Kommentar zu einem Kommenta([Eigen]to)r
Dienstag und Mittwoch, den 8. und 9.12.2009 war Champions Leauge. Die Nächte der Entscheidungen. Heute zählts. Es geht um alles. Letzter Spieltag der Gruppenphase. Welche Mannschaften kommen weiter? Vor allem galt diese Fragestellung (hierzulande) natürlich für die Deutschen Mannschaften. Wolfsburg, Stuttgart, Bayern mussten ihre Spiele nach Möglichkeit gewinnen. An dieser Stelle hier soll zunächst einmal die einzelnen Gruppenkonstellationen untersucht werden und damit auf die ideale Steilvorlage aufmerksam gemacht werden, die der Sender „Sky“ durch die exklusiven Übertragungsrechte hatte, einen richtig dramatischen Abend zu veranstalten, der jeden Zuschauer in den Bann ziehen müsste. Und was sie daraus gemacht haben…
In der Wolfsburg Gruppe hätte es Wolfsburg im Spiel gegen Manchester United schon genügt, das gleiche Ergebnis zu erzielen wie ZSKA Moskau, die bei Besiktas Istanbul ran mussten und sicher nicht von einem leichten Sieg ausgehen konnten. Wolfsburg hatte aber insofern Glück, als ihnen die Euroleauge nicht mehr zu nehmen war, so dass ihnen die Niederlage nicht zu sehr wehtun würde. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Es hätte ja auch dieses Ziel auf dem Spiel stehen können. Man kann in diesem Sinne getrost von einer „günstigen Konstellation“ sprechen. Die guten Vorzeichen waren sogar noch besser dadurch, dass der Wolfsburger Gegner Manchester United um gar nichts mehr spielte, was sich auch in der Aufstellung von ManU widerspiegelte. Und noch ein in deutscher Berichterstattung völlig ignorierter Pluspunkt: Besiktas konnte bei einem Sieg gegen ZSKA sogar punktemäßig mit diesem Gegner gleichziehen und bei einem günstigeren Ergebnis als einem 2:1 Sieg – dem Ergebnis aus dem Hinspiel zugunsten von ZSKA – sogar noch Platz 3 und damit selber die Euroleague erreichen. Also auf gut Deutsch: Besiktas spielte um etwas, selbst wenn es „nur“ die Euro-League war.
Die türkischen Zuschauer, die ohnehin ziemlich begeisterungsfähig sind, gingen jedenfalls mit einiger Hoffnung, Vorfreude und der gewohnten Euphorie ins Stadion. Dass auch die Möglichkeit bestand, dass bei einem Sieg von Besiktas und einer gleichzeitigen Niederlage von Wolfsburg alle drei Mannschaften auf 7 Punkte gekommen wären, wonach der direkte Vergleich aller sechs Ergebnisse dieser Mannschaften untereinander den Ausschlag für das Weiterkommen gegen hätte, kann man „einem deutschen Zuschauer wohl nicht zumuten“. Denn erwähnt wurde das nie. Wenn man sich die Konstellation noch genauer anschaute, gab es eine Kuriosität, die eigentlich das ganze Regelwerk in Frage stellt:
Angenommen, Besiktas gewänne das Spiel gegen ZSKA Moskau besser als 2:1. Das entscheidende Tor – bestes Beispiel das 1:0 – fällt erst sehr spät im Spiel. Wolfsburg weiß also bis zum Schlusspfiff nichts davon, versucht demnach, das eigene Spiel zu gewinnen, immer im Hinterkopf behaltend, dass das Risiko nicht übertrieben werden muss, da es, wie man hört, im Parallelspiel 0:0 steht und Wolfsburg also auch bei diesem aktuellen Spielstand auf Platz 2 gelangte. In ihrem Spiel in Manchester steht es 1:1, nehmen wir an. Dennoch muss man natürlich befürchten, dass ZSKA plötzlich doch das Siegtor erzielt und sie damit überholt. Nun, Wolfsburg weiß also nichts davon, dass Besiktas plötzlich das Siegtor erzielt, geht weiter vorsichtig auf den Siegtreffer und – kassiert ebenfalls kurz vor Schluss das 1:2. Was stellt man in diesem Moment fest? Alle drei Mannschaften haben 7 Punkte, wie erwähnt. Wer ist nun Zweiter, wer Dritter und wer ganz raus? (Übrigens war das während der Spiele für ein paar Minuten wirklich möglich). Die so heiß und innig geliebten deutschen Kommentatoren waren für diesen Fall sicher nicht gewappnet, zumindest wurde man – wohl als „damit überfordert“ abqualifiziert) — nicht auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht. Die viel schlimmere Befürchtung über die Wahrheit zu dem Thema, wer da überfordert war: die Kommentatoren selbst.
