer. Der Abwehrspieler hebt die Arme, um damit anzuzeigen, dass er „rein gar nichts“ täte. Der Stürmer möchte nur irgendwie an den Ball – und es gelingt ihm sogar. Er kommt relativ frei und hätte eine Chance, das Tor ins Visier zu nehmen. Der Pfiff ertönt. Der Angreifer entsetzt, Hände vors Gesicht, Kopf schütteln: „Was soll denn jetzt schon wieder gewesen sein, was ich getan hätte?“
Frage an die Jury nun: welcher der beiden ist der gute Schauspieler, welcher der schlechte? Oder hält es sich etwa die Waage? Die Behauptung hier: beide „schauspielern“ im Grunde gar nicht. Der Abwehrspieler zeigt mit seiner Geste an, dass er sich sehr wohl bewusst ist, dass er irgendwie grenzwertig arbeitet, aber dass der Schiri dass doch bitte so stehen lasse möge und auch ja bitte nicht unterbrechen, auf Foul entschiede. Das ist keine Schauspielerei, es ist eine intuitive Geste, die sich aber durch gesammelte Erfahrungswerte und Beobachtungen bewährt hat.
Der Angreifer schauspielert ebenfalls nicht. Er hat nichts getan sondern eher im Gegenteil wurde grenzwertig bearbeitet – wobei es durchaus vorkommt, dass die Angreifer dann sozusagen mit gleicher Münze zurückzahlen, was aber offensichtlich dann auch „gleiche Münze“ zu sein hätte –, er gewinnt den Zweikampf aber trotzdem. Nur wird ihm dann das Weiterspielen untersagt. Da ist man dann halt entsetzt, schlägt die Hände vors Gesicht und schüttelt den Kopf – wohl wissend, dass jedes weitere Wort unmittelbar Gelb eintragen würde. Bloß nicht des Schiedsrichters Allmacht irgendwie weiter in Zweifel ziehen.
Der Vorschlag, um sich anzunähern an die Aussagen zwecks Prüfung des Wahrheitsgehaltes der aufgestellten Ursprungsthese: man stellt sich die erstgenannte Szene im Rollentausch vor. Der Abwehrspieler hätte genau so minimal den Angreifer berührt, erkennbar ohne eine Notwendigkeit oder Veranlassung für jenen zu geben, zu Boden zu gehen, was dieser jedoch tut. Sofort weiß man: das geht ja nun gar nicht. Was wollte der denn jetzt da? Wollte er auf diese plumpe Art etwa einen Elfer erhalten? Absurd! Der Referee sieht keine Alternative. Er geht direkt genau so auf den Angreifer los, wie es umgekehrt und zuvor der Gegenspieler getan hätte (hatte). Das ist Gelb und nichts sonst.
Sollte man dies wiederholt tun, diese Szenen sich also regelmäßig im Rollentausch vorstellen, dann kann man garantiert nicht mehr anders, spätestens ab der fünften Szene erkennt man : hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Eine Aktion, welche der Angreifer am Verteidiger verübt, ist ohne Wenn und Aber ein Foul und eine „Schwalbe“ eines Verteidigers gab es noch nie, das ist Fakt. Denn: obwohl er genau so theatralisch zu Boden geht, im Unterschied lediglich bei wesentlich weniger Foul als umgekehrt, so wäre die Bewertung „Vortäuschen eines an mir verübten Fouls“ keine im Regelwerk verzeichnete Straftat, falls es ein Verteidiger tut. Dies ist ausschließlich für das schändliche Stürmerverhalten vorgesehen, da jener doch die unehrenhafte Erzielung eines Treffers im Sinn hatte.
Falls man irgendwo mal wieder eine Expertenstimme hören sollte, dass das Stürmerdasein ein hartes sein soll, weil der sich da vorne immerzu reinhauen muss und dahin gehen, wo es weh tut, dann ist der Kern der Aussage irgendwo richtig, aber es ist lange nicht auf den Punkt gebracht.
