Einführung

Ein kleines, anekdotisches Beispiel für den Unsinn, welcher in Bezug auf Wetten medial permanent so verzapft wird und welcher den „naivaen“ Umgang mit Wetten und Wahrscheinlichkeiten, zumindest in Deutschland für lange Zeit, plastisch machen soll:

In der Saison 1990/1991 bot der Präsident des VfB Stuttgart per Sport-Bild eine Wette an, als sein VfB nach 14 Spieltagen mit einer Bilanz von 3–4–7 auf dem 15. Platz stand. Der Wettvorschlag lautete: „ich wette um 2.000 D-Mark, dass wir noch in den UEFA-Cup kommen.“ Als Leser durfte man nun an die Sport-Bild schreiben, sich als Wettpartner bewerben,und konnte in der Folge das Glück haben, gezogen zu werden. Sofern man gezogen würde, müsste man quasi das Gegenteil behaupten und hätte somit die Chance erworben, am Ende der Saison 2.000 D-Mark zu gewinnen — sofern der VfB Stuttgart nämlich NICHT das angepeilte Ziel erreichen würde. Um den Verlustfall musste man sich keine Sorgen machen. Die 2.000 D-Mark würde die Sport-Bild dann wohl übernehmen, so ist zu vermuten. 

Natürlich ist auch dieser Vorschlag selbst bereits ziemlich naiv, die Idee dahinter jedoch durchaus interessant und vielleicht sogar ein wenig zu bedauern, dass es so etwas oder Vergleichbares nicht häufiger gibt?!  

Aus Sicht des Lesers war die Reaktion, wahrscheinlichkeits- und überzeugungstechnisch gesehen, jedenfalls, im Vergleich zu „naiv“ viel eher genauso schlicht, nämlich „trivial“. Man musste schreiben, egal, welcher Auffassung man selbst in Bezug auf diesen Wettvorschlag vertreten hätte. Die beiden Antipoden „ich wette“ oder „ich wette dagegen“ hatten den identischen Stellenwert. Denn, rein logisch gesehen, stellte man das Briefporto gegen die Summe von 2.000 D-Mark, was mindestens einer Auszahlungsquote von 2.000 zu 1 (sofern das Porto 1 DM betrug) entsprochen hätte. Und dafür, so kann man seine Hand ins Feuer legen, lohnte diese Wette unter allen Umständen.

Der Autor hingegen witterte eine Geschäftsidee und setzte die Simulation seines gerade neu in Betrieb genommenen Programms in Gang. Er setzte im Anschluss ein Schreiben an die Sport-Bild auf. In diesem machte er darauf aufmerksam, dass er AUF ALLES Wetten würde, genau wie der Präsident des VfB Stuttgart, natürlich auch auf das Erreichen des UEFA-Cups des VfB. Nur müsste man dazu erstens eine klar formulierte Auszahlungsregelung treffen und zweitens wäre auch dies, so wie die Wette auf ein jedes in der Zukunft liegendes Beispiel (damals machte auch bei englischen Buchmachern die Runde, ob Boris Becker Steffi Graf eines Tages heiraten würde die Runde) eine Frage der Quote. Einfach nur so zu sagen ´ ich wette, dass dies oder das passiert´ ist substanzlos. Zugleich bot er dem Herrn Präsidenten seinerseits eine Wette an. Nämlich jene, eine Quote zu bezahlen auf dieses Ereignis. 

Da der Ausgang des Ereignisses jedoch nicht allein an einem Tabellenplatz festgemacht werden konnte, bot er Quoten an für Erreichen des fünften Tabellenplatzes oder besser (und natürlich gerne auch für andere Platzierungen, falls der Präsident höher hinaus wollte und daran glauben sollte; der Computer errechnet einfach, per Simulation, eine Quote für JEDEN möglichen Tabellenplatz am Ende der Saison; Enthusiasten und Gegner des VfB hätten genauso gut und gerne eine Quote auf Platz 16, 17 oder 18 erhalten können und diese mit Ansicht mit Kapitaleinsatz untermauern) an, welche den Einzug in den UEFA-Cup GARANTIEREN würden. 

Selbstverständlich bekam er KEINE Antwort auf seine Zuschrift. Vermutlich landete dieses Kuvert, so wie jeder andere eingegangene ebenfalls, auf einem riesigen Stapel und aus jenem wurde achtlos, aber absolut gerecht, einer nach dem Zufallsprinzip gezogen. Der „Gewinner“ war somit zum Wettpartner geworden ohne weiteres Risiko zu gehen.

Die angebotene Quote ist nur noch auf das Erreichen des sechsten Tabellenplatzes – oder besser — bekannt. Vermutlich, da darauf die Wette im privaten Bereich einging. Garantieren würde sie die Teilnahme am UEFA-Cup NICHT. Jedenfalls war die Quote auf „der VfB landet in der Saison 1990/1991 in der Abschlusstabelle MINDESTENS auf dem sechsten Tabellenplatz“ bezahlt mit 3.5.

Tatsächlich fanden sich im privaten Bereich sogar Interessenten ein, welche auf diese Quote mit einer Wette einstiegen, da das anscheinend zum Gesprächsthema – dank Sport-Bild und Mayer-Vorfelder – erhoben wurde. 

Nun dürfte der Ausgang der Geschichte interessant sein? Ja, tatsächlich hatte Gerhard Mayer-Vorfelder insofern recht, als der VfB – vor der Saison natürlich wesentlich höher gehandelt – sich nach und nach aus der Krise befreite und die Tabellenränge nach oben krabbelte.