Man war auf sich selbst angewiesen, den in einem derartigen (und nicht einmal unrealistischen) Fall erzeugten Endstand der Tabelle zu ermitteln, Ein Armutszeugnis für den Sender allemal. Noch viel mehr, wenn man an die verpasste Chance denkt, Zuschauer zu binden, zu gewinnen, denn die Dramatik ist in einem solchen Moment auf dem Höhepunkt.
Die Konstellation im oben geschilderten Fall, Wolfsburg verlöre 1:2, Besiktas gewänne 1:0, ihrem eigenen Wunschergebnis: in der Tabelle untereinander wäre Wolfsburg auch dann Erster, also dürfte in der Champions League überwintern, während ZSKA auf Platz 2 landen würde und damit die Euroleague erreicht hätte. Besiktas wäre also raus.
Wieso diese Konstellation nun so kurios wäre? Ganz einfach: Besiktas hat mit dem Siegtor quasi „aus eigener Kraft“ ZSKA Moskau überholt. Hinspiel 1:2 verloren, Rückspiel 1:0 gewonnen, nach Europapokal Arithmetik sind sie also weiter (da punktgleich). Wolfsburg ist in dem Moment sowieso weiter, da auch ein kassiertes 1:2, wie in dem Falle beispielhaft eingetreten, nichts daran ändern würde. Das würde bedeuten, dass Wolfsburg durch dieses ihnen nicht schadende Gegentor über das Weiterkommen in der Gruppe entscheidet. Die Tragik, die Besiktas Istanbul und deren Anhänger empfinden müssten in dem Moment, wo sie nach Erreichen ihres Zieles, dem 1:0 Sieg, gerade feiern wollen, wäre in etwa vergleichbar mit der Schalker „Meisterfeier“ im Jahre 2001, die Minuten später wieder abgebrochen werden musste, als Bayern doch noch den Ausgleich in Hamburg erzielte. Nur wären hier Tragik und Ungerechtigkeit in etwa gleich hoch.
Selbst wenn es als entlegene Möglichkeit erscheint, der man keinerlei Bedeutung beimisst: Plötzlich und unverhofft tritt doch so eine Kuriosität auf. Wie würde man dann als Kommentator da stehen? „Äh, Moment, damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Wir prüfen gerade wer weiter ist.“ Oder, man überlege alternativ, wie kompetent es wirken müsste, wenn jemand doch auf so etwas vorbereitet wäre und diesen Umstand in den Minuten, da die Möglichkeit besteht, parat hat. Nein, einen Deutschen interessiert so etwas nicht. Wie peinlich und inkompetent dies ist (und auch permanent so rüberkommt) kann man nur dann ermessen, wenn man zum Vergleich eine englische oder italienische Sportsendung anschauen würde. Dort wäre es ausgeschlossen, so etwas nicht zu wissen.
Inwiefern dies die gesamte Regel in Frage stellt? Nun, man lese:
Die Regel mit dem direkten Vergleich wurde irgendwann eingeführt, damit nicht einzelne hohe Siege gegen Außenseiter Teams den Ausschlag geben würden. Eine gute Idee und ein erfreuliches Anliegen. Es geht in den Gruppenspielen nicht darum, Malta oder San Marino mit 10 Toren zu vernichten. Der eine Sieg, so man ihn denn erzielt, ist so wertvoll wie der andere. Man kann entweder experimentieren, Kräfte sparen oder den Gegner verschonen, einfach so. Abgesehen davon, dass Manipulationen zu fürchten wären.
