Nun, mit dieser Überschrift wird Köder ausgelegt. Und wer es sich zumutet, weiter zu lesen, wird sehr bald feststellen, dass es nur ein recht billiger Köder war, auf den er gebissen hat. Sozusagen eine Art Blinker. Er wird sich vermutlich sehr bald dafür schämen. Die Überschrift mag zwar nach reichlicher Überlegung notiert worden sein, jedoch reflektiert sie weder die Frage, die wirklich gemeint ist, noch im Entferntesten die Frage, die hier erörtert werden soll. Es ist eine miese Falle, ein Blender.
Die eigentlich Frage sollte nämlich lauten: Warum schaust DU kein Fußballspiel? Das hat einen einfachen Grund. Jedoch in dem Falle ist der Grund nicht die Antwort darauf sondern die Ursache für die winzige Fragestellungsmodifikation. Es steht nämlich eigentlich folgende kühne Behauptung im Raum, vom Autor dort postiert. Diese lautet:
Im Grunde schaut gar keiner mehr wirklich ein Fußballspiel.
(Eingeschränkt werden darf es aber gerne zunächst mit einem „hierzulande“.)
Der Sender SKY, der vormals Premiere hieß, bis die roten Zahlen so fett wurden, dass eine externe, ausländische Finanzspritze vonnöten wurde, ach was Spritze, eine Übernahme, die aus einem nicht all zu fernen und nicht eben geliebtem Lande kam. Aus dem „Lieblingsfeindland“ der Deutschen, bei welchem man sich unter gar keinen Umständen etwas abgucken dürfte und dies auch niemals tun würde, denn, wer bitte ist international gesehen England, ein Land, welches sich zwar dreist eigens als „Mutterland des Fußballs“ anpreist, welches aber zugleich, wenn sie „uns“ nicht 1966 mit einem Phantom-Tor den Titel geraubt hätten niemals, aber wirklich niemals einen einzigen Weltmeistertitel erobert hätten, denn, merke, England wird immer und immer wieder jedes Elfmeterschießen verlieren und auch alle anderen 50/50 Spiele allesamt verlieren wird.
Der Sender Sky jedoch, der englische, hat nun die Übertragungsrechte für die deutsche Bundesliga übernommen, da sich Premiere in Grund und Boden gewirtschaftet hat, aus leicht erklärbaren Gründen (die katastrophale, nein, „unterirdische“ Berichterstattung wird ja im ganzen Teil ausführlich polemisiert). Möglicherweise träumte SKY bei der Übernahme von englischen Verhältnissen. Denn dort wird Fußball geschaut. Mit großem Interesse. Nur, um die Zahlen in den Vergleich zu stellen, es anschaulich zu machen: Sky zahlt für die Rechte an der Englischen Premier League 3.4 Mrd. Euro für 3 Jahre, während die Rechte für die Deutsche Bundesliga für schlappe 1.65 Mrd., diese jedoch für den längeren Zeitraum von 4 Jahren über die Ladentheke gingen. Der Zuschauer hierzulande zahlt nicht einmal 40% dessen, was ein Engländer bezahlt.
Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass die englische Gesamtbevölkerung mit ihren 60 Millionen sogar noch ein weiteres Drittel im Hintertreffen ist UND dass es dem englischen Sender Sky so richtig gut geht, er sich sogar die Deutsche Bundesliga quasi als „Abschreibungsobjekt“ „leisten“ kann, wird erst richtig klar, wie weit Deutschland da hinterher hinkt. (Dazu übrigens kommt gar noch, dass die 2. Bundesliga im Paket mitverhökert wird).
Nun, solch erschütternde Zahlen laden dazu ein, dass man sich ein paar Gedanken macht (natürlich nicht Sky Deutschland, wozu auch?). Die einleitend erörterte Fragestellung wird zur wahrhaft brisanten Grundüberlegung. Warum schaust DU kein Fußballspiel?
