1) Dirk Paulsen im Portrait
Der Berliner TV-Sender rbb hatte sich eines Tages mal bei mir gemeldet. Ein Journalist war wohl durch einen Zeitungsbericht auf mich aufmerksam geworden. Sie wollten ein Portrait über mich machen. Der Titel der Sendung lautete: „Ein Tag im Leben von…“ Diesmal sollte ich die Hauptperson sein. Wir vereinbarten einen Termin und dieser Journalist kam mitsamt einem Kamerateam zu mir nach Hause, um sowohl ein Interview als auch sonst ein paar Aufzeichnungen zu machen. Das war der Plan für den Vormittag. Der Nachmittag sollte natürlich auch aufgezeichnet werden. Dieser aber unter dem Aspekt: „Dirk Paulsen live bei der Arbeit.“
Natürlich war der Termin sorgfältig ausgewählt und selbstverständlich ein Sonnabend. Immer noch gibt es am Sonnabendnachmittag die meisten Fußball Spiele und da wir uns in Deutschland befinden, ist es auch der Tag mit den meisten Bundesliga Spielen.
Nun, ich musste natürlich sorgfältig auf die Darstellung achten. Wie erscheint ein Profispieler? Kann man die Schweißperlen auf der Stirn sehen? Flucht er oder freut er sich? Worüber ärgert er sich? Wie wählt er seine Spiele aus?
Selbstverständlich habe ich mich auch dabei um eine möglichst realistische Darstellung bemüht. Fluchen tue ich über die Kommentatoren und die Schiedsrichter, so wie jeder andere verrückte Fußballfan auch. Bei den tatsächlichen Leistungen der Athleten bemühe ich mich natürlich um Objektivität. Aber auch diese ist schwer zu wahren. Sowie man eine Mannschaft nämlich gewettet hat, „adoptiert“ man sie quasi mitsamt den Spielern. Und bei den eigenen Kindern, die sie dann ja vorübergehend sind, fällt das objektive urteilen manchmal etwas schwerer. Manche Leistungen sieht man vielleicht überkritisch, andere erkennt man als gut an, obwohl sie es vielleicht, zumindest im Verhältnis zum Gegner, gar nicht sind.
Das Hauptspiel, was ich an jenem Tage gewettet hatte, war der VfL Wolfsburg im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Es war noch der Saisonanfang 2008/2009. Da bin ich mit den Einschätzungen oftmals noch nicht so ganz sicher. Die Wetten waren also nicht all zu hoch. Dennoch schaute ich natürlich dieses Spiel, was man ja bei Premiere als Einzelspiel auch auswählen kann.
Das Handicap war übrigens das asiatische, die Vorgabe lautete 0.75 Tore. (Details darüber im Kapitel „Der Wettmarkt“). Die Quote war so etwa 1.85. Jedenfalls bedeutete es, dass ich bei Sieg Wolfsburg mit einem Tor nur die Hälfte des Einsatzes Mal der Quote gewinnen würde. Bei einem höheren Sieg alles, bei Nicht-Sieg gar nichts, im Gegenteil, da wäre alles verloren.
Es war wirklich ein spannendes Spiel. Frankfurt ging in Führung (fast hätte ich gesagt: natürlich, weil man als Spieler stets der Überzeugung ist, Pech zu haben; ich hab es aber wirklich). Wolfsburg war aber wirklich gut an diesem Tag. Sie haben das Spiel in der zweiten Halbzeit gedreht. Führung, 2:1. Danach haben sie aber wirklich wieder den Faden verloren. Und, ein Glück hat die Kamera und der Ton es aufgezeichnet, selten war der platte Reporterspruch so angebracht: „Wolfsburg lud den Gegner zum Tore schießen ein.“
Felix Magath, der Wolfsburger Trainer, stapfte erzürnt an der Seitenlinie entlang, laut fluchend und Anweisungen erteilend. Meine Anweisungen konnten nur die rbb-Leute hören, vermutlich wären sie ähnlich gewesen. Die Hintermannschaft zeigte die berühmten „Auflösungserscheinungen“. Wieso das bei einer Führung? Einfache Antwort: Weil ich sie gewettet habe.
Ich habe live wenigstens noch eine kleine Versicherung auf das over abgegeben, das heißt, dass ich noch ein Tor brauchte, um diese Wette zu gewinnen. Wenn Wolfsburg das Tor erzielen würde, wäre es sozusagen der „Jackpot“, ich gewinne alle Wetten, wenn Frankfurt den Ausgleich erzielt, bekomme ich wenigsten den kleinen Betrag auf die Versicherung als „Trostpflaster“.
Es kam, was kommen musste: Die 3. oder 4. „Einladung“ (da sehen Sie, wie ungnädig man auch mit den eigenen Kindern werden kann) hat Frankfurt dankend angenommen. 85. Minute, das 2:2.
Merkwürdigerweise (als erfahrener Fußballbeobachter kennt man das Phänomen; die Erklärungen bleiben aber obskur) „ging“ es danach wieder bei Wolfsburg. Noch zwei Chancen, eine davon ein Lattenschuss, das wars, Schlusspfiff. Die Abrechnung, die danach noch in Bild und Ton aufgezeichnet wurde, ergab ein Minus von 500 Euro auf alle (Bundesliga-)Spiele an diesem Nachmittag. Die anderen Ergebnisse waren also eher günstig, das Hauptspiel, trotz Versicherung, verloren.
Dieser Tag war allerdings nicht der 10.Januar 2009. Es war ein ganz normaler Tag im Leben von…
„Was ist Ihr Beruf? Aha, Profispieler. Na, wie läuft denn das Geschäft so? Können Sie in die Zukunft schauen?“ „Es ist eher so: Ein Mensch wählt sich irgendein Spiel aus. Das schaut er an und das versucht er, zu gewinnen. Und gefühlsmäßig gelingt das auch. Geschätzt so etwa in einem von 100 Fällen.“ Das ist leider die Wahrheit.
2) Der 10. Januar 2009
Deshalb erzähle ich Ihnen hier mal einen weiteren, ganz normalen Tag. Nämlich diesen 10. Januar. Wie fühlt man sich? Was passiert tatsächlich an so einem Tag? Was habe ich wirklich alles gespielt? Bin ich durchgedreht (ja!)? Ich versuche, Ihnen das wirklich nahe zu bringen mit einer hoffentlich plastischen Schilderung. Die schonungslose Ehrlichkeit mir selbst gegenüber wissen Sie hoffentlich zu schätzen. Vergessen Sie alles, was ich vorher erzählt und Ihnen geraten habe. So geht es einem wirklich. Natürlich sollte man dabei immer berücksichtigen, in welcher langfristigen Phase man sich gerade befindet. Und die langfristige Phase war gerade das „Verlieren“. Das erklärt vielleicht manche Empfindungen noch besser.