(es gab einmal die kuriose Situation, dass Spanien und Portugal punktgleich in einer WM-Quali waren, vor dem letzten Spieltag. Sie hatten es mit „Kanonenfutter“ zu tun, Spanien in Albanien und Portugal zu Hause gegen Estland anzutreten. Spanien ergaunerte sich angeblich mit ein paar geschenkten Schuhen einen 9:0 Sieg, während sie zugleich den Esten eine Prämie versprachen, wenn diese knapper als 0:4 verlören. Als die Esten dieses Traumergebnis erzielt hatten, so man ihnen die bemüht verhohlene Freude auf dem Platz dennoch an. Man überlege: Freude nach einem 0:4?)
Andererseits sollte man in der heutigen Zeit, in denen doch fast jedes Spiel umkämpft ist, gerade in der Champions League, nicht vielleicht doch wieder zu alten Vorbildern zurückkehren? Die Berechnung ist zunächst wesentlich einfacher, so viel ist gewiss. Und dies scheint immerhin insoweit ein Kriterium zu sein, als es ja zumindest hierzulande dem Zuschauer nicht einmal zugemutet werden kann, es in allen Eventualitäten, und nicht einmal in ein paar relevanten Möglichkeiten, auszuführen, abgesehen von dem Verdacht der reporterseitigen Überforderung. Wo liegt da noch das Problem, zum alten Modus zurückzukehren? Zumal eben, wie man sieht, die gerade gezeichnete, kuriose Abfolge eine weitere Schwäche offenbart, die man sicher noch bei anderen Konstellationen herausarbeiten könnte. Oder wird es als spannend erachtet, wenn man ein derartiges Zufallselement einführt und sich sagt: nun haben wir einen Haufen komplizierter Regeln eingeführt, (bei welchen der Überforderungsverdacht in alle Richtungen besteht), nun spielt mal schön und nachher wird uns ein Blick ins Regelwerk sicher, sofern wir nicht etwas übersehen haben, Auskunft geben über die Abschlusstabelle?
Hier also konkret die Tücken der angewandten Regel: Besiktas wäre ohne eigenes Verschulden und ohne einen möglichen Einfluss zum Ausscheiden verurteilt gewesen, falls sie ihr Traumziel erreicht hätten, das Spiel mit 1:0 zu gewinnen, und damit, in ihrer Theorie den soeben bezwungenen Gegner zu überflügeln. Dennoch wären sie ausgeschieden aufgrund eines Tores für die jenes Tor kassierende Mannschaft — in dem Falle Wolfsburg — irrelevantes Gegentor. Dies könnte doch zum endgültigen Überdenken der Regeln Anlass geben? Abgesehen davon, dass es ganz offensichtlich für die Spieler und Zuschauer wirklich ziemlich schwierig werden könnte, das zu verstehen. Man überlege, dass die Besiktas Fans einfach weiter feiern, weil sie das gar nicht ein- oder ausrechnen und am Morgen in der Zeitung lesen müssen, dass ihre Mannschaft raus ist…
Der Zuschauer wurde jedenfalls mit komplizierter Mathematik „verschont“. Interessiert hätte es einen schon. Aber wer ist da schon repräsentativ? Das man so etwas auch zum Spannungsaufbau und zum Erfassen von Dramatik einsetzen könnte, entspringt wohl der Phantasie?!
Für Stuttgart und Bayern ging es nur um „Siegen oder Fliegen“. Beide bewältigten diese Aufgabe in ziemlich überzeugendem Stile. Aber gibt das schon Anlass zu Überheblichkeit? Die Deutschen Mannschaften hinken in Europa der Spitze weit hinterher. Es gab so unendlich viele Belege dafür, dass man sich qualitativ längst nicht mehr abhebt, auch von den so genannten „underdogs“, so dass auch hier mehr Freude und Anerkennung herausspringen könnte. Die Bayern waren halbtot und haben die Chance nur dadurch bekommen, dass Girondins Bordeaux das vorherige Heimspiel gegen Juventus trotz der bereits erreichten Qualifikation noch ernst genommen hat und Juventus besiegte. Bei einem Sieg von Juventus in jenem Spiel zuvor wäre Bayern bereits raus gewesen, ohne Wenn und Aber. Dankt doch bitte auch für die Schützenhilfe! Stattdessen hält schon wieder das „mir san mir“ Einzug. Ein klein wenig Demut täte wesentlich besser. Man bedenke die Außendarstellung und deren Wahrnehmung im Ausland.