Man dürfte sich ruhig einmal damit beschäftigen, was dem Deutschen im Allgemeinen so schwer verdaulich im Magen liegt, dass er nicht bereit ist, die Marke Bundesliga in der angebotenen Form zusätzlich zu schlucken?!
An sich ist der Fall klar und seit Otto Rehhagel ist es beinahe zur stehenden Redewendung geworden: Die Medien sind an allem Schuld. Die Medien können Meinungen und Stimmungen erzeugen – und wieder verschwinden lassen. Sie können beinahe im Alleingang dafür sorgen, dass ein Trainer geschasst wird. Das beginnt dann immer mit der Fragestellung: „Wie lange, glauben Sie, wird der Trainer noch zu halten sein?“ Jede Antwort darauf ist recht. „Der Trainer steht nicht zur Disposition.“ (Aha, so die Medienreaktion. Abstreiten ist immer das sicherste Zeichen, dass er bald weg ist…) oder auch ein „Sicher müssen wir auch über die eine oder andere Personalie nachdenken.“ (Oh, wir wissen doch, dass der Trainer immer das schwächste Glied in der Kette ist. Kurzum: Er ist bald weg.)
Die Trainerdiskussionen sind nicht etwas, was von den Medien aufgeschnappt und über die„objektiv“ berichtet wird, sondern sie werden von den Medien lanciert. Eine logische Folge davon, dass deutsche Medien Qualitätsunterschiede auf dem Platz, spannende Spielszenen, unglückliche Verlierer, tragische Helden oder dramatische, aber unglückliche Spielentscheidungen und auch emotionale, begeisternde Siege gar nicht mehr kennen. Eine tolle Aktion, ein platzierter Schuss mit einer ebenso starken Parade wird lapidar kommentiert mit einem „tja, die Chancenverwertung ist es letztendlich, an der es scheitert.“ Außerdem „was nützen einem gute und jede Menge Torchancen, wenn man sie nicht nutzt?“. Sehr beliebt auch das: „Am Ende zählt sowieso nur das Ergebnis. Das Zustandekommen interessiert schon in zwei Wochen niemanden mehr.“ Sicher. Derjenige, der das sagt ist Medienvertreter (er gibt aber sehr deutlich zu erkennen, dass ihn das Spiel Fußball nicht interessiert und dass er auch keinerlei Freude daran hat). Er hätte aber die Chance. Erinnern an den glücklichen Sieg in zwei Wochen oder immer wieder nur Tabellen lesen können und Ergebnisse wissen. Es lebe der Ergebnisfußball! Der, den niemand sehen will. 1:0, auf die eine Chance warten, den irgendwie reinstochern, und dann hinten dich. Hurra! Gefeiert werden nur Sieger! Nur: sehen möchte diese keiner.
Der Fußball gibt wesentlich mehr her, als es die Medien hierzulande verstehen, herauszukitzeln. Die Kommentare sind ein so dermaßen gelangweiltes Einheitsblabla ohne die geringsten Differenzierungen außer, dass man nach einem kassierten Tor in der einen Szene den „kollektivem Tiefschlaf“ als Ursache ausgemacht hat, in der nächsten von „katastrophalen individuellen Fehlern“ und in der dritten von „Zuordnungsproblemen in der Abwehr“ spricht. Wenn der Angriff aber nicht zu einem Tor führt, dann „kommt der finale Pass nicht an“, sind „die Zuspiele allesamt ungenau“, dann „ist zu wenig Bewegung im Spiel“, da „bietet sich keiner an“ oder es scheitert an der „katastrophalen Abschlussschwäche“ (unzuverlässigen, aber doch durch die Tatsache allein bestätigten Angaben zufolge steht in jedem Reportervertrag, dass das Wort „katastrophal“ in jedem Spielbericht mindestens 16 Mal verwendet werden MUSS; weil ganz klar erkannt wurde, dass die genervten Zuschauer keineswegs, wie oft behauptet, vor Wut die Fernsehgeräte aus dem Fenster schmeißen, sondern einfach nur den Sender wechseln und ihr Abo, zwar widerwillig, und auch erst, in der gelinden Hoffnung auf Besserung und als eigentlich bekennende Fußballinteressierte, nach sechs Monaten, aber dennoch … kündigen; wozu Studien alles gut sein können?).
