Die formulierten Ziele beinhalten die Aussage, dass es eine Differenz zwischen der aktuellen Situation und der angestrebten gibt. Es handelt sich im Kern um ein paar geäußerte Bedenken am Fußball und seiner Vormachtstellung unter den Sportarten. Prinzipiell bleiben die Ziele, ihn spannender, attraktiver und gerechter zumachen, natürlich ehrenwert und unzweifelhaft. Nur ergeben sie auch nur dann einen Sinn, sofern am Status Quo Mängel beobachtet wurden, die diese Vormachtstellung als nicht dauerhaft gesichert erscheinen lassen.
Hier werden demnach einige prägnante, allesamt unerfreuliche Merksätze über den heutigen Fußball aufgestellt. Im Anschluss werden alle diese Thesen mit einigen guten Argumenten untermauert. Weiter im Text werden sämtliche Punkte noch einmal aufgegriffen und etwas tiefer gehend erörtert.
Der Leser ist aufgefordert und hat die Chance, sich mit jeder der Aussagen kritisch auseinanderzusetzen, natürlich zugleich darf er sich ruhig fragen, ob viele gemachte Beobachtungen nicht den eigenen entsprechen, selbst wenn bisher unartikuliert.
Die teils intuitive und psychologische Argumentation mag zunächst ungewohnt sein, kann jedoch teilweise im späteren Verlauf mit exzellenten Beweistechniken auf die Probe gestellt werden, so dass man sich den Aussagen inhaltlich schwerlich verschließen kann.
Die später näher erläuterte Umsetzbarkeit, die auf den Stichpunkten a) Anwendung der bestehenden Regeln und b) auf einem Umdenkprozess beruht, wird sehr allmählich näher gebracht, darf aber ruhig von Anfang an als kleiner Beleg für Ernsthaftigkeit und Realitätssinn stehen. Dabei wird sich sehr wohl ergeben, dass hier oder da eine kleine Regelmodifikation angeboten wird, die sich der Autor, durch reifliches Überdenken, sehr ernsthaft für durchführbar erklärt hat.
Der Hintergrund ist, dass es sich um eine beobachtete, stetige Entwicklung in die angegebene Richtung handelt, welche früher oder später zu einer Stagnation oder einem Rückgang der weltweiten Anhängerschaft führen kann. Parallel aber wird eine mögliche, hellere Zukunft bereits umrissen, mit der man sich gerne allmählich anfreunden möge. Nach oben sind dem Volumen der Anhängerschaft kaum Grenzen gesetzt. Wenn man nur an die USA denken mag, die sofort bereitwillig einsteigen würden, da für sie der Fußball aufgrund der aufgezeigten Mängel bisher unzugänglich blieb. Dort wird längst und für alle Sportarten das Interesse des Zuschauers in den Vordergrund gestellt. Aus sehr einfachen Erwägungen: Er muss es finanzieren
Genau hier schließt die erste These an, denn…
- These 1: Die gigantische Größe des Fußballs scheint einen beliebigen Umgang mit ihm zu rechtfertigen.
- These 2: Der Fußball ist ein reiner Fansport geworden, die Bedürfnisse des neutralen Zuschauers werden ignoriert
- These 3: Die Frequenz der Spannungsmomente im einzelnen Spiel ist zu gering
- These 4: Die Frequenz der spannenden Spiele von der Torabfolge her ist zu gering
- These 5: Eine höhere Anzahl von Toren würde für mehr Spannung sorgen
- These 6: Fußball ist ein reiner Ergebnissport
- These 7: Ein Fußballspiel wird nicht mehr wirklich angeschaut
- These 8: Leistungsunterschiede, unterschiedliche Spielkulturen sind nicht mehr erkennbar
- These 9: Der Ausgang eines einzelnen Spiels hängt sehr häufig von ein oder zwei kritischen Schiedsrichterentscheidungen ab
- These 10: Die Auslegung und Anwendung der Regeln ist gegen die Angreifer und damit gegen Torerfolge gerichtet
- These 11: Schiedsrichter haben Angst, eine Entscheidung zu fällen, die einen Torerfolg begünstigen könnte
- These 12: Triebfeder für und Folgewirkung einer jeden Regeländerung/Regelanwendung/Regelauslegung generell müsste die Anhebung von Spannung, Attraktivität und Gerechtigkeit im Spiels sein.
