Am Abend des 23.08.2010 begann die Zweitligasaison 2010/2011 auch für diese beiden Mannschaften. Die zweite Liga hat einen festen Platz bekommen in der wöchentlichen Berichterstattung, indem ihr ein exklusives Spiel, welches ohne jegliche (inländische) fußballerische Konkurrenz ausgetragen wird, zugestanden wurde. Nun stellt so etwas immer eine große Chance dar, den Fußball zu präsentieren, die alte, lieb gewonnene Anhängerschaft zu pflegen und eine neue heranzuziehen.
Abgesehen davon hat der Zweitligafußball, außer diesen winzigen des Zweit-, eigentlich keinerlei Makel. Die Stadien sind voll und, wie man jüngsten Statistiken entnehmen konnte, gegenüber jeder anderen – außer typischerweise der englischen – zweiten Liga besser besucht. Abgesehen davon beobachtet man ohnehin bei Abendspielen immer eine besondere Atmosphäre, die die Spieler zu nutzen bereit sind. Ob es daran liegt, dass die Stadien perfekt ausgeleuchtet sind um diese Uhrzeit (dies im Gegensatz zu Nachmittagsspielen, insbesondere bei Sonnenschein, was sich zumindest auf die Übertragung nachteilig auswirkt) oder die Zuschauer zu abendlicher Stunde empfangsbereiter sind, oder gar daran, dass der Bio-Rhythmus der Spieler zu später Stunde für Höchstleistungen besser geeignet ist, sei mal dahingestellt.
Ein weiterer Aspekt, der ein solches Spiel zu einem ganz besonderen Highlight aufzustylen geeignet ist: Die Fußball Weltmeisterschaft 2010 hat eines ganz deutlich gezeigt: Der Deutsche Fußball, der einige Jahre trotz zwischenzeitlicher größerer Erfolge – hier erwähnt an erster Stell die tolle WM 2006 und auch die EM 2008, die aber auch ein wenig vom Losglück begünstigt die Finalteilnahme einbrachte — doch ziemlich offensichtlich hinterherhinkte, was sich vor allem im UEFA-Koeffizienten recht deutlich niederschlug, liegt wieder mit ganz weit vorne. Die Euphorie, welche die deutsche Mannschaft weltweit mit ihren tollen Auftritten in Südafrika losgetreten hat, sorgt hierzulande natürlich ebenfalls für Begeisterung und gestiegenes Fanpotenzial. Und wem das noch nicht genügt an Aspekten, der nehme hinzu, dass der Neubeginn einer Saison aus drei Gründen für außergewöhnliche Aufnahmebereitschaft bei den Anhängern des Spiels und speziell der auftretenden Mannschaften sorgt: Erstens hat man eine ganze Weile warten müssen, was grundsätzlich für Anspannung und Vorfreude sorgt, zweitens steht die Tabelle auf 0, jeder kann alle Saisonziele noch erreichen – oder gar übertreffen und, last but not least, und damit drittens, sind die Fragen „wo steht meine Mannschaft?“ und „wie werden sich die Neuen präsentieren?“ brennend.
Da es sich um das Montagabendspiel handelte, gab es bereits einige Ergebnisse. Allein das Studium derer verrät, dass man mit jeder Menge Spektakel rechnen kann. Der gezeigte Fußball in den ersten Spielen der Saison (Fr, Sa, So) war überall so positiv wie der, den die Nationalmannschaft vorgetragen hat. Man glaubt einfach an sich und vor allem daran, dass man (viele) Tore erzielen kann. Alle Mannschaften haben nach vorne gespielt und übertriebene taktische Erwägungen und Vorsicht außen vor gelassen. Sicher liegt so etwas zum Teil daran, dass man am ersten Spieltag nun wirklich fast gar nix verlieren kann, aber der Effekt bleibt: toller Fußball wurde geboten, Spannung, Dramatik, Leidenschaft, Begeisterung und vor allem – in beiden Topligen – Tore, Tore, Tore.
