Vorschau auf den 5. Bundesligaspieltag der Saison 2009/2010 aus Sicht des Wettmarktes (Fernsehsendung, Zeitungskolumne)
Der 4. Spieltag ist heute, am Montag, dem 31-08-09, beendet. Die Spielpaarungen für den folgenden Spieltag stehen selbstverständlich fest. Dieser Spieltag bietet sich zur Vorstellung des Grundprinzips besonders gut an, da am nächsten Wochenende keine Spiele sind wegen Länderspielpause. Das hat den positiven Effekt, dass der Wettmarkt überhaupt noch nicht formiert ist, was die übernächste Woche angeht. Das bedeutet weiterhin, dass meine Prognosen ab nächsten Montag überprüft werden können anhand des dann reagierenden Wettmarktes und selbstverständlich auch in der Folge anhand der zum Spieltag hin eintretenden Ergebnisse.
Man muss dazu nur in dem Sinne ein klein wenig vorher ausholen (das muss aber dann nur einmal erklärt werden, nicht jede Woche neu, es sei denn, dass Zuschaueranfragen eingehen), indem man den heutigen Wettmarkt erklärt im Vergleich zu früher (dabei ist „heute“ die letzten 5 Jahre, früher geht in etwa 20 Jahre zurück, bis vor 5 Jahren).
Der folgende Teil kann auch gerne überlesen werden, da es nur eine kurze, einmalige Erklärung darstellt.
- Der früher Wettmarkt
Am früheren Wettmarkt gab es in aller Regel Buchmacher, die ihre Quoten angeboten haben. Meist waren die angebotenen Quoten auch Fixquoten, die namensgerecht nicht veränderlich waren. Dafür gab es einen Haufen Kleinspieler, die man auch gut als Unterhaltungsspieler bezeichnen konnte, die ihre Kreuzchen als Kombinationswetten á 10 DM machten, dabei meist 5 bis 10 hohe Favoriten spielten in der Hoffnung, dass diese alle gewinnen würden und der Spieler dann einen Gewinn von zum Beispiel 70 DM einstreichen konnte. Meist aber scheiterte er dann höchst unglücklich daran, dass einer der Favoriten „kippte“ und es doch kein Geld gab. Bei dieser Form von „Pech“ haben die Unglücksraben in aller Regel nicht bedacht, dass die Chance, bei einer Fünferkombi ein Spiel falsch zu haben fünf mal so groß ist wie die Chance, alle richtig zu haben.
Wenn aber an diesem Wettmarkt jemand mit hohem Geld kam, dann bekam der Buchmacher Angst und wollte die Wette nicht annehmen, da er Betrug oder hohe Verluste fürchtete. In diesen Zeiten war es zwar für Profispieler einfacher, mit Vorteil zu spielen, jedoch war es schwieriger, höhere Gewinne zu erzielen, da man einfach nicht besonders hoch spielen konnte. („Mit Vorteil spielen“ bedeutet, dass die angebotenen Quoten im günstigen Verhältnis zur Eintrittswahrscheinlichkeit stehen. Günstig ist das Verhältnis dann, wenn die angebotene Quote höher als der Kehrwert der Wahrscheinlichkeit ist; ein über zwei Jahrzehnte von mir erfolgreich angewandtes System).
2. Der Wettmarkt heute
Am heutigen Wettmarkt gibt es fast keine Fixquoten mehr. Alle traditionellen Anbieter gestalten ihre Quoten beweglich, nehmen Anpassungen vor, je nachdem, was für Wette auf welche Seite eingehen. Dafür sind die Quotenangebote auch wesentlich attraktiver und vielfältiger. Man erzielt in der Regel auch im Vergleich zu früher durch diesen Effekt höhere Quoten, was das gesamte Wetten auch attraktiver macht.
Es gibt auch durch die Wettbörsen, bei denen man 1 gegen 1 mit anderen Teilnehmern wettet (und nicht mehr gegen herkömmliche Buchmacher), einen viel engeren Wettmarkt. Der Anbieter seinerseits kassiert nur einen kleinen Prozentsatz des Gewinnes vom Gewinner. Das bedeutet, dass man meist wesentlich günstigere Quoten erhält und noch dazu, dass sich jeder Teilnehmer selbst als Anbieter versuchen kann. Es gibt bei betfair zum Beispiel immer eine Spalte „bet“ und eine Spalte „lay“. Das eine bedeutet, dass man zu der Quote spielt, dass andere, dass man die Quote bezahlt. Man kann zugleich auch selber neue, bessere Angebote hineinstellen. Das alles unterstützt den Effekt, dass die Quoten kaum noch Spielraum für besondere „Fehler“ bieten. Die Quote unter „lay“ unterscheidet sich fast gar nicht von der unter „bet“. Das einzige, was man noch als „Nachteil“ hat als Spieler ist der Prozentsatz, den der Anbieter kassiert für den Fall, dass man gewinnt.