- Das Aufwärmprogramm
Der 10.Januar war also ein Sonnabend. Da finden zwar trotzdem recht viele Spiele statt, aber eben keine Deutschen. An Ligen spielen die Englischen komplett, zwei Spiele in Italien, zwei Spiele in Spanien und fast alle Spiele in Frankreich. Die Spanische Segunda spielt auch, etwa 6 Spiele. Dazu gibt es in der Nacht noch die NBA, Basketball.
Ich setze mich also irgendwann am Vormittag an die Arbeit. Die nächtlichen Ergebnisse der NBA müssen noch erfasst werden im Computer, die Wetten abgerechnet werden. NBA Ergebnis: ca. +500. Erfreulich. Aber, wie der Engländer so schön sagt „Nothing to write home about.“ Die Quoten für die nächtlichen Spiele müssen berechnet werden. Das macht der Computer zwar automatisch, aber ich schaue alle Quoten noch mal durch und passe an, was ich für erforderlich halte.
Dann wird gewettet. Der größere Teil meiner Wetten ist auf over/under. Mein Computer kann das nach meiner Einschätzung besser als die Anbieter. Das hat einen einfachen Grund: Im Laufe der Jahre lernt fast jeder, ein Spiel in seiner Verhältnismäßigkeit Sieg/Niederlage einzuschätzen. Aber wie viele Tore fallen werden, das kann man kaum erlernen. Ich selber ehrlich gesagt auch nicht. Aber mein Computer gibt mir ja darauf die Antworten.
Also ich gehe alle Spiele durch, die stattfinden. Man nennt die over/under Wetten auch die Wetten auf „totals“ und die anderen auf 1-X-2 die Wetten auf die Seiten, ich zumindest. Es gibt noch keine so einheitliche Terminologie. Also bei den Seiten bin ich sehr vorsichtig. Ich spiele nur, was mir wirklich gut gefällt, wo ich die Mannschaften kenne etc. Dazu noch spiele ich klein. Diese Wetten habe ich bald durch. Es gefällt mir wenig, der Umsatz ist auch nicht besonders hoch.
Dann die Wetten auf die over/under. Zu meiner eigenen Sicherheit lasse ich mir noch schnell bestätigen, wie gut mein Computer ist und wie schlecht meine Phase ist. Er gibt mir aus (ich habe es wirklich speziell an diesem Tag nachgeschaut, zufällig): In dieser Saison habe ich 7% Verlust auf die Totals! Das ist eine unfassbar schlimme Zahl. Der Markt ist so berechnet und ausgelegt, dass auch Sie und auch ein Affe maximal nur 4% verlieren würde bei zufälliger Auswahl der Spiele (natürlich nicht, wenn man immer beide Seiten auswählt; Voraussetzung: Pro Spiel eine Wette). Also der Beweis ist erbracht. Mein Computer ist phantastisch. Und ich bin ein gigantischer Pechvogel.
Praktisch sieht diese „Phase“ dann so aus: Ich spiele bei einem Spiel ein over, beim anderen ein under (es ist keineswegs so, dass mir der Computer eines von beiden häufiger empfiehlt; es hält sich die Waage). Das over Spiel steht bis zum Schlusspfiff 0:0. Keine Frage. Und beim under gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ist es schon zur Halbzeit verloren oder es ist erst in der zweiten Halbzeit verloren. Jedenfalls ist eins gewiss: Es ist verloren und es gibt ein Torfestival. Leider ist auch das die Wahrheit. Allerdings werden Sie sich fragen, wie man es dann schafft, „nur“ 7% zu verlieren? Das meine ich mit (fehlender) Objektivität. Das eine ist Gefühl, das andere die Wahrheit (gibt es so etwas denn?). Aber 7% müssen Sie erstmal überbieten, bevor wir uns über die Empfindungen dabei auf der gleichen Stufe unterhalten können.
Beim Abschluss der Wetten bin ich dennoch an diesem Vormittag auch weiterhin etwas „mutiger“. Ich spiele sie höher. Mein Algorithmus ist gut. Und irgendwann muss doch diese Strähne auch mal vorbei sein?
Nachdem ich alle Spiele durch gewettet habe, schaue ich mal kurz auf den Umsatz: Ich habe 46000 Euro im Einsatz (gut, die Zahl geht durch 2, Christian, mein Partner, ist immer dabei). Aber es gibt ja noch zumindest zwei weitere Leute, die auch noch Umsatz auf meine (kombiniert mit anderen Zahlen und news) wetten und bei denen wir beteiligt sind. Also der wirkliche Umsatz ist noch höher. Aber jetzt kommt ja erst noch das Live-Wetten!
NBA habe ich übrigens auch mittlerweile geschaut und die ersten Wetten platziert (oftmals kommen erst die Spiele am Nachmittag ins Wettangebot; ich kann sie also erst nachmittags spielen).
- Die Spiele beginnen
Das erste Spiel ist das Spiel Aston Villa – West Bromwich Albion. Leider ist mein Sky Sports Decoder gerade ausgefallen. Ich kann das Spiel nicht sehen. Der Computer hatte mir geraten, Aston Villa zu spielen. Und ich habe Aston Villa mehrmals gesehen diese Saison. Sie sind wirklich superstark. Ich hätte sie auch gerne genommen. Aber den Gegner, West Bromwich, hatte ich auch mehrmals gesehen und auch mehrmals gewettet. Und zuletzt hatten sie ein paar ganz gute Ergebnisse erzielt, obwohl noch immer Tabellenletzter. Also ein so genanntes „Pass“, ich spiele das Spiel nicht.
Die Folgen sind klar: Nach wenigen Minuten das 1:0 (ich sehe das Ergebnis in einem Livescore im Internet), bald danach das 2:0. Ich denke mir, der Fall ist klar, Mathematik und Schicksal lachen mich aus. Ich brauche nur nicht zu spielen, damit meine Computereinschätzungen bestätigt werden. Aber ich habe „Glück“ bei diesem Spiel: West Brom gelingt der Anschlusstreffer, das Spiel endet 2:1 und ich wäre so oder so pari gewesen: Das Handicap war 1. Das bedeutet, beim 1-Tore-Sieg, dass alle Wetten darauf pari sind. Darf ich mir jetzt schon zum ersten Mal Schweiß abwischen, oder wie?
- Das erste Live Spiel
Es geht auf 16 Uhr. Die Englischen Spiele beginnen. Allerdings hat der wirklich harte Winter (bis –20 Grad, auch in Berlin) sogar in England Einzug gehalten. Es hagelt Spielabsagen. Sogar in der Premier League können zwei Spiele nicht angepfiffen werden.