Stuttgart gewann durch drei frühe Tore relativ klar gegen Unirea Urziceni. Ein Erfolg für die Deutschen, keine Frage. Denn auch Stuttgart war vor dem vorherigen Spiel beinahe raus und benötigte einen Sieg bei den Glasgow Rangers, der zwar eingefahren wurde, dieses aber alles andere als „einfach“, geschweige denn „überzeugend“ geschah.
Konkret sah es so aus, dass ZSKA früh in Führung ging, Das war insofern hilfreich, als Wolfsburg damit zumindest sicher wusste, dass sie den Sieg benötigen würden. Ein klares Ziel war für die Spielführung eine Erleichterung, wie übrigens sogar Louis van Gaal vor dem Bayern Spiel selber erwähnte, um diesen kleinen Vorteil der Bayern bei Juve herauszustellen. Nicht ganz zu Unrecht, sofern dem Autor hier ein Mitsprachrecht gewährt wird, und nicht vergleichbar mit dem „Pfeifen im Walde“, ein derartiger Kommentar. Er sagte, sie wüssten wenigstens, dass sie gewinnen müssten, während Juve auch bei einem Unentschieden weiter wäre, was sie bei der Einstellung zum Spiel behindern könnte. Nach dem Motto: „Was wollen wir eigentlich? Ach ja, den Schlusspfiff.“
Wolfsburg geriet in Rückstand, Auch wenn ManU mit einer B-Elf auflief, so sollte man den eingesetzten Spielern auf keinen Fall Gleichgültigkeit unterstellen. Trainer Ferguson tut das – übrigens schon seit vielen Jahren – sehr bewusst, wie man annehmen kann. Er möchte den Spielern aus der zweiten Reihe Einsatzchancen geben. Sie werden zufrieden gestellt, haben die Chance, zu zeigen, dass sie in die A-Elf gehören (was sicher dem einen oder anderen jungen Spieler sehr bald gelingen wird), sprühen vor Ehrgeiz (was die A-Spieler eventuell nicht tun würden) und erzielen so auch noch Ergebnisse, welche es immer sowohl in der Kasse klingeln lässt, als auch die Fünf-Jahres-Wertung positiv beeinflussen.
Wolfsburg machte dennoch ein tolles Spiel. Die Chancen waren da, das Tor wollte nicht fallen. Auch Besiktas tat alles dafür, die Wolfsburger Chancen zu erhöhen. Sie berannten das Tor von ZSKA und waren mehr als einmal dicht am Ausgleich. Endlich gelang Wolfsburg der Ausgleich. Ein tolles und verdientes Tor. Noch eine halbe Stunde Hoffnung. Besiktas Ausgleich oder ein eigenes Siegtor. Die Chancen waren da. Doch plötzlich der eingefangene Konter, das 1:2 für ManU. Sekunden später aber erzielte Besiktas wirklich das Ausgleichstor. Das hieß, dass nun Wolfsburg wieder ein Unentschieden genügen würde. Besiktas auf der anderen Seite bei Kenntnis der obigen Sonderkonstellation hätte nur noch die Hoffnung, ein eigenes Siegtor zu erzielen und gleichzeitig den Wolfsburger Ausgleich herbei zu sehnen zum Aufstieg in die Euroleague.
Sekunden später: Wolfsburg mit der Riesenchance… Riether fast auf der Torline, der muss drin sein .. das Tor zum Weiterkommen.. er kriegt den Ball ans Standbein, schüttelt fassungslos den Kopf, wie alle anderen Wolfsburger übrigens auch, Michael Owen lauert an der Mittellinie auf den weit nach vorne geschlagenen Ball, läuft alleine aufs Tor zu und „he simply cant miss“, das 1:3, Ende aller Träume. Auch für Besiktas war es in dem Moment so. Und ZSKA war ohnehin weiter, so dass das dann gefallene 1:2, das Siegtor für ZSKA nur statistischen Wert hatte.
Die besondere Dramatik bestand unter anderem darin, dass Wolfsburg sich wohl für Minuten selber „in den Hintern getreten hat“, als sie von dem Ausgleich von Besiktas hörten, denn in dem Falle hätte ja das gerade (in Unkenntnis dieses Besiktas Ausgleiches) aus der Hand gegebene Unentschieden genügt. Unglaubliche Dramatik und Spannung!
