Da man nun bereits einige Male zu dem Schicksal von Hertha BSC Position bezogen hat, soll es auch heute eine weitere Einschätzung geben, da die Strafen für die Spieler anstehen.
Als Verlierer hat man es hierzulande wirklich schwer. Und eingeteilt wird ziemlich deutlich in Gewinner und Verlierer. Bei Olympia etwa – und man vergesse bitte nie die olympische Idee „dabei sein ist alles“ – gibt es, so man denn den Medien vertraut, einen Gewinner und vielleicht 16 Millionen (alle, die den Sport ebenfalls betreiben) Verlierer. Die Sensationslust, der unbedingte Wille zu DER GROßEN Schlagzeile, der Zwang zum Erzeugen von immer neuen Superlativen sorgt dafür. So „besiegte“ Ben Johnson beispielsweise Carl Lewis im 100 Meter Lauf, wurde zum Sieger erklärt, der andere zum Verlierer, selbst wenn dieser mit einer Silbermedaille geehrt wurde, die man vermutlich zeitgleich, so denn die Medien ihre weltweite Macht ausnutzen würden, am liebsten stante pede zur „Verlierermedaille“ erklären würde.
So hat Hertha also verloren, in erster und zweiter Instanz. Ex Spieler Axel Kruse hatte sich bereits vorab in dem Sinne zu der vorhersehbaren Entscheidung geäußert, indem er sie als eine „politische“ einstufte. Klar, man könne nicht drei Wochen nach Saisonende ein Wiederholungsspiel ansetzen. DAS hätte garantiert den Anstrich einer irregulären Entscheidung. So sucht man also ausreichend viele Argumente zusammen, schiebt Hertha ein paar weitere Schwarze Peter zu, indem man ihr unwürdiges Verhalten anprangert und MUSS so zu der Entscheidung kommen.
Abgesehen davon hat sich die Volksseele eh längst beruhigt, man kann nicht drei Wochen lang brodeln vor Empörung über eine derartige Ungerechtigkeit, zumal, wenn man gleichzeitig Erdbeben bezeugen muss oder von Morden und Überfällen ließt, die zwangsläufig das Sportgeschehen in den Hintergrund drängen. Die Hertha-Mitglieder haben also votiert auf der Jahreshauptversammlung und, kein Wunder, sich für die Hinnahme des Abstieges entschieden. Keine dritte Instanz bitte, egal, wie groß die Ungerechtigkeit auch gewesen sein mag.
Nun ja, an dieser Stelle wurde ja erwähnt, dass ein weiterer Fehler durch die Nichtberücksichtigung der Chancenverteilung hineinkam. Ein Widerholungsspiel würde Herthas Chancen gegenüber der Situation, die sie hatten, selbst wenn noch die eigentlich gerechtfertigten fünf Minuten mehr Spielzeit angehängt worden wären, zu sehr erhöht haben. Das empfindet auch ein Herthaner als zu viel des Lohnes, das steht einem nicht zu, nein, auf diese Art würde man die Klasse nicht halten wollen, noch mehr, sofern es auf Kosten des Gegners geschähe. Also der ursprüngliche Vorschlag einer Ligaaufstockung – vor allem, da alle Topligen mit 20 Mannschaften spielen –, ist da schon viel eher anzudenken. Nun, auch das ist, speziell in deutschen Lande, wo doch alles so wunderschön nach Vorschrift läuft, ebenfalls nicht vorstellbar, auch hier aber gibt es den guten Grund, dass einige, die dann nicht zu ersten Liga gehören würden genau die gleichen Ansprüche anmelden könnten: Warum die und nicht wir?
Jetzt, nachdem sich die Wogen so weit geglättet haben, Ungerechtigkeit hin oder her, soll es den Berliner Spielern an den Kragen gehen. Kobiashvili, einer der Verlierer, wie oben erwähnt, der noch dazu nicht einfach bereit war, dieses Verliererimage anzunehmen, sich mit den gegebenen Ungerechtigkeiten abzufinden, der aufbegehrte ob der ihm widerfahrenden Ungeheuerlichkeit, gerade einfach so, von einem übereifrigen Schiedsrichtern im Verein mit den euphorisierten Fans zum Verlierer erklärt zu werden, ohne eine faire Chance zu bekommen, dieses Image abzulegen noch bevor es dazu kommt, der noch dazu jene Leidenschaft aufbrachte, den die Medien monatelang von den Berlinern einforderten, sie aber zugleich ihnen absprachen, jener Kobiashvili soll nun, da alle Instanzen verloren wurden und damit das Recht angeblich gesprochen wurde, zu einer Strafe von einem Jahr Sperre verdonnert werden.