Dennoch läuft ein Spiel live: Arsenal – Bolton. Ich habe auf die Seiten nichts gespielt, Bei dem Spiel war auch nichts angezeigt. Aber der Computer hat mir geraten: Over. Es kommen Tore. Nun ja, warum nicht, Bolton war in einem recht guten Lauf und bei Arsenal ist doch immer was los? Ich spiele 1000 Euro (nicht mal sehr viel) auf das over.
Nun weiß ich ja seit längerem, wie ein solches Spiel verläuft: Egal ob Chancen oder keine, es steht auf jeden Fall immer 0:0. Und Arsenal hat zwar gleich eine Riesenchance, aberRobin van Persie haut die Kugel, freistehend im 16er, drüber. Was wäre, wenn…? Na ja, irgendo muss mal wieder der Schmetterling in die falsche Richtung geflogen sein…
Jetzt ist Objektivität gefragt: Das Spiel ist eindeutig ein under, vom Spielverhalten her. Bolton nimmt praktisch nicht teil am Spiel. Sie bauen einen (undurchdringlichen) Abwehrriegel auf. Nun gut, soll ich jetzt gleich das under live wetten? Das wäre doch absurd: Ich spiele ein over, schaue das Spiel 20 Minuten lang an, dann spiele ich das under? Dann hätte ich ja gleich das under spielen können. Aber man kann sein Schicksal nich so ohne Weiteres „austricksen“. Wenn ich das under gespielt hätte, dann wäre ja van Persies Schuss reingegangen und es wäre ein over gewesen?
Also ruhig, Axel, es läuft. Es läuft sogar wirklich gut. Es steht nämlich zur Halbzeit immer noch 0:0. Und es gab nicht mal eine (weitere) richtige Chance!. Ein Blick auf die parallel laufenden Spiele zeigt mir, wie einfach es ist, das Tore fallen. Zum Beispiel bei Leicester, denn da habe ich under gespielt. 1:0, 2:0, dazu hatte ich Leyton Orient, den Gegner. Na bitte. Aber nicht alle Ergebnisse sind schlecht. Everton macht das 1:0. Die hab ich, und das over. Auch ein paar andere Ergebnisse zeigen mir zumindest: Noch ist nicht ganz sicher, dass du auch heute wieder alle Spiele verlieren wirst. Vielleicht kommt doch eins… Und das ist keinswegs dichterische Kunst, dass ich das hier so sage. Es ist das, wie ich in dem Moment (und der Moment ist eigentlich eher so ein Leben lang) denke und empfinde.
Bei Arsenal beginnt die zweite Halbzeit. Kein Tor, keine Torchance weit und breit. Bolton fängt aber an, ein wenig mitzuspielen. Dennoch: Ein klares under. Nach 54 schaue ich erstmal auf den Live Kurs auf over/under. Und da sehe ich: Der Kurs ist noch über 2.0 auf das under 1.25 Tore. Damit können Sie nun sicherlich nicht all zu viel anfange, aber ich weiß, dass das ein typischer Kurs für ein Spiel ist, wo viele Tore fallen, zumindest erwartet werden. Und so ist dieses Spiel einfach nicht. Ich platziere also meine erste Live Wette. Arsenal – Bolton, under 1.25 Tore, Kurs 2.06, Einsatz 500 Euro.
Die Wette war zwar nach meiner Einschätzung wirklich gut. Nur hatte ich mir a) jetzt ein richtiges Antijackpot Ergebnis zugelegt (falls zwei Tore fallen würden, würde ich beide Wetten verlieren; das ursprüngliche over und das live under auch) und b) würde es mir ja auch nicht helfen, wenn tatsächlich kein Tor oder nur noch ein Tor fallen würde. Ich hätte in beiden Fällen trotzdem Minus.
Ähnlich wie mir in solchen Momenten muss sich wohl der Schneeball auf dem Ofen fühlen. Aussichtslos, hilflos, ausgeliefert. Die Entwicklung in den anderen Spielen war zwar nicht ganz so hoffnungslos, aber auch nicht unbedingt erbaulich. Everton hatte auf 2:0 erhöht. Aber ich brauchte für das over noch ein Tor. Middlesbrough war gegen Sunderland in Führung gegangen. Das war das schlimmste, was passieren konnte. Nicht nur, dass ich Sunderland +0.25 hatte, ich also auch bei Remis nur halben Gewinn hätte, war es auch noch das teuerste under an diesem Nachmittag.
Wie gesagt, es gab aber auch ein paar bessere Ergebnisse. Dennoch: Das live Spiel beschäftigt einen zwangsläufig am meisten. Das eine ist, dass man möglicherweise mit der ungünstigen Entwicklung und mit dem Pech hadern mag. Das andere ist, dass man dennoch bei klarem Verstand versuchen muss, kluge Entscheidungen zu treffen. Und das Spiel Arsenal – Bolton war zwar ein under, aber ich musste darauf gefasst sein, dass sich das Spielverhalten noch einmal verändern würde. Das ist moderner Fußball. Es geht nicht mehr, einfach so einen Gegner zu überrennen. Manchmal muss man auch eine kluge langfristige Strategie anwenden und den Gegner entweder einschläfern oder ermüden.
Die Veränderung kam. Und zwar so um die 65. Minute. Und das ist sehr häufig eine Spielminute, wo sich etwas verändert, wie ich durch jahrelanges beobachten festgestellt habe. Arsenal drehte noch einmal richtig auf. Plötzlich geriet Bolton in einen unwiderstehlichen Druck. Jetzt musste ich reagieren. Die line auf das over war bei 0.75. Das bedeutet, wenn man jetzt over spielt, gewinnt man die Hälfte des Einsatzes Mal der Quoten, falls noch ein Tor fällt. Bei zwei Toren wäre es der gesamte Einsatz (mal Quote). Ich platzierte 1500 Euro auf over, Quote 1.86. Das würde bedeuten, dass ich, falls ein Tor fiele, schon kaum noch Verlust machen würde. Dennoch merkte man: Das kann Bolton nicht überstehen. Ich hätte auch jetzt Arsenal spielen können. Aber ich entschied mich für ein weiteres over. Also weitere 1500 Euro auf over. Kurs inzwischen (der steigt, weil Zeit vergeht) 1.93. Jetzt gab ich aber Ruhe. Jetzt gab es nur noch Hoffen und Bangen oder Beten und Daumen Drücken. Keine Versicherung mehr, gar nicht möglich, kein weiteres Risiko. Jetzt muss ein Tor her. Und wenn es nicht fällt? Ich erwäge dann immer: Wenn es nicht fällt, erübrigt sich jegliches Argumentieren über Vor- oder Nachteil. Selbst wenn man es tut. Aber hingegen wenn es fällt, muss ich das Geld auch nicht zurückgeben, selbst wenn ich einen Nachteil gehabt hätte.
