Wanja spricht mit seinen Kindern, heute über…
Die Zuschauer
Es kam vor, dass Wanja einfach so ein Thema vorgab und erstens hören wollte, was seine Kinder darüber denken, wissen, davon verstehen, und zweitens, weil er sich in den vielen Jahren seiner Fußballleidenschaft und -anhängerschaft selbst immer wieder Gedanken gemacht hatte und seine Beobachtungen teils zu Papier brachte in der Hoffnung, dass sich eines Tages jemand dafür interessieren könnte. Es war nicht etwa so, dass seine Texte im Einzelnen schlecht waren oder es keinen Spaß gemacht hätte, sie zu lesen. Das Buch jedoch blieb immer ein Traum. Die Beobachtungen und Gedanken, welche er sich gemacht hatte schienen ihm einzigartig. Es war schon recht auffällig – für jemanden, der täglich damit zu tun hatte und der fast täglich Spiele, Interviews, Nachberichte, Vorberichte, Gesprächsrunden schaute und hörte –, dass die Medien stets irgendein Thema und eine Beurteilung darüber vorgaben und dass man im Anschluss, wenn man sich selbst im Gespräch befand, mit Freunden, Bekannten, zufälligen Begegnungen, im Café oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Beispiel, zum Teil nur in der Rolle des Zuhörers und Beobachters auch dort, genau diese Themen mit deren Beurteilung zu hören bekam. Wobei die Beurteilung gelegentlich zu differenzieren war, indem der eine Experte diese Ansicht vertrat, ein anderer eine andere – und diese oder jene im Gespräch nun ebenfalls zur Diskussion stand. Insofern blieben die Kontroversen erhalten. Was jedoch weiterhin auffällig war: jeder der Gesprächspartner oder der sonst seine Meinung dazu kundtat bei den genannten Gelegenheiten war der festen Überzeugung, dass er die Argumente richtig sortiert und zusammengesetzt hatte und dass man es genauso machen müsste oder so betrachten müsste, wie er es sagt. Insofern stieß man auch dort in der Regel auf taube Ohren. Jeder war Fachmann und Experte zugleich und man sollte eher ihm lauschen also selbst etwa jemandem zuhören.
Ebenfalls zu beobachten war jedoch, dass jeder auf seine Art die angesprochenen Probleme erkannte und zu beheben gedachte. Denn wie auch immer medial diskutiert und vorgegeben wurde : dort war keineswegs von einer heilen Fußballwelt die Rede.
„Also, Kinder, wie seht ihr den Fußball und die Zuschauer dazu?“ Der Jüngste, welchem die Älteren gerne den Vortritt ließen, antwortete: „Fußball gucken macht Spaß, Fußball spielen noch ein bisschen mehr. Meine Freunde sehen das genauso. Wo gibt es da ein Problem?“
Ja, hier in Putoia war es tatsächlich so, dass das Zuschauen Spaß machte. Ein rollender Ball wurde einem üblen Foul vorgezogen, ein Tor einem Abseitspfiff, ein Torabschluss einem grenzwertigen Tackling, welches nicht für einen Elfmeter ausreichte, der Torschuss aber auch nicht einschlug – sofern man zu jenem überhaupt noch kam. Man spürte auch den Spielern an, dass sie sich zwar auf dem Platz bekämpften, mit einigem Ehrgeiz, dass aber stets nach Schlusspfiff man sich, seinem Gegenspieler, dem Schiedsrichter gerade ins Gesicht schauen konnte und die Hand reichen, für ein tolles Spiel danken und/oder gratulieren. Laut Wanja war dies zu Zeiten eines Fritz Walter oder Uwe Seeler auf der Erde auch so. Aber später…
Der Junge hatte also recht. Es gab kein Problem. Worüber reden wir?
