1) Einleitung
Mal wieder darf ich diesen Satz hier zitieren, und hier hat er doch eine spezielle Bedeutung: „Wer wetten will, will auch betrügen.“ Ursprünglich behalte ich meine Meinung aufrecht, dass das Zitat daher stammt, dass in grauer Vorzeit ein Wettangebot so entstand: „In Chicago leben 400.000 Griechen.“ „Nee, das glaub ich nicht.“ “
Doch, ist aber so. Wollen wir wetten?“
Es wurde auf Tatsachen gewettet, zumindest der Vorschlag gemacht. Und da kann man doch mit einer gewissen Überzeugung sagen: „Na, wenn du darauf wirklich wetten willst, dann weißt du es wohl genau. Und auch wenn du so tust, dass du es nur ´rätst´. Und dann ist es doch eine Art Betrugsversuch.“
Nun gut, auch wenn ich mich diesem Gedankengang nicht vorbehaltlos anschließen kann (meine Bedenken: wenn einer groben verbalen Unfug verzapft, dann möchte ich doch zumindest ein schlagkräftiges Mittel zur Verfügung haben, um ihn zum Schweigen zu bringen. Und das ist ein Wettvorschlag. „Wette auf deine Aussage oder schweige!“), so kann ich doch immerhin diese Form der Interpretation nachvollziehen.
Als zweite Möglichkeit des „Betrugsversuches“ könnte man auch noch anführen, dass einer behauptet, 10 Minuten lang Handstand zu machen oder den Kilometer in 3 Minuten und das zu Fuß zurückzulegen. Und wenn nun einer Zweifel anmelden sollte und man diesen in eine Wette verwickeln könnte („Na gut, wenn du es nicht glaubst, wette dagegen und ich zeig es dir.“), dann könnte man auch ansatzweise von einem Betrugsversuch sprechen. Der Mann weiß vielleicht, dass er Handstand oder schnell laufen kann, besser als ihm zugetraut wird. Dennoch könnte er ja auch verlieren. Ein Windstoß, ein Schwächeanfall. Alternativ zu dieser Form des „Misslingens“ könnte man sich ja gar vorstellen, dass der dagegen wettende seinerseits Einfluss nimmt. Also beim Handstand fängt er an, Witze zu erzählen (abgesehen von noch gemeineren „Boykottversuchen“ wie abkitzeln oder so) oder beim 1000 Meter Lauf wir ein Bei gestellt oder eine andere Falle aufgebaut. Aber da hätten wir es ja schon wieder: Betrug hier und dort.
Auch hier würde ich plädieren auf „überragende Fähigkeiten“, die in Zweifel gezogen werden und, vergleichbar mit einem Zirkus, man sich die Vorführung dieser „besonderen Fähigkeit“ etwas kosten lässt. Dennoch könnte man denjenigen nicht gänzlich vom „Betrugsversuch“ freisprechen. Er möchte gerne eine Wette machen, die ihm eine sehr hohe Erfolgschance beschert. Am liebsten mit 100%.
Und das haben sozusagen alle diese Wetten gemeinsam. Man möchte möglichst in der Nähe von 100% Siegchance wetten. Jeder, der einen solchen Vorschlag macht, möchte oder, früher, er „wollte“, eine Wette machen, die ihm eine möglichst einhundertprozentige Siegchance für sich haben. Alleine der Versuch aber ist in dem Sinne noch nicht strafbar, wie ich finde. Man sucht halt irgendwie „einen Dummen“, der irgendeine Tatsache „nicht glaubt“ und von daher bereit ist, sein Geld dagegen zu wetten.