Da, ein richtiger Riese, wieder van Persie, der letzte Gegenspieler, eine geschickte Körpertäuschung, jetzt noch am Torwart vorbei, der Ball passt, der MUSS passen, Pfosten, raus. Wie viele Chancen brauche ich, bis ich mich einmal freuen darf? Bendtner wird eingewechselt. Der englische Kommentator, übersetzt: Da sie jetzt den Ball häufiger in den Strafraum schlagen würden, braucht er noch einen großen Angreifer. Freistoß Arsenal, gute Position, direkt nach der Einwechslung. Bendtner wirklich erst 5 Sekunden auf dem Feld und ich überlegte, ob es einen Rekord gäbe, nach wie viel Sekunden ein Spieler, der eingewechselt wurde, am schnellsten getroffen hat? Der Ball segelt in den Strafraum, Bendtner erreicht den Kopfball, aus 5 Metern, es wäre vielleicht der Rekord gewesen, aber der Ball kommt genau in die Mitte, der Torwart hält den Ball zuerst nicht fest, aber dann stürzt er sich drauf. Wieder nix. Weiter warten, hoffen bangen.
Die Minuten verrinnen. Den Beweis, dass die Entscheidung für das over die korrekte war, liefert Bolton bei einem weiteren Konter: Arsenal war sehr geöffnet, 4 gegen 3, aber ein ungenaues Zuspiel, wieder nix. Arsenal drängt aber, Arsenal drückt. Das Publikum pfeift bei jedem weiteren Befreiungsschlag. Auch sie wollen es erzwingen. Und endlich, 86.Minute, perfekt durchgesetzt von Adebayor im Zusammenspiel mit van Persie, die Flanke auf den langen Pfosten und ausgerechnet Bendtner, der mit zwei Fehlpässen vorher viel versprechende Angriffe zunichte gemacht hatte, steht da und schiebt den Ball ein. Doch noch das 1:0! Egal, was jetzt passiert, ich habe kein Minus. Aber im nächsten Angriff sofort die Riesenchance zum Ausgleich für Bolton. Gehalten. Das Tor hätte so ca. 1000 Euro eingebracht, abgesehen von der Chance, dann noch das ursprüngliche over gewinnen zu könne, wenn dann noch ein Tor fällt.
Danach Arsenal noch mit zumindest einer Riesenchance, aber wieder nix. Nun ja, Schlusspfiff, aber sollte ich mich jetzt freuen? Ich tat es einfach, weil ich den Supergau abwenden konnte und sogar noch ein kleines Plus erzielt habe (ca. 600 Euro auf das Spiel; di Rechnung? Na gut, hier: 1000 Euro komplett verloren, das ursprüngliche over. 500 Euro auf das under in der 55.Minute halb gewonnen. 250 * 2.06 ergibt 515, minus dem Einsatz von 2 50 ist ein Plus von 265 Eur0 auf diese Wette, Das erste live over halb gewonnen. Also 750 Euro * 1.86 = 1395, Minus dem Einsatz von 750 ergibt einen Reingewinn von 645 Euro auf diese Wette. Das zweite over auch halb gewonnen. Also noch einmal 750 * 1.93 = 1447.5. Abzüglich Einsatz ergibt einen Gewinn von 697.5. Alle Werte zusammen: -1000 + 265 + 645 + 697.5 = 607.5 Euro Reingewinn).
Schweiß abwischen und die anderen Ergebnisse studieren…
- Die anderen Ergebnisse
Everton war beim 2:0 geblieben. Das teurere over also verloren, ergibt Verlust auf das Spiel. Sunderland hat noch den Ausgleich geschafft. Und es ist dabei geblieben. Beide Wetten halber Gewinn, das teuerste under also nicht verloren! In der zweithöchsten Liga in England, der Championship, hatte Charlton früh 0:2 zurück gelegen. Ich hatte over. Auch noch Minus. Leicester hatte in der 84.Minute noch das 3:0 erzielt. Auch das under halber Verlust. Brentford hatte auswärts geführt und gegen 10 Mann gespielt. Aber den Ausgleich kassiert. Pari. Mein Glückstor: Northampton hatte, ebenfalls mit 10 Mann den Ausgleich erzielt. Aber auch diese Wett nur pari statt Verlust.
Aber ein Spiel lief noch. QPR – Coventry hatte ich under und Coventry. Coventry hatte 1:0 geführt, aber Platzverweis gegen sie. Das große Zittern begann. Und 87., als die anderen schon zu Ende waren, der Ausgleich. Oh weh, noch drei Minuten plus Nachspielzeit. Aber das Ergebnis hatte auch Bestand. 1:1. Mensch, schon lange nicht mehr so eine guten Nachmittag gehabt. Ich schaute aber auf die Endabrechnung bei meinem Anbieter, wo ich gespielt hatte (asiatisch). Und was sehe ich in der Summe? Ein Minus von 443 Euro nach Abrechnung aller Wetten! Nun können Sie sich in etwa vorstellen, wie es so einem Genie wie mir geht. Wenn ich mal richtig gute Ergebnisse habe, dann schaffe ich es beinahe sogar mal einen ganzen Nachmittag lang, nicht zu verlieren. 443 Euro. Das ist doch fast pari, oder?
- Das zweite und dritte Live Spiel
Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass meine Laune nicht übermäßig gut war nach dieser Erkenntnis. Aber, ich erinnere an Otto, „mit einem Messer im Rücken geh ich noch lange nicht nach Hause.“ Jetzt war es genau 18 Uhr und das Spiel Genua – Ac Turin begann. Ich konnte es bei dem asiatischen Anbieter ibc anschauen. Man kann das aber nur, wenn man auch eine Wette platziert. Nun gut, bei dem Spiel war es einfach, aber auch irgendwie zu verlockend: FC Genua war angezeigt, und das auch noch sehr deutlich. Dazu das over. Bei dem over hatte ich weniger Bedenken. Warum sollten denn jetzt schon wieder keine Tore fallen? Aber bei der Seite, Genua, war ich insofern skeptisch, dass man gerade in Italien oftmals die Spiele mit den größten Vorteilen überhaupt nicht gewinnen kann. In Italien gelten wohl etwas andere Gesetze, die ich hier nicht näher erklären möchte. Allerdings von der Saisonphase her ist es sicher kein Spiel, bei dem man sonderlich skeptisch sein müsste.