- These 13: Eine empfundene, aber nicht artikulierbare Ungerechtigkeit verschreckt viele Zuschauer
- These 14: Die Medien werden ihrer Verantwortung — der sie auch im eigenen Interesse nachgehen müssten — nicht gerecht, den Fußball positiv zu vermarkten
- These 15: Generell ist die deutsche Berichterstattung schlecht und steht weit hinter ausländischer zurück
- These 16: Das Legalisieren von Wetten und eine weltweite Aufklärung über die Fairness des heutigen Wettmarktes könnte für gesteigertes Zuschauerinteresse sorgen
Man mag gerne diese Aussagen ein wenig einwirken lassen und sich dazu positionieren. Der Widerstand ist spürbar, aber nicht unüberwindlich. Sobald sich die erste Empörung gelegt hat, so ist man herzlich eingeladen, die etwas tiefer gehenden, aber weiterhin noch kurzen Begründungen zu studieren:
- zu These 1: Die gigantische Größe des Fußballs scheint einen beliebigen Umgang mit ihm zu rechtfertigen.
Der Fußball hat durch seine Einfachheit und damit einhergehend der großen Verbreitung – jedes Kind tritt gegen den Ball, schon bevor es das Wort aussprechen kann – es scheinbar nicht nötig, sich um seine eigene Weiterexistenz, den Ausbau, die Bedürfnisse der Zuschauer zu kümmern. In etwa nach dem Mott: Er ist so groß, den kriegt man nicht kaputt.
Den Unkaputtbar-Test mag er bisher bestanden haben. Warum nicht ab heute sich kümmern, dass er gedeihen und weiter wachsen kann?
- These 2: Der Fußball ist ein reiner Fansport geworden, die Bedürfnisse des neutralen Zuschauers werden ignoriert
Die Menschen, die ein Fußballspiel schauen, sind Fans einer der beiden auftretenden Mannschaften – oder Masochisten. Denn: für einen neutralen Zuschauer gibt es so gut wie nichts Sehenswertes. Für den Fan ist es ziemlich gleichgültig, wie ein Ergebnis zustande kommt. Bei Gewinn wird gefeiert, bei Verlust getrauert. Für den neutralen Zuschauer ist es eine Mischung aus komprimierter Ereignislosigkeit und einer Ansammlung von Ungerechtigkeiten. Abgesehen davon steht die These, dass selbst die Fans nicht mehr wirklich hinschauen. Sie feiern bei Führung, singen, tanzen, lachen, sie trauern oder pfeifen bei Rückstand, feuern manchmal an. Es ist ein gesellschaftlicher Event geworden, kein Treffen von wahren Fans des Sports. Der Gehalt eines Spieles ist zu gering.
- These 3: Die Frequenz der Spannungsmomente im einzelnen Spiel ist zu gering
Oftmals muss man auf eine einzelne Torszene viele Minuten warten. Defensives Denken überwiegt. Keiner will einen Fehler machen und ein Tor kassieren, da es irreparabel ist. Keine Toraction, keine Spannung. Zumindest für neutrale Zuschauer, wie gerne wiederholt erwähnt wird. Wenn man einen Angriff sieht, erübrigt sich eigentlich die Anspannung, die man empfinden könnte, da der Ausgang ziemlich gewiss ist: Es gibt kein Tor.
Die Wartezeit auf ein Tor beträgt heute, bei weltweit etwa 2.6 Toren pro Spiel, etwa 36 Minuten. Wenn man so lange auf einen Bus warten müsste, würde man laufen.
- These 4: Die Frequenz der spannenden Spiele von der Torabfolge her ist zu gering
Ein Spiel mit wechselnden Führungen, mit echter Dramatik gibt es heute kaum noch zu sehen. Der übliche Verlauf ist der: Irgendwann schießt eine Mannschaft ein Tor, danach verteidigt sie diese Führung und lauert auf Konter. In den letzten Minuten, wenn der zurückliegende nichts mehr zu verlieren hat, gibt es manchmal das 2:0, seltener das 1:1 (ein kleines Wunder!) und meist passiert nichts mehr. Spannungsgehalt? In etwa so wie der eines Krimis ohne Leiche. Eine Mogelpackung.
- These 5: Eine höhere Anzahl von Toren würde für mehr Spannung sorgen
Sicher eine sehr schlichte These, die die vorherigen Punkte aufgreift. Da aber hier auch in Diskussionen schon Widerstand gespürt wurde, wird sie aufgestellt und begründet: Tore und Torszenen sind ganz sicher das, was der neutrale Zuschauer sehen möchte und was ihn bei der Stange hielte, ihn ins Stadion und vor den Bildschirm lockt. Wenn man sich für diesen nicht interessieren sollte, bliebe noch immer die offene Frage, ob es sich nicht auch beim Fan positiv niederschlagen würde. Mal ein Tor mehr kassiert, Trauer, mal eins mehr erzielt, Jubel. Es geht hier nicht ein gigantischen Anwachsen, nur hier oder da ein Tor mehr.