„Es war nicht etwa so, dass die Stadien leer waren oder keiner mehr vor dem Bildschirm hockte, um ein Spiel zu schauen. Nur konnte man sich dabei folgende Fragen stellen: wer tut es, wer schaut noch und wer schaut nicht mehr oder hat es nie getan? Dann noch die Frage, warum es jener täte und dieser nicht? Und letztendlich die Frage: hat er dabei Freude gehabt. Hat es ihm Spaß gemacht oder hat er sich mehr geärgert?“
„Na, wenn du das interessant findest? Hier ist es in etwa so: eigentlich macht es jedem Spaß. Sowohl das Spielen als auch das Schauen. Man muss eher mit seiner Zeiteinteilung aufpassen, dass man sich nicht bald nur noch mit dem Spiel beschäftigt. Denn noch immer gibt es auch andere Dinge im Universum, die interessant und wichtig sind.“ Der Älteste hatte gesprochen. Ja, ein verständiger Junge. „Was war denn nun deine Beobachtung auf der Erde?“
„Was ich gesehen habe, ist dies: viele verständige Menschen haben sich abgewandt, obwohl sie eigentlich früher mal ganz gerne geschaut haben und es ihnen Spaß gemacht hatte. Viele meinten, die Kommerzialisierung wäre daran schuld gewesen. Es ging nur noch um Vermarktung, der Zuschauer wurde mehr und mehr geschröpft, die Ablösesummen wurden astronomisch, sowie auch die Gehälter. Zugleich haben sich viele Clubs in dieser Spirale verhoben und sind pleite gegangen, zudem gab es jede Menge Skandale, auch auf dem Finanzsektor. Weil in dem Riesengeschäft immer Einzelne waren, die sich persönlich bereichert haben oder Millionenbeträge beiseitegeschafft haben oder sogar Traditionsclubs mit temporärem Engagement in den Ruin getrieben haben. Viele erahnten das große Geschäft. Viele hatten keine Ahnung, investierten – und flogen aufs Maul, um es mal umgangssprachlich auszudrücken. An diesem Teil der Fußballwelt war auch so gut wie gar nichts mehr heil.“
Manchmal musste man den Kindern die Chance einräumen, das Gehörte sacken zu lassen.
„Was mir aber ganz besonders auffiel“, setzte Wanja nach der Denkpause fort, „war, dass es den Menschen eigentlich keine Freude mehr machte. Sie gingen oder schauten weiterhin – jene, die dabei blieben –, aber eigentlich ärgerten sie sich fast nur noch. Und dies betraf nicht etwa einen kleinen Prozentsatz oder weniger als die Hälfte. Es war die überwiegende Mehrheit. Ja, sie hatten sich dem Fußball verschrieben, er hatte sie ihr Leben lang begleitet, auch die Kinder spielten das Spiel, alle in einer gewissen Hoffnung auf eine Karriere, aber eigentlich war es längst nicht mehr das, was es früher war. Es war ihr Spiel, aber ihr Spiel war nicht mehr das, was es einst war.“
Auch diesen Teil musste man erst einmal kurz sich setzen lassen.
„Aber was taten sie, um daran etwas zu ändern?“
„Gute Frage. Genau. Man meckerte, jeder für sich, so vor sich hin, regte sich hierüber und darüber auf, meinte, dass man dies, das und jenes unbedingt ändern müsste, stritt sich, ereiferte sich, war ganz sicher, recht zu haben, nur täte niemand was, ging aber nächste Woche erneut ins Stadion, weil man es nämlich schon immer so getan hätte – und fand wieder etliche Gründe, sich erneut zu ärgern.“
„Und, das fiel von den Medien, niemandem auf?“
„Erneut: gute Frage. Doch, es fiel schon hier und da mal auf. Aber wenn es Pfiffe gab in einem Spiel – und die gab es ständig –, dann wurde darüber geurteilt, dass ´die Zuschauer dieser Mannschaft das naturgemäß anders sehen´ oder ´sie sehr emotional seien´, dass es aber ein grundlegendes Problem dahinter geben könnte, darauf kam man nicht. Es gab drei Arten, auf welche die Zuschauer pfeifen konnten. Wisst ihr, welche das waren?“
Erneut kurze Denkpause. „Vielleicht, wenn sie mit der Leistung nicht zufrieden waren?“ schlug der Jüngste vor.