Kurzum: Das Feld ist bestellt. Jetzt muss nur noch die Ernte eingefahren werden. Hier haben die übertragenden Sendeanstalten nun die einmalige Chance, auf diese Euphoriewelle aufzuspringen und sich mit ihr und dem Zuschauer davontragen zu lassen. Einfach Begeisterung vermitteln, die dem Fußball gebührt.
Das Spiel selbst war nun die perfekte Steilvorlage, um diese Chance umzusetzen. Denn: was mehr als jede Menge Tore (fünf an der Zahl), durchgehend Spannung und Dramatik, tolle Atmosphäre auf den Rängen, Angriffsfußball, Torszenen, könnte man denn erwarten, erhoffen? Wenn nun irgendjemand ein Haar in der Suppe suchen sollte, gehört er zumindest streng ermahnt: „Mehr und besser geht nicht. Schweig!”
Zunächst einmal eine kurze Zusammenfassung des tatsächlichen Spielgeschehens: Beide Mannschaften boten durchgehend Fußball auf allerhöchstem, und sei es auch „nur“ Zweitliga-, Niveau (es wird immer wieder auf das Gedankenexperiment verwiesen, einmal die Spieler und Trikots unkenntlich zu machen und das so aufgezeichnete einem der „wahren Experten“, unseren geliebten Kommentatoren vorzuspielen; hier würde es mit der Fragestellung versehen werden: „Bitte, eine Frage an Sie als absoluten Fachmann, nachdem Sie 90 Minuten solchen Fußball gesehen haben: In welcher Liga wurde das Spiel ausgetragen?“ Behauptung: Man würde lediglich ein Schulterzucken ernten können), es wurde gespielt und gekämpft, mit Herz und Leidenschaft, aber auch mit Verstand.
Von der ersten Minute an war bei beiden Mannschaften die oben beschriebene Absicht zu spüren, Tore zu erzielen. An herausragenden Befähigungen schien es nirgends zu mangeln. Man hatte bei jedem Angriff das Gefühl, dass ein Tor fallen könnte. Und wenn es nicht dieser ist, dann eben der nächste. Das galt für beide Seiten. Es ging sozusagen hin und her und rauf und runter. Genau so, wie man sich (als neutraler Zuschauer) ein Spiel nur wünschen kann. Die Fans dieser oder jener Mannschaft schauen natürlich ebenfalls gerne, sind angespannt und begeistert, jedoch wäre es denkbar, dass die Bochum-Fans sich wünschen würden, dass 1860 keine so tollen Angriffe spielt und umgekehrt, also diese mögen sich hier und da auch eine gelungene Abwehraktion wünschen beziehungsweise bei Erreichen eines Teilziels – am besten der Führung – dass die Uhr schneller tickt oder die Mannschaft sich passiver, defensiver verhält, damit sie nicht wieder und wieder in Gegentorgefahr gerät. Dies wiederum würde auf den neutralen Zuschauer nicht zutreffen, für dessen Empfinden es ruhig wieder und wieder einschlagen könnte, einfach so. Tolle Action, tolle Spannung, tolle Tore. Gib mir mehr davon!
Bochum drang als erstes durch und erzielte das 1:0 durch den Rückkehrer Giovanni Federico. Ein toller Spieler, ein tolles Tor. Jedoch lehnten sie sich keineswegs zurück. Es ging weiter nach vorne. 1860 hielt dagegen. Und es geschah: Nach 26 Minuten gelang dem Neueinkauf Rakic nach atarker Vorarbeit und Ballannahme aus kurzer Distanz der Ausgleich. Bochum zeigte sich aber keineswegs geschockt – und das an dieser Stelle ist keine Floskel. Man spürte sofort, dass sie sich hier als Favorit fühlten und dass sie bereit waren, das aufzuzeigen und umzusetzen. Die Entschlossenheit war beeindruckend.
So kam es, dass in der 38, Minute nach einem perfekten Angriff über rechts eine präzise Flanke auf den Kopf des Neuzugangs Chong Tese kam, dieser sich in die Flugbahn warf, ungeachtet der Kollisionsgefahr mit dem herausstürmenden 60-Keeper Gabor Kiraly, den Ball kurz vor dem Schlussmann erreichte – und im Netz versenkte. Ein Tor, wie man es sich nicht schöner wünschen kann. Da passte alles. Das ist es, was diesen Sport sehenswert macht. Dat Runde in dat Eckige. Das kann man jedem Menschen auf der Welt verkaufen. Das ist Zirkus — mit einem zählbaren Ergebnis. Das ganz große Spektakel.