Dass auch solche Wetten teilweise „mit Quote“ gemacht wurden, tut der Sache keinen Abbruch. Sofern man 100% hat, kann einem im Prinzip die Quote egal sein. Wenn man also auf eine Tatsache oder eine Fähigkeit wettet, bei der man ziemlich sicher ist, dass das Ereignis, auf das man wettet, im herkömmlichen Sinne „sicher“ ist, also nahe 100% ist (nicht vergessen: jedes in der Zukunft liegende Ereignis hat eine Eintrittswahrscheinlichkeit, weil es zumindest vom Voranschreiten der Zeit, die uns nicht garantiert werden kann, abhängt), spielt die Auszahlungsquote keine wirkliche Rolle. Also der Satz, früher in Spielerkreisen auch gelegentlich gehört: „Ich zahl dir zehnfaches Geld.“ reflektiert diese Einschätzung. „Ich weiß, dass das, was ich sage stimmt. Also kann ich auch eine Quote von 10 (es wäre sogar 11.0, das zehnfache Geld) zahlen.“
Also das Sprichwort hat irgendwo, wie so viele Sprichwörter, von denen ich auch grundsätzlich ein Anhänger bin, seine Berechtigung. Natürlich, auch das logisch und an anderer Stelle hergeleitet (Kapitel „Glücksphilosophie“): es ist ein Satz, ein Merksatz meinetwegen, der viel und häufig verwendet und zitiert wurde/wird. Es ist ein Ausdruck. Er hat also seine Berechtigung, muss sie einfach haben, sonst würde es ihn nicht geben. Dass es auch mit Erkenntniszugewinnen möglich ist, eine solche Aussage zu differenzieren, erinnert ein wenig an das Bohrsche Atommodell. Dieses reichte aus zu dem damaligen Zeitpunkt die bis dahin zu beobachtenden Phänomene ausreichend gut zu beschreiben. Aber mit der Weiterentwicklung, mit verbesserten Beobachtungsmöglichkeiten und anderen auftretenden Phänomenen musste es ddoch, wenn auch nicht als grundsätzlich „falsch“ so doch als „unzureichend“ erachtet werden. Es mussten neue Modelle her, um die auftretenden Phänomene auch beschreiben zu können.
Prinzipiell hat das Sprichwort also einen wahren Kern. Es gibt aber ausreichend viele Möglichkeiten, auch ausgesprochen „fair“ zu wetten und zu spielen. Jede Seite rechnet sich zwar ihre Chancen aus, jede der beiden Seiten räumt aber auch die Möglichkeit ein, entweder sich zu vertun, also eine schlechte Einschätzung abgegeben zu haben und deswegen verloren zu haben oder aber auch durchaus durch Pech zu verlieren. Also die Einschätzung stimmte grundsätzlich, aber der Ausgang des Ereignisses war aber in dem Sinne ungünstig, dass man die Wette verliert und von daher auszahlt. Dies kann sowohl den Wetter selber als auch den Wettanbieter betreffen. Grundsätzlich unterscheiden sich am heutigen Wettmarkt nicht einmal mehr diese beiden, traditionell so schlich auseinander zu haltenden Seiten. Jeder kann als Anbieter oder als Spieler auftreten.
In erster Linie bezieht sich diese Art zu wetten natürlich auf die „unmanipulierten“ Spiele. Beide Seiten mögen zwar versuchen, sich einen Vorteil durch Informationsvorsprung zu verschaffen (1) ich kann Kaffeesatz lesen. 2) ich habe meinen Wahrsager befragt. 3) ich habe heute mein Horoskop gelesen und da steht, dass ich heute Glück habe. 4) in den letzten 10 Spielen hat Hannover immer in Köln verloren. 5) heute fehlt Marko Pantelic und ohne ihn ist Hertha nichts wert. Ich spiele also Dortmund. 6) Werder hat seinen Fokus auf den DFB-Pokal gelegt. Sie „lassen sich in der Meisterschaft hängen“. Ich spiele HSV. 7) Mein Gefühl sagt mir, dass das Schalke das heute macht. 8) Ich habe heute einen Glückscent gefunden. 9) Jürgen Klopp hat eine ganz schlechte Bilanz gegen den VfB Stuttgart oder 10) Der Kurs von 2.10 auf Bayern ist einfach zu hoch in Hoffenheim. Das spiele ich wegen der Quote.), aber die Wette bleibt fair. Jeder kann verlieren oder gewinnen. Und jeder ist sich auch sicher, das Geld zu bekommen. „Betrug“ könnte es natürlich auch sein, wenn die Wette „auf Ruf“ gemacht wird und einer einfach schon vorher weiß, dass er nicht bezahlen wird. Einklagbar ist diese Schuld nicht. Man mag sich seinen Ruf verderben, vielleicht kann man das nur einmal im Leben machen. Vielleicht ist es auch nicht ratsam, das zu tun, weil dem anderen die Mittel „egal“ sind, mit denen er an sein Geld gelangt.