- These 6: Fußball ist ein reiner Ergebnissport
Die Medien machen ihre Vorgaben. Sie feiern Sieger und ziehen über Verlierer her. Angeblich ist das Zustandekommen eines Ergebnisses gleichgültig und wird angeblich „bald nicht mehr hinterfragt“. Dies ist aber nur so, sofern die Medien diese selbst aufgestellte Behauptung stützen. Sie haben sehr wohl die Chance, Differenzierungen aufzubauen. Falls sie es nicht tun, erhält man das, was man heute erlebt: „Die Null muss stehen“ und „ein Sieg muss her, egal wie“. Die Trainer und Spieler setzen nur um. Frage: Was, wenn man gerechtfertigte Unterscheidungen einführen würde? Über die Siege: Der war verdient, der war glücklich. Der war unsauber, der war haarsträubend, dieser hässlich. Einfach: Solche Sieger wollen wir nicht sehen. Man fragt nach dem Zustandekommen und behält sich das Recht vor, einen Sieger zu kritisieren. Würde sich garantiert positiv auswirken. Und negativ? Kann doch nicht!
- These 7: Ein Fußballspiel wird nicht mehr wirklich angeschaut
Die konstanten Einschaltquoten mögen ein gleich bleidendes Faninteresse vorgaukeln. Beobachtungen und Gespräche diesbezüglich ergaben das eindeutige Ergebnis: Der Fernseher läuft zwar, aber man schaut nicht mehr hin. Wie oben erwähnt, kann dies sogar die gutwilligen Fans betreffen.
- These 8: Leistungsunterschiede, unterschiedliche Spielkulturen sind nicht mehr erkennbar
Im Vergleich zu früher, da man sehr wohl sofort erkennen konnte, dass das eine afrikanische und das eine südamerikanische Mannschaft ist, verschwimmen alle diese Differenzierungen immer mehr. Dies mag der unvermeidliche Teil sein. Nur hat auch hier der Fan eigentlich ein Mitspracherecht und dürfte dies gerne einbringen:
Der Grund für das Phänomen ist mit Sicherheit, dass sich die Kulturen vollkommen bunt mischen. Der Erfolgsgedanke steht im Vordergrund, welcher dem Fan durch die Medien aufgezwungen wird. So ist er bereit, im Sinne des Erfolgs alles zu schlucken, auch eine Aufstellung, in der nicht nur jegliche Vertretung der eigenen Stadt, sondern gar jene des gesamten Landes fehlen. Das überträgt sich auch auf Trainer, die beliebig die Nationen wechseln und ihre Lehren damit verbreiten. Es wird nur noch gemischt, heraus kommt ein Einheitsbrei. Der Fan darf sehr wohl sagen, dass es ihm lieber ist, wenn er Identifikationsfiguren findet, die lokal repräsentieren und er darf dies auch über den reinen Erfolgsgedanken stellen.
Dass die Leistungsunterschiede nicht mehr zum tragen kommen, hat einen anderen Grund: Die meist besser Fußball spielenden Angreifer werden von athletisch gleichwertigen Gegenspielern „bearbeitet“. Den Verteidigern genügt dabei jede beliebige Richtung (des Balles) und jedes beliebige Mittel, um den guten Fußballer aufzuhalten: Hauptsache, der Ball ist nicht im Tor. Ein kurzes, unerkanntes oder ungeahndetes Trikotzupfen, einen Arm vor den Gegenspieler bringen, den Körper illegal einzusetzen, all diese Mittel würden, selbst wenn von beiden Parteien gleichermaßen eingesetzt, noch immer dem Abwehrspieler den Vorteil einbringen. Er braucht sich nur darum zu sorgen, dass der Ball nicht den einzig schadhaften Weg, jenen ins Tor, einschlägt, Jede andere Richtung ist für ihn ausreichend gut.
Weiterer Aspekt: Die sehr guten Spieler, die, die wirklich den ganz großen Unterschied machen, werden schlicht in Doppeldeckung genommen. Der Effekt, den sie unmerklich erzielen, ist der, den Mitspielern Freiräume zu verschaffen dadurch, dass nicht jeder doppelt gedeckt werden kann. Am Ball sieht man die guten Fußballer seither selten. Ihre Wertschätzung bekommen sie vom Trainer, der das Binden von Gegenspielern erwähnt.