Jedenfalls ergab sich die ideale Chance, einmal mit richtiger Spannung, Dramatik aufzuwarten und die Zuschauer zu fesseln und zu faszinieren. Die Kommentatoren sahen davon ab, und das „wie üblich“ bleibt ein völliger überflüssiger Beisatz. Als die heiße Schlussphase lief und man wirklich schwankte zwischen Stuhl oder Tisch als Beobachtungsplatz wurde das 4:0 von Lyon gegen Debrecen aufgerufen „Tor in Lyon“ und dann „ich fasse mich auch wirklich kurz“, um dann aber sieben Zeitlupen aus ebenso vielen Perspektiven abzuspulen. Unfassbar, so etwas! Wer hat da Regie geführt? Das muss ein Marsmensch oder ein Fußballhasser gewesen sein.
Zugleich wurde Wolfsburg übrigens verschmäht und verhöhnt. „Gegen so einen Gegner muss man einfach ein besseres Ergebnis erzielen.“ Auch das unfassbar! ManU ist anerkanntermaßen unter den mindestens Top Five in Europa. Dass die B-Elf immer noch über ein hohes Maß an Qualität verfügt, ist doch sonnenklar. Dass die Engländer mehr als irgendein Land am allerliebsten wo sie können Deutschland ärgern wollen, ist auch klar. Ferguson hatte seine Taktik. Schick die hungrigen Spieler raus. Sie ging auf. Mit einigem Glück. Denn Wolfsburg war Klasse, ein tolles Spiel mit einer ungewöhnlichen Dramatik und einem aus Deutscher Sicht leicht unglücklichen Ausgang. Danke an alle Spieler für den tollen Abend! Schande über die Berichterstatter!
Im Hochgefühl der erzielten (anderen) Erfolge der Deutschen kam es aber noch schlimmer: Das Spiel Standard Lüttich gegen AZ Alkmaar war auch Teil der Konferenz. Und auch über dieses Spiel gäbe es einiges, was man im Sinne einer spannenden Berichterstattung erwähnen könnte. Für Deutsche scheint es nur immer so zu sein, dass man ohne eigene Beteiligung jegliches Interesse leugnet, es nicht erzeugen möchte und überhaupt das scheinbar als lästige Qual empfindet, von solchen underdogs erzählen zu müssen. Die Gruppenkonstellation war so, dass Standard das Spiel nicht verlieren durfte, um in die Euroleague zu kommen. Ein durchaus wünschenswertes Ziel, welches keineswegs selbstverständlich erreicht wird. Dazu gab es aber noch die Möglichkeit, dass Arsenal im Parallelspiel bei Olympiakos gewinnt und damit Standard im Falle des Sieges sogar in der Champions League bleibt! Auch Arsenal lief auswärts mit der B-Elf auf, da sie längst qualifiziert waren, Jedoch tat auch diese B-Elf, wie man dem Spielbericht und den Einblendungen entnehmen konnte, alles anderes als „freiwillig verlieren“. Dennoch gelang Olympiakos irgendwann das 1:0 und dieses konnte trotz zahlreicher Arsenal Chancen über die Zeit gebracht werden.
Auch Standard machte ein tolles Spiel und hatte etliche Chancen, schon frühzeitig das 1:0 zu erzielen. Dann konnte sich Alkmaar ein wenig befreien und, wie dann gelegentlich bis häufig passiert – jedoch keinem vom Autor akzeptierten, aber einem viel zitierten Gesetz folgend –, selber bei der ersten guten Chance in Führung gehen. Standard rannte die ganze zweite Halbzeit lang an, auch Alkmaar hatte noch seine wenigen, dafür aber guten Konterchancen, Ein tolles, dramatisches Spiel. Falls man sich für Fußball interessiert. Davon könnten einen etliche der Kommentatoren nicht überzeugen, im Gegenteil. „Ich mache hier nur meinen Job.“.