Aber all dies sind natürlich für dieses Kapitel nur „Randbemerkungen“.
2) Richtiger Wettbetrug
Hier soll die Rede sein von richtigem Betrug. Dabei möchte ich gerne auch ein paar dubiose Vorkommnisse schildern, ein paar praktische Beispiele, die Reaktionen auf dem Wettmarkt und was sonst noch so alles damit zusammenhängt.
Nun ist hier die Frage, ob ich mich nach einer „Chronologie“ richten soll, oder ob die Rangfolge nach „Schwere des Delikts“ willkommener wäre. Ich entscheide mich, wie immer, erstens spontan und zweitens nach meinem persönlichen Empfinden
Also dass man schon immer gemunkelt hat, ist eigentlich klar, so lange, wie man am Wettmarkt beschäftigt ist. Man spürt den ersten Ansatz von Betrug, von Absprachen, von möglichen „kleinen Hilfen“ schon recht früh. Die Frage ist dann nur, welche Bedeutung man dem selber beimisst, welche Bedeutung dem von offizieller Seite zukommt (na gut, Medien mit eingeschlossen, die das oftmals bestimmen können) und welchen Einfluss das am Wettmarkt hat, wie der darauf reagiert.
Ich nehme mal die Reihenfolge, die mir grad so in den Sinn kommt.
a. Der Bundesligaskandal
Dieser hatte natürlich am Wettmarkt keinerlei Bedeutung gehabt. Es war im Jahre 1971, ich war junger und höchst begeisterter Fußballfan, war so oft es ging bei Hertha im Stadion, habe selber Fußball gespielt und habe, trotz väterlicher Skepsis, bei zahlreichen vorherigen Gelegenheiten, stets an das Gute geglaubt (tu ich auch bis heute; ich lass mich auch gerne als „kindlich“ und als „naiv“ einstufen; stört mich gar nicht; ich wunder mich auch nicht, dass mein Geld alle ist, extra nicht, hehe).
An jenem sonnigen Frühsommertag geschah also das Unfassbare. Man hatte schon vorher so eine ganz leise Ahnung. Ich habe diese einfach beiseite geschoben. Aber nun platzte die Bombe. Ich war im Stadion, so oft es ging. Ich habe Herthas historischen Heimsieg gegen Borussia Dortmund, das legendäre 9:1, live im Stadion verfolgen dürfen. Ein Augenschmaus, ein Leckerbissen, ein absolutes Highlight. Und eine kleine, späte (beinahe) Kompensation für meinen ersten Olympiastadionbesuch, als die noch für alle Negativrekorde zuständige Tasmania gegen den damaligen Meidericher SV (dann bald MSV Duisburg) das ebenso historische 0:9 kassierte, welches bis heute als „höchste Heimniederlage der Bundesligageschichte“ Bestand hat (sollte es bei Lektüre anders sein, so hat es doch immerhin zumindest bis zum Verfassen dieser Zeilen hier 43 Jahre lang gegolten). Dann wurde der VfB Stuttgart mit 3:1 „abgefertigt“. Tja, keine ganz leichten Zeiten für Hertha-Fans. Es wurde einem langsam langweilig. Die Bilanz nach dem 16.Heimspiel, also vor dem Spiel gegen Arminia Bielefeld, lautet: 14 Siege, 2 Unentschieden. Niederlagen? So was geht gar nicht. Und schon gar nicht gegen Bielefeld…. Die leicht übermütigen Hertha-Fans skandierten bereits aus lauter Langeweile „Hertha hat kein Gegner mehr — schickt uns Inter Mailand her“ (klar, Inter war der aktuelle Europapokalsieger; dass selbst dieser Wunsch erfüllt wurde, hatte einen eher sehr faden