Weh tut nämlich nur die permanent verübte Ungerechtigkeit einseitiger Art aber gerne auch hier und da die nicht geahndeten Foulspiele, welche gelegentlich gar empfindliche Körperteile nicht außen vor lassen. Reinhauen muss man sich, das stimmt, aber man bekommt niemals den Pfiff auf seine Seite für vergleichbare „Vergehen“, aber im Grunde nicht einmal für viel weniger schlimme an einem verübten gegenüber jenen, die man eigens am Gegner verübt. Noch schlimmer gar, die der Stürmer verübt haben soll: da war nix, absolut rein gar nix, nicht mal ne Berührung, aber der Verteidiger geht, die Aussichtslosigkeit anderer Maßnahmen erkennend, einfach zu Boden – und bekommt als Lohn auch noch einen Pfiff! Anstatt, alternativ – in einer idealen Welt – das Gegentor UND Gelb für die Vortäuschung eines Foulspiels.
Auch dies wäre nämlich keineswegs absurd. Stürmer zunächst nicht aufhalten können, die anfänglich noch grenzwertig legal eingesetzten Mittel ausgeschöpft, nun das Vortäuschen eines Foulspiels, da man, beim Versuch, den Angreifer nun noch zu packen, mit der ultimativen Aktion, ihm von hinten in die Hacken zu laufen (teils wird sogar hinterher gehechtet), dieser lässt sich nicht stoppen, trotz Behinderung, zieht weiter, hat das Tor vor sich, versenkt auch noch – unter weiterhin erschwerten Bedingungen, denn die Behinderung kostet Kraft, Konzentration, Zehntelsekunden, die fehlen könnten. Tolle Aktion, ein Tor. Aber nun zurück zu dir, Freundchen, auf der Verteidigerposition: was sollte das denn? Wolltest du etwa dem so zahlreich vertretenen neutralen Freund des Fußballs eine Torsituation vorenthalten, einen möglichen Treffer verhindern, unter Aufbietung aller – Betonung: ALLER, unerlaubte eingeschlossen – Mittel? Nein, eine Notbremse hätte eine Rote Karte zur Folge. Eine versuchte Notbremse, sollen wir milde sein und die Erfolglosigkeit der Absicht als strafmindernd einbeziehen? Nun, ja, nein, äh, jein, äh, warum eigentlich? Rote Karte! Gegentor kassiert UND Rot? Vielleicht denkt der nächste Abwehrspieler über den Einsatz unerlaubter Mittel zur Gaudiberaubung der Zuschauer in Form von Torvereitlung doch eine Sekunde länger nach?
Es mag übertrieben klingen, nur wäre es im Rahmen einer allgemeinen Rechtsprechung sogar vertretbar? Früher hieß es mal, Kindern gegenüber: Strafe muss sein! Der Grund der: eine weitere, ähnliche oder gar identische, Regelverletzung sollte für alle Zukunft ausbleiben, und nicht etwa, dass es als eine Art Kavaliersdelikt abgetan wird und, zum eigenen Vorteil oder Vergnügen, wieder und wieder passiert. Und das klappt nur, wenn die Strafe spürbar ist.
Das Umdenken pro Torsituation ist eine der zentralen hier ausgesprochenen Forderungen. Man würde staunen, was diese Angreifer einem alles so zu bieten hätten, auch an Schönheit in den reinen Aktionen, balltechnischen Fähigkeiten, Schüssen oder Tricks, die man zuvor nur im Training zu sehen bekam. Vorausgesetzt, sie würden nicht permanent grenzlegal daran gehindert werden. Wobei die Grenzen sich lediglich am „common sense“ am „state oft he art“ der Bewertung, an den Vorerfahrungen der Spieler, wie ähnliche Situationen in der Regel bewertet werden, orientieren. Die verhalten sich keineswegs „bösartig“ sondern viel eher nur „klug“, dem eingeforderten Erfolgsdenken und – handeln untergeordnet, sowie zeitgleich die derzeitige Form der Regelauslegung beherzigend. Hier gilt, aus Sicht der Spieler: „Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift und nicht etwa, wenn ich eines begehe. Und weiterhin: wenn es mehr nutzen als Schaden bringt, war es zweifelsohne dem Mannschaftserfolg dienlich und meine Mitspieler und mein Trainer sowie die Fans werden es mir danken. Egal, ob es, oder wenn, wie hinterhältig es war.