Wenn das alles ist, was die Herren Kommentatoren herausarbeiten können aus den Aktionen, der Spannung, der Schönheit dieses Spiels auf dem anerkannt höchsten Level, da aus der höchsten Spielklasse, dann erscheint es allmählich weit weniger verwunderlich, dass auch DU das Spiel nicht schauen möchtest. (Eingeschränkt kann immer wieder erwähnt werden, dass Fans einer Mannschaft vielleicht weiterhin schauen. Nur ist es nicht einfach, jemandem, der nur die Spiele „seiner“ Mannschaft schauen möchte – auch hier die Einschränkung, dass auch da viele zwar den Sender einschalten und das Zwischenergebnis wissen wollen, auch mitfiebern, aber nicht wirklich hinschauen geschweige denn dem Gelaber lauschen – im Komplettpaket die gesamte 1. und 2. Liga andrehen zu wollen, für welches der Begriff „Mogelpackung“ fast perfekt zugeschnitten ist; man merkt sofort, dass man zu viel bezahlt und selbst wenn man es sich leisten könnte und es vielleicht sogar aus Anhängerschaft berappen würde, wenn man nur diese Spiele hätte, sofern es jeder andere auch so zu tun hätte, aber man zu offensichtlich bemogelt wird und es deshalb unterlässt).
Die Wahrscheinlichkeit für eine gelungene Aktion in den Augen der Berichterstatter liegt übrigens in etwa bei 0%.
Dazu ein paar Beispiele: Der Verteidiger wird im Dribbling umspielt. Zu dieser Spielszene gibt es objektiv zwei mögliche Interpretationen, bei denen die „Wahrheit“ vermutlich in der Mitte liegt: Entweder, der Verteidiger hat sich leicht ausspielen lassen oder der Stürmer hat einen gekonnten Trick angewendet. Man kann das Glas halb voll oder halb leer ansehen. Was der Fußball Fan sich wünscht, steht eigentlich außer Frage. Hierbei muss man natürlich in Prozent argumentieren, denn es gibt einen Anhänger der verteidigenden Mannschaft, der diese Szene nicht sehen will und dem gegenüber vielleicht 10 Zuschauer, welche die Torszene gerne sehen wollen. Wenn man nun jäh aus den Träumen einer gelungenen, tollen, begeisternden Aktion gerissen wird mit der so gelangweilt, emotionslos, herablassenden Reporteransicht „das geht viel zu einfach“, dann vergeht einem die Freude.
Alternativ: Zehn Flanken segeln in den Strafraum. Alle zehn werden von der Verteidigung herausgeköpft. Die Kommentare dazu kann man getrost vom Band abspielen. Hinschauen? Haben wir Sprecher nicht nötig. „Bei den Flanken fehlt die Genauigkeit.“ „Sie müssten doch wissen, dass sie gegen diese Mannschaft mit den groß gewachsenen Innenverteidigern durch hohe Bälle kaum für Gefahr sorgen können.“ Oder: „Die Bälle sind zu nahe ans Tor gezogen.“ Wenn aber die elfte Flanke zu einem Tor führt, heißt es sofort: „Da haben alle gepennt!“ „Der steht sträflich frei.“ „Den hatte keiner auf der Rechnung.“ oder „Chaos in der Hintermannschaft.“ abgesehen von den wirklich witzigen Kommentaren wie „ein Hühnerhaufen ist dagegen gut organisiert.“ falls man sich nicht das gewohnte „die Zuordnung stimmte nicht.“ anhören muss – oder eine beliebige andere Mischung solcher Plattitüden. Es gruselt einen. Man möchte, man kann es nicht mehr hören. Und selbst der härtest gesottenen Fan steigt früher oder später aus. Sägt nur schön weiter. Der Ast, auf dem ihr sitzt ist längst durch, allerdings ist die Fallhöhe recht gigantisch, so dass ihr euch noch im freien – befindet. Wehe, wenn der Aufprall kommt!