Ich spielte also beides und sogar das over ein bisschen höher. Ich konnte kaum glauben, was ich sah: Ich hatte Genua gespielt und Genua war gut, überlegen! Nicht genug damit, sie erzielten sogar nach 12 Minuten das 1:0. Bei solch ungewohnten Glücksgefühlen schlich bei mir sofort Skepsis ein. Wieso sollte ich denn plötzlich einfach so ein Spiel gewinnen? Also begann ich allmählich, kleine Versicherungswetten auf Turin und auf under zu platzieren. Das bedeutet, dass man, da man ja ein günstiges Zwischenergebnis hat, einen kleinen Gewinn auf Teile der Wetten nimmt, dafür aber den Swing und damit das Risiko reduziert. Es begann auch nach und nach, Turin die Initiative zu übernehmen. Auf der anderen Seite ist so etwas alles andere als ungewohnt für Italien. Man führt 1:0. Das ist die halbe Miete. Ab jetzt heißt es, diese Führung zu verteidigen. Und ich meine das nicht mal negativ. Das ist die zeitgemäße Taktik, die in Deutschland entweder verpönt oder unbekannt, jedenfalls nicht angewandt wird.
Nun, die Halbzeit kam näher, das Ergebnis blieb unverändert. Parallel aber startete das Spiel Stoke City – Liverpool. Der Computer hatte mir empfohlen, Stoke (mit +1.25) und das under zu spielen. Ich folgte seiner Empfehlung, allerdings auch in diesem Spiel eher vorsichtig. Liverpool ist mir einfach zu stark. Allerdings hatte Liverpool ein paar Aufstellungssorgen, so dass der Kurs sowieso schon vorm Spiel etwas einbrach auf Stoke. Es war also nicht mehr so interessant, hätte man früher spielen müssen.
Ich beobachtete also beide Spiele auf zwei Bildschirmen. Oftmals mache ich das dann so, dass ich ein Spiel schaue und das andere höre. Das ist eine gute Strategie. Durch das Hören (englischer) Kommentare erfährt man wirklich, auch vom Spannungsaufbau her, wie ein Spiel verläuft. Und das Schauen genügt mir auch ohne Ton. Bei Genua war bald Halbzeit, das Ergebnis weiterhin 1:0. Keine Katastrophe natürlich. Aber das (teurere) over noch in weiterer Ferne.
Stoke – Liverpool hätte der Computer nicht besser einschätzen können. Es war ein under und Stoke war stark. Also keine Sorge und keine Versicherungen. Ich habe sogar live das under noch nachgespielt. Stoke hielt sich das ganze Spiel hindurch wirklich gut. Man hätte sie live auch noch nachspielen können. Aber ich will ja nicht gierig werden. Hatte aber live mit Christian telefoniert und ihm gesagt, nur Stoke, aber freuen wir uns, wenn wir es gewinnen.
Auch bei Genua fiel kurz nach der Pause das 2:0. Ja, gibt’s denn das? Mein Glückstag oder was? Ich musste nicht mal besonders besorgt sein, als sie bei einem weitern Konter, nachdem ich auch noch mal 400 Euro versichert hatte auf under, sogar das 3:0 erzielten. Nun gut, die Versicherungen ergaben inzwischen die stattliche Summe von 1100 Euro. Und diese waren komplette. Trotzdem war das 3:0 das beste Ergebnis. Ich frage mich nur, ob es auch mal einen Tag geben würde, wo ich ein Spiel gewinnen würde, ohne versichern, schwitzen oder sonstige Wehrmutstropfen? Nun gut, es kommen ja hoffentlich noch ein paar Tage… Das Spiel selber ergab ein solides Plus von über 1000 Euro.
Nebenbei wehrte sich Stoke nach Kräften. Sie waren sogar, bei ganz objektiver Beurteilung über die 90 Minuten, etwas näher dran am 1:0. Ebenfalls so zur 65.Minute hielt ich das Zittern allerdings nicht mehr aus und habe auch bei dem Spiel etwas versichert. Ich habe live 1000 Euro auf das over gespielt. Das hieß, dass ich bei 1:0 für Stoke das Jackpotergebnis gehabt hätte. Nun, wir wollen doch nicht kleinlich werden. Es blieb, trotz eineiger wirklich guter Chancen (auch das 1:0 für Liverpool hat einmal nur der Pfosten verhindert, kurz vor Schluss), wäre besser als 0:0 gewesen. Aber immerhin: Schon wieder ein Spiel mit Plus abgeschlossen!
Sollte sich das Blatt heute wenden? Die Gesamtabrechnung nach diesen Spielen habe ich nicht geschaut. Es ging jetzt Schlag auf Schlag. Liverpool hatte um 18:30 angefangen. Es endete also etwa, inklusive der englischen großzügigen Nachspielzeit, um 20:25. Um 20:30 begann…
- Das vierte Live Spiel
Inter Mailand – US Cagliari. Angezeigt war Inter Mailand, natürlich zu einem Handicap von 1.5 Toren. Das heißt, dass man bei einem italienischen Traumergebnis von 1:0, was Inter sicher anstrebte, immer noch verlieren würde. Aber dennoch hatte ich Inter mehrfach gesehen in den letzten Wochen. Und meistes waren sie heiß, wollten mehr.
Außerdem musste ich ja spielen, damit ich es anschauen konnte. Also platzierte ich 1000 Euro auf Inter, Sieg mit 2 oder mehr Toren. Over/under passte, da war nichts angezeigt.
Ich schaute also dieses Spiel. Inter war von Anfang an im Vorwärtsgang. Das konnte man natürlich auch erwarten. Aber so ab der 35.Minute wurden die Sprecher allmählich ein bisschen ratlos. Sie sprachen von „inexplicable misses“. Ich habe ja bereits eine Menge Kommentare gehört. Aber der war mir auch neu. Unerklärlich, was sie für Chancen verpassten. Zumal ja Ibrahimovic der best verdienende Spieler der Welt ist und gerade er die besten Chancen ausließ.
Seit das Live Wetten so einen bedeutenden Teil in Anspruch nimmt, habe ich auch in diesem Zusammenhang immer einen Traum. Der sieht in etwa so aus: Ich spiele eine Mannschaft mit –1.5 Toren. Dann erzielt diese Mannschaft kein Tor, ist aber am Drücker. Dann schreitet das Spiel voran, das Handicap verändert sich allmählich, da ja Zeit vergeht und der Favorit noch nicht führt. Dann, sagen wir mal in der 60.Minute spiele ich diese Mannschaft dann mit dem aktuellen Handicap, also –0.75, noch einmal nach. Und dann geschieht das Wunder: Die Mannschaft gewinnt. Und das am Ende sogar noch mit zwei Toren. Eben unrealistisch, ein Traum halt.