Angemerkt soll zusätzlich sein, dass die Schiedsrichter höchstwahrscheinlich augenblicklich ablehnen würden, an einem derartigen Experiment teilzunehmen, sofern sie tatsächlich mit einer derartigen Aufgabe konfrontiert sein sollten. Vielleicht verständlich, aber dennoch würde allein schon die Ablehnung die gewisse Auskunft erteilen, in die angenommene Richtung gebend: es ist an der Aussage, dass Aktionen abhängig von der Position auf dem Feld bewertet werden, eine Menge Wahres dran.
Hierzu gibt es klarerweise ein paar praktische Beispiele anzubieten, in welchen man ebenfalls zum Gedankenspiel aufgefordert wird: was war die Ursache für die so gefallene — aber später als falsch eingestuften – Entscheidung?
Ein sehr anschauliches Beispielsoll an dieser Stelle nur ein eingefügtes Beispiel geben (welche ansonsten ausgelagert sind) : am 21.1.2012 im Spiel 1. FC Kaiserslautern – Werder Bremen (Endstand 0:0) kam es nach 23 Minuten zu dieser Aktion: eine gute Flanke aus dem Halbfeld kommt in Kaiserslauterns Strafraum, zuerst trifft ein Rosenberg von Werder mit gutem Kopfball den Pfosten, der Abpraller kommt wieder zurück zu ihm, er trifft den Ball nicht richtig, jedoch wird er dadurch zur perfekten Vorlage für Sebastian Prödl, der den Ball aus wenigen Metern nur noch per Kopf über die Linie bugsieren müsste, da der Torwart, aufgrund des erwarteten Nachschusses, auf der anderen Seite des Tores steht. Der verunglückte Nachschuss kommt also hoch zu Prödl, der selbst hoch gewachsen ist, und jener geht mit dem Kopf Richtung Ball, dabei weder springend noch den Kopf herunternehmend, demnach ist der Ball in wohl etwa 1,80 Metern Höhe. Bei diesem Versuch jedoch findet er, anstatt den Ball selbst, einen Verteidigerfuß vor, welcher ihm mittig ins Gesicht fliegt.
Er geht zu Boden, schwer getroffen. Die anderen Werder Angreifer protestieren heftig, reißen sofort die Arme hoch, gehen aber, aus Sorge um ihren Mitspieler, sofort danach an die „Unfallstelle“, um sich um den stark blutenden Prödl zu kümmern. Jener hatte weit mehr als nur den sofort erkennbaren Nasenbeinbruch. Es war zusätzlich ein Oberkieferbruch.
Einigkeit war allenthalben sofort erzielt: das hätte Strafstoß und Rot geben müssen. Erwähnt, in der Sky Zusammenfassung damals, dass „der Schiedsrichter freie Sicht“ hatte. Dennoch gab es keine Reaktion. Die Werder Verantwortlichen waren natürlich außer sich (Schaaf gab gar keinen Kommentar ab, Sportdirektor Allofs empfahl dem Schri einen Sehtest), das Recht auf ihrer Seite. Aber was nützt ihnen das?
Allein schon diese Szene wäre ein „Beweis“, dass da etwas im Argen liegt mit Foulaktionen im Strafraum, aber selbstverständlich würden hier Regeloffizielle noch von „einem bedauerlichen Einzelfall“ reden. „Obwohl er günstig stand, ist ihm die Schwere des Vergehens entgangen“. Sollte nicht, aber kann eben doch mal passieren.
Weiterhin sind alle später eintrudelnden Entschuldigungen von Akrobat Kouemaha (derjenige, der locker seinen Fuß in die 1,80 Meter Höhe brachte, dabei nur RUND im Blick hatte, ob Gesicht oder Ball), als fadenscheinig anzusehen. Nicht, weil er bösartig ist oder etwa ein besonders auffälliger Foulspieler wäre. Nein, nur weil sein Motiv allseits ein anerkanntes ist. Dazu später mehr.
Zunächst wird hier nun der Perspektivwechsel angeregt – und wenn man sich an diese veränderte Sichtweise gewöhnt, dann kann man irgendwann gar nicht anders, als sich in vergleichbaren Situationen immer wieder in diese zu versetzen.
Die Szene, welche man sich vor das geistige Auge rufen müsste, wäre also diese: die gleiche Flanke segelt in den Strafraum, der Kopfball geht auch an den Pfosten, der Abpraller kommt zum Schützen zurück, dieser gibt seine Schuss ab, alles wie gehabt. Nur wäre in der Folgeszene der Abwehrspieler jener, welcher günstiger zum Ball steht und diesen wenige Meter vor dem eigenen Kasten aus der Gefahrenzone köpfen möchte, als ihm urplötzlich von der Seite ein Angreifer mit einem Seitfallzieher das Nasenbein und den Kiefer bricht.
Hier nun unzweifelhaft – günstiger oder ungünstiger Schiedsrichteblickwinkel –, dass es sofort Rot und Freistoß gegeben hätte. Ein Aufschrei sozusagen, sogar durch das Werder Stadion, aber viel mehr durch die gesamte Nation und sogar Nachbarnationen und weiter entfernt liegende würden davon Wind bekommen: da ist was ganz Übles passiert. Es würde eine einjährige Sperre oder noch viel mehr diskutiert werden, Regeländerungen, Zivilprozesse, alles drumherum. Denn: das Motiv des Angreifers ist das NICHT anerkannte.
Der Angreifer müsste sagen, ebenso „fadenscheinig“: „Ja, was denn? Ich wollte doch nur ein Tor erzielen?“ „Ja, geht’s noch?“ Hielte man ihm entgegen. „Einfach so ein Tor erzielen? Hier ist Verteidigerzone und Tore mögen wir gar nicht. Ab mit dir! Knast!“
Der Abwehrspieler, der nichts geringer- oder höherwertiges tut, sagt hingegen: „Na ich wollte doch bloß ein Tor verhindern?“ „Ach so, na dann, nein, ok, das können wir gelten lassen.“ Denn man stelle sich vor: hier ein Tor, da ein Tor, wo käme man da hin?
Im Prinzip ist es das, was nicht nur in dieser Szene geschehen ist. Es ist das, was permanent geschieht. Die Toreverhinderer haben Vorfahrt. Sie verfolgen die hehren Absichten, während die Angreifer sich nur irgendwie Tore „erschummeln“ wollen.
Man hört ja gar in den Kommentaren, wenn ein rüderes Foul an der Mittellinie geschieht: „Wie kann er denn DA so hingehen?“ Das bedeutet: an der Mittellinie, wo es keine erkennbare Torgefahr gibt, kann man sich ein solches Einsteigen doch nicht erlauben? Wenn er das identisch gleiche Einsteigen im Abwehrbereich getan hätte, was wäre dann die logische alternative Erklärung dazu? „Hier MUSSTE er doch so hingehen, denn sonst hätte es womöglich ein Tor gegeben.“
Noch ein Wort zum Schiri in der Prödl Szene (welche möglicherweise ja zugleich eine ausgewählte für das vorgeschlagene Experiment sein könnte): es ist keineswegs das Problem, dass er hier nicht auch ein rüdes Einsteigen erkennt, erkannt hat. Nur ist er in der gleichen (Zehntel-)Sekunde nicht zu 100% sicher, ob man hier Elfmeter GEBEN MUSS. Sowie ein Restprozent an Zweifel an der Berechtigung gegen einen Strafstoß bleibt, welches nur die Möglichkeit einräumt, dass es hinterher heißen könnte, sogar nur als Frage, „aber war das wirklich Strafstoß?“, dann entschiede er bereits, ihn lieber nicht zu geben (gilt für diese, aber auch unendlich viele andere).
Beweis genug? Beweis genug!