„Ja, das konnte vorkommen. Habt ihr so etwas hier schon mal erlebt?“ „Nein, kaum. Die Zuschauer hier scheinen zu honorieren, was die Spieler da auf dem Platz leisten. ´Schade´ würden sie vielleicht mal sagen, ´das ging knapp daneben´ oder ´klappte nicht so ganz´ oder etwas in der Art. Aber pfeifen wegen Leistungsmangel? Nein, schwer vorstellbar.“
„Falls sie also pfiffen wegen angeblich ´schwacher Leistungen´, dann gibt es dafür natürlich auch eine Ursache? Waren die Leistungen wirklich schwach oder steckte etwas anderes dahinter?“
„Deine Frage suggeriert es ja bereits. Die Leistungen waren nicht wirklich schwach. Es ging um eine enttäuschte Erwartungshaltung.“
„Ja, auf den Punkt. Und wer war für die Erwartungshaltung zuständig?“
„Vermutlich die Medien, wirst du sagen? Das kennen wir schon!“
„Gut. Stimmt. Wenn man sämtliche Vorberichte einer Saison zusammenfasste – als ein Beispiel, um es am besten anschaulich zu machen –, dann kam heraus, dass etwa zwei bis drei Mannschaften Meister werden wollten, etwa zehn kommen in den Europapokal, die restlichen fünf im gesicherten Mittelfeld. Platz für Absteiger oder die Abstiegszone blieb keine. Nach diesen Vorgaben, welche aus den Clubverantwortlichen herausgekitzelt wurden — ´was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft?´ und was hätte derjenige nun antworten können? ´Ich erwarte, dass wir absteigen´ oder was? –, waren die Enttäuschungen vorprogrammiert. Mindestens die Hälfte der Teams blieb unter ihren Erwartungen. Den Fans wurde gar nicht die Möglichkeit gegeben, realistisch zu sein oder mit dem Gebotenen zufrieden zu sein. Das war also nicht allein die Leistung in einem einzigen Spiel sondern es war der Tabellenstand beispielsweise, der die Zuschauer bereits mit dieser latenten Unzufriedenheit anrücken ließ, die aber zugleich mit sich brachte ´heute MÜSSEN sie endlich gewinnen´, was sich aus der ungünstigen Tabellensituation, medial vorgegeben, herleiten ließ. Gab es nun einen einzigen Fehlpass oder zehn Minuten lang keine Torchance, vielleicht in der Zeit sogar zwei für den Gegner, dann kochte die fehlgeleitete Volksseele hoch. ´Die bringen es schon wieder nicht´. Dass die eigenen Fans mit dieser falsch erzeugten Erwartungshaltung zugleich aber jene waren, welche diesen enormen Druck auf ihre Kicker ausübten und damit ihr Leistungspotenzial erheblich herabsenkten, das wurde weder Medien noch Clubverantwortlichen je bewusst. Wenn es in einer Frage, vor oder nach einem wichtigen Spiel, hieß ´was ist mit dem Druck, wie wollen Sie damit umgehen?´, dann war eigentlich die Antwort auch schon vorgegeben und einzig zulässig, welche man ebenfalls von den Fans hätte zu hören bekommen hätte: `Druck? Druck ist überall. Die bekommen ja genug Geld. Damit muss man umgehen können.´ Obwohl die einzig zulässige Antwort : es blieb die falsche. Wenn man fürchten muss, nach einer einzigen missglückten Aktion ein Pfeifkonzert zu hören, dann ist es doch nur logisch, wenn man gehemmt ist, verkrampft, Angst hat – und den Pass NICHT zum Mitspieler bringt, welchen man im Training von einhundert Mal neunundneunzig Mal dorthin bekommt, wo man es gerne möchte.“
„Obwohl wir diese Art von Druck nicht kennen: das ist einleuchtend.“
„Es wurden permanent Siege gefordert. Dies hieß in der Folge, dass man, wenn es denn doch mal gelang, nur noch von ´Erleichterung´ sprach und nicht etwa Freude Einzug hielt. Und diese Erleichterung ist die Gegenreaktion zum Druck. Also existierte er, rein logisch gesehen und auch der Reportersprache zu entnehmen, doch.“
Auch hier konnten die Kinder nur andächtig lauschen. Ja, es war keine heile Fußballwelt.