Bei Inter hatte ich den naiven Gedanken, dass es heute so weit sein könnte. Die unerklärlichen Fehlschüsse, bildete ich mir ein, könnten sich am Ende ja positiv auswirken, wenn ich Inter live nachspiele. So tat ich es in der 60.Minute. Inter war so drückend, das muss doch einfach mal fallen, das eine Tor.
Mittlerweile war ich aber, ganz zockertypisch richtig „heiß“ gelaufen. Und die Idee war klar und zur Umsetzung bereit. 1500 Euro auf Inter, -0.75, Quote 1.85. Und 2 Minuten später noch einmal 4000 Euro auf Inter, Quote immer noch 1.86. Jetzt geschah das , was man auch aus durchschnittlich guten Filmen und vielleicht vom Berliner Kiez her kennt, wo die „Freier“ ausgezogen, rasiert, abgezockt werden. Meine Wetten waren platziert. Der Regisseur raunt den Darstellern zu: „Der Freier ist drauf, jetzt könnt ihr anfangen.“ Bei „Der Clou“ läuft das auch in etwa so. Es waren also insgesamt jetzt 6500 Euro auf Inter. Alle Wetten warn bestätigt. Cagliari konnte also den Ball bekommen, nach vorne transportieren, noch ein Anspiel in den Strafraum, alles geht auf, perfekt, kein Widerstand, das 0:1.
Nicht, dass mir diese Szenario in irgendeiner Form unbekannt vorkam. Ich hatte damit durchaus und reichlich Erfahrung. Und die macht eben nicht jeden klug. Bei der Vorgeschichte des bisherigen Tages hielt ich es aber plötzlich und unerwartet für möglich, dass es doch einmal anders kommen könnte. Es ist eben das Schicksal meines Lebens. „Rechne du mal schön. Ich zeig dir schon, wer der Herr und Meister über die Zahlen und Dirigent bei der Zuteilung von Glück und Pech ist.“
Ich schaute das Spiel weiter. Wenn ich ganz objektiv geblieben wäre, hätte ich auch gesagt, das ist noch lange nicht vorbei, das kann Inter locker noch drehen. Bei meiner allgemeinen Gemütsverfassung aber war mir dieses Denken unmöglich. Dennoch versuche ich das Häuflein Restverstand zu konzentrieren. Vielleicht gibt es doch noch eine „gute Wette“, die ich finden könnte? Habe ich Sie eben unmerklich aber doch lachen hören? Ich fand sie dennoch, in Form eines overs. Die Wette lautet also jetzt zur 70.Minute: Over 0.75, Quote 2.02. Ich brauche also ein Tor für halben Gewinn. Einsatzhöhe, da hatte ich mich jetzt, als richtiger und verrückter Zocker zu erkennen gegeben: Weiter 4000 Euro.
Die parallel laufende objektive Tageszeituhr beweget sich gerade Richtung 22 Uhr. Ein letzter Pfeil befand sich noch in meinem Köcher. Das spanische Abendspiel Valencia – Villarreal begann. Einmal heiß gelaufen und richtige im Brand kann man sich jede Wette schön reden. Der Computer hatte zu keiner Seite geraten. Nur das over war deutlich angezeigt. Aber was sollten mir jetzt lächerliche 1500 Euro noch helfen? Ich hatte beide Mannschaften die Wochen vorher gesehen. Und sie sind beide stark, ohne Zweifel. Villarreal hatte aber, irreführend, eine kleine Negativserie aufzuweisen. Diese resultierte aber aus der Serie der Gegner. Nämlich Sevilla – Barcelona – Real Madrid. Also die Top 3. Alle etwas unglücklich und jeweils mit einem Tor. Also spielte ich, einfach so, als heiß gelaufener Irrer, 4000 Euro auf Villarreal. Wie gesagt, die bezahlte Quote lag unterhalb der Comuterquote.
Ich benötigte jetzt also dringend seelische Unterstützung. Ich ergriff das Telefon und rief Christian an. Er sollte bezeugen oder Ratschläge geben. Das Inter Spiel lief auf die 75.Minute. Ich schaute gebannt auf die weiteren verpassten Chancen. Ich verpasste den Anpfiff von Valencia um genau 2 Minuten. Ich schaltete ein, schaute, wie üblich, auf das eingeblendete aktuelle Ergebnis und rieb mir ein weiteres Mal die Augen: Da stand 1:0 für Valencia. Ich erfuhr später, dass das Tor nach 58 Sekunden gefallen war. Weitere 4000 Euro waren auf dem Weg Richtung Abgrund.
Inters Bemühungen wurden aber in der 77.Minute belohnt. Ibrahimovic stand diesmal wirklich fast auf der Torlinie nach der perfekten Vorarbeit des gerade eingewechselten Hernan Crespo. „He cant miss from there.“ And he didnt. Das 1:1. Nicht der absolute Antijackpot. Das over war zur Hälfte gewonnen. Und noch hatte ich 13 Minuten plus Nachspielzeit, die in Italien auch immer großzügig ausfallen würde, das Inter noch das Siegtor (ganz zu schweigen vom 3:1) erzielte.
Ich schaute beide Spiele gebannt. Das Valencia Spiel war ein fettes over, wie man sofort sah. Sicher, ein frühes Tor kann gut dazu beitragen. Villarreal hatte zwei Riesenchancen zum Ausgleich. Einmal Latte, einmal der Torwart mit den Fingerspitzen unfassbar! Nach 7 Minuten beschloss ich, das superstarke Villarreal noch einmal nachzuspielen. Freier im Brand. Weitere 2500 Euro auf Villarreal, +0.25. Das bedeutet, dass sie sogar mit einem Tor verlieren könnten und ich hätte diese Wette immer noch zur Hälfte gewonnen. Die Wette war platziert in der 8.Minute, in der 9.Minute bekam ich den gerechten Lohn: Das 2:0 für Valencia.
Auf dem anderen Bildschirm wartete ich verzweifelt auf das 2:1. Und Inter wollte mit allen Mitteln den Sieg, Das kann keine Schauspielerei sein. Zwei „Krämpfe“ bei Cagliari verzögerten das Spiel. Aber auf die italienischen Schiedsrichter ist doch Verlass? Dann, ein perfekter Angriff von Inter, über außen, in den Strafraum, noch mal abgelegt auf Muntari, perfekte Torchance aus 7 Metern, am Torwart vorbei, geschlenzt, ich stand schon, darf ich einmal jubeln? Der Pfosten hatte auch diesmal was dagegen.