Wo aber kommt der zusätzliche Abwehrspieler her? Natürlich aus dem Angriff. Defensives Denken wird gepredigt. Die Medien spielen das faule Spiel mit, da sie weiter darauf bestehen, dass die Wahl der Mittel zum Erfolg alles andere überragt. Lieber ein dreckiges 1:0 als ein tolles 3:3.
Sowie das offensive Denken sich durchsetzt – auch dank der Tatsache, dass es Erfolg verspricht, welcher nicht etwa völlig außer Acht gelassen werden soll –, die guten Spieler den geforderten Schutz durch Regelanwendungen hätten, würden wir sie wieder Fußball spielen sehen können. Und das, so sei versichert, wäre ein wahres Spektakel.
- These 9: Der Ausgang eines einzelnen Spiels hängt sehr häufig von ein oder zwei kritischen Schiedsrichterentscheidungen ab
Jeder spürt, dass ein Tor die Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit bringt (bei der WM in Südafrika zu 80%; wer das 1:0 machte, gewann). Entsprechend wird nur defensiv gedacht. Die Schiedsrichter haben ebenfalls die Sorge, durch einen Fehlpfiff alles zu entscheiden. Und doch geschieht es: Hier wird das Foulspiel „übersehen“, dort wird das Abseitstor unterbunden, obwohl es legal war. Ein Pfiff — und alles ist gelaufen. Hier so lang, dort so lang. 1:0 oder 0:1. Und das war es. „Verwalten eines Vorsprunges“ – schon allein, dass es solche technischen Begriffe dafür gibt spricht Bände — kann fast jeder.
- These 10: Die Auslegung und Anwendung der Regeln ist gegen die Angreifer und damit gegen Torerfolge gerichtet
Ein grundsätzliches Denken pro Angreifer, pro Offensivaktion könnte im Sinne des Spieles Fußball, wo es ums Tore schießen geht, nicht schaden. Dass die These stimmt, wird aber sicher auf größere Zweifel stoßen. Insofern wird hier eine Beweistechnik vorgestellt, die, bis zur Durchführung zumindest, die Skeptiker verstummen lassen sollte:
Einzelne Szenen, in denen es um Foul oder Nicht-Foul, Handspiel oder Nicht-Handspiel in der Beurteilung geht, werden isoliert zusammen geschnitten, ohne Kenntnis der Position auf dem Platz und ohne Ansicht der Mitspieler und Tore. Dann sollen Urteile gefällt werden, welches die korrekte Schiedsrichterentscheidung in der Situation wäre. Im Anschluss würde man die im Nachhinein getroffene Entscheidung vergleichen mit jener im Spiel. Das Ergebnis würde offen legen: Die meisten Szenen werden im Spiel abhängig von der Position auf dem Feld entschieden. Je näher am gegnerischen Tor, umso mehr Nachteile haben die Angreifer. Gegenargumente sind so lange logisch unzulässig, wie dieses einfache Experiment nicht durchgeführt ist.
Weiteres Indiz: Die Abseitsfehlentscheidungen fallen zu einem sehr hohen Prozentsatz entgegen der Angreifer aus. Sorgfältig nachdenken: Es geht nur um die fehlerhaften Entscheidungen. Abseits gegeben obwohl es nicht wahr hier, laufen gelassen dort, wo es abgepfiffen hätte werden müssen. Der Prozentsatz wäre erdrückend entgegen der Angreifer. Zur Verifizierung würde ein einziger Spieltag der Fußball Bundesliga genügen.
Abgesehen davon müsste laut Regel der Prozentsatz zugunsten der Angreifer ausfallen, da dort die Formulierung aufgenommen ist: Im Zweifel für den Angreifer.
Nebenbei bemerkt ist gerade dies die Formulierung, die allgemein anwendbar propagiert wird. Pro Angreifer denken, entscheiden, auslegen. Was wäre das große Risiko? Auf Abseits bezogen sähe man häufiger einen Spieler alleine vor dem Tor, entsprechend häufiger ein Tor. Bei Elfmetern sähe man häufiger eine Entscheidung, die zwar als fragwürdig angesehen wird, die aber unkommentiert, ohne Fehlernachweis, akzeptiert wird. Und schon wieder ein Tor. Und noch ein 4:3, Schon wieder ein dramatisches Spiel. Aua, das täte aber weh!