„Aber das war nur der eine Teil der Pfiffe. Welche gab es noch?“
„Vermutlich bei Unsportlichkeiten?“
„Auch das ist richtig. Im Grunde hatten die Zuschauer ein recht feines Gespür dafür, wann sich ein Spieler unsportlich verhielt. Nur war dies in der Welt des reinen Ergebnissports leider irgendwann tatsächlich nur noch zielgerichtet gegen den Gegner. Erneut dürfen wir nicht vergessen, dass sich die Zuschauer im Stadion unterteilten in Fans dieser und Fans jener Mannschaft. Neutrale waren nicht vertreten. Dieses Problem wurde ebenfalls ignoriert. Warum schaut sich niemand ein Spiel an, ohne Fan dieser oder jener Mannschaft zu sein? Vielleicht, weil man sich als ein solcher dann NUR NOCH ärgern würde und nicht nur im Spezialfall, dass die Ungerechtigkeiten und Unschönheiten die eigene Mannschaft betreffen? In der Summe heißt es: die Zuschauer waren eigentlich fast durchgehend aufgebracht. Es gab ständig Szenen, die ärgerlich waren. Unsportlichkeiten waren keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel. Die Zuschauer wurden jedoch allesamt in ihrer ´Urteilsfindung´, in Form von Pfiffen dargebracht, für befangen erklärt. Man pfeifen diese, mal jene. Sicher. Weil sie nicht objektiv sind und weil sie sich permanent ungerecht behandelt fühlen. Dass es aber möglicherweise eine im Spiel liegende übergeordnete Art von Ungerechtigkeit gab, darauf kam man so nicht. Es ging also bei den Pfiffen auch um Unsportlichkeiten, nur waren jene fast permanent vertreten und wechselseitig gegeneinander verübt. Insofern ging diese Art der Pfiffe eigentlich in den anderen Arten beinahe unter.“
„Was war nun die dritte Art?“ „Die dritte Art von Pfiffen betraf die Fehlentscheidungen. Hier kann man, fast wie beim zweiten Punkt der Unsportlichkeiten, aber die gleichen Beobachtungen machen. Alles analog. Es gab fast durchgehend etwas zu pfeifen.“
„Dann fasse ich mal zusammen“, erbot sich der Mittlere. „Die Fans gingen weiterhin ins Stadion, aus alter Tradition oder weil es noch immer eine Art von Großereignis war, ein Zusammentreffen mit Gleichgesinnten. Während eines Spiels waren sie aber eigentlich fast durchgehend unzufrieden. Entweder, weil es 0:0 stand und ihre Mannschaft zum Siegen verdammt war oder weil sich gerade ein gegnerischer Spieler grundlos am Boden wälzte, obwohl er weder gefoult war noch verletzt, damit aber einen vielversprechenden Angriff der eigenen Mannschaft unterband indem der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen musste. Oder, weil der Schiedsrichter ein Foulspiel am eigenen Angriffsspieler gerade ignoriert hatte, obwohl es eines war, während er bei einer ähnlichen Situation drüben vorhin in die Pfeife geblasen hatte. Dies nur ein paar Beispiele. Aber gepfiffen wurde eigentlich fast ständig, richtig?“
„Absolut richtig. Wobei es natürlich ab und an einen Spielstand gab, bei welchem dann die eine Hälfte der Zuschauer zufrieden war. Gepfiffen haben diese aber selbst dann noch. Beispielsweise, weil der Schiedsrichter bei 1:0 VIER Minuten Nachspielzeit anzeigte, obwohl doch drei ausgereicht hätten und, als die vier um waren, NOCH IMMER NICHT UNMITTELBAR abpfiff, um den dreckigen Sieg endlich zu fixieren.“
„Ok, verstanden. Du sagst, die Zuschauer waren immer nur für jene oder für diese Mannschaft. Dass nur diese eine Motivation hatten, ein Spiel zu schauen – da es für neutrale langweilig und ungerecht war –, das kann man nachvollziehen. Aber warum waren denn diese verbliebenen Fans Fans geworden?“