Beigeschmack; denn Borussia Mönchengladbach hatte Inter Mailand mit 7:0 mit Pauken und Trompeten „vernichtet“, ebenfalls im Europapokal; nur hatte einer der Italiener, Boninsegna, schon alsbald die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens „auf ehrliche Art Weiterkommen“ erkannt und sich spontan zu Boden geworfen; er wurde abtransportiert; die Meldung „getroffen von einer Büchse“ und „schwer verletzt“ waren eher eine Ohrfeige; und das für alle Fußballfans; denn: das Spiel wurde tatsächlich zur Wiederholung angesetzt; das Spiel musste 400 km entfernt von Mönchengladbach ausgetragen werden, wegen der bösen „Büchsenwerfer“; die Wahl fiel auf Berlin; Inter „ermauerte“ sich ein 0:0 und war weiter; absurd; aber apropos „Skandal“ und „Manipulationen“; nun ja, immerhin war Inter also mal da, wenn auch ausgesprochen „unrühmlich“).
Ich persönlich hatte an jenem Nachmittag ein kleines Fußballturnier auszutragen. Und trotz des allgegenwärtigen Bedauerns, nicht ins Stadion zu können (es ging nicht nur an diesem Nachmittag nicht; wir hatten öfter mal auch Sonnabends unsere Spiele), ging das selber spielen stets vor. Auch uns gelang im letzten Spiel des Turniers ein 0:0 gegen den VfL Schöneberg und wir waren sogar Turniersieger, als ich die unfassbare Nachricht bekam: Hertha hatte gegen Bielefeld mit 0:1 verloren!
Der Turniersieg war nichts mehr wert, alles um mich herum schien an Bedeutung zu verlieren. Und es war nicht der pure Hertha-Fanatismus, der mich so entsetzlich geschockt hat. Es war das sichere Empfinden, dass „etwas nicht stimmte“. Hertha war dennoch auf Platz 3, ein eigentlich tolles Ergebnis. Bielefeld hatte mit diesem Sieg den Abstieg vermieden. Aber hatten sie nicht ein paar Wochen vorher auch schon in Schalke gewonnen? Ebenfalls mit 1:0? Waren da nicht auch schon ein paar Gedanken „aufgekeimt“? Ich schaute dennoch etwas später die Sportschau. Es war alles dumpf und dunkel, so empfand ich es. Als ich dann mein Idol Zoltan Varga sah, dass er tatsächlich einen Ball an die Latte geschossen hatte, versuchte ich, für diesen Moment mir einzureden, dass sie ja dann wohl doch „ehrlich“ gespielt hätten. Denn: was, wenn der Ball reingegangen wäre? Leider fand ich auch damals schon recht bald die einfache Lösung: dann wäre die Hintermannschaft halt ein zweites Mal „am Ball vorbei gestolpert“.
Und schon tags darauf platzte die Bombe auch offiziell: die geschädigten Offenbacher Kickers in Person von Horst-Gregorio Canellas, hatten eine Tonbandaufzeichnung von einem Gespräch mit dem Herthaner Bernd Patzke. Der Inhalt dieser Aufzeichnung, den ich sehr gerne ignoriert hätte, ließ sich nicht mehr verleugnen: Patzke hatte die Anfrage von Herrn Canellas, dass sie doch bitte Bielefeld schlagen mögen und dafür auch eine satte Siegprämie kassieren dürfte (was ja auch schon „illegal genug“ gewesen wäre, aber immerhin hätten sie dann doch ehrlich auf Sieg gespielt), beantwortete Patzke mit „Nee, Bielefeld zahlt viel mehr, da kriegen wir 225000 DM.“ Also sinngemäß und der Betrag stimmt wohl vor allem in der Größenordnung.