Noch ein Indiz: Woher kommt der Begriff „nicht elfmeterwürdiges Foul“? Das Foul ist erkannt, aber ein Elfmeter wäre eine zu harte Strafe. Wo steht davon etwas in den Regeln? Es wird schlichtweg so ausgelegt und jeder scheint es zu akzeptieren. „Für so etwas kann man keinen Elfmeter geben. Dann gäbe es ja 20 pro Spiel.“ Fragen dazu: a) Weil es dann 20 Elfmeter gäbe, darf man ein Foul nicht mehr ahnden, also die Regeln nicht mehr anwenden? und b) besteht die gesicherte Ansicht, dass die Verteidiger das gleiche Abwehrverhalten anwenden würden, wenn sie wüssten, dass es „bei so etwas“ doch Elfmeter gibt? Die Antwort: Nein. Zweifel? Unangebracht.
Die schreckliche Folge: Die guten Stürmer hätten plötzlich im Strafraum öfter den Ball, würden ihn gar in Richtung Tor bekommen, manchmal sogar darin unter. Schon wider eine spannende, tolle Situation, schon wieder ein spannendes Spiel. Wer will denn so was? Schauen wir lieber weiter zähe Spiele, die bis zum 1:0 von der Spannung leben sollen, danach von der sehnlichsten Erwartung des Schlusspfiffes.
- These 11: Schiedsrichter haben Angst, eine Entscheidung zu fällen, die einen Torerfolg begünstigen könnte
Eine weitere gewagte These, vor allem deshalb, da sie rein intuitiv aufgestellt und nur psychologisch begründbar ist, insofern scheinbar haltlos. Dennoch sind die Indizien zahlreich und die Begründungen leicht nachvollziehbar.
Da es sich um eine Kernaussage handelt. lohnt es sich, ziemlich tief in die psychologische Trickkiste zu greifen, um diese These zu untermauern.
Es gibt zwei triftige Gründe, die möglicherweise zum Umdenken, auch bei dem gerade jetzt so skeptischen Leser, zwingen könnten.
Grund Nummer 1: In den Medien werden insbesondere jene Entscheidungen angeprangert, die ein im Nachhinein nachweislich irreguläres Tor ermöglicht haben. Auf der anderen Seite werden zu Unrecht unterbundene Aktionen, die zu einem Tor hätten führen können, von den Medien ignoriert oder milde behandelt. Der sich auf so etwas berufende Verlierer wird ausgelacht, der Profitierende schweigt. Dies unterstützt die Schiedsrichter in der klammen Regelauslegung gegen die Toraktionen.
Es geschieht oftmals schon bei der Anbahnung einer Torsituation, wo jedes Mittel recht ist, den Angreifer aufzuhalten, damit man ja nicht in eine Verlegenheit kommt, sobald das Tor noch näher rückt. Beispiel hierfür: Eine Ecke segelt in den Strafraum. Ein Pfiff ertönt. Frage: Für wen? Zu über 99% für die Verteidigung. Sicher, der Schiedsrichter hat etwas gesehen. Sicher, es ist etwas geschehen. Sicher, der Stürmer hat auch gehalten, gezogen oder geschoben. Sicher aber auch: der Verteidiger hat nichts weniger Ahndungswürdiges getan. Der Schiedsrichter nutzt die Chance, das Stürmervergehen zu ahnden. Der Verteidiger ist fein raus. Die Medien bleiben ruhig und milde: „Sicher hat er hier irgendetwas gesehen.“, selbst wenn oft genug die Zeitlupe nicht einmal aufzeigen kann, was es war. Der Geprellte ist der neutrale Zuschauer. Er läuft weg beziehungsweise ist schon weggelaufen. Diese Mogelpackung kauft er nicht. „Immer, wenn es spannend wird, wird abgepfiffen. Nein, danke.“ Eigentlich steht übrigens bei jedem dieser Pfiffe die unausgesprochenen Frage im Raum: „Was war denn nun schon wieder?“
Sofern man bei anerkannten Toren den Schiedsrichter an den Pranger stellt und ihm nachgeht bei einer einzigen zu einem Tor führenden, aber illegalen Aktion, auf der anderen Seite aber – sogar oft genug im gleichen Spiel — zwei fehlerhafte Abseitsentscheidungen und zwei im Nachhinein als elfmeterwürdig eingestufte Aktionen, die alle zu einem Tor hätten führen können, gnädig übergeht, so ist die Reaktion der Spielleiter damit vorgegeben und vorhersehbar. Ein Schiedsrichter sagt sich (intuitiv): „Ich pfeife lieber zehn Mal zu Unrecht ab Das wird man mir nachsehen. Hauptsache, es passiert mir kein einziges Mal, dass ich laufen lasse, ein Tor fällt, und mir wird bewiesen, dass ich hätte pfeifen müssen. Im Zweifelsfall also: Abpfeifen.“ Die Folgen sind offensichtlich und eindeutig, wie bei den meisten anderen Punkten auch: Torarmut. Spannungsabbau. Zuschauerverlust.