„Ja, so stelle ich mir eine gute Frage vor. Das Kuriose war, dass praktisch jeder, der überhaupt zum Fußball kam, über eine Fanbeziehung dahin gekommen ist. Also: er geht ein einziges Mal mit ins Stadion, und ist natürlich irgendwie beeindruckt. So viele Menschen, so viel Leidenschaft. Außerdem war es ja, je nach Zeitpunkt seines Beitritts, also seines Geburtsjahres hauptsächlich, früher auch noch wesentlich angenehmer im Stadion. Es gab zugleich noch halbwegs fairen Fußball geboten, es gab eine Identifikation mit seiner Stadt, dem Verein dort, die Spieler entstammten oftmals sogar noch Stadt oder zumindest Verein, sie blieben viele Jahre dort, auch die Trikots blieben erhalten über Jahre, Jahrzehnte, was für eine höhere Chance zur Identifikation sorgte.“
„Gut, das ist schon verständlich. Nur sind auch in späteren Zeiten, vermutlich bis heute, noch Fans dazu gekommen? Wie kam es dazu, als diese Identifikation schwerer wurde?“
„Also die Identifikation war aus meiner Sicht wirklich nicht mehr zu erzeugen oder aufzubauen. Die Entwicklung war in etwa die: die Vermarktung nahm zu, man bekam Fanartikel aufgezwungen, an allen Ecken und Enden, es wurden Fanclubs gegründet, in welchen die Zuschauer ihre Identifikation auf ganz andere Art aufbauten. Es wurde sozusagen Kult, Fan zu sein. Es hatte viel weniger mit der Mannschaft, den Spielern, den Erfolgen zu tun. Die Fans feierten sich selbst und ein Fußballspiel, gerade bei Auswärtsfahrten, wurde zu einem Event, ohne, dass der Fußball dabei je wirklich in den Mittelpunkt trat. Man war einfach Fan und die Fans waren unter sich. Fußballkompetenz oder Verständnis für das eigentliche Spiel, die Leidenschaft für den Fußball, all dies war gar keine Voraussetzung mehr. Wie man übrigens oftmals erlebte, waren die auswärtigen Fans, die ´ihre´ Mannschaft begleiteten, bei Spielbeginn bereit so alkoholisiert, dass sie im besten Fall noch den Spielstand mitbekamen. Also mit ´ich bin ein Fußballfan und ich schaue ein Spiel in dieser Sportart, weil es eine schöne Sportart ist und mich das Spiel begeistert´ hatte das bei sehr wenigen noch etwas zu tun. Eigentlich bei kaum jemandem. Man war Fan und als solcher, sogar gesellschaftlich, irgendwie anerkannt. Es gab sogar oftmals Berichte von derartigen Fans im Fernsehen, weil diese ihr ganzes Leben ihrer Anhängerschaft widmeten und dies die Menschen irgendwie anzog. So wurden ebenfalls neue Fans kreiert, welche zwar sonst im Leben eine eher unbedeutende Rolle spielten, aber durch ihre bedingungslose Liebe zu ihrem Verein, dem sie sogar ihr ganzes Vermögen, welches sie vom Munde abgespart hatten, zukommen ließen und jede Menge Kompromisse machten und Leiden auf sich nahmen, nur um ihrem Verein die Treue zu halten und sie durch dick und dünn zu begleiten.“
„So logisch das klingt: hat aber anscheinend nicht vollständig funktioniert? Vorhin sagtest du doch, dass sie oftmals ihre Kicker auspfiffen, wenn es nicht so gut lief?“
„Sehr klug und genau beobachtet. Richtig. Diese Art von Fans nahmen sich auch immer mehr heraus. Sie meinten, dass ihre bedingungslose Hingabe eine Gegenleistung rechtfertigte, welche oftmals nicht erbracht wurde. Nur um euch ein extremes Beispiel zu nennen: als Schalke eine schlechte Saison hatte, liefen ein paar dieser Fans nach einem weiteren verlorenen Spiel auf den Platz und entrissen dem Kapitän ihrer Mannschaft die Binde, weil er es angeblich nicht wert war, das Trikot und die Binde zu tragen. Diese Art von Fans hatten also, aus ihrer Sicht, hinzugewonnene Rechte, auch von den Medien ihnen verschrieben, da sie so treu waren, während viele der Kicker nur absahnen wollten und das Weite suchen. Es war insgesamt etwas widersprüchlich, das mag sein, aber erfreulich war es so oder so nicht. Weder für die Fans noch die sonstigen Zuschauer – die oftmals die Spiele nur in der Sportschau sahen aber dennoch genug Anlass hatten sich mit zu ärgern über dies, das und jenes.“