Nun gut, der Stein kam ins Rollen. Alle möglichen manipulierten Spiele wurden hervorgekramt. Bielefeld wurde im Laufe der kommenden Saison zum Abstieg verurteilt. Wiedergutmachung gab es in dem Sinne aber gar keine. Es war für mich eine Welt zusammen gebrochen. Der sonst so große Enthusiasmus war so sehr gedämpft, dass ich, selbst in der Erinnerung jetzt, wirklich in eine Art Dauerdepression verfiel. Das, was mir mit Abstand am meisten Spaß gemacht hatte bis zu diesem Zeitpunkt in meinem ganzen Leben war zerstört. Es könnte niemals so werden, wie ich es vorher mal empfunden hatte. Ich war ja auch zu der Zeit schon ein glühender Statistik Fan und hatte alle Tabellen sorgfältig ausgewertet, jede Tabelle intensiv studiert, alle Fußball Wochen immer wieder jahrgangsweise durchgelesen, all das aus purer Fußballbegeisterung. All das war nichts mehr wert. Selbst meine eigene Karriere erhielt einen empfindlichen Dämpfer.
Das später nach und nach sehr viele Fußballer bestraft wurden, vor allem viele von Hertha, während es dann später die „Generalamnestie“ gab, obwohl die Schalker allesamt einen Meineid geschworen hatte, verstärkte noch dazu diese Empfindungen. Vor allem gab es auch dabei keinerlei „Gerechtigkeit“, die Chefankläger Kindermann (den ich dennoch über die Maßen hasste und verachtete) so sehr eingefordert hatte und für die er angeblich kämpfte. Hertha hatte auch in den Jahren seit Wiederaufstieg stets ein gut gefülltes Stadion. Im ersten Jahr den damaligen Zuschauerrekord, im Schnitt und auch absolut, als pro Spiel 44000 Zuschauer und mehr und speziell gegen Köln über 88.000 zahlende(!) da waren (das Stadion war aber total überfüllt, da einige nach Ausverkauf der Karten schlichtweg die Kassen gestürmt hatten; ich saß bei diesem Spiel dann im Oberring in der Kurve, dafür aber auf der Treppe, so wie viele andere auch; Hertha gewann sogar mit 1:0, und es waren über 90.000 da).
In der folgenden Saison fehlte nicht nur ich, als dann der Schnitt auf ca. 12000 absackte und der Minusrekord irgendwo bei 4000 lag. Ich habe es ihnen irgendwie gegönnt, obwohl ich mich auch selber dafür verachtet habe. Es war eine Art Hassliebe. Wie sollte ich sie jemals wieder lieben können, die mich so enttäuscht hat?
Die ganze Ausführlichkeit dieser Schilderungen ist nur dem einen Umstand zu „verdanken“: ich musste mich einfach schon früh mit der Korruptheit und Käuflichkeit der Menschen abfinden. Direkten Einfluss auf das Wetten, Wettverhalten und den viel späteren Wettbetrug hatte das nicht.
