Ich auf der falschen Seite
Die Anzahl der von mir selbst begangenen Riesendummheiten ist sicher lang, sehr lang. Glück kann man es auch nennen, wenn man von vielen nie erfährt. Von der folgenden habe ich leider erfahren, sehr bald und sehr schmerzlich. Zu unterscheiden wäre dabei, ob man die Dummheit bewusst macht, also zum Beispiel Lotto oder Roulette spielt, eben ein Spiel mit Nachteil aber zur Unterhaltung, wie einen Kinobesuch, oder ob man sich auf der richtigen Seite wähnt, der langfristig erfolgbringenden Seite. Und gerade bei Geschicklichkeitsspielen sind die Kriterien ja nicht ganz so einfach einschätzbar (oder wer gewinnt bei Ihren Skatabenden?). Jedenfalls erinnere ich mich, wie ich einmal so richtig Opfer wurde.
Dazu muss ich Ihnen jetzt auch noch kurz die Backgammon Regeln erklären: Also Backgammon ist Mensch-Ärger-Dich-Nicht für Erwachsene. Jeder Spieler hat 15 Steine, meist einer in Rot, einer in Weiß. Auf dem Spielfeld befinden sich 24 Felder, als Zacken dargestellt. Die beiden Parteien versuchen, gegenläufig, ihre Steine an denen des Gegners vorbei zu bringen. Zur Fortbewegung der Steine werden Würfel verwendet und zwar zwei. Die Augensumme eines jeden Würfels darf und muss mit einem Stein nach vorne gezogen werden. Man darf auch mit einem Stein die Augen eines jeden Würfels nach vorne ziehen, man darf aber auch die Augen eines jeden Würfels mit verschiedenen Steinen ziehen. Sie würfeln also 5 und 3. Dann dürfen Sie mit einem Stein eine 5 mit einem andere eine 3 ziehen. Oder sie ziehen die 5 und die 3 mit einem Stein, also 8 Augen nach vorne. Wenn die Würfel beide die gleiche Augenzahl zeigen, also ein Pasch gewürfelt wurde, so darf bzw. muss man 4 Mal diese Zahl ziehen. Verzichten geht auch nicht, nur wenn es nicht möglich ist, müssen Sie auf den Wurf verzichten. Wenn es einem gelingt, sämtliche 15 Steine in den letzten Quadranten, also auf die letzten 6 Felder zu bringen, dürfen Sie Ihre Steine auswürfeln. Das heißt, Sie nehmen sie komplett vom Brett, jeden Stein, den sie mit der Augensumme herausnehmen können. Sieger ist, wer zuerst alle 15 Steine ausgewürfelt hat. Sonderregeln sind so: Ein einzeln stehender Stein kann geschlagen werden. Er wird auf die Bar gestellt, also in die Mitte des Bretts. Dieser Stein muss als erstes wieder gezogen werden, wenn der Gegner am Wurf ist. Er muss wieder ganz von vorne anfangen. Und: wenn sich zwei oder mehr Steine auf einem Punkt befinden, darf die gegnerische Partei diese Steine weder schlagen noch den Punkt besetzen. Man darf diesen Punkt nicht mal in einem Zwischenschritt überspringen. Also wenn Sie 3 und 5 gewürfelt haben, aber ihr Gegner hat 3 und 5 Augen von Ihrem Stein entfernt zwei oder mehr Steine zu stehen, 8 Augen entfernt aber nicht, dann dürfen Sie den 8 Augen entfernten Punkt auch nicht besetzen. Eben weil Sie keinen der Zwischenschritte ausführen könnten. Dazu gibt es den für Geldspiel unerlässlichen Verdopplungswürfel. Diesen können anfangs beide dem Gegner anbieten, also den Würfel auf zwei stellen. Das tut man, wenn man eine aussichtsreiche Position hat. Der Gegner muss dann entscheiden, ob er den Würfel annimmt, also die Partie um zwei Punkte bzw. Einheiten weiterspielt, oder lieber ablehnt und damit einen Punkt verliert.
Selbstverständlich handelt es sich hierbei um ein Geschicklichkeitsspiel. Aber der Einsatz von Würfeln lässt den Staat daran zweifeln und er ordnet das der Kategorie „Glücksspiele“ zu und verbietet es im Prinzip.
Na gut, jedenfalls kam in einer Partie, die ich beobachtet habe, eine Position zustande. Ich hatte schnell eine oberflächliche Einschätzung der Stellung. Ein anderer Spieler beobachtete die Partie auch und hatte eine andere Einschätzung. Dann gibt es im Backgammon immer die Möglichkeit, wenn sich zwei Spieler über eine Position, eine Einschätzung, nicht einig sind, diese Position als „proposition“ zu spielen. Dabei untermauert ein jeder Spieler seine Einschätzung mit Geld und man spielt wiederholt die gleiche Stellung. Hier handelte es sich, wie übrigens meist oder zumindest sehr häufig um eine „double – take“ Entscheidung. Das heißt, die Fragestellung lautet: Muss die ein Seite doppeln, also den Würfel in der Mitte verwenden? Und wenn ja, muss die andere Seite diese Verdopplung akzeptieren, also um zwei Einheiten weiterspielen oder lieber eine Einheit aufgeben. Nun, ich hatte ein Einschätzung, ein anderer eine andere. Also setzten wir uns hin und spielten es als proposition. Mein Gegner, Vladimir Dobrych aus Kanada, war bereit, das um hohes Geld zu spielen. Ich ließ mich darauf ein. 200 FF pro Punkt. Und ich hatte Pech. Und zwar richtig viel Pech. Extremes Pech. Ich habe verloren und weiter verloren. Aber ich merkte, dass ich Pech hatte. Jeder konnte es sehen. Also, ich verlor 100 Einheiten, 20000 FF. Ich bezahlte und ging auf mein Hotelzimmer. Meine Nachtruhe war schlecht, wie man sich vorstellen kann. Ich stand also früh auf und ging in den Frühstücksraum. Ich nahm mir Kugelschreiber und Papier mit und fing an zu rechnen. Und tatsächlich: Ich hatte Pech gehabt. Gigantisches Pech. Ich habe 100 Einheiten verloren. Ich hätte auf diese Partienanzahl aber nur 40 Einheiten verlieren dürfen.
Gut, was lehrt uns das? Wenn man die falsche Seite spielt und dazu Pech hat, schreibt man den Verlust möglicherweise dem offensichtlichen Pech zu. Man korrigiert seine Einschätzung nicht. Hätte ich weniger, langsamer oder ohne Pech verloren, hätte ich sicher schneller bemerkt, dass ich etwas falsch gemacht habe.