Das bedeutet insgesamt, dass der ganze Markt heute viel umkämpfter ist. Der Vorteil besteht aber aus Sicht des professionellen Spielers darin, dass man wesentlich höher spielen kann. Dazu noch entwickeln sich die Quoten die ganze Zeit, je nach ganz aktuellen Teamnews oder auch allgemeinen Einschätzungen, teilweise sogar daher, dass bestimmte Spielertypen im Falle, dass sie viel verlieren, absurde, auch sehr hohe Wetten machen. Insgesamt muss man aber dem gesamten Markt eine hohe „Intelligenz“ unterstellen. Die Quoten, die sich im Verlaufe der Woche entwickeln entsprechen schon im Wesentlichen der Realität. Eine Kunst für den Profispieler besteht darin, zur richtigen Zeit zu wetten, also genau dann, wenn man den höchsten Kurs bekommt.
3. Die Quoten aus meiner Sicht für heute
Faire Quoten | Quoten | |||||||||
1 | X | 2 | 1 | X | 2 | |||||
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Dortmund | FC Bayern | 3.14 | 3.77 | 2.40 | 2.80 | 3.30 | 2.20 |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Nürnberg | Gladbach | 2.29 | 3.89 | 3.26 | 2.10 | 3.40 | 2.90 |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Wolfsburg | Leverkusen | 2.01 | 4.29 | 3.71 | 1.90 | 3.70 | 3.30 |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Freiburg | Frankfurt | 2.40 | 3.85 | 3.09 | 2.20 | 3.40 | 2.80 |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Mainz | Hertha | 2.26 | 3.92 | 3.31 | 2.10 | 3.45 | 2.95 |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Hoffenheim | Bochum | 1.52 | 4.96 | 7.21 | 1.45 | 4.25 | 6.00 |
2009-09-12 | 18:30 | D1 | HSV | Stuttgart | 2.04 | 3.97 | 3.89 | 1.90 | 3.50 | 3.40 |
2009-09-13 | 15:30 | D1 | Bremen | Hannover | 1.52 | 5.08 | 6.84 | 1.45 | 4.25 | 5.75 |
2009-09-13 | 17:30 | D1 | FC Köln | Schalke 04 | 3.70 | 3.83 | 2.13 | 3.25 | 3.35 | 2.00 |
Diese Einschätzungen sind meinem Computer entnommen, der diese Quoten selbständig generiert. Die ersten Quoten, unter „Faire Quoten“, stellen die Quoten auf 100% berechnet dar. Dahinter stehen die Bezahlquoten, welche mein Computer bereit wäre, zu bezahlen inklusive eines einkalkulierten Gewinnvorteils für sich oder den mit diesen Quoten am Markt antretenden Anbieter.
Die fairen Quoten sind die Kehrwerte der Wahrscheinlichkeiten. Wenn man diese gerne sehen möchte, hier diese Tabelle:
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Dortmund | FC Bayern | 31.80% | 26.54% | 41.66% |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Nürnberg | Gladbach | 43.67% | 25.69% | 30.64% |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Wolfsburg | Leverkusen | 49.71% | 23.32% | 26.97% |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Freiburg | Frankfurt | 41.66% | 25.95% | 32.39% |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Mainz | Hertha | 44.24% | 25.53% | 30.23% |
2009-09-12 | 15:30 | D1 | Hoffenheim | Bochum | 65.99% | 20.15% | 13.86% |
2009-09-12 | 18:30 | D1 | HSV | Stuttgart | 49.10% | 25.16% | 25.74% |
2009-09-13 | 15:30 | D1 | Bremen | Hannover | 65.71% | 19.67% | 14.61% |
2009-09-13 | 17:30 | D1 | FC Köln | Schalke 04 | 27.02% | 26.14% | 46.84% |
Das sind die Einschätzungen, mit denen ich bereit wäre, am Wettmarkt anzutreten. Natürlich insbesondere heute. Innerhalb der nächsten Woche, wenn man selber die Teamnews, Stimmungen und so weiter mitbekommt, kann sich auch meine eigene Einschätzung ändern. In der Regel läuft das so, dass ich diese Quoten nicht verändere, sondern eher abwäge und unterteile in „das Spiel gefällt mir“ und „das Spiel gefällt mir nicht“. Je nachdem wette ich dann klein, hoch oder auch gar nicht.
