Ich bringe jetzt noch ein anschauliches Beispiel, was sogar ein wenig überleitet zu meiner Haupttätigkeit.
Zunächst mal: Ich möchte Sie beruhigen, auch ich habe als Kind den Satz gehört, gelernt, verinnerlicht: „Wer wetten will, will auch betrügen.“
Und als lange Zeit folgsames Kind (Sie müssen nicht alles glauben) habe ich mich ebenso lange daran gehalten.
Ich erinnere mich sogar an eine „Wette“, die ich als Kind wild entschlossen machen wollte, mit einem meiner Brüder: Ist diese Tankstelle dort an jener Ecke eine Aral-Tankstelle oder nicht? Ich war sogar bereit, 10DM meines Taschengeldes darauf zu wetten. Mein Bruder schützte mich davor, ich habe gespart, denn ich hatte Unrecht. Aber diese Art von Wetten sind ja auch etwas ganz anderes als die meines späteren Berufslebens. Das ist eine Wette auf eine feststehende Tatsache, auf „Wissen“ basierend. Und nicht eine Wette auf ein zukünftiges Ereignis. Also der Unterschied hier: Einer weiß es, und der will den anderen, Unwissenden, auch wirklich betrügen (so weit meine rationalen Überlegungen zur Herkunft des Sprichworts). Eine Wette auf Fakten.
Eine Wette auf ein bevorstehendes Ereignis, da eignen sich Sportereignisse, ist prinzipiell eine faire Wette. Noch weiß ja keiner, wie es ausgeht (da gab es wohl auch schon die eine oder andere Ausnahme, aber ich erwähne nicht den Namen Hoyzer, das haben Sie nur gedacht).
Aber ich bin fest davon überzeugt, dass auch Sie, werter Leser, wetten, sogar sehr regelmäßig. Glückwunsch übrigens, wenn Sie nicht erfolgreich sind, denn das sind nur die Unglückswürmer. Sie verlangen eine Erklärung? Na gut, bitte schön:
Also, zunächst mal: Sie haben doch sicher eine Versicherung, eine Kranken-, Auto-, Lebens-, Renten-, Sozial-, Kasko-, Haftpflicht-, Diebstahl- Feuer-, Rechtsschutz-, noch ein paar andere? Das hat doch jeder, geht ja nicht ohne. Ein paar muss man ja sogar, die so genannten Pflichtversicherungen. Der Staat verordnet uns sogar, zu wetten.
Also, jede Versicherung ist eine Wette. Diese Erkenntnis kann ich Ihnen nicht ersparen. Jeder, der eine Versicherung abschließt, wettet also auf ein bestimmtes Ereignis. Im „Erfolgsfall“ bekommt er Geld ausgezahlt. Das Ereignis auf dass er wettet, ist aber meist ein unerfreuliches. Man will also die Wette gar nicht gewinnen. Man wettet im Prinzip auf sein