Und wie sang doch Reinhard Mey so schön einprägsam in seinem ziemlich zeitgleich erschienenen Lied über eine gewisse „Annabelle“? „Zerstör mir meine rosa Brille – und meine Gartenzwergidylle. Ich bitte dich, komm sei so gut, mach meine heile Welt kaputt.“ Aber während Reinhard Mey darum flehen musste, geschah es bei mir eher unaufgefordert…
3) Totoskandal in Italien 1980
Natürlich haben unsere Medien nur vorsichtig darüber berichtet, es wurde nicht „an die große Glocke“ gehängt, zumal man ja gerade über Italien, deren Einwohner und deren Mentalität mit Vorurteilen auch generell nicht gerade zimperlich war (siehe Story oben). Dennoch konnte man so viel in Erfahrung bringen:
Es wurden zahlreiche Spieler (die Rede war von 27, unter anderem einige Nationalspieler) „bestochen“, indem sie für bestimmte Spielausgänge sorgen sollten und dadurch für die Bestechenden ein paar hübsche kleine Gewinnsummen einspielen sollten. Nebenbei unterstelle ich auch unseren Berichterstattern einen gewissen Mangel an Verständnis, da das ganze Wetten zumindest bei uns in diesen Tagen noch kaum Bedeutung hatte (es gab nur das Toto und das war garantiert „sauber“).
Aufgeflogen ist das Ganze damals natürlich auch wieder mal aus einem kuriosen Grund (so wie auch in Deutschland der Skandal, der ja nur von einem Täter selbst, der aber dennoch Geschädigter zugleich war, „eröffnet“ wurde). Auch hier geschah das, was der Bestechende wohl nicht so Recht in der Planung hatten: die Spiele gingen nicht wie gewünscht aus. „Geschädigt“ war damit einzige und allein der Verursacher und Haupttäter des Skandals, das aber dafür doppelt (am liebsten würde ich sagen: dreifach): er hatte ja nicht nur die Bestechungssummen selber sondern dazu auch noch Wetteinsätze „in den Sand gesetzt“.
Zur Erklärung möchte ich hier das mir erst viel später angeeignete Wissen einfügen, was die Geschichte erst richtig verständlich macht und riskiere dabei, (so wie ich es früher immer bei „Aktenzeichen XY … ungelöst beanstandet habe), dass es die nächsten Nachahmer wenigstens „ordentlich“ machen. Hier also die Erklärung:
In Italien gab es damals das offizielle Toto, vergleichbar mit unserem. Da man aber dort 13 Spiele „erraten“ musste, kam das für einen großflächigen Betrug nicht so Recht in Frage. Aber es wurde damals auch schon der „Toto nero“ angeboten. Der „schwarze Toto“. Dort haben einfach Gaststättenbesitzer (ich sag nicht gleich: Mafia) oder andere Privatiers, die für eine solide Gewinnauszahlung „gerade standen“, analog zum Toto, Wetten auf die Spiele angeboten. Die Auszahlungssummen richteten sich wohl nach den Totoauszahlungen, dennoch hatte man auch die Möglichkeit, eine kleinere Anzahl von Spielen richtig zu tippen und auch dafür eine Auszahlung zu erhalten. Es ist in etwa vergleichbar mit einem (illegalen) Wettbüro, nur schätze ich mal, dass die Auszahlungsquoten doch wesentlich ungünstiger waren, als man sie heute für die gleiche Anzahl oder Auswahl von Spielen erhalten würde. Die Anbieter haben von der Dummheit der Spieler noch zusätzlich profitiert (ich gebe ein einziges Beispiel, was das erhellen kann: es wurde wohl angeboten, dass man drei Spiele richtig erraten musste und falls es einem gelänge, erhielte man gleiches Geld als Auszahlung; also eine Quote von 2.0; wenn man diese Quote auf 3 Spiele aufteilt, dann kommt heraus, dass die einzelne Quote, die man bekommt 1.26 ist; und so hohe Favoriten bekommt man eigentlich nie, selbst wenn Inter und Milan zu Hause spielen und die Gegner damals Bari und Pisa waren; auf gut Deutsch waren die Quoten so schlecht, dass die Spieler nur verlieren konnten, es sei denn, dass sie…).