Sie hatten wohl früher mal die Wahl: „Kohlen schippen oder Fußball kommentieren?“ und haben sich nach gründlichem Nachdenken — doch gegen das verlockende Kohlen schippen entschieden. Ein Fehler, wie sie heute finden. Ein sehr beliebter Reporterspruch, zum Ablesen der folterähnlichen Qualen, die sie erdulden müssen und der sie erkennbar ihre Berufswahl bereuen lässt: „Halbe Stunde durch…“. So ging es einem in Erdkunde in der Schule auch immer…
Ein Wunder aber: Das Spiel ging in die längste Nachspielzeit aller Spiele dieser Konferenz, so dass tatsächlich das späte Ausgleichstor eingefangen werden konnte. Der Torwart von Standard hatte sich in den Angriff begeben. Es gab noch nach Ablauf der angezeigten Nachspielzeit von 4 Minuten einen Standard (erkennt man den Scherz? Standard für Standard, hehe), einen Freistoß. Der kommt in den Strafraum, der Torwart macht einen seiner wohl trainierten Hechtsprünge, aber anstatt zu gewohnt defensiven Zwecken in dieser Szene offensiv, kommt tatsächlich mit dem Kopf an den Ball und das Ding geht in den Winkel! Traumhaft, so eine Geschichte! Da konnte er sich wirklich nicht mehr beherrschen. Er rannte wie von der Tarantel …, ach was, die hätte nie so eine Wirkung selbst bei Stich erzielen können, los, riss sich das Trikot vom Leibe, konnte von den Mitspielern unmöglich trotz deren im Training längst festgestellten viel höheren Grundschnelligkeiten eingefangen werden und schrie dabei in etwa wie King-Kong, so dass man es wohl auch ohne die Außenmikrofone zumindest bis Brüssel vernehmen konnte, um den Einzug seiner Mannschaft in die Euroleague zu feiern. Jeder, der es gesehen hatte, konnte nur Gänsehaut bekommen. Das ist es, was unseren geliebten Sport ausmacht, darum hat der Fußball solche Heerscharen von Anhängern in seinen Bann gezogen.
Die Krönung kam aber erst in der Zusammenfassung. Die dramatische späte (Un-)Entscheidung wurde mit dem belgischen Originalkommentar ausgestrahlt. Dieser spiegelte in etwa die Emotionen wieder, die beinahe das ganze belgische Land ergriffen haben dürften in diesem Moment, ein emotionaler Ausbruch, der den Gefühlszustand nicht nur des ausflippenden Torhüters einfing. Eine der Spielszene, nein, der Leidenschaft, der Begeisterung angemessene Reaktion, die, selbst wenn sie es nicht wäre, so wunderschön aufzeigen könnte, wie man ein Spiel zu kommentieren hätte, wie schön man es könnte und dürfte, wie man mitgehen kann und den Zuschauer förmlich mit aus den Sitzen reißt. Der Traum eines Reporters, natürlich in diesem Falle in der erfreulichen Version, dass „seine“ Mannschaft ein so spätes aber doch verdientes Ziel glücklich erreicht hat.
Der deutsche Sprecher, als der belgische Tenor doch irgendwann verklungen war bestätigte auf so traurige Art, dass die Sprecher hierzulande von alledem nichts verstehen, nichts wissen wollen, keine Begeisterung ausstrahlen wollen und können, indem er sagte: „Tja, wenn man sich noch so über den Einzug in die Euroleague freuen kann? Ich weiß nicht, was Franz Beckenbauer über seine Bayern gesagt hätte, wenn sie…“ Ein unfassbarer Spannungsabbau. Kein Interesse an Emotion, Spannung und Dramatik. Beruf verfehlt, Und das alles nur, weil zwei der drei deutschen Mannschaften in der Championsleauge bleiben dürfen?
Man bedenke übrigens auch: Die Werbung des Senders Sky für die Übertragung der Euroleague Spiele läuft bereits. „Alle Spiele live“. Wie schön. Die sollen sich ihre Rechte sauer kochen. Für wie dumm soll man denn verkauft werden, wenn einem gerade erklärt wird, dass es ein so unbedeutender Wettbewerb ist, für dessen Teilnahmeerreichung man sich nicht unter keinen Umständen freuen dürfte, im Gegenteil, sich schämen müsste, um sich darauf zu freuen? Wie dick ist eigentlich der Ast, an dem der Mann gerade sägt und den er zugleich besetzt? Na, egal wie dick, durch müsste er längst sein. Nur der Fall dauert halt ein bisschen…