Grund Nummer 2, der einen Spielleiter entgegen der Torsituation votieren lässt, ist ein ebenso intuitives Argument, wird aber leicht nachvollziehbar: Ein einziges Tor bringt fast immer eine gigantische Verschiebung der Chancenverteilung für dieses Spiel mit sich, meist die Spielentscheidung. Sprich: Wenn eine Aktion laufen gelassen wird, bei der der Schatten eines Zweifels besteht, wenn ein Tor anerkannt wird bei einem Spielstand von 0:0 so hat man als Spielleiter das Gefühl, gleich das ganze Spiel entschieden zu haben (Ähnliches kann auch bei einem möglichen Ausgleichstor zum 1:1 gelten). Man sucht den Fehler an der Aktion – und wird praktisch immer fündig. Irgendwo hat sicher auch ein Angreifer mal die Hand am Trikot gehabt oder mitgezerrt und gedrückt. Da kann man guten Gewissens abpfeifen. Die Folgen für den Spielleiter? Keine. Für den Fußball? Verheerend, aber kaum spürbar, siehe Punkt „Größe des Fußballs“. Der schleichende Tod.
Der weiterführende Aspekt, der im Prinzip Teile der Lösung beinhaltet, ist aber der, dass, sowie mehr Tore fallen im Allgemeinen diese überhöhte Wertigkeit eines Tores gar nicht mehr empfunden würde. Es st ein Tor gefallen. Na und? Eher: Toll! Mal sehen, wie es weiter geht. Zumal der Spielstand ja dann auch gut und gerne mal 3:1 gewesen sein kann, wo bereits heutzutage ein Rückgang der Ängstlichkeit der Pfeifenmänner beobachtet wird. Bei mehr Toren stünde es in Zukunft häufiger 3:1, man wäre als Schiri entspannt und ließe laufen. Tore, Tore, Tore. Spannung, Action. Begeisterung. Fanzuwachs.
Übrigens lassen sich die beiden angeführten Gründe sehr leicht wieder zusammenführen: Ein Tor ist die zählbare Aktion. Ein gedachtes, ein mögliches Tor schlägt sich nicht nieder. Untersuchen wir die empfundene Reaktion zunächst bei dem nicht gegebenen Tor: Es hätte ein Tor sein müssen. Ja, sicher, das ist bitter, dass es nicht zählte. Aber: Es stand vorher 0:0, es steht hinterher 0:0. Worüber soll man sich da aufregen? Der Terminus „es hätte 1:0 stehen müssen“ existiert nicht wirklich. Wenn, denkt man vielleicht an eine vergebene Chance oder so. Es hätte, wenn und aber ist die Argumentation der Verlierer. Dieser wird nicht nachgegangen. „Ja, es hätte so Vieles so schön sein können. Gilt für mich auch. Für dich gilt: Träum mal schön weiter. So kommst du zu nichts.“
Ein anerkanntes Tor aber, welches sich zählbar niederschlägt und tatsächlich die Entscheidung bringt im Spiel – das Tor war das 1:0 und das Spiel ging so aus – kann man herrlich als „Spiel entscheidenden Fehler“ verkaufen. Denn er war es ja auch. Dass allerdings das nicht gegebene Tor eine ebenso große Ungerechtigkeit darstellt, da sie die nur theoretische, aber korrekte Entscheidung im Spiel verhinderte, leuchtet bestenfalls bei sehr gründlichem Nachdenken und Verinnerlichen ein. Dieser Umstand liegt eine Abstraktionsstufe höher. Und diese wird bei dem so schlichten Spiel Fußball ungern erklommen.
- These 12: Triebfeder für und Folgewirkung einer jeden Regeländerung/Regelanwendung/Regelauslegung generell müsste die Anhebung von Spannung, Attraktivität und Gerechtigkeit im Spiels sein.
Die FIFA-Offiziellen, die Regelkommissionen, mögen viele relevante Erwägungen bei der Festlegung von Regeländerungen oder Schiedsrichteranweisungen haben. Jedoch gerade die wirklich relevante wird viel zu wenig berücksichtigt und sollte eigentlich immer zugrunde liegen: Das Spiel soll spannender, attraktiver gerechter werden. Wir brauchen den neutralen Zuschauer. Dieser will die Toraktion, am liebsten das Tor sehen. Er möchte den Elfmeter sehen, er möchte keine Abseitsfahne sehen, selbst wenn sie berechtigt wäre. Falls es mal geschieht – sicher. Falls es zu Unrecht geschieht. Gerne. Aber nicht überwiegend.