Also die Bestecher selber wollten wohl bei drei Spielen sicher gehen, dass die nach ihren Vorstellungen ausgehen, sie würden darüber eine illegale Wette abgeben (sagen wir ruhig, mehrere, bei verschiedenen Gaststätten also). Sie haben dafür 27 Spieler insgesamt „beauftragt“ und vorab bezahlt. Die Spiele nahmen aber nicht den gewünschten Ausgang, zwei der Mannschaften, die sicher verlieren sollten, spielten „nur“ 1:1. Alles Geld war futsch. Die geschädigten Betrüger wollten nun ihr Geld wieder haben. Da sie es mit Sicherheit nicht für die abgeschlossenen Wetten einkassieren konnten („Äh, kannst du mir meine Wette bitte trotzdem ausbezahlen, denn das Spiel hatte ich gekauft; eigentlich hätte Udinese gewinnen müssen.“), habe sie es wohl bei den Spielern versucht. Diese haben sich mit Sicherheit auch geweigert und behauptet (und da glaube ich fest daran: mit Recht), sie hätten halt alleine nicht für die Niederlage sorgen können. Ihre Mitspieler hätten partout nicht mitgemacht, der Trainer hat auch noch zwei ausgewechselt wegen offensichtlicher „Leistungsverweigerung“. und noch dazu war der Gegner einfach zu schwach und hat das Tor nicht getroffen. „Na und?“ entgegneten dann die Geschädigten, „hättste dir selber den Ball geschnappt und ins eigene Tor gehauen, du Blödmann, Jetzt rück die Kohle raus!“ Auf wiederholtes Ablehnen des Gesuchs (einen noch tieferen Einblick in meine dunkle Seele? Na gut: ich schätze mal, dass sich die Spieler vielleicht sogar einverstanden erklärt hätten, die erhaltenen Beträge zurückzuerstatten. Die Geschädigten begnügten sich aber nicht damit. „Ich hab alleine 3 Millionen Lira auf die drei Ergebnisse gesetzt. Die Kohle schuldest du mir auch noch!“, so ihr Argument. Und das wäre, selbst bei bestem Willen, einfach zu weit gegangen.
Die betrogenen Betrüger fühlten sich gekränkt, waren pleite und hatten eh nichts mehr zu verlieren. Also träumten sie von einer Karriere als „Chefankläger“, dachten an eine Verfilmung der ganzen Story oder haben einfach nur ihr letztes Druckmittel(„wenn du nicht zahlst, packe ich aus!“) umgesetzt. Jedenfalls haben sie alles ausgeplaudert. Die beklagten Spieler stritten natürlich zunächst alles ab, bis alles belastendes Material (Tonbandaufzeichnungen, unterzeichnete und eingelöste Schecks zB) auf den Tisch kam. Der Skandal war da.
Aber die Strafen fielen ausgesprochen milde aus. Und auch dafür habe ich Verständnis. Es gab nur ein paar „Haupttäter“. Das waren die Herren, die den Bestechungsversuch planten (und bis zu einem gewissen Grad umgesetzt) haben. Die Spieler, die Gelder angenommen haben, können sich ja zumindest darauf berufen, dass sie zwar das Geld erhalten, aber dennoch nicht das Vorhaben umgesetzt haben. Sie können sich gar auf „Lockvogelmentalität“ berufen. „Nur, dank unseres beispiellosen Einsatzes habt ihr die wahren Täter schnappen können.“ War es denn nicht ein gewisser, damals beteiligter, Paolo Rossi, der Italien zwei Jahre später zum Weltmeistertitel schoss?
Eines aber war für ich auch damals schon offensichtlich: so ein ganz großes, weltweites Interesse an „Aufklärung“ haben selbst die Verantwortlichen nicht. Wer sägt schon gerne an dem Ast, auf dem er sitzt? Vergleichbar mit dem Radsport, wo es auch jahrelang eigentlich bekannt war und dennoch die Verantwortlichen sich dagegen sträuben, alles aufzudecken. Noch schlucken die Menschen das, also lass den Radsport wie er ist. Erst, wenn die Beweislast erdrückend ist, wird man gezwungen. Und dann kommt irgendwann nur noch das „Scherben aufkehren“. Der Sport ist hin, verbrannt, kaputt. Beim Fußball undenkbar?
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