4. Analyse der Einschätzungen und Vorschau
Alles ist ein Spiel von Wahrscheinlichkeiten. Am Wettmarkt, auch wenn es viele der Teilnehmer nicht wissen sollten, reflektiert die aktuell angebotene Quote stets die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses. Ich erlaube mir aber, teilweise eigene, auch von der Allgemeinheit abweichende, Einschätzungen abzugeben, die aber allemal wohl begründet sind. Hier also jetzt die Einschätzung meiner eigenen Quoten, wie der Wettmarkt reagieren wird und welche Wetten sich nach meiner Ansicht ergeben werden:
Im Spiel Dortmund gegen Bayern wird der Wettmarkt sich garantiert in Richtung Bayern neigen. Der Auftritt des Traumduos Robben/Ribéry wird sicher auch den Wettmarkt beeinflussen in der Form, dass (zu) viele Teilnehmer auf Bayern wetten. Dieser Kurs wird gedrückt werden dadurch und für mich gibt es nur zwei Möglichkeiten, bei halbwegs klarem Verstand: Gegen den Sieg der Bayern wetten oder gar nicht wetten. Der Kurs auf Bayern ist garantiert zu klein. Ich kann ihn anbieten, diesen kleinen Kurs, oder es sein lassen, falls ich auch zu sehr beeindruckt bin von der neune Stärke. Sicher lohnt es sich, auch kurz einen Blick auf die Dortmunder Saisonleistung zu werfen, um sich zu einer Entscheidung durchzuringen:
Trotz überzeugender Rückrunde und nicht verschlechtertem Kader, was mich prinzipiell zu der Annahme veranlasste, dass Dortmund durchaus auch sehr weit oben mitspielen könnte, zumal Trainer Klopp allmählich „sein wahres Gesicht“ zeigte, war der Auftakt durchwachsen. Gerade das letzte Spiel in Frankfurt war eher enttäuschend. Also mein Verdikt: Ich werde wohl gezwungen sein, Dortmund auf Nicht-Niederlage zu wetten. Und ich werde es wohl auch tun, aber nur für einen kleineren Betrag. Robben ist auch mir unheimlich.
Bei Nürnberg – Gladbach kann ich im Moment keine Tendenz erkennen. Die Einschätzung würde unter aktuellen Gesichtspunkten sicher vom Wettmarkt bestätigt werden. Ich spiele das Spiel nicht, ist meine Prognose. Nur, falls der Markt irgendwelche utopisch anderen Einschätzungen abgibt.
Bei Wolfsburg – Leverkusen sehe ich doch eine Tendenz: Nach den zwei klaren Niederlagen von Wolfsburg und dem erfolgreichen Saisonauftakt der Leverkusener wird wohl eindeutig meine Wette auf Wolfsburg landen. Das würde ich auch mit voller Überzeugung tun. Die Quote, die man bekommt, wird sicher höher als 2.01, meine faire Quote, sein und ich spiele das Spiel teuer. Die Begründung: Wer das Spiel von Wolfsburg in München wirklich verfolgt hat, der weiß, dass die zweite Halbzeit eindeutig an Wolfsburg ging. Sie hatten vier glasklare Chancen, die zum 1:1 hätten führen sollen, vielleicht müssen. Der eine Reflex von Butt war unglaublich, der Ball war quasi drin. Dass die Bayern dann mit den beiden unglaublich schnellen Spitzen die mehr und mehr entstehenden Räume irgendwann nutzen würden, war absehbar, falls nicht der Ausgleich fällt, wonach Wolfsburg natürlich wieder auf (stabile) Defensive gesetzt hätte.
Das davor liegende Heimspiel der Wolfsburger gegen den HSV muss man auch genau analysieren: Der HSV ist in der augenblicklichen Form natürlich einer der Topkandidaten für einen Platz ganz oben. Dazu haben sie gerade in diesem Spiel die Wolfsburger regelrecht „kalt erwischt“. Das Führungstor nach wenigen Minuten gefolgt von einer sehr dominant geführten ersten Halbzeit sogar mit dem bald erfolgten 2:0 war eine Demonstration. Das ist richtig. Aber „kalt erwischt werden“ ist eben ein Aspekt. Nach der Pause hat Wolfsburg das Spiel komplett gedreht und ihre überragenden Qualitäten analog zur letzten Saison zum Tragen gebracht. Der Lohn: Der 2:2 Ausgleich. Das Spiel hätte danach in beide Richtungen gehen können, Respekt dem HSV, der diese Nackenschläge wegsteckte und das Spiel sogar noch gewann. Aber das ist ein eher sehr ungewöhnlicher Spielverlauf, außerdem hatte Wolfsburg zwei der Topkandidaten, was die Niederlagen per se schon relativiert.
Auf der anderen Seite hat zwar Leverkusen richtig gut gespielt diese Saison, jedoch auch nicht das ganz große Programm gehabt. Zuletzt gegen Bochum ein mühevoller 2:1 Sieg, auch wenn die erste Halbzeit gut war. Und das 5:0 in Freiburg wurde von dem Spielbericht ganz eindeutig nicht bestätigt: Freiburg hatte riesigen Druck gemacht und hätte sogar in Führung gehen sollen. Dass es später heißt, „höchste Effizienz in der Chancenverwertung“, was auch Stefan Kießling im Interview bestätigte (wir haben aus jeder Chance ein Tor gemacht), bestätigt die Richtigkeit.
Das bedeutet, dass dieses Spiel mein „Spiel der Woche“ wird, so denke ich.
Bei den anderen Spielen bin ich zunächst noch neutral. Aber selbst wenn ich hier oder da eine Tendenz, eine Neigung hätte, so wäre diese jetzt zur Vorstellung meines Konzepts nicht weiter erforderlich. Mögen diese Beispiel zunächst genügen, um einen Eindruck zu geben, wie ich persönlich arbeite, wie der Wettmarkt funktioniert und wie ich mir eine Sendung/Kolumne wöchentlich vorstellen könnte.
Dass diese Ansichten von hohem Interesse sind, kann ich beinahe in täglichen Gesprächen, auch mit neutralen Personen erfahren.