Das Spiel veränderte danach kaum seinen Charakter. Die Zweitligaspieler, die sich alle danach sehnen – viele sind noch jung und ihnen steht eine noch größere Karriere bevor –, einmal die ganz große Bühne zu betreten, spüren auch, dass es hier nicht um taktische Erwägungen oder reinen Ergebnisfußball nach dem Motto „Vorsprung über die Zeit schaukeln“ geht, sondern sie haben verstanden, dass sie nun die Chance erhalten haben, zu zeigen, was sie drauf haben. Hier und heute Abend. Hier wird Werbung gemacht für den Fußball und für die eigene Person. Wir spielen Fußball. Ziel des Spiels ist es, den Ball im Kasten unterzubringen. Wenn man ihn hat, läuft man mit ihm nach vorne, sucht einen Mitspieler, spielt diesen an, und läuft weiter vor. Rückwärts laufen oder spielen gilt nicht. Frühestens nach dem Ballverlust, das Laufen.
Beide Mannschaften spielten sich viele gute Situationen heraus, viel versprechend oder gar mit Abschluss. Nicht jeder kann ein Tor werden, aber der Versuch ist erkennbar. Die Halbzeitpause kam, für den Zuschauer eine willkommene Gelegenheit, es den Spielern für eine Viertelstunde gleichzutun: Durchatmen. Kraft tanken für die zweite Hälfte.
Diese begann mit einem Paukenschlag: Das 3:1, wiederum durch Chong Tese, der wirklich einen sehr agilen Eindruck machte, wiederum per Kopf. Sollte das etwa die Vorentscheidung sein? Schlimm wäre es nicht, denn: Danach würde man einfach so Fußball schauen. Das macht man gerne mit. Jedoch spürte man einfach: dieses Spiel ist noch lange nicht durch. Die Löwen haben so viel Potenzial, dass sie jederzeit in der Lage sind, ihrerseits ein Tor zu erzielen. Da Bochum nicht auf die so verhasste „Ergebnisverwaltung“ umschaltete – was übrigens schon allein angesichts der angeheizten Stimmung im heimischen Stadion praktisch unmöglich war –, kann auf beiden Seiten jederzeit etwas passieren.
Und tatsächlich: Schon in der 59. Minute gelang ein Löwenangriff, wiederum über die rechte Seite, als sich der aus erkennbaren Gründen umworbene Nachwuchsspieler Stefan Aigner mit einem toll ausgeführten Trick durchsetzte – Ball rechts vorbei, Körper links – und diesen noch vor der Auslinie erreicht und gut getimt hereinbringt, glücklicherweise der vordere Angreifer den Ball verpasst und so Benjamin Lauth an den Ball kommt und ihn wohl kontrolliert mit dem Fuß ins Netz bugsiert.
Auch danach bleib alles beim Alten: Beide Mannschaften spielten reichlich nach vorne, und versuchten sich am grundsätzlichen Ziel des Spiels: Tore erzielen. Zum Durchschnaufen gab es kaum Gelegenheit und bis zur letzten Sekunde hielt man auch das 3:3 für möglich. Selbst wenn es nicht gelang – über verdient oder unverdient soll hier nicht befunden werden –, war es ein begeisterndes Spiel was jeden, der ernsthaft zuschaute und der irgendein anderes als reines Faninteresse an „seiner“ Mannschaft bekundet, in seinen Bann zog.
Was hat nun der Sky Sprecher, der eingeteilte Live-Kommentator Matthias Stach daraus gemacht? Er hat seine Befähigungen voll eingesetzt und das Spiel zu einem Einheitsbrei mit seinen Standardfloskelblabla verkommen lassen. In der Schlusssequenz durfte man immerhin von ihm erfahren, dass „wir ein recht unterhaltsames Spiel gesehen haben“. Wow, ja, der Mann muss befördert werden. Direkt in den Bundestag, wo er mit seiner Begabung garantiert niemanden beim Schlafen stört.