Bei dem Spiel 0:2 nach 9 Minuten, zwei mal das gespielt, sofort nach den Wetten das 0:1 und das 0:2, beim anderen Spiel direkt nach dem Platzieren der teuren Wetten ebenfalls das 0:1und nach dem längst fälligen und hoch verdienten Ausgleich noch ein Riese und wieder kein Tor. Selbst wenn es nicht verdient wäre, könnte es ja trotzdem mal passieren. Dann, die Nachspielzeit, 5 Minuten angezeigt. Schon wieder ein Spieler mit Krampf am Boden. Dann doch noch die perfekte Chance, Flanke, Kopfballablage, über die Linie gedrückt von Mancini. Ich wollte den unglaublichen Schrei der Erleichterung gerade ausstoßen, als ich doch noch den Blick auf den Assistenten warf: Die Fahne war oben. Nicht, dass es mich noch sonderlich interessiert hätte, aber die Entscheidung war zumindest zweifelhaft. Dann der Abpfiff. Solide 4500 Euro „went begging“, im Sand, verzockt. Wer fragt da noch nach Gerechtigkeit?
Jetzt musste mein letztes, hoffnungsloses Pferdchen, die Kastanien, aber nicht au dem Feuer sondern eher aus der Hölle holen. Hatte es dort überhaupt Zutritt? 0:2, immerhin hatte ich mit dem over noch eine Chance.
Aber Villarreal war stark. Enorm stark. Saustark. Aber Valencia immer gefährlich bei den Kontern. Ein phantastisches Fußballspiel, was sogar diesem sonst überkritischen Deutschen Kommentator auffiel. „Das macht richtig Spaß.“ Ja, einem Fußballfan vielleicht. Nicht jemandem, der schon wieder einen Haufen Kohle den Bach runtergehen sieht. Christian war, ebenfalls noch unter Schock, noch immer am Telefon. Ich sage zu ihm: „Das ist das fetteste over der Weltgeschichte. Das muss man einfach nachspielen. Jeder Angriff eine Torchance.“ Und was immer man sich zurecht legt, ob ich sie auch die „beste Wette des Tages, der Woche, des Monats“ nenne. Die nun darauf platzierten 8000 Euro sind eigentlich zu hoch. Aber wenn ich es doch sehe, wie soll ich sonst spielen? Wieso ist die letzte Wette nur die beste? Und wieso bin ich überhaupt im Brand?
Zum Gewinn dieser Wette mussten noch zwei Tore her. Und natürlich möglichst viele davon für Villarreal, am besten beide, das wäre ein Jackpot!
Jetzt schrie ich meinen bisher unschuldigen Bildschirm an. Ich dachte, vielleicht gibt es ja irgendwelche geheimnisvollen Kräfte, mit denen andere arbeiten und mit denen man den Ball über die Linie bewegen kann? Es gab doch mal so eine DSF Werbung, wo der Mann bei auf der Torlinie liegendem Ball den Bildschirm drehte und somit der Ball rüber rollte? Jedenfalls der letzte Angriff vor der Pause, die perfekte Flanke, genau auf den Kopf, ich : „Los, rein damit.“ und es hat gewirkt. Das 1:2.
Immerhin hatte ich jetzt die ganze Halbzeit Zeit, mir Gedanken zu machen, wie das Spiel jetzt wohl weiterginge. Und welche „Versicherungswetten“ ich am günstigsten platzieren sollte. Natürlich war ein ganz entfernter Gedanke auch so: Ich lass alles, wie es ist, Villarreal erzielt den (übrigens auch laut Kommentator „längst verdienten“. Er erkannte auch: „Es ist nicht die Spielqualität, die die beiden Mannschaften voneinander unterscheidet, es ist nur die Chancenverwertung.“) Ausgleich und ich habe sämtliche Wetten auf das Spiel gewonnen. Auszüge aus einem Wunschtraum Marke Pauli…
Die 2.Halbzeit begann. Ich musste wenigstens jetzt 2500 Euro auf das under spielen. Dieses under war ja immer noch auf weitere 1.5 Tore. Und wenn das eine, was ich bräuchte, bald fallen sollte, könnte ich ja auch wieder getrost over spielen. Denn dann wäre ja die Hauptwette gewonnen gewesen. Und wenn das Tor nicht bald fallen sollte, könnte ich nach und nach noch mehr versichern, je nach Spielverlauf, und von den 8000 Euro, also von dem Gewinn in spe, mehr und mehr Gewinn herunternehmen. Die Strategie ist vielleicht etwas kompliziert erklärt, aber genau so kam es übrigens.
Das Tor fiel nicht. Das Spiel hatte sich auch merklich beruhigt. Der Sprecher war der Meinung, es liege daran, dass sie in dem Höllentempo nicht noch weitere 45 Minuten spielen könnten. Ich hatte eine andere Erklärung: Der Freier war drauf, jetzt gibt’s keine Tore mehr. Also war ich gezwungen, mehr und mehr zu versichern. Erst noch weitere 2000 auf under 1.25, dann noch weitere 1500 auf under 1. Insgesamt hatte ich also 6000 Euro der 8000 Euro versichert. Wenn also kein Tor mehr fiele, wäre ich zumindest nicht ganz schlimm verletzt, da die live Wette auf Villarreal ja auch noch halben Gewinn versprach.
Es gab aber dennoch auch in diesem Spiel noch Chancen. Hüben wie drüben. Inzwischen war es aber durch die Versicherungen so, dass mir das 3:1 für Valencia schon allmählich wehgetan hätte, also kaum noch günstig gewesen wäre. Aber das Wunder geschah: Villarreal zog plötzlich wieder an, hatte die erste Riesenchance, Nachschuss, wieder abgewehrt, noch ein Schuss, der Torwart mit Fußabwehr, zur Seite, ein Mann von Villarreal stürmt heran und legte mit meinem Schrei zusammen vor Schreck beinahe zu viel Kraft in den Schuss, aber der Ball prallte von der Unterkante der Latte … hinter die Linie!!!!
Noch habe ich übrigens keine direkten Beschwerden der Nachbarn wegen dieses Abends gehört. Komischerweise habe ich nur am nächsten Vormittag zwei Nachbarn tuscheln hören: „Wusstest du schon, dass hier in der Nähe eine Schlachterei eröffnet hat, und die Tiere sogar Samstag nachts geschalchtet werden?“ „Ach so, ich dachte, da wäre eine Domina eingezogen, die ihre perversen Spiele mit einem Freier abgezogen hätte.“
Der über-die-Line-Schrei und der Torschrei gingen ineinander über. Na, so ein Schwein. Der Ball war drin. Das Tor zählte.