Ein Sprecher heute braucht fast nur eine Information: „Sagt mir bitte nur den Spielstand!“ Das reicht ihm allemal, um zu erkennen, welche Mannschaft „die permanenten Abspielfehler macht“, bei welcher es „immer wieder durch die Mitte geht“ oder „wer sich auch im 1 gegen 1 nicht durchsetzen kann“, bei wem „der letzte Pass nicht ankommt“ und wer überhaupt mit einer „chronischen Abschlussschwäche“ zu kämpfen hat, falls nicht „zu wenig Bewegung ist“ oder „die Anspielstationen fehlen“ oder „sich alle verstecken und keiner den Ball haben will.“ Wie soll bitte schön da eine gelungene Aktion aussehen, mit der die Herren dreiviertel Götter einverstanden sind?
Den höchsten Beliebtheitsgrad in der nach unten offenen Miesheitsskala haben die weisen Ratschläge an die müden Kicker, bei der man insgeheim immer den Satz ergänzen könnte. Die sehen so aus. „da muss es schneller gehen“, „da übersieht er den besser postierten….“ „da muss er selber den Abschluss suchen“ oder „zu eigensinnig“. Die geforderte gedankliche Ergänzung, wenn er sich nach Reporteransicht korrekt verhalten, also schneller spielen, den besser postierten nicht übersehen, selbst den Abschluss suchen oder nicht zu eigensinnig agieren würde ist die: „… dann wäre es ein Tor.“
Dazu so viel: a) die Aktion wurde vermutlich trotzdem kein Tor, also b) lässt sich das nicht überprüfen, ob es andernfalls eines wäre, insofern nennt man das „Klugscheißerei, jedoch wäre, im Falle, dass es DOCH ein Tor würde c) dann die Ansammlung von katastrophalen (!!) Abwehrfehlern für das scheinbare „Gelingen“ (was ja durch die Fehleranalyse mehr der Annahme eines, auch oft so genannten, „Geschenkes“ gleichkommt und keinesfalls als Krönung der bereits Vorabbefolgung der weisen Ratschläge aufgefasst werden könnte) der Aktion verantwortlich gemacht worden – ein perfekter Rundumschlag, aus dem es für die Kicker auf dem Platz kein Entrinnen gibt und der Zuschauer sich nur auf eine, auf seine Art zur Wehr setzen kann und von dieser leidlich Gebrauch macht: Nicht hinschauen, nicht hinhören, ausschalten, Abo kündigen. Man nennt das außer einem abgesägten eigenen Ast, der Sitzgrundlage bot auch „da habt ihr die Quittung“.
So wenig noch weitere nähere Begründungen erforderlich sind dennoch hier der intuitive, unbewusste Gedankengang:
„Ja, sicher, du Labersack hast recht, das war zu einfach, das war schwach, das war katastrophal, gut, sehe ich ein. Der eine spielt nicht mit, der andere schaut nur zu, der dritte läuft hinterher, der vierte kommt nicht in den Zweikampf und der fünfte fällt nach dem Modell Bahnschranke und überhaupt, wie ich jetzt bereits 20 Mal gehört habe, handelt es sich um kein gutes Spiel, nein, noch untertrieben, ein ganz schwaches Spiel, das Spiel der „komprimierten Langeweile“, dieses Fehlpassfestival!“ Und dann die Schlusssequenz weil das Gelalle einfach nicht enden mag: „Ich hätte es ganz gerne geschaut. Aber ich sehe es ein. Ich schalte ab. Du hast mich überzeugt. So ein Gegurke (? oder war es das Geschwafel?) kann man nicht ertragen. Führe dein Selbstgespräch alleine. Vergiss aber nicht, dir dabei permanent auf die Schulter zu klopfen.“
Denn merke: wer so viele Fehler findet, ist selbst Weltklasse. Wenn das man reicht…