Hier kurz eine kleine Serie aufgezeichneter, nur zufällig und aufgrund des Staccatos derartiger Bemerkungen höchst unvollständigen, abgesonderten Teilsätze. Der Leser möge sich kurz nur orientieren, ob er das Empfinden hat, dass diese Äußerungen a) positiv, b) korrekt oder wahr, c) unterhaltsam oder d) spannend und den Zuschauer fesselnd sind.
1) „Der Funkel steht da an der Seitenlinie, der schimpft, sagt: Macht weiter Männer, konzentriert euch“
2) „.. da stimmt die Zuordnung nicht“
3) „… die stehen zu weit hinten drin“
4) „ wieder alles nur durch die Mitte“
5) „.. Federico — keiner hilft. Der ist ganz alleine da“
6) „ … wieder — hat den Ball, aber eh da mal einer dazu kommt“
7) „… wenn er da noch mal links rausspielt — aber da muss der Grote auch rufen“
8) „ … am Schluss wird das noch ne Zitterpartie“
9) „ … nicht immer hochklassig“
Ja, also als positiv lässt sich ernsthaft keine der Bemerkungen einstufen. Hier sei zumindest erwähnt, dass, wenn man so eine Tonart einmal eingeschlagen hat, sie auch nicht verlässt. Das bedeutet, dass alle anderen Bemerkungen, die während des Spiels fallen, im gleichen Jargon vorgetragen werden. Mängel über Mängel, die er, der Experte, bei den Spielern erkennt.
zu 1) „Der Funkel steht da an der Seitenlinie, der schimpft, sagt: Macht weiter Männer, konzentriert euch“
Was auch immer Funkel zu seinen Leuten sagte, es war sicher nicht das, was Herr Stach zu erkennen glaubte. Hier geht es auch mehr darum – da die Worte direkt nach dem Wechsel des Kanals von DSF auf Sky eingefangen wurden — die sich selbst gegenüber aufgestellte Behauptung „ich wette, dass der erste gehörte Satz etwas Negatives enthält“ in dem Sinne bestätigt wurde. Kombiniert war das noch mit einem „zu viel durch die Mitte“. Ah ja, man muss annehmen, dass er anstatt der drei erzielten Tore seiner Mannschaft, die schon weit über dem Durchschnitt liegen, wesentlich mehr erwarten würde, wenn sie doch bloß nicht immer so dämlich durch die Mitte spielen würden? Konzentration hat der Trainer aber sicher eingefordert. Diese Anweisung ist ein Standard und wird von den Spielern als Motivation aufgefasst. Dazu genügt schon einfaches Händeklatschen des Trainers, wie übrigens geschehen.
zu 2) „da stimmt die Zuordnung nicht“
Nun, diesen Teilsatz hört man, mit einigen anderen Floskeln ausgetauscht wie zum Beispiel „katastrophaler Stellungsfehler“ oder „den hat niemand auf der Rechnung“ eigentlich fast immer, wenn eine Torchance zustande kommt. Der das Absondernde muss sich irgendwie gut fühlen dabei, seinen Expertenstatus auf diese alberne Art untermauern zu können. Denn: Von der abgesprochenen Zuordnung hat er garantiert keine Ahnung. Dazu stellt die Szene das dar, was der neutrale Zuschauer sehen möchte, eine Torchance, und die will er sich gar nicht vermiesen lassen von der Beobachtung irgendwelcher Zuordnungsprobleme in der Hintermannschaft. „Jetzt ist Action, da ist was los, bring das rüber Mann, und spar dir deine blöden Analysen“ möchte man ihn anschreien.