Das Drama war aber noch lange nicht vorbei. Ich wählte sofort wieder Christians Nummer. Er wusste von allen Wetten. Aber ich hätte mir den Anruf sparen sollen. Dieses Ergebnis war das absolute Jackpot Ergebnis. Alle Wetten waren gewonnen, noch keine verloren, nur eine einzige pari, nämlich die live Wette auf under (noch) 1 Tor. Den Gesamtgewinn, falls es so bliebe, rechne ich in so einem Fall nicht aus sondern rufe intuitiv eine Wetthöhe aus, in welcher ich sofort wieder versichern muss. Die einzige sinnvolle Versicherung bei dem Spielstand ist selbstverständlich ein over. Ich klickte das over an. Ich wollte intuitiv 5000 Euro eintragen. So viel musste es mindestens sein.
Christian, der vielleicht in der Hitze des Geschehens den Überblick etwas verloren hatte, meinte, nein, spiel es kleiner. Er selber hatte übrigens gerade in seiner online Pokerpartie auch einen bad beat kassiert. Ass-König verliert gegen König-Dame. Ich wollte mit ihm argumentieren, unterließ es aber zunächst und trug statt 5000 nur 2000 Euro ein. Die Wette geriet nicht einmal in den Zustand „waiting“ (so ist das bei live Wetten, man muss auf die Bestätigung warten). Valencia im Angriff, eine ebenso traumhafte Flanke, genau auf den Kopf, perfekt getroffen, das 3:2.
Fluchen, Schimpfen, Jammern und Klagen tue ich längst nicht in der gleichen Lautstärke wie das Jubeln. Nicht in dem Zustand. Dennoch hatte es auch diesmal eine erhebliche Dezibelzahl. Ich rechnete Christian schnell vor, dass wir jetzt wieder mal (fast) alles verlieren würden. Die Betragshöhe sparte ich mir. Ihnen kann ich verraten, dass es auf dieses Spiel bei dem Spielstand auf keinen Fall mehr Gewinn wäre. Das over, was ich gewonnen habe, war ja nur mit dem verbleibenden Restbetrag von 2000 Euro gewonnen, das Villarreal war komplett verloren und die live Wette auf Villarreal war nur noch halb gewonnen. Also wieder Verlust. Während wir unsere Depressionen austauschten und ich noch sagte, 5000 wären das mindeste an Versicherung gewesen aber wenn doch wenigstens die 2000 bestätigt worden wären, würde ich nicht mal klagen.
Während wir der Verzweiflung nahe waren, hat Villarreal den Ball einfach aus dem eigenen Kasten geholt, den Anstoß ausgeführt und einen eigenen Angriff vorgetragen. Ein Spieler drang in den Strafraum ein, wurde unsportlich gestoppt, ich schreie schon wieder: „Das ist ein Elfmeter.“ Der Schiedsrichter sprach leidlich Deutsch, so dass die Sprachbarriere nur noch aus den 2000 km Berlin-Valencia bestand. Diese habe ich spielend überbrückt. Er erhörte mich also gut und zeigte tatsächlich auf den Punkt. Ich wagte es sogar, hinzuschauen, als Rossi, mein bester Freund seit langem, anlief und den Ball einfach versenkte. 3:3! Unfassbar!
Auch jetzt war das Drama noch nicht gänzlich vorüber. Valencia war nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Es waren nur noch wenige Minuten zu spielen. Aber Angriff auf Angriff Richtung Villarreal Tor. Noch einmal abgewehrt. „Ja, das schafft ihr.“ Wieder Ecke. Der Torwart, ich weiß jetzt, wie der legendäre Herbert Zimmermann zu dem Ausruf kam. „Toni, du bist ein Teufelskerl“, wehrte ab. Aber noch einmal Ecke, noch eine Flanke in den Strafraum, wieder geklärt.
Die Nachspielzeit betrug 3 Minuten. Wenn 3 Minuten immer so lange wären, dann hätte ich das Potential zu einem Methusalem. Der war doch über 600 Jahre alt? Eine letzte Flanke in den Strafraum, ein Verteidiger von Villarreal springt in Panik in den Ball, mit irgendeinem Körperteil zwischen Oberschenkel und Bauch, und fälscht den Ball, völlig unkontrolliert, ab, er trudelt Richtung Pfosten, streift ihn und — geht vorbei. 2:58, authentisch, waren rum. Das gibt eine letzte Ecke. Aber plötzlich bestürmen die Valencia Spieler den Schiri. Was war los?
Ich verstand schwerfällig: Es war der Schlusspfiff!
Für die nächsten 86 Jahre weiß ich jedenfalls, wer meine Lieblingsmannschaft ist. „The Yellow Submarine“ werden sie auch wegen ihrer Trikotfarbe, gelb, genannt: VILLARREAL!!!!!!!!!!!
- Die Parallel Ergebnisse
Das spanische Spiel ist natürlich, da um 22 Uhr, das letzte, was angepfiffen wird. Aber die Franzosen hatten an diesem Tage auch ein „late kick-off“, späten Anpfiff, um 21 Uhr. Auch da waren die Ergebnisse, die ich natürlich nach dem Verlauf der Schlussviertelstunde bei Inter und der deprimierenden 1.Halbzeit bei Villarreal nur am Rande wahrgenommen hatte, günstig. Nur: So lange man die wichtigsten Wetten verliert, verschafft es einem alles andere als Befriedigung, selbst wenn sie, diese kleinen, günstig verlaufen. Nachdem ich nun die wichtigste Wette gewonnen hatte, schaute ich natürlich ganz optimistisch auf das insgesamt verursachte Gesamtergebnis: Dort stand im Statement ein +14500 Euro.
Ist eigentlich irgendwas passiert? Wie war der Tag? Bei mir war alles ruhig so weit. Wie gesagt, die Deutschen Ligen spielen ja nicht, dazu noch die ganzen Spielausfälle, da ist eben nicht besonders viel los.
Was haben Sie am Sonnabend gemacht? Gabs irgendwas spannendes im Fernsehen? Ja? Oh, muss ich verpasst haben. Oder Sie waren im Kino? Der neueste James Bond? Nee, das wäre mir zu aufregend…
- Basketball
Ich ging erst um 2:30 schlafen. „Das gibt’s nur einmal. Das kommt nie wieder. Das ist zu schön, um wahr zu sein.“
Immerhin konnte ich noch beobachten, dass das erste Basketballspiel günstig verlief. Die Nachtruhe war kurz aber erholsam (die Kinder waren für die Nacht woanders untergebracht, was absolut Seltenheitswert hat). Am Morgen schaute ich also auf die NBA Ergebnisse. Ein plus von 1200 Euro, auch dort.
Mal sehn, was der Sonntag bringt… „A twist in the tale?“