Die USA haben zur WM im eigenen Land ein Ziel gehabt und eine große Vermarktungsmöglichkeit gesehen für dein einfachen Fall, dass es gelingt, die Toranzahl zu erhöhen, entscheiden zu erhöhen. Sie sind nicht durchgedrungen bei verknöcherten FIFA Vertretern. Nur mit der einen Forderung, die sogar Einzug in die Regeln fand und alles widerspiegelt, woran es heute mangelt, zugleich aufzeigt, wie leicht es zu beheben wäre: Im Zweifel für den Angreifer.
Übrigens: Es würde schon genügen, wenn auch nur bei unzweifelhaften Szenen für den Angreifer ausgelegt würde, da das Gegenteil geschieht. Der leiseste Zweifel? Ein Stürmer frei? Halt, stehen geblieben! Bestimmt war da was und wenn nicht, pfeife ich trotzdem. Dieses Denken muss abgewöhnt werden. Der Schiri darf nicht den permanenten Anti-climax „… schon wieder nix, schon wieder abgepfiffen“ verkörpern. Das muss verständlich gemacht werden.
- These 13: Eine empfundene, aber nicht artikulierbare Ungerechtigkeit verschreckt viele Zuschauer
Diese Ungerechtigkeit bezieht sich genau auf den Punkt davor: Die Stürmer werden benachteiligt, wissen aber selber nicht genau, was es ist. Der (neutrale) Zuschauer empfindet das mit, ebenfalls ohne es aussprechen oder zuordnen zu können. Er winkt ab und wendet sich ab, selbst wenn er nicht sagen kann, warum
Als Beweis soll hier ebenfalls eine psychologische Studie angeführt werden, die intuitiv bleibt, aber nachvollziehbar gemacht wird:
Wenn man heutzutage eines dieser vielen geahndeten, angeblichen Stürmerfouls sieht, dann sieht man fast genauso häufig einen Kopf schüttelnden Angreifer, der mit seiner Geste andeutet: „Was, ich soll gefoult haben?“ Er deutet auf sich, er zuckt die Schulter, sofern „vernünftig“ akzeptiert er, flucht ein wenig (Achtung! Gelbgefahr!) und läuft zurück. Ein guter Schauspieler, wie man annehmen muss. Ihm gelingt es, die begangene Tat zu verheimlichen, vorzugaukeln, nichts getan zu haben und noch dazu die Dreistigkeit aufzubringen, sich für das ertappt werden zu beklagen und für dieses Beklagen ist er bereit, sich eine Gelbe Karte einzuhandeln. Na, da wäre er reif für Hollywood.
Auf der anderen Seite sieht man einen Verteidiger, der einen Angreifer hart angeht, er hebt aber schon während dieser Aktion beschwichtigend die Arme, um damit anzudeuten, dass er gar nichts, aber auch wirklich absolut nichts falsch machen würde.. Er tut nichts, muss aber mit einer Geste darauf aufmerksam machen, damit es auch ja jeder sieht. Hä? Nun, auch diesem Protagonisten steht ein Engagement in Hollywood bevor
Offensichtlich ist: Der Stürmer, der den Kopf schüttelt nachdem er „ertappt“ wurde hat in Wahrheit (meist) nichts getan – hier übrigens dringend erwähnenswert, dass es oftmals nicht die Frage wäre, ob oder ob nicht gerade dieser oder jener gefoult hat, sondern wie sehr dieser oder jener foult; die Schiedsrichter haben eine gute Rechtfertigung, gegen den Angreifer zu entscheiden, da man überwiegend erkennen kann, dass auch er etwas gemacht hat, selbst wenn es nur ein „sich wehren“ ist –, während der Verteidiger, der schon während der Aktion die Arme seine Unschuld beteuernd hebt, ein Foulspiel begangen hat. Er hofft auf diese Art, davonzukommen. So viele exzellente Schauspieler gibt es nämlich nicht.
- These 14: Die Medien werden ihrer Verantwortung, den Fußball positiv zu vermarkten — der sie auch im eigenen Interesse nachgehen müssten — nicht gerecht
Hier gilt das Gleiche wie unter 1. Die gigantische Größe scheint zu rechtfertigen, dass man nur misslungene Aktionen herausstellt. Sicher ist das Problem eher deutsch, wie unter 15. Hier extra erwähnt, dass es eine Verantwortung wäre, für Zuschauerbegeisterung zu sorgen und insofern auch den Finger auf die Wunden zu legen, die da lauten: Es ist nicht (mehr) spannend. Das ist erkannt. Tut etwas! Und: Dramatik und Leidenschaft, ein Mitfiebern verkörpern, zum Ausdruck bringen (selbst wenn das hier und da gar nicht empfunden wird). Der Zuschauer könnte auch dadurch angelockt werden, anstatt immer nur von Katastrophenfehlern zu hören.
- These 15: Generell ist die deutsche Berichterstattung schlecht und steht weit hinter ausländischer zurück
Speziell in Deutschland hat sich eine Mentalität gefestigt, die nur noch Fehleranalysen und Katastrophenleistungen hervorhebt. Ein gewaltiger Komplex, der einen eigenen, längeren Teil im Text erfordert. Hier sei nur erwähnt, dass a) unter allen Umständen und für jedermann einsichtig sich zumindest Gutes und Schlechtes die Waage halten müsste, da — vergleichbar mit dem Schullehrer, bei dem alle Kinder schlechte Noten erhielten –, ansonsten etwas mit dem Beobachter falsch wäre, dieser wohl von falschen Voraussetzungen und Erwartungen ausginge und b) Emotionalität und Leidenschaft, selbst wenn nur gespielt, eine Grundvoraussetzung für jeden angehenden oder fertigen Journalisten sein müsste.
Als kleiner Motivationsvorschuss hier: Es scheint von Seiten der Berichterstatter die Befürchtung zu geben, dass man mit purer, gezeigter Begeisterung seinen eigenen Expertenstatus in Frage stellt. So etwa nach dem alt bekannten Motto: „Hoch, ist der Rasen schön grün.“ Das befürchtete Urteil über den „Experten“ am Mikrofon: „Der findet wohl alles toll, sogar den Bauerntrick, den ich schon im Sandkasten gemacht habe.“ Insofern muss man an jeder Aktion die Fehlerhaftigkeit herausarbeiten. Mal die vom Angreifer, mal die vom Verteidiger. Gut gibt es nicht. Basta.
- These 16: Das Legalisieren von Wetten und eine flächendeckende Aufklärung über die Fairness des heutigen Wettmarktes würde für gesteigertes Zuschauerinteresse sorgen
Ein sehr großer, allein stehender Komplex. Hier nur so viel, dass es garantiert einen Spannungsmacher darstellt, der die Zuschauerbegeisterung erhöhen könnte. Sofern man eine Wette auf ein Spiel platziert hat, kann auch ein schwaches Spiel extrem spannend werden, So viel kann man garantieren. Das soll kein interessanter Aspekt sein? Mitdenken ist allerorten gefragt. Gerade auf das Wetten bezogen setzt hierzulande gerne mal der Verstand aus. Wetten = Ruin. Und jetzt lass mich in Ruhe!
Aufklärung über die Fairness des Wettmarktes in dem Abschnitt darüber. Versichert werden kann hier nur, dass sich der Wettmarkt auf der Welt weiter entwickelt hat, während er in Deutschland rückschrittig und anachronistisch ist. Die Weiterentwicklung hat ihn längst weltweit aus dem Zwielicht befördert. Eine Wette zu platzieren ist nicht gleichzusetzen mit Taschendiebstahl oder Häuser in Brand setzen, was man wohl hierzulande noch unterstellt für die Gewinner, für die Verlieren hingegen stützt man sich auf die schlichte Spielsucht und den unvermeidlichen Ruin.
Übrigens wird gerade in Deutschland von allen in den Medien zu sehenden und zu hörenden Experten stets mit Nachdruck beteuert: „Nein, ich wette doch nicht.“ Da sind einerseits Zweifel angebracht, andererseits dürfte man sich ruhig damit beschäftigen, warum es einem verkauft werden soll, dass man ein Fußballspiel zwar unter allen Umständen anzuschauen hätte – schließlich sind die Leute ja gerade live auf Sendung, die diese Äußerung tätigen –, man sollte aber unter keinen Umständen so viel Anteil daran nehmen, dass man sich mit einer Wette darin verwickelt, die lediglich eine Einschätzung, eine Meinung, finanziell untermauert. Wie kurzsichtig, dieses Denken! Der Zuschauer soll bleiben, aber ja nicht mitfiebern dürfen, im eigenen Interesse. Ein regelrechtes Paradoxon. Hier ein ernster Ratschlag: Abschalten! Wegen Widersinn und Dummheit! Erzwingt Besserung.