Das Floskelreden ist ohnehin ungeeignet, Spannung zu verbreiten. Die schnöde „Mustererkennung“, auf die sich der Mann beruft, würde dem Facettenreichtum eines Fußballspiels praktisch nie gerecht. Es deutet darauf hin, dass man eigentlich nicht all zu viel davon versteht, und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt. Also: Selbst wenn es stimmen würde – was übrigens in Einzelfällen durchaus der Fall sein kann, das wäre aber ganz offensichtlich ein Zufallstreffer –, so sollte man es noch lange nicht sagen. Die Zuschauerunterhaltung soll und muss an sich im Vordergrund stehen. Und dieser ist das nicht förderlich. Eher zum Gegenteil: Abschalten, Sender wechseln, Ton aus als mindestes.
zu 3) „… die stehen zu weit hinten drin“
Hier, bitte, darf doch die Frage erlaubt sein, zum Erreichen welchen Ziels sie „zu weit“ drin stehen? Falls er Fan von Bochum wäre – die das gerade betraf, dieses (Schein- aber dafür Vernichtungs-)Urteil –, so würde man zwar etwas Verständnis für die Besorgtheit aufbringen, jedoch müsste er diese dann a) zu erkennen geben und b) sollte die gemachte Beobachtung dann wenigstens stimmen. Wenn ein Fan das einem Nachbarn zuraunt: „Hey, die stehen zu weit hinten drin. Da könnte bald was gegen uns passieren.“ dann ist das rein der Sorge geschuldet und erhebt keinerlei Anspruch auf Gültigkeit. Als Sprecher vor einem Millionenpublikum (! man beachte; zuschauen tun noch immer viele, zuhören kaum jemand) sollte man doch ein klein wenig Wert auf Stichhaltigkeit legen. Abgesehen davon: Er hat sich nicht als Fan zu erkennen gegeben, an keiner Stelle, und wenn er es wäre, wäre der Ratschlag dennoch an die Sendeanstalt: Nehmt für das nächste Spiel einen neutralen Kommentator.
Sie stehen „zu weit hinten drin“, müsste man hier fortführen mit „da könnten sie bald ein Tor kassieren“ und was müsste er dann abschließend sagen? „Ja, und wer will das denn?“, oder wie?
Man schreit ihn wieder an, den Fernseher: „Mensch Junge, wach auf, du hast die Chance, hier passiert was Tolles, vielleicht ein Tor, Freu dich drüber und vermittle das – oder räume endlich, endlich diesen Stuhl!“
Fazit: Peinlich, dumm und falsch.
zu 4) „ wieder alles nur durch die Mitte“
Das „wieder alles“ hatte was mit dem zuvor Geäußerten zu tun, als er der Meinung war, zu erkennen dass „sein VfL“ (oder wie man das sonst auffassen soll?) zu viel durch die Mitte versuchte. Drei Tore sind sehr viel, die ihnen gelungen sind. Und diese haben sie immer auf die gleich Art erzielt: Fußball spielen, Ball nach vorne tragen, Anspielstationen schaffen und suchen, möglichst in Tornähe zu kommen und abschließen. Das Tor steht nun mal in der Mitte. Abgesehen davon ist für einen Schlaumeier jedes Mittel recht: Wenn sie über außen gegangen wären und kein Tor erzielt hätten (was sicherlich auch der Fall gewesen wäre, denn Tore sind selten), dann hätte er sie garantiert belehrt mit „bei den klein gewachsenen Angreifern bringen die Flanken nichts, das müssten sie doch wissen“ oder einem „die Flanken kommen einfach nicht, da fehlt die letzte Präzision und Konzentration. Da wird der Funkel (Anmerkung der Redaktion: der Trainer) aber ziemlich wütend sein.“.
zu 5) „.. Federico — keiner hilft. Der ist ganz alleine da“
Es handelte sich um eine höchst gewöhnliche Spielsituation, Dass man der führenden Mannschaft das Nichtnachrücken mit allen Mann aus den Gründen a) Kräfteverschleiß und b) doch irgendwann Behaupten des Vorsprungs nachsieht, ist hoffentlich selbstverständlich. Dass aber Giovanni Federico der Ball in bedrängter Lage mal überlassen wird, gerade weil er eine glänzende Technik hat, ist ebenso nachvollziehbar. Dass es sich um eine Standardtaktik handelt, dass weiter vorne stehende Spieler gesucht werden – also angespielt – und diese bis zum Nachrücken der Mitspieler einfach nur zur Ballbehauptung eingeteilt sind, dürfte man ebenso wissen. Federico behauptete den Ball und spielte ihn alsbald einem Mitspieler zu. Was einen bewegt, an dieser Szene etwas Kritisches herauszuarbeiten, einen Mangel zu erkennen? Das kann nur an einem Mangel im Reporterverständnis dieses Spieles liegen. Abgesehen davon — siehe oben. Was haben negative Bemerkungen überhaupt für einen Sinn? Zuschauer vergraulen?