Garantieren kann man an dieser Stelle nur dies: man könnte einem beliebigen Menschen eine Ungerechtigkeit erfahren lassen, es wäre nur eine Frage der Größe derselben, bis man ihn zur Weißglut bekommt, bis er Ausrasten würde. Dies sollten bitte die Herren „Rechtsprecher“ einmal berücksichtigen. Wenn man ihnen beispielsweise unterstellen würde, zu einem Zeitpunkt, für den sie kein stichhaltiges Alibi haben, ein minderjähriges Mädchen vergewaltigt zu haben, und sie hätten zu dem Zeitpunkt vielleicht selig und unschuldig im eigenen Bettchen geschlummert, von einer schönen und gerechten Welt träumend, und würde sie mit Handschellen abführen und vor das Gericht zerren, dem sie selber nach eigenem Glauben noch angehören müssten, dann, so kann man an dieser Stelle versichern, würde auch ihnen der Schaum vor den Mund treten, das könnte man ihnen nicht ungestraft antun, hier würden Rachegefühle aufkommen an demjenigen, der dieses bösartige Gerücht in die Welt gesetzt hat.
Nein, das Strafmaß, welches jetzt zur Debatte steht, an allen Berliner Spielern, ist völlig unangemessen. Spürt man denn nicht, dass sie nur deshalb ausrasteten, weil sie diese Ungerechtigkeit nicht hinnehmen konnten, dass diese einfach zu groß war, um sie bereitwillig zu schlucken, sich devot unterzuordnen, nachdem man einfach zum Verlierer erklärt wurde, in einem Moment, da man voller Tatendrang und Hoffnung auf das dritte, entscheidende Tor aus war? Die Fans des Gegners hinderten am Weiterspielen, der Schiedsrichter zwang sie nach 20 Minuten für eine lächerliche Spielzeit von kaum 90 Sekunden, aufs Feld zurück, für 90 Sekunden, in denen das Spiel nicht einmal regulär weiter lief, in denen sie kaum einmal den Ball berührten, in denen es nur eine Absicht für den Schiri gab: sie heil zu überstehen und ja die Jubelfeier nicht durch ein spätes Tor zu verderben, bei dem Fall wessen er um seine heile Haut hätte fürchten müssen.
Auf die von ihm vorgetragene Art hat er sich lediglich den Zorn von ein paar Verlierern zugezogen, mit denen er schon klar kommen würde, zumal er ja nun das Gesetz im Rücken hatte. „Was regen die sich denn so auf? Ich hab das Spiel korrekt über die Bühne gebracht.“
Abgesehen davon soll hier einmal die Rede allgemein von den Relegationsspielen sein: im Gegensatz zu allen anderen k.-o.-Spielen ist eine Relegation eigentlich absurd. Im Pokal, in Ausscheidungsspielen, gilt es, eine Runde weiter zu kommen in einem Wettbewerb, der grundsätzlich so angelegt ist. Siegen oder Fliegen. Die Etats sind meist nicht darauf berechnet, hier große Einnahmen zu erzielen, sie sind eher ein Zubrot, sind eine weitere Feierstunde für die Fans der siegreichen Mannschaften, die der kommenden Auslosung und alsbald der nächsten Runde entgegen fiebern, und den Traum vom Cup erst in dem Moment begraben müssen, da sie selber Rausfliegen oder der Gegner im Finale das bessere Ende für sich hat.
In der Relegation sieht es total anders aus. Zwei Teams hatten über 34 Spiele Zeit, ihre Klassenzugehörigkeit unter Beweis zu stellen. Natürlich ist es für den Zweitligisten vergleichbar mit einem Pokalsieg. Man bekommt am Ende noch eine weitere Chance für das Traumziel. Aber wie sieht es für den gefährdeten Erstligisten aus? Für ihn hängen Existenzen daran, für ihn steht die Zukunft des gesamten Vereins auf dem Spiel, für ihn kann eine schreckliche Saison nur zur Katastrophe werden oder gerade so noch gerettet werden.
Mit dieser Ansetzung einer Relegation provoziert man eigentlich derartige Spiele, derartige Auftritte, derartige Ausraster, von Fans und von Spielern. Hertha kämpfte sozusagen um sein Leben. Und wenn einem dabei Ungerechtigkeiten widerfahren, dann bekommt es eine ganz andere Qualität, als wenn es im Ligaalltag geschähe, wo man, selbst wenn einmal (oder sogar mehrmals) benachteiligt, noch immer genügend Chancen hätte, das Glück wieder auf seine Seite zu ziehen. In einer Relegation heißt es dafür: „Do or die“. Tu es oder stirb, im wahren Wortsinne.
Die Herthaner haben sich nur gewehrt gegen das Sterben, zu welchem die durch eine Ungerechtigkeit, die es wohl unstrittig war, verurteilt wurden.