Die Fragestellung bewusst so gewählt. Was ist eine Strafe, was empfindet man als eine Strafe? Was wäre der Sinn einer Strafe? Inwieweit ist die Absicht bei der Festlegung eines Strafmaßes, welche einem Regelverstoß zugeordnet ist, eine Wiederholung desselben möglichst zu unterbinden? Müsste das Ziel nicht eigenlich sein, dass die Regeln eingehalten werden? Foul ist eine Regelverletzung. Freistoß ist bestenfalls eine gleichwertige Ersetzung, keinesfalls eine Strafe, um es mal direkt auf den Fußball und seine Regeln zu beziehen.
Gerne kann man den Vergleich zur Rechtsprechung anstellen. In den Gestzbüchern sollte das Strafmaß so angesetzt sein, dass die Tat selbst nach Möglichkeit dem Täter keine positive Auswirkung verspricht. Im Gegenteil sollte jegliche Straftat nach Möglichkeit ein so ungünstiges Verhältnis zu den erhoffen, damit zu erzielenden Vorteilen bieten, dass sie gar nicht erst verübt wird. Die so genannte “Abschreckungswirkung”. Wenn du zu schnell fährst, musst du blechen. Also fahr lieber nicht zu schnell, es lohnt nicht. Brich in eine Wohnung ein und du wirst eingebuchtet. Tu es nicht! Es lohnt nicht.
Beispiele gäbe es viele. Beabsichtigter Effekt immer der gleiche: das wollen wir nicht sehen, das macht man nicht, das verstößt gegen die Regeln oder, in dem Fall, gegen Gesetze.
Falls man den Vergleich noch ein wenig weiter führen möchte: es gibt Regeln und es gibt Gesetze. Die Gesetze mögen rein begrifflich einen höheren Stellenwert haben. Die Regeln stellt man eher bei Spielen auf. Wobei es auch im menschlichen Umgang mit einander eine Reihe von Regeln gibt, welche teils gar ohne jegliche Niederschrift Gültigkeit besitzen. Der berühmte Knigge zum Beispiel, im Sinne von Benimmregeln. Niedergeschrieben in dem Falle ja, verbindlich nein.
Was auch immer geschehen würde, wenn man es anders täte: man isst mit Messer und Gabel, nicht mit den Händen. Eine Regel, nennt man das so? Dies wäre in gewisser Weise ein Unterschied zu den Gesetzen. Gesetzesverstöße sollen unbedingt unterbunden werden. Eine gebrochene Regel? Na ja, da guckt man vielleicht denjenigen an, ab und an gar schräg. Viel mehr hätte er nicht zu fürchten. Bei Wiederholung müsste er damit rechnen, keine Einladungen mehr zu erhalten oder höflich aus dem Lokal gebeten zu werden.
Auf der weiteren Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Regeln und Gesetzen : bei Gesetzen, welche eine Einhaltung einfordern mit drastischen Strafandrohungen, gibt es das große Problem, den Straftätern auf die Schliche zu kommen, sprich sie zu fassen und die angedrohten, im Gesetzestext verzeichneten Strafen umzusetzen. Auch dies würde in gewisser Weise ein höheres Strafmaß rechtfertigen. Da nicht jeder gefassst wird, droht man eine härtere Strafe, in der Hoffnung, dass damit die erwünschte Abschreckungswirkung erzielt wird. Von Täterseite her ginge die Kalkulation so : „Gut wäre es, wenn ich zu ein wenig Geld käme, darf auch ruhig etwas mehr sein. Dazu könnte ich beispielsweise eine Bank ausrauben. Da soll ja Geld in gehäufter Form vorliegen. Wenn ich es tue und nicht erwischt werde, wären meine Sorgen flugs beseitigt. Wenn ich es tue und doch erwischt werde, muss ich ein paar Jahre schwedische Gardinen anstarren. Hmmm. Lohnt sich das?“
Selbst wenn hier dem Ergebnis nicht vorgegriffen werden soll und es doch noch immer zu derartigen Straftagen kommt: die Absicht wäre die, dass das Strafmaß „ein paar Jahre Knast“ ausreicht, dass Banküberfälle nicht verübt werden.
Sollte man das Strafmaß erhöhen, könnten sich in dem Sinne noch größere Erfolge einstellen.
“Wenn du falsch parkst, musst du ins Gefängnis.” Möglich, dass man auf diese Art das Falschparken gänzlich demotivieren könnte, so dass es niemand mehr wagte? “Ich will doch nicht in den Knast!” Bliebe dennoch dabei: man müsste erst einmal dabei erwischt werden. Wobei das Problem bei einer solchen Strafandrohung offensichtlich wäre: eine so unbedeutende Regelübertretung kann man doch, rein intuitiv, nicht so hart bestrafen? Niemand kommt in Gefahr, niemand wird ernsthaft geschädigt, warum eine solche Strafe?
Es sind zunächst an dieser Stelle nur ein paar Grundüberlegungen angestellt. Es wird sicher hier und da mal ein Strafmaß angepasst, auch in den Gesetzesbüchern, weil eine schändliche Tat wiederholt eingetreten ist. Die Rechnung ist einfach: wenn man das Strafmaß erhöht, gelingt es vielleicht, dass ein potenzieller Täter es doch lieber unterlässt? Die Absicht jedenfalls: am besten, es kommt gar nicht vor.
Dies gilt für alle aufgestellten Gesetze. Der Bürger hält sich an diese. Strafen stehen nur da, damit die Gesetze auch ernst genommen werden. Die Androhung der Strafe genügt, um ihre Einhaltung sicher zu stellen. Wäre doch schön? Die Absicht besteht, der Erfolg hat sich noch nicht eingestellt. Aber man arbeitet daran…
Auch in der Erziehung gibt es das Phänomen von Regeln, sie aufzustellen – meist eine interne Angelegenheit, aber immerhin – und auf die Einhaltung zu pochen.
Um einem Kind eine bestimmte, unerwünschte Verhaltensweise abzugewöhnen gibt es eine häufig verwendete, meist aber nicht mit übergroßer Wirkung versehene Methode : dem Kind mit Vernunft zu kommen. „Du musst doch einsehen, dass…“ oder „wenn alle sich so verhalten würden wie du, dann…“ oder auch „denk doch mal darüber nach, dass das nicht richtig ist.“
Wie gesagt, die eher ineffektiven Versuche. Man appelliert an die Vernunft, an den Verstand, an das Ehrgefühl, was auch immer, und stellt das Kind damit mit einem (angeblich) vernünftigen Erwachsenen auf eine Stufe. Es mag gelegentlich sogar – je nach Alter und vorher aufgebauter eigener Glaubwürdigkeit und Autorität — hier oder da kleinere Teilerfolge geben, aber im Großen und Ganzen erweist es sich meist als nutzlos. Die (kleineren) Kinder testen ihre Grenzen aus. Sie wollen herausbekommen, nicht nur, was man wirklich nicht darf und was ernsthaft Schaden anrichten kann, sondern auch, wie sehr der eine Strafe androhende geeignet ist, diese Rolle für das Kind einzunehmen. Es hat also viel mit (zukünftiger) Glaubwürdigkeit zu tun.
Sofern man als Erziehungsverpflichteter (wer möchte da eine „Berechtigung“ haben? Man muss – ob man will oder nicht) sehr ernsthaft daran interessiert ist, eine bestimmte Verhaltensweise nicht mehr anzutreffen, eine bestimmte Regel durchzusetzen, ist es hier und da erforderlich, mit wirklichen Strafen zu operieren. Dabei gibt es zwei sehr wesentliche Stufen : Die erste ist die Androhung einer Strafe, die zweite ist die Verhängung einer Strafe. Sinnlos ist es, – wenn auch in der Praxis durchaus häufig anzutreffen – eine Strafe anzudrohen und bei erneuten Zuwiderhandlungen diese nicht wirksam werden zu lassen. Man büßt an Glaubwürdigkeit ein und garantiert hat man beim zweiten Mal und dem gleichen „Vergehen“ eine härtere Arbeit, das Gewollte durchzusetzen.
Ab dem dritten Mal wird es sogar in Bezug auf eine beliebige andere Regeleinführung schwieriger, da allgemein die Anwendung der Strafe in Zweifel gezogen wird. Es kann sogar sein, dass das Kind noch mehr über die Stränge schlägt als zuvor, da man als Erziehender die Verpflichtung hat, dem Erziehungsauftrag nachzukommen – und dieser Aufgabe nicht gewachsen schien bisher. Man nennt dieses kindliche Verhalten dann “Grenzen austesten”. Alternativ könnte man es auch “Autoritätstest” nennen. “Der droht immer nur und macht nie was. Mal sehn, wie weit ich gehen kann.” Falls der Mensch damit erfolglos ist : das Kind wird sich woanders Orientierungspunkte suchen. Möglich, dass es innerlich sogar den erfolglosen Erzieher belächelt.
Sinnvoll wäre also: Regeln aufstellen und für die Einhaltung sorgen. Im Notfall über im vernünftigen Verhältnis stehende Strafen. Das Bemerkenswerte daran wäre nämlich die folgende, zu erhoffende aber auch zu erwartende Sequenz: das Kind hat beispielsweise in einem Falle die Regel missachtet. Die Strafe bei erneuter Zuwiderhandlung wird im Rahmen festgesetzt. “Wenn du das noch einmal machst, dann…”. Das Kind probiert es ein weiteres Mal, die Umsetzung der Strafe erfolgt und ist in dem Moment zumindest angemessen, aber empfinlich genug (kein Eis, zum Beispiel, welches aber zuvor auf dem Tagesplan stand?).
Nun wird keineswegs mit neuerlichen Regelübertretungen zu rechnen sein. “Bitte mach das nicht.” Und das Kind befolgt plötzlich. Die Erfahrung lehrte es, dass der zuvor noch ausgetestete Widerstand dagegen zwecklos war. Es muss gar nicht erst auf eine Strafandrohung warten, der Erziehende muss keine ersinnen, dem Kind sind die Folgen bekannt, in der Sequenz : Ich wiederhole, er droht mit Strafe, ich missachte erneut, er straft, es schadet mir. Kenne ich. Ich lass es sein.
Sofern die verbotenen Dinge sinnvoll ausgewählt sind und man nicht etwa nur zwecks Autoritätsdemonstration permanent Dinge verbietet, einfach so, könnte man mit “wohl erzogenen Kindern” rechnen. Der positive begleitende Effekt übrigens: das Kind fühlt sich wohl an der Seite eines derartigen Erwachsenen. Die scheinbare Strenge, mit welcher dieser ein Mal, vielleicht zwei Mal durchgreifen musste, lässt dem Kind diesen nicht etwa als unangenehmen und zu fürchtenden Menschen erscheinen, sondern als einen, den man gern um sich hat. „Auf den ist Verlass.“
Natürlich all dies, wie immer, die mehr als graue Theorie…
Eines bleibt jedoch gemeinsam, bei Regeln und Gesetzen : man möchte die Verletzungen und Übertretungen so selten es geht antreffen. Das Ziel müsste lauten: gar kein Fehlverhalten, keine Regelverletzung, keine Gesetzesübertretung. Die heile Welt, sicher, aber man muss sich doch irgendwo an Idealen orientieren?
Ein paar weitere Gedanken über “Spielregeln” im allgemeinen : ein Spiel wird in vielen Fällen mit einer Art der Siegerermittlung zu tun haben. Es gibt einen spielerischen Wettstreit – welchem man sich übrigens ganz gerne, als Kind sowie später als Erwachsener, aussetzt, höchst allgemein gesagt –, bei welchem man den “Besseren” ermitteln möchte. Gerne werden hier und da ein paar Glücksfaktoren eingebaut, hingenommen oder ergeben sich rein zufälllig durch den Charakter des Spiels. Der Sinn dabei wäre: es wird nicht immer der Gleiche gewinnen und der Verlierer hätte sich nicht per se als “schlechterer Mensch” zu fühlen. “Heute habe ich verloren, morgen gewinne ich vielleicht.” Die Zufallselemente auch deshalb willkommen, weil es dem Spiel durch die mangelnde Vorhersehbarkeit ein paar Spannungsmomente verschafft. Man teilt Karten aus und ist gespannt, welche man bekommt. Man wirft einen Würfel und ist gespannt, was er einem beschert. Man tritt gegen einen Ball und ist gespannt, wo er hinfliegen wird?! Man lost Paarungen aus – rein zufällig – und ist gespannt, wer der Gegner sein wird. Man zieht Buchstaben (Scrabble) und bekommt ein Ypsilon. Viele Punkte, aber schwer unter zu bringen. Kurzum: Gevatter Zufall ist ein willkommener Gast.
Einzelsport, Mannschaftssport, Geschickichkeitsspiel, Denksport, Glücksspiel, all diese Spielarten, auch in Mischform (Glücksspiel mit Geschicklichkeitsfaktor etc.) werden vertreten sein und werden gerne ausgeübt, von Kind bis Greis. Es gibt ein Spielziel und einen positiven Satz von Regeln dazu, welche sich zunächst nicht mit Regelverletzungen beschäftigen.
Beim “Mensch ärger dich nicht” wird reihum gewürfelt. Man darf einen seiner Steine um die geworfene Augenzahl nach vorne setzen. Wenn man eine 6 würfelt, darf man noch einmal würfeln. Wenn der eigene Stein auf einem Feld landet, auf welchem ein gegnerischer Stein steht, so darf man diesen Schlagen. Der geschlagene Stein kommt auf sein Ausgangsfeld zurück. Ziel des Spiels ist es, alle seine Steine vom Ausgangsfeld, einmal um das gesamte Spielfeld herum, wieder zurück zum Ausgangsfeld zu bringen.
So in etwa der positive Satz an Regeln. Es existiert zunächst kein Anteil dessen, was man nicht darf und noch weniger, wie man dafür bestraft würde.
Nun kommt es bei einem beliebigen Spiel gelegentlich vor, dass sich eine Partei, vielleicht vom Ehrgeiz getrieben, des Einsatzes nicht spielgerechter Mittel bedient. Man “schummelt” zum Beispiel, beim Kartenspiel, schaut in Gegners Karten, man erklärt einen Würfel für brennend, wenn er auf einer unerwünschten Zahl zu liegen kommt – bei sich selbst oder beim Gegner – man markiert eine Karte beim Memory, man setzt einen Stein um bei einer Mühlepartie, wenn der Gegner wegschaut. Oder man erklärt urplötzlich, nach einer Niederlage: “Nein, wir müssen DREI Partien spielen, um den Sieger zu ermitteln.”
Wie auch immer: es kommt zu Regelverletzungen, die nichts mit dem Spiel zu tun haben. Bei den Mannschaftssportarten wird es etwas komplexer, jedoch noch immer derart, dass man irgendwann niederschreibt, wie das Spiel gespielt wird. So sind die Regeln, daran hat man sich zu halten.
Nun gibt es trotzdem die “Regelübertretungen” oder “Regelverletzungen” (was vielleicht ein weniger schlimmer sein könnte?). Hier wäre nun die Frage, ob diese schlichtweg zum Spiel dazu gehören und man diese hinzunehmen hätte oder ob diese vielleicht den Charakter des Spieles zum Nachteil verändern. Vor allem wäre eine mit entscheidende Frage: kann einer der Spielteilnehmer das Mittel der Regelübertretung einsetzen, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen? Dies kann durchaus ein sich unmerklich einschleichender Effekt sein?!
Einhergehend mit der Regelniederschrift – was ist verboten? — wird es vermutlich den Sanktionenkatalog geben. Dieser sieht für Regelübertretungen vor, dass der die Regel Verletzende möglichst nicht mit einem Vorteil davon kommt. “Wenn du dieses tust, passiert dieses, wenn du das tust, passiert das. Tu das nicht!” Den Gesetzen ähnlich.
Hier wäre dennoch die Frage: ist dies einheitlich und in allen Fällen erfüllt? Die Frage vor allem: würden sich professionell ein Spiel betreibende Akteure womöglich gar die Regelfeinheiten herauspicken, bei welchen sich das wiederholte Zuwiderhandeln positiv auf die Erfolgschancen auswirkt?
Ebenfalls wäre die Frage begleitend, ob der Zuschauer, welchen man – sobald der Begriff “professionell” auftaucht — zwingend ins Boot zu holen hätte, diese Regelübertretungen überhaupt sehen möchte? Verliert das Spiel vielleicht an Qualität, an Attraktivität, wenn man sich nicht darum kümmert, ob oder dass die Regeln eingehalten werden?
Hier wird an allen Stellen die Ansicht vertreten, dass Regelübertretungen und/oder –verletzungen unerwünscht sein müssten. Dies gilt für jedes beliebige Spiel, den Umgang miteinander, in der Kindererziehung, im Leben, im Gesetz und seinen Texten.
Falls jemand es bei einem Spiel täte, und zwar wiederholt, so müsste der Verdacht bestehen, dass derjenige es vorsätzlich getan hat und sich somit einen Vorteil davon verspricht.
In der Konsequenz müsste es also lauten: eine Strafe für eine Regelübertretung sollte stets so ausfallen, dass sie neuerliche Übertretungen demotiviert. In dem Sinne also, wie sie bei einem Kind, den Charakter “empfindlich” tragen sollte, in der Absicht, sich einzuprägen und somit jegliche Regelübertretungen, auch für die Zukunft, nicht erstrebenswert erscheinen zu lassen.
Kürzer gefasst : keine Regelverletzungen, da sie nicht lohnen. Spielt einfach das Spiel nach den Regeln. Das Versprechen lautet: es macht euch mehr Spaß, es macht den Zuschauern mehr Spaß. Es ist gerechter und wenn einer am Ende der Gewinner ist, können sich dennoch beide im Anschluss in die Augen sehen. Er hat den Sieg im Rahmen der Regeln errungen. Es ging fair zu, habt ihr verdient, Glückwunsch dazu!
Ließen sich diese Überlegungen auf den Fußball übertragen? Ist Foulspiel eine unerwünschte Aktion oder gehört das einfach dazu? Möchte man Regelübertretungen überhaupt verbannen oder sollen diese vielleicht einen Teil der Zuschauerunterhaltung ausmachen? Ist der faire Umgang miteinander nur ein Utopie-Gedanke? Würde man dem Zuschauer einen Teil der Action vorenthalten, ihm den Fußball verleiden, wenn es keine Notbremsen, keine Knochenbrecher, keine Verbalattacken, keine ausgefahrenen Ellenbogen bei Kopfballduellen, keine in den Händen des Gegenspielers herumfuchtelnden Hände bei einem Laufduell, keine Ausraster, keine Nickligkeiten, kein Kratzen, Beißen, Spucken, Ziepen, mehr geben würde?
Falls Derartiges zum Fußball dazu gehörte und es womöglich einer der Gründe ist, warum die Zuschauer (noch immer) ins Stadion gehen, man den Zustand also erhalten möchte, es in dem Sinne zwar für „verwerflich“ hielte, es aber zugleich doch pflegt, dann wäre dies ein Armutszeugnis für das Spiel selbst. „Da sonst nix los ist und eh keine Tore fallen, sollen sie sich wenigstens die Knochen brechen, damit überhaupt was passiert. Sonst guckt doch keiner mehr?“
Ein wenig wäre dies vergleichbar mit dem Eishockey, wo teils üble Raufereien einsetzen und die Schiris immer schön im Kreis um die Aktuere herum fahren und nicht einschreiten, hier und da für bis zu einer Minute oder gar länger? Das scheint beim Eishockey einfach Teil der Spannung zu sein, der Zuschauer möchte das sehen. Wobei hier ein Unterschied zum Fußball wäre: diese wirklich harten Jungs tragen immerhin Schutzkleidung.
Und in der Formel 1? Möge bitte niemand behaupten, dass er nicht auch schaut, weil es hier und da mal einen krassen Crash gibt. Wäre nicht zwingend eine Folge einer Regelverletzung, aber hier ginge es mehr um „side-action“, die mit dem „Spiel“ nichts zu tun hat und dennoch oder gerade dadurch die Leute anlockt.
“Foulspiel gehört zum Fußball. Ist ja schlielich keen Wattepusten.” Dennoch hört man, gerade kommentatorenseitig (kein Wunder allerdings, denn deren Ansprüchen genügt ein Spiel so gut wie nie), dass “dies eine zerfahrene Partie ist mit vielen Unterbrechungen” oder dass “das kein ansehnliches Spiel ist wegen der ständigen Reibereien und Nickligkeiten” oder “der Schiedsrichter ist verantwortlich, dass es hier so ruppig zugeht, er hätte früh mal ein Zeichen setzen müssen. Jetzt ist ihm die Partie entglitten.” Was man dann gerne gedanklich fortsetzen dürfte: die Kinder tanzen dem Schiri auf der Nase rum. Er hat seine Autorität eingebüßt. Die anschließende Frage: hat er eigentlich Mittel zur Verfügung gehabt, welche die Spieler ernst nähmen?
Es deutet also Einiges darauf hin, dass Foulspiel gar nicht so sehr erwünscht ist und dass das vielleicht sonst so schöne Spiel Fußball doch arg darunter leidet.
Die Frage, inwieweit das Strafmaß im aktuellen Regelwerk dazu geeignet ist, ein Fehlverhalten zu demotivieren, wird in jedem aktuellen Spiel geliefert, von den Akteuren auf dem Platz selbst. Am Verhalten abzulesen: es wird nach Herzenslust gefoult, in allen Lebenslagen. Sicher, der Foulspielende versucht, es möglichst unauffällig zu tun und – analog zum “Straftäter”, welcher Gesetze missachtet – nicht dabei erwischt zu werden, zudem ein Vergehen, falls es sich nicht vermeiden lässt, nicht zu nahe am eigenen Tor stattfinden zu lassen und wenn es sich weiterhin einrichten lässt, nicht Gelb dafür zu sehen, aber so richtig abschrecken tut ihn keine der Überlegungen.
Es gibt einen weiteren Gedanken, welcher mehr als deutlich gegen das Auftreten von Foulspielen spricht : es kommt dabei häufig genug zu Verletzungen. Diese sind für den einzelnen Spieler bereits höchst unerfreulich, für die Mannschaft und deren Erfolg, stellen oftmals gar eine gewisse Tragödie dar (Marco Reus, Michael Ballack), und der Begriff „Gesundheitsgefährdung“ ist ja nicht nur so dahin gesagt. Es gibt sehr schlimme Verletzungen und ein Anwachsen der Ausmaße über die Jahrzehnte könnte wohl niemand abstreiten. Übersetzt heißt das: die Rücksichtslosigkeit hat zugenommen, im Sinne des Erfolgsgedanken (die Medien tragen eine Mitverantwortung). Aber es gibt auch den Aspekt der Gerechtigkeit dabei. Teils müssen wichtige Spieler nach groben Foulspielen das Feld verlassen, was einen Wettbewerbsnachteil darstellt. Der die Verletzung induzierende Spieler spielt weiter, vielleicht Gelb belastet, aber hier und da auch ohne jegliche Ahndung. Das ist schlicht ungerecht, das muss man so empfinden. Und eine jegliche Ungerechtigkeit muss unerwünscht sein, da sie den so nötigen neutralen Zuschauer vertreibt. Der macht das einfach nicht mit. Man kann sich nur ärgern – und das möchte man gar nicht.
Insofern ist das derzeitige Strafmaß zu milde, so die schlichte Folgerung. Wenn man sich darauf verständigen könnte, dass man Foul lieber nicht sehen möchte, dann wäre es erforderlich, das Strafmaß zu erhöhen. Wie auch immer es ausfallen mag: sobald der Gedanken Einzug hält, werden sich auch Lösungen finden. Wenn man das Problem ignoriert, passiert natürlich nichts . Der Verdacht besteht, dem soll jedoch hier entgegen getreten werden.
Ein Beispiel einer aktuellen Regeldiskussion (aktuell: Juli 2017) offenbart, wie hilflos man sich dem Thema gegenüber zeigt, von Seiten der Regeloffiziellen: es gibt den Vorschlag, dass ein Elfmeter nur noch als einmalige Toraktion ausgeführt wird, wie beim Elfmeterschießen. Ball drin, Tor, Ball abgewehrt: Spielunterbrechung, Abstoß, weiter. Keine Nachschussmöglichkeit also, kein Eckball bei einer Parade. Tor oder nicht, ein Versuch.
Die Regel selbst mag nun interessant oder uninterssant, gerecht oder ungerecht sein, eine Verbesserung darstellen oder völlig unerheblich sein. Dies soll hier aber gar nicht Diskussionsstoff sein. Es geht viel mehr um die Begründung, wie man überhaupt auf diese Idee kam?
Diese irrwitzige Begründung lautet so: der Schiedsrichter hätte nur den Ball, den Schützen und den Torwart im Visier. Insofern wäre er überfordert, zugleich beachten zu müssen, dass keine Spieler – weder Angreifer noch Verteidiger – zu früh in den Strafraum laufen, entgegen der Regel. Es kommt jedoch praktisch bei jedem Strafstoß vor. Ein Ärgernis, wenn man die Bilder schaut, aber es gibt kein Mittel dagegen?
Diese Begründung ist nun weit mehr als fadenscheinig. Sicher ist das Problem anzuerkennen, dass es eine viel wichtigere Frage wäre, ob es ein Angreifer gewesen wäre, der als Erster die verbotene Zone (den Strafraum) betreten hat und der Ball drin war oder ob es ein Abwehrspieler war und der Ball abgewehrt wurde. Denn nur in diesen beiden Fällen wäre eine Wiederholung anzuordnen.
Zuer Erläuterung: falls ein Angreifer zuerst und kein Tor: selbst Schuld. Kein Tor, Spiel geht weiter. Falls ein Verteidiger zuerst und Tor: selbst Schuld. Tor, Anstoß, weiter. Jedoch selbst diese Feinheit genügt nicht – und dieser Aspekt war noch nie Teil einer Diskussion –, um diese Kurzsichtigkeit zu erklären.
Es gibt im Übrigen bei genauer Beobachtung noch ein weiteres Problem bei der Ausführung, welcher sich der Schiedsrichter auch nicht gewachsen zeigt, nach hier vertretener Ansicht. Wobei er genau dies im Blick haben müsste. Sehr häufig hat der Torhüter bereits einen Schritt nach vorne gemacht, bevor der Schütze den Ball gespielt hat. Dies verstößt gegen die Regel. Nur wird in den seltensten Fällen die derartige Regelübertretung geahndet (mit Wiederholung und sonst nichts!). Und es geschieht weiterhin, obwohl es der Schiri doch sehen müsste, wie behauptet wird?!
Es gibt eine völlig andere Begründung, warum der Schiedsrichter nicht (gern) wiederholen lässt als die wegen der Regeländerung genannte. Er erkennt sehr wohl, wenn Spieler zu früh im Strafraum sind oder der Torhüter den Schritt nach vorne gemacht hat. Das Problem liegt ganz woanders. Man muss jedoch auch hier ein wenig Psychologie einfließen lassen. Wenn man den Gedanken jedoch zulässt, erscheint er zu klar, als dass man ihn wieder ziehen ließe.
Der Grund ist also dieser : sobald die Spieler und Zuschauer diesen Freudenschrei – kann auch bei einer gelungenen Parade sein, also bei einem verhinderten Treffer – ausstoßen, die Explosion im Stadion erfolgt, kann man schwerlich einen neuerlichen Pfiff ausstoßen. Nicht nur, dass er oftmals untergehen würde, nein, man kann sich diesem Massengefühl schwerlich entziehen. „Ach, was solls, da war einer zu früh drin, aber deshalb die kollektive Freude hier zum Einsturz bringen?“ Dass er weiterhin um seine Gesundheit fürchten müsste, mag untergeordnet auch eine kleine Rolle spielen.
Auf die Spieler bezogen ist die Sichtweise sehr einfach. Sie wissen zwar: “Du darfst den Strafraum nicht betreten, bevor der Schütze den Ball berührt hat.” “Ah, ok. Und was passiert, wenn ich es doch tue?” “Na, dann wird der Strafstoß wiederholt.” Au weia, ja, aha, aber, wenn ich es recht bedenke: das macht doch rein gar nichts?” “So ist es.”
Von wegen also “das ist verboten”. Es ist, nennen wir es mal, “unerwünscht”. Das wäre schon beinahe zu streng ausgedrückt. Es ist nicht einmal ein Delikt, höchstens eines des Kavaliers. “Normalerweise hätte ich schon darauf geachtet, aber grad war mir nicht danach.” Eine Regelverletzung ohne nachteilige Folgen: es schert sich keiner um seine Einhaltung.
Es ist also nichts als der Ausdruck der völligen Hilflosigkeit gegenüber den Regelübertretenden. Kapitulation träfe es auch ganz gut. Man weiß einfach keine Mittel, wie man Fehlverhalten verbannen kann. Dies spricht bereits Bände. Möglich jedoch, dass es darauf zurückzuführen ist, dass gar nicht über die wahren Ursachen nachgedacht wird? Dass man es bei den Spielern mit vollmündigen und reifen Menschen zu tun hat, mag zwar grundsätzlich nicht einmal ein Irrtum sein. Aber wenn die Medien die Vorgabe liefern: “Erfolg und nichts als Erfolg ist, was wir anerkennen”, dann muss man schon damit rechnen, dass dies als höchster Wert aufgenommen wird und somit die Regeln nach Belieben gedehnt werden.
Es ist und bleibt eine jener Unsitten, die sich eingeschlichen haben und derer man nicht mehr Herr wird. Man sieht ja teils schon ein Gerangel an der Strafraumgrenze, wer sich den illegalen Zutritt auch noch auf illegale Art zuerst verschafft. Ordentlich drängeln, damit DU der Erste bist, der die Strafraumgrenze – und damit diese Regel auch noch – übertritt. Beinahe paradox: man kämpft um das Recht, die Regel zu übertreten? Wer dabei die schlimmeren verbotenen Mittel einsetzt, geht als Sieger hervor?!
Ein Beispiel aus der Praxis noch hier erzählt : am ersten Spieltag bei der EM 1996 war der Kroate Vlaovic in letzter Minute gegen die Türkei, nach deren Eckball, also als sie selbst auf das Siegtor aus waren und mit allen Mann aufgerückt, alleine durchgebrochen. Der letzte Mann, Alpay, hatte die Chance, den Gegenspieler per Notbremse kurz hinter der Mittellinie zu stoppen. Alle waren sich einig: er hätte es schaffen können. Und Einigkeit auch: er hätte es tun müssen. Jeder, auch der türkische Trainer, hat das (so) gesehen. Alpay brachte ihn nicht zu Fall. Vlaovic kam zum Abschluss, erzielte das 1:0, die Partie war vorüber. Kroatien kam weiter, Türkei schied aus als spätere Folge.
Die anschließenden Diskussionen sind das, was nun für Aufsehen sorgen könnte oder was diesem Beispiel hier die Erwähnung verschafft — und damit die Reflektionsmöglichkeit. Der Türke Alpay wurde von der UEFA für die Fairness gelobt und geadelt und bekam später den Fair-Play-Preis. Der türkische Trainer beklagte sich bei seinem Spieler Alpay und ließ ihn din den weiteren Spielen auf der Bank.
Wenn man sich das einmal überlegt, können einem schon erhebliche Zweifel an der Bedeutung des Sports und des Erfolgs, an Vorstellungen von Moral und Ethik, an den Fußball Regeln und am Fair-Play Gedanken kommen. Es ist gelinde gesagt – und man verzeihe bitte diesen Ausdruck – “pervers”.
Zunächst einmal hat Alpay das getan, was eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Natürlich foult man nicht, vor allem macht man keine Notbremse, so ziemlich das Niederträchtigste was man sich vorstellen kann: man verwehrt dem Gegner per illegaler Aktion dessen Heldenstatus, sei es auch nur den wohl verdienten Torerfolg, kalkuliert zugleich eine Verletzung dabei mit ein. Dass die erkennbare Möglichkeit einer unfairen Aktion überhaupt erwähnt wird, ist beinahe ein Unding, spricht aber Bände für die Auffassung von längst verflossenen Ehrbegriffen, die einst ein John Wayne vielleicht im Ideal verkörperte.
Dass es für die Nichtausübung einer groben, ganz schlimmen, absolut unmenschlichen, rabiaten, gemeinen, fiesen Attacke einen Fair-Play Preis geben soll, lässt einen endgültig alle Zweifel über Bord werfen: die Moralvorstellungen sind verkommen. Fair-Play gibt es nicht. Es ist einfach nur lächerlich, peinlich, entlarvend.
Alpay hat richtig gehandelt, ohne Wenn und Aber. Sein Trainer hat sich vertan. Die Türkei hatte Pech. Aber die FIFA? Die hat sich lächerlich gemacht, ohne davon die geringste Ahnung zu haben. Unfassbar. Fair-Play für eine unterlassene Notbremse?
Wenn man diese Szene und die Diskussionen aber weiter denkt, kommt noch etwas dabei zum Vorschein, was auf den ersten Blick vielleicht verborgen blieb: Er hätte diese Notbremse machen müssen, um den Erfolg zu erzwingen. Die gesicherte Ansicht besteht, dass, wenn er es getan hätte, er der Türkei zu einem 0:0 verholfen hätte. Es ist beinahe unzweifelhaft. Denn die Regeln sähen folgende Bestrafungen vor: der türkische Abwehrmann Alpay erhält eine glatte Rote Karte. Notbremse oder rüdes Foulspiel oder beides, unzweifelhaft. Er muss runter. Auweh, was für eine „Strafe“! Für 30 Sekunden müssen sie in Unterzahl spielen! Wie soll man das denn verkraften? Dazu aber hätten die Kroaten eine ganz irre Torgelegenheit eingeräumt bekommen: Einen direkten (!) Freistoß an der Mittellinie, also fast schon in des Gegners Hälfte! Die Statistik belegt: Eine solche gigantische Möglichkeit erreicht bereits locker den einstelligen Promille-Bereich!
Nein, es trifft bedauerlicherweise nur dieser eine Ausdruck dafür: es ist “pervers”.
Somit lässt sich einfach an die einleitenden Worte und die Kapitelüberschrift anknüpfen: Was ist eine Strafe? Offensichtlich gab es hier ein Beispiel, dass das Wörtchen “Strafe” total daneben liegt. “Belohnung” hätte es eher getroffen.
“Die FIFA hätte die Türkei dank irrwitziger Regelniederschrift und deren primitiver, schändlicher und möglicher Ausnutzung mit einem Punkt gegen Kroatien belohnt, falls der Spieler Alpay nicht dumm genug gewesen wäre, von diesem Irrwitz keinen Gebrauch zu machen. Dafür verleihen wir ihm den Fairplay Preis und uns den Klopskopppreis.” Oder so ähnlich.
Als allerletzter Gedanke dazu: ein weiteres Armutszeugnis für den Fair-Play Gedanken, falls dies tatsächlich die einzige Aktion gewesen wäre, welche überhaupt zur Prüfung und Bewerbung für diesen Preis vorgeschlagen war. Alternativ müsste man fragen: wie übel waren denn die anderen eingereichten Vorschläge, dass sie sich nicht gegen dieses unterdrückte “Unfair-Play des Jahres” durchsetzen konnten? Womöglich hat einer seinen Gegenspieler nicht angespuckt, obwohl es eine gute Gelegenheit dazu gab? Der landete auf Rang 2. Wenigstens eine ehrende Erwähnung hätte der doch verdient?
Die Aussage steht so und findet mehr und mehr Bestätigung: es gibt ein Missverhältnis zwischen Regelverletzung und Sanktionierung, welche bei halbwegs geschickter Nutzung den Regelübertretenden einen Vorteil verschaffen. Allein schon eine Gleichwertigkeit (“foulst du oder nicht? Ist egal: beides gleich gut oder schlecht”) wäre nicht ausreichend, um Fehlverhalten zu demotivieren und letztendlich zu verbannen. Man bedenke dabei noch die eigene Position, wenn man ausgespielt wurde (“da sieht er nicht gut aus…”) und das “sich Respekt verschaffen”. Efenberg nannte es “ein Zeichen setzen, sich mal Gelb abholen, die Mitspieler aufwecken”, bewarb damit das bewusste Foulspielen mit Inkaufnahme einer Verwarnung als Stilmittel zum Erfolg?
In die gleiche Kategorie gehörte übrigens das so genannte “taktische Foul”. Allein schon der Begriff, der diese Aktion zu einer “gängigen” macht. “Ja, da muss er das taktische Foul ziehen.” Weil sonst…? Sonst gäbe es womöglich ein Tor zu sehen, eine viel versprechende Angriffsatkion, ein Überzahlspiel? Und wer bitte möchte das schon sehen? Lieber Gelb „ziehen“, ein unbedeutender, unwirksamer Freistoß an harmloser Position, eine gut formierte Defensive, die selbstverständlich die Zeit bekommt, sich in Position zu begeben: ein exzellenter Deal. Wieso wacht da niemand auf und sagt: “Taktische Fouls sind hässlich, ungerecht und verderben die Freude und den Spaß am Spiel. Wollen wir nicht sehen.”
Das Prinzip findet durchgehend Anwendung. Ein umspielter Abwehrspieler wird immer wieder foulen. Natürlich nicht schlimm, immer nur per Halten oder Trikotzupfen oder eigenem Hinfallen, dieses aber zufällig genau vor die Füße oder in den Weg. Keineswegs gelbwürdig, nein, natürlich nicht. Ein einfaches Foul. Eines ist aber sicher: Der Verteidiger weiß, was er tut. Und er weiß auch, warum er es tut.
Was er tut? Er foult. Da gibt es keine Kompromisse und auch nicht die „Unschuldsvermutung“. Bevor er den Gegenspieler ziehen lässt? Na, da müsste man mal die Mitspieler hören! Beziehungsweise den Trainer. Aber den hat man quais schon gehört : wer fair spielt, kommt nie bis in diese Spielklasse.
Warum er es tut? Weil der Nutzen größer als der Schaden ist. So wird es immer sein. So weit haben uns – Verzeihung, 5 Euro in das eigene Phrasenschwein, welches später unter ständigem Umrühren über dem Ozean der Nächstenliebe und Menschlichkeit entleert wird – die Medien gebracht: Es ist alles gut und richtig, was Erfolg bringt. Jeglicher Ehrgedanke ist für immer (?) aus dem Denken und Empfinden verbannt. Es lebe der Sieger! Nieder mit dem Unterlegenen! Was hat der Robben, dieses Ekel, den man einfach nicht bremsen kann, auch so schreckliche Glasknochen, dass er bei einer ganz einfachen Blutgrätsche von hinten schon wieder runtergetragen werden muss? „Wenn de den eenma richtich umhaust, jehta runta. Und ohne den sind se nur die Hälfte wert!“ So sieht´s aus!
Die sich ergebende Forderung ist klar: Eine Strafe müsste, dem Begriff gemäß, eine Strafe sein. Wenn ein taktisches Foul sinnvoll ist, weil es Nutzen bringt, dann war die Strafe anscheinend nicht die angemessene. Dazu die sehr ernst gemeinte Frage: will der Zuschauer lieber den viel versprechenden Konterangriff, der gerade nach einem Ballverlust eingeleitet wird, sehen, oder bevorzugt er stattdessen eine Gelbe Karte und einen lächerlichen Freistoß aus der eigenen Hälfte heraus, der mit Torgefahr oder der vorherigen Situation einfach rein gar nichts mehr zu tun hat?
Analog ist übrigens auch ein Foulspiel kurz vor der Strafraumgrenze ein guter Deal. Man hat den Elfer nicht riskiert, hat den durchgebrochenen Stürmer gerade noch rechtzeitig, aber natürlich nicht rotwürdig gefoult, die eingetauschte Torchance ist wesentlich kleiner und der Gelb Verwarnte wird notfalls bald ausgewechselt. Die Hilfe erhält er gar vom Schiri, der dem Trainer Augen zwinkernd anzeigt: “Wenn du den nicht bald austauschst, dann läuft er Gefahr…” So greift ein Rad ins andere. Gnade vor Recht?
Nein, das Umdenken bezieht sich auf alle Bereiche. Die Medien haben die Chance, außer Sieger zu feiern und Verlierer zu missbilligen, eine unfaire Aktion herauszustellen und als unerwünscht erkennbar zu machen. Sie haben die Chance, es den Tätern schwerer zu machen aufgrund der geernteten Reaktionen.
Die Regelverantwortlichen haben aber ebenso die Chance, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, welches Verhalten sie unterbinden wollen und welches sie legalisieren wollen. Auch der Zuschauer hat sein Mitspracherecht, indem er – sei es auch nur live im Stadion – seinem Unwillen gegenüber gewissen Aktionen Luft macht (raus mit der Luft: Pfeifen). Und sogar die Spieler könnten wieder gewisse Ehrbegriffe untereinander einführen. Sie sitzen doch alle im gleichen Boot, spielen die eine Saison miteinander, in der nächsten gegeneinander, warum nicht Einigkeit erzielen, welche Mittel für den Erfolg eingesetzt werden sollen, können, dürfen? Sowie ein wenig Fokus darauf gelegt wird, von allen Seiten, könnte dieses Denken und Handeln wieder Einzug halten. Denn: Es war schon einmal so. Und früher war doch wirklich alles besser. Sogar die Zukunft.
Wenn man das ganze Beispiel von Kindern weiter ausführt, dann hat auch der Teil „Grenzen austesten“ seine Bewandtnis. Die Spieler gehen in Bezug auf die Beurteilung nach Legalität und Illegalität ebenfalls stets bis an die Grenzen. Ob erwünscht oder nicht sei noch dahingestellt. Wenn eine winzig kleine Regelübertretung nicht geahndet wird, dann wird automatisch im nächsten Versuch die Grenze ein wenig weiter nach hinten verschoben. Man denkt als Spieler so: „Wenn er das leichte Schieben nicht ahndet, dann kann es doch sein, dass er das etwas stärkere Schieben auch nicht abpfeift? Ich probiers mal.“ So werden ständig die Grenzen ausgetestet – und nach hinten verschoben, bis quasi jede die Einstufung verdient: “grenzwertig aber illegal”. Auch dies sehr ernst gemeint und an Beispielen zu belegen. Auch hier schlösse sich die Frage unmittelbar an: wer will das sehen? Ist es nützlich für den Sport, für seine Verbreitung, für die Gerechtigkeit, für die Attraktivität? Man mag diese Antwort gerne selber suchen. Hier wird eine Ansicht vertreten, welche lautet: nein. Die Einhaltung der Regeln wäre in jeder Hinsicht eine Verbesserung.
Ein Beispiel für die allmähliche Grenzenverschiebung wäre der Einwurf. Beim Einwurf gab es in den 80ern einmal die Erkenntnis, dass der Einwerfer Meter schindet. Es gab einen Ort, an dem der Ball ins Aus ging. Der Einwerfer eilte dem in seine Angriffrichtung rollenden Ball hinterher (früher gab es nur einen Spielball), schnappte ihn sich, lief diagonal zur Auslinie zurück, in die Vorwärtsrichtung, und lief dann noch etliche Meter weiter, stets das Einwerfen andeutend. So kamen oftmals weit mehr als 10 Meter heraus, um den der reguläre Einwurfort nach vorn verlagert wurde.
Die Regelmacher empfanden dies als Ärgernis und wollten dem ein Ende setzen. Dazu schrieben sie den Passus in die Regeln, dass der Einwurf exakt an der Stelle auszuführen sei, an welchem der Ball die Linie überschritten hat. Strafe bei Zuwiderhandlungen: Wechsel der Einwurfpartei, der Gegner bekommt ihn. Sicher ist dies ein sehr sinnvoller Versuch in die richtige Richtung : man möchte das nicht sehen, das soll nicht sein, dass ist unsportlich. Strafe: du verlierst den Ball, der Gegner hat ihn. Hört sich gut an. Genau so bitte an anderen Stellen auch. Zumindest die Idee war gut.
Die Spieler nahmen das zunächst so hin, kein Problem, dann machen wir es halt so.
Zunächst verhielten sie sich sehr artig, da sie fürchten mussten – siehe Kindergarten –, dass die Regel tatsächlich zum Einsatz kommt. Vielleicht geschah es sogar mal bei einem, der seine alte Gewohnheit nicht ablegen konnte oder mit der Regel noch nicht vertraut war. Der Ball war weg, seine Mitspieler ihm böse: “Du weißt doch, dass…”
Man hält sich folglich daran. Eine Art “erster Erfahrungswert”.
Teilweise sah man zu der Zeit, dass ein Spieler den Schiedsrichter extra nach dem genauen Ort befragte, um ja nicht in die Gefahr einer Regelverletzung zu geraten (wenn dieses Verfahren heute eingesetzt wird, dann dient es lediglich noch der Zeitschinderei; man weiß genau, wo es war, deutet aber wieder und wieder hin, um damit eine beabsichtigte Regelkonformität anzudeuten, „nimmt aber etliche Sekunden von der Uhr“, laut Reporterdeutsch). Man kannte die Regel, orientierte sich daran, fürchtete eine Verletzung.
Es vergeht eine Zeit, eine ganz erfreuliche Zeit, in welcher diese Regel ihre Wirkung erzielt und beibehält. Dennoch probiert es mal jemand aus. Die Strafe wurde angedroht, ja, aber wird sie auch bei winzigen Verstößen umgesetzt? Der erste Spieler versucht es wieder mit einem halben Meter, den er schindet. Kann ja sein, wusste ich nicht so genau. Mach ich mal hier. Es passiert nix, das Spiel läuft weiter. Wollen wir mal nicht so streng sein, denkt der Schiri. Da oder da: kein Problem. Der Zweite denkt sich, „wenn er bei einem halben Meter nicht pfeift, wird er es wohl bei einem ganzen auch nicht tun?“ Tatsächlich, der Pfiff bleibt aus, Ball in unseren Reihen, vielleicht ein wniziger Vorteil? Es dauert drei Spiele, einen Monat, ein halbes Jahr. Aber doch verschiebt es sich weiter. Mal schaun bei anderthalb Metern? Wieder gut gegangen.
So wird die Grenze weiter und weiter hinausgeschoben. Nach einer gewissen Zeit stellt man fest: eigentlich wurde die Einwurfpartei nie gewechselt, wie es in der Regel steht. Ging eine Weile lang gut, nun nicht mehr. Problem? Wer eines finden will…
Eventuell haben die Schiedsrichter bei Strafen, die selten bis nie verhängt werden, irgendwann gar vergessen, wie sie lauten? Die Regel existiert eigentlich nicht mehr, da sie nicht angewandt wird. Wer hat zuletzt einen Einwurf gesehen, bei welchem Meter geschunden wurden – und man befindet sich längst wieder in den alten Dimensionen von bis zu oder gar mehr als zehn Metern – und der Gegner den Einwurf erhielt? Abgeschafft, die Regel. Von den Spielern, von den spielenden Kindern, bei denen man alles durchgehen lässt. Fader Beigeschmack? War ein Versuch, kann doch nicht alles klappen? Ist das so wichtig?
Es entwickelt sich sogar noch weiter, denn es wird eine Art Gewohnheitsrecht, welches sich einschleicht. Denn, ganz ehrlich: Wenn ein übereifriger Pfeifenmann heute bei einer Einwurfs-Positions-Regelverletzung von einem Meter abpfeifen würde – ganz den Regeln entsprechend — , so hätte der „Bestrafte“ alle Berechtigung, sich zu ereifern. Denn: „Gestern hat einer sechs Meter geschunden und ging straffrei aus, heute werde ich für einen Meter bestraft? Das geht nicht und ist inkorrekt.“ So ist es.
Das gleiche gilt für das Halten des Balles beim Abschlag eines Torhüters. Die aktuelle Regel lautet wohl, dass der Torhüter den Ball sechs Sekunden lang halten darf, bevor er die Hand wieder zu verlassen hat. Man sollte einmal exakt die Stoppuhr einschalten, auf wie viele Sekunden es die größten Zeitschinder Experten bringen. Aber abpfeifen nach acht Sekunden? Das geht nicht. Denn: Letztes Mal hat einer neun Sekunden gehalten. Gewohnheitsrecht im Kindergarten. Und niemand, der was gegen unternimmt.
(Anmerkung hier: es wurde sogar mal aufgezeichnet und die “Rekorde” wöchentlich vorgeführt; die Absicht dahinter: Hohngelächter Richtung Regeloffizieller? Regelverletzung erkannt, aber keine Absicht, daran etwas zu ändern? Schlimm daran ist vor allem, wenn es in der Endphase eines Spiels zum “Zeit schinden” eingesetzt wird; mehr dazu im entsprechenden Kapitel).
“Warum tanzen denn die Kinder hier auf den Tischen? Ist das bei Ihnen erlaubt?” “Äh, nein, natürlich nicht. “ “Warum tun sie es dann?” “Wir haben es verboten, aber sie haben es trotzdem gemacht. Was hätten wir denn tun sollen?”
Ein letztes Beispiel noch bezüglich der Grenzenverschiebung, welche ebenfalls lediglich Ausdruck einer Hilflosigkeit der Regeloffiziellen ist.
In den 60er Jahren gab es Zweikämpfe, Laufduelle, Kopfballuelle, Tacklings. Diese verdienten das Attribut „rassig“. Pressschläge gab es auch, so richtige Pressschläge, bei welchen beide Spieler gleichzeitig zum Ball gingen, genau so, dass sie eben nicht verletzen wollen, sondern nur den Ball spielen wollen. Kein Zweifel darüber: all dies war dem Zuschauer recht, das gehörte zum Fußball, das war nicht nur als Teil des Spiels akzeptiert, nein, es machte einen Teil dieses „Männersports“ (durfte man damals gar so nennen; geht heute nicht mehr?!) aus, einen Teil der Tugenden verkörpernd, welchen man mit diesem Geschlecht in Verbindung brachte.
Wenn man die Bilder von damals schaut – bewegt oder unbewegt –, dann wird man feststellen, dass sie das Attribut „rassig“ deswegen verdienten, weil man die Arme am Körper hielt. Der Körper war nicht nur laut Regel der erlaubte Teil, der zum Einsatz zu bringen war, es war auch jener, bei welchem man üble Verletzungen ausschließen konnte. Man hätte aus gegenseitigem Respekt unter keinen Umständen „billigend in Kauf genommen“ (wie man es neudeutsch so sagt), dass dem Gegner Unbill zugefügt würde.
Wesentlich dabei also: die Einhaltung der Regeln, von welchen jene des Fair-Play viel zu selbstverständlich waren, als dass sie eine Niederschrift benötigt hätte. Der Zuschauer hatte zugleich ein Feingespür dafür, wer die Regeln übertrat. Der musste mit Pfiffen rechnen, welche in ihrer Bedeutung wesentlich härter waren als eine heute zugesprochene Gelbe Karte. Und ein pfeifendes Publikum mag heute die Regel sein – nach hier vertretener Ansicht eine der Folgen, dass die Kinder auf dem Tisch tanzen dürfen und es die Fans auch tun in der Gewissheit, dass es hier nicht um Gerechtigkeit geht, welche man ohnehin nicht ernten wird –, war damals aber durchaus als erniedrigend für den von Pfiffen Betroffenen zu empfinden.
Der wichtigste Teil hier: die Arme gehörten an den Körper. Es heißt Fußball, obwohl alles-außer-Arme-und-Hände-Ball besser passen würde, weil genau diese beiden Körperteile – am gleichen Ast befindlich – ausgeschlossen sind. Für das Spielen des Balles und für das Malträtieren des Gegenspielers.
Nur sind die 60er Jahre vorbei. Es hat sich etwas eingeschlichen über die Jahrzehnte, so ganz allmählich, mehr und mehr. Die Kinder versuchten es zunächst mal, den Stuhl nicht allein zum Sitzen zu verwenden sondern begannen, vorsichtig zu kippeln. Ein Arm am Gegenspieler, wenn dieser es gar nicht gebrauchen konnte und der Schiri gerade eine ungünstige Position hatte? Kann man doch mal probieren?
Mit den Jahren und der Erfahrung schob sich diese Grenze immer weiter hinaus. Es fiel schon hier und da jemandem auf, dass da was nicht ganz korrekt abging, nur gab es eben keine rechten Sanktionen. Wenn mal einer aufflog, dann hatte er vielleicht Gelb. Na gut, damit kann man leben. Wichtig war doch, dass die Mannschaft gewann? Erst gekippelt, dann raufgeklettert, zunächst auf den Stuhl.
Wenn man heute ein Laufduell sieht: es gibt nicht mehr einen Schnelleren oder Langsameren der Beiden, das hat gänzlich seine Bedeutung verloren. Die Spieler laufen auf einer Höhe etwa, und beide haben dauerhaft ihren Arm oder ihre Hand in des Gegenspielers Gesicht. Es ist schlicht und einfach nicht mit anzusehen. Keiner möchte das sehen. Es heißt ja dann auch „häßliche Szenen“. Und dies mag zwar Reporterdeutsch sein, nur hat man genau dieses Wort „häßlich“ für das geprägt, was man nicht sehen möchte. Im Übrigen: der eigentlich Schnellere ist derjenige, welcher gerne auf die Hand oder den Arm im Gesicht verzichten würde. Wenn er es jedoch nicht täte, hätte er eh schon verloren. Wichtig ist dabei: es gibt einen akitven Part und einen sich wehrenden Part. Meist ist der aktive der Verteidiger, der zugleich davon profitiert.
Im Kopfballduell sieht man nicht nur Arme und Hände im Gesicht, nein, hier ist es bevorzugt der Ellenbogen, der seine perfekte Eignung zum Nasenbrechen unter Beweis stellt. Und dies nicht nur in Ausnahmefällen. Nein, es geschieht fast täglich, es geschieht ständig. Es ist häßlich, es ist brutal, und es gehört nicht auf den Fußballplatz. Nur scheint es keine Mittel dagegen zu geben?
Der eine Grund ist die kontinuierliche Entwicklung. „Wenn der das durfte, dann darf ich das auch.“ Und die Grenzen werden sehr allmählich verschoben. „Wenn der das durfte, dann kannst du gegen dieses doch wohl kaum etwas einwenden?“ Selbst wenn „dieses“ ein klein wenig mehr die Regeln übertrat. Und tatsächlich kam man damit durch. Die Entwicklung ist so bedauerlich und ging sogar noch weiter. Denn: sollte sich heute ein guter Fußballer auf die Fahnen schreiben wollen – es gar getan haben –, sich an die Regeln zu halten, fair zu spielen, nicht all das auszuschöpfen, was einzig anerkannt ist: Siege, Erfolge, dann wird er sicher ein guter Fußballer sein und eine hohe Wertschätzung genießen bei seinen Mannschaftskameraden – nur wird man ihn nie zu sehen bekommen. Denn: er kickt in der fünften Liga. Wenn es hoch kommt.
Es gibt keine Uwe Seelers mehr, keine Gary Linekers und keine Marco Bodes, welche wohl kaum je eine einzige Verwarnung erhielten, damit aber die letzten Vertreter dieser Bauart waren? Heute gibt es Tiger wie Effenberg und dessen Gefolgsleute. „Dazwischenkloppen, Gelb abholen, Mund abputzen, weiter machen.“ „Ach, wurde einer zwischendurch runtergetragen vom Gegner? Sein Problem und sein Pech.“
Der andere Grund ist jedoch der: es gibt keine dem schändlichen Verhalten angepassten Sanktionen. Wenn man das nicht sehen will, dann wird es schon Mittel und Wege geben, es zu verhindern. Es ist auch nicht dadurch wieder gut gemacht, dass man immer sagen könnte: „Hier haben beide gleichermaßen gefoult.“ Dann müssen halt mal beide vom Platz? Denn: die Szene war häßlich, die wollen wir nicht.
Abschließend sollen ein paar Ideen vorgestellt werden, wie man den Spielern die anerkanntermaßen unerwünschten Regelübertretungen abgewöhnen könnte, dadurch, dass sich ein Fehlverhalten garantiert nicht mehr lohnt. Falls es doch Übertregungen gibt – was zunächst einmal nicht ausgeschlossen werden kann –, dann soll den Sündern auf keinen Fall ein Vorteil daraus erwachsen.
Sofern Einigkeit darüber besteht, dass man eine Notbremse nicht sehen möchte, so wäre es erforderlich, ein Strafmaß zu finden, dass den Notbremsenden davon abhält, das Mittel einzusetzen. Falls es also eine große Torchance wäre, welche verhindert würde, das Foulspiel jedoch (gar vorsätzlich, wie heute üblich?) vor der Strafraumgrenze stattgefunden hätte, könnte man doch Rot und Elfmeter geben? Was wäre daran so tragisch, so unerwünscht, so “übertrieben hart”, “Doppelbestrafung” als Damoklesschwert? Lass doch die armen Sünder weiter die Knochen brechen? Wenn es außerhalb war kann man über Platzverweis nachdenken. Na gut. Aber innerhalb? Da gibt man Elfmeter, vielleicht, wenn man sich dazu durchringen kann. Aber auch noch vom Platz mit ihm? Nein,das geht doch nicht. Schau mal, der Arme, wollte doch bloß ein Tor verhindern, das muss doch erlaubt sein? Wohin käme man denn, wenn es dauernd Tore gäbe? Die Fans liefen in Scharen davon. Oder, äh, halt mal…
Alpay Özalan hätte, falls er die Notbremse gezogen hätte, nicht nur für den Rest des Turniers zuschauen müssen – Rot für ein absolut häßliches, grobes Foul der Kategorie „so geht es aber nicht“ — sondern Kroatien zusätzlich den Elfmeter erhalten. Hätte er sie dann gezogen? Nein, denn es hätte erkennbar nicht gelohnt. Man sage also bitte nicht, dass es keine Lösungen gäbe.
Die hier vertretene Ansicht lautet, zweiteilig, so:
Erstens würden die Spieler sehr wohl verstehen und sich daran orientieren, dass eine Notbremse IHNEN UND DER MANNSCHAFT schadet, diese also unterlassen.
Zweitens würde es jeder Freund des Spiels Fußball (dabei ausgeklammert derjenige “Freund” der gerade vom Gegentreffer bedrohten Mannschaft) begrüßen und die weitaus ansteigende Anzahl an spannenden Torsituationen rundherum zu schätzen wissen.
Auf den Einwurf bezogen: zurückerinnern an die Regel. Wirf da ein, wo der Ball ausgegangen ist. Sonst hat der Gegner den Ball. Dies sozusagen die “vorbidliche Regel”, welche lediglich umgesetzt werden müsste.
Auf das Ball halten des Torhüters geht es so ähnlich. Und hier doch noch ein weiteres Beispiel: als PSV Eindhoven in einem wichtigen Ausscheidungsspiel (Euroleague) ein Tor benötigte und der gegnerische Torwart den Ball regelmäßig zu lange hielt, erdreistete sich ein Stürmer vom PSV, mit den Fingern die Sekunden zu zählen, Richtung Schiedsrichter. Als er etwa bei acht angelangt war, gab es nicht etwa Freistoß für PSV. Nein. So geht das nicht, so läuft das nicht. Der Schiedsrichter fühlte sich bevormundet und rieb dem Stürmer Gelb unter die Nase. Die Folge: weitere wertvolle Sekunden verstrichen, kein Tor, kein Freistoß, Verwarnung, dass man auch ja die wahren Sünder erkennt, die PSV schied aus.
Das Problem hier ganz einfach zu beschreiben: der Stürmer war im Recht. Die Regel ist notiert, sechs Sekunden. Diese werden dauernd überschritten, damit die Regel verletzt. Wie soll man sich denn wehren? So nicht und so nicht. So darfst du nicht, und andernfalls kommst du nie zu deinem Recht. Es war erneut so, dass eine Regelübertretung dem Täter nichts als Vorteile einbrachte. Dem Aufzeigenden der Regelübertretung die zuästzlichen Nachteile. Kaum nötig zu erwähnen: gegen die Toraktion, gegen die Angreifer, gegen die Gerechtigkeit ohnehin.
Über die Fragen “wünschenswert?”, “gerecht?” muss man wohl kaum nachdenken. Lediglich darüber: wie schafft man das ab? Oder: wie schafft man das an, was man in guter Absicht notiert hat? In der Regel steht: sechs Sekunden. Zähle sie mit oder beauftrage einen der vielen Zusatzoffiziellen damit, es zu tun. Vor allem: sichere ab, dass die Übertretungen sich nicht allmählich einschleichen.
Auf die Foulspiele bezogen gäbe es diese Möglichkeit, durchaus unter Vorbehalt hier so notiert: wie im Basketball die Fouls aufaddieren. Teamfouls und individuelle Fouls. Vorbehalt deshalb: sämtliche Regeländerungsideen sollten so verfasst sein, dass sie vom Profi- bis Amatuersport umsetzbar sind. Gerade für den Fußball eine aus hiesieger Sicht wichtige Prämisse. Das könnte bei einem einzigen Referee also schwierig werden.
Alternativ gäbe es natürlich die Idee der Zeitstrafe, je nach Schwere des Vergehens. Auch dies nicht einfach umsetzbar, muss man anerkennen.
Eine weitere Idee, der Foulflut Herr zu werden: die Position des Freistoßes entweder nach Anzahl der Vergehen oder nach Schwere weiter nach vorne verlagern. Warum soll ein Freistoß immer am Ort des Vergehens ausgetragen werden?
Der letzte Vorschlag vieleicht am ehesten umzusetzen, das Problem wäre hier eher die des Strafmaßes. “Das waren aber viele Fouls, Freistoß aus 24 Metern.” oder “das war ein hartes Foul, Freistoß aus 18 Metern.”
Etwas in dieser Art könnte man jedoch durchaus sowohl ausprobieren als auch weiter verfolgen. Sprich: man sammelt Ideen. Sofern man den Grundgedanken so angenommen hat: Regeln einhalten, dann läuft alles gut. Falls es einer nicht tut: er schadet sich und der Mannschaft. Ein “Volltreffer” wäre garantiert. Gesamtsieger: der Fußball.