zu 6) „ … wieder — hat den Ball, aber eh da mal einer dazu kommt“
Auf der erkannten Schwäche muss — damit nachgewiesene Laienhaftigkeit hin oder her – herumgehackt werden. Wieder die gleiche Situation, schon nahe dem Spielende. Die Bochumer haben einen riesigen Aufwand betrieben, sie führen, das Publikum steht vor Begeisterung. Er möchte sie zwingen, energischer nachzurücken? Wo ist das Problem? „eh da einer dazu kommt“. Ja, der Mann war vielleicht für den Moment ohne rechte Unterstützung. Aber sie haben ja momentan gar nichts zu leisten. Sie müssen kein Tor erzielen. So spielt man heutzutage. Abgesehen davon war die Bemerkung natürlich grundsätzlich falsch, denn, wie weiter oben erwähnt, ist es nicht wahr, dass das Spiel irgendwie zur Ruhe kam. Wozu nicht existente Schwächen überhaupt suchen, wenn man ein so tolles Spiel vor sich hat? Da mangelt es nicht nur an Sachverstand.
Es erinnert ein wenig daran, dass ein Fotograf Schmetterlinge knipsen möchte für ein Naturmagazin, während hinter ihm ein Haus einstürzt – er das Foto des Jahre hätte — und er sich im gleichen Moment beklagt, dass er keine Schmetterlinge hier vorfindet – vermutlich diesen tosenden Krach im Hintergrund verantwortlich macht.
zu 7) „… wenn er da noch mal links rausspielt — aber da muss der Grote auch rufen“
Mängel über Mängel werden erkannt und herausgestellt. Ja, einem wahren Experten kann man doch nicht ein X für ein U oder einen Hauseinsturz für einen bunten Schmetterling vormachen? Nee, was schlecht ist, muss erwähnt werden. Wenn einer das Tor des Jahres erzielt und sich anschließend beim Jubeln den Arm verstaucht, dann war er wahrscheinlich „schön dämlich“. Der Eine muss links rausspielen, der Andere muss rufen. Was auch immer die Wahrheit ist. Er träumt von einem bestimmten Spielzug. Nur: Wenn er sich so erfüllte, dann würde er sofort Jagd auf die schläfrige Hintermannschaft machen. Die gelungen Aktion gibt es ohnehin nicht.
Übrigens: Grote hatte gerufen. Der Mitspieler wusste von seiner Anwesenheit dort. Er hatte eine andere Idee. Laut Matthias Stach müsste es heißen „so wird das nix“ (oft genug gehört) und, wenn sie den weisen Ratschlägen folgen würden, — „links, links rausspielen“ — ja, dann, dann wäre Tor. —- Nur leider die Hintermannschaft daran schuld, wie uns seine Erkenntnis im Anschluss lehrt. Für Lob bliebe da kein Platz.
zu 8) „ … am Schluss wird das noch ne Zitterpartie“
Oh, wie bedauerlich. Für den Bochum Fan? Nicht einmal die konnten sich der Faszination entziehen. Es deutet darauf hin, dass er sich auf einen so gemütlich schlafenden Abend eingerichtet hatte, in der „alles nach Plan“ verläuft (äh, wie war der gleich noch?) und vor allem in der man sich nicht aufregen oder ereifern muss. Keine Spannung, keine Dramatik, Bloß das nicht! Da wird das noch zur Zitterpartie!
Also ernsthaft: man kann es doch nur als Fan der Bochumer sagen. Denn: die 1860-Anhänger hätten doch das Recht, darauf zu verweisen, dass sie sich sehnen nach dem Ausgleichstor? Worum geht es eigentlich bei der Kommentierung? Gibt es überhaupt irgendeine Vorgabe an einen Reporter? Eine einzige nur? „Erzähl doch, was dir in den Sinn kommt. Ob es stimm ist egal. Ob es der Zuschauer hören will ist egal. Ob es unterhaltsam ist, ist egal. Ob du es spannend machst, ist auch egal. Labern und blubbern. Wir kriegen die Zuschauer schon irgendwann weg, da mach dir keine Sorgen.“
Dieser Satz ist so traurig, ihn zu hören. Er drückt fast alles aus, was allgemein bemängelt wird. Und keiner, der das überprüft. Wie wäre es denn mal mit einer Zuschauerbefragung? So etwa: „Mögen Sie die aktuelle Art, wie Spiele kommentiert werden?“
Ehrlich gesagt ist leicht nachvollziehbar, warum das nicht gemacht wird. Es würde eine Postlawine eingehen, die alle diesmal zurecht einen völlig einheitlichen Tenor hätte: „Es ist grauenhaft, unerträglich. Nur kann ich leider über die letzten vier Jahre kein Urteil mehr abgeben. Denn seitdem schaue ich Fußball ohne Ton.“
zu 9) „ … nicht immer hochklassig“
Es gab ein Fazit, Und irgendetwas im Rückenmark der Unsinnsquasselstrippe, das Rudiment eines Fußballverstandes, ein Gespür, dass ihm, außer, dass er nur ein paar beliebige Floskeln aneinanderreiht, mitteilte, dass er eine Art von Unterhaltung oder Spannung empfunden hatte, er selber, und dass es eigentlich nicht viel mehr zu erwarten gäbe als gute Unterhaltung, ließ er sich zu dem Fazit hinreißen, was sich so anhörte: „Jo, eigentlich haben wir ein ganz unterhaltsames Spiel gesehen.“
Das „Jo“ (und, Hand aufs Herz, das war wirklich ein „Jo“) deutet bereits an, dass es ihm einerseits schwer fiel, und andererseits, dass es ihn nun garantiert nicht aus dem (fest mit dem Hinterteil verschweißten) Sessel riss. Dennoch ließ es ein ganz klein wenig temporäre Anerkennung ablesen. Im selben Augenblick jedoch erschrak er sich vor sich selber, so etwa: die Gedankenstimme „Was habe ich da grad gesagt? Etwas Positives? Wie konnte das denn passieren!“
Und er musste einfach, dass ist das Reporter Gen, dass man nur haben kann oder nicht, jene Veranlagung, die man auf Lebzeiten beibehält, die einen verpflichtet, immer nach Objektivität zu streben, die einem alles anerzieht, was man zur gekonnten Unterhaltung benötigt, so musste er korrigieren mit dem unsäglichen „…nicht immer hochklassig“, was man dann für sich selbst ergänzen mag mit einem „na immerhin“.
Selbst hat man alles gesehen als Reportergenie, das ist klar. Man hat damals in der intergalaktischen Liga sechs Mal in Folge den Milchstraßen Pokal gewonnen und dabei 83 Treffer erzielt. Später hat man als Trainer und dann als Manager das Kunststück wiederholt. Man hat alles, aber wirklich alles gesehen — und selbst gemacht und gekonnt. Auch das ist keine Frage. Also wird es einem natürlich unmöglich, jemals noch so etwas wie „Begeisterung“ oder „Leidenschaft“ für ganz normalen, irdischen Zweitligafußball zu empfinden. Aber: Ist man dadurch gezwungen, sie auch dem Zuschauer vorzuenthalten? Wäre nicht eventuell jemand besser geeignet, dem aus Versehen mal der Mund offen stehen bleibt, und ein anschließendes „Klasse, toll“ entfleucht, ohne eine anschließende Fehlersuche, ohne Einschränkung, angesichts der herausragenden — für irdische Verhältnisse — Darbietungen?
Der Zuschauer hat es ihm gleichzutun: Gehe Du, Zuschauer, ja nicht aus dem Sessel, da ich es auch nicht tue. Das ist meine Rolle. Und die fülle ich nun wirklich perfekt aus. Das galt am Abend des 23. August 2010 für alle Zuschauer. Alle drei. Genau die drei, die bis zum Schlusspfiff gelauscht haben (Zuschauer gab es vielleicht noch mehr). Nächste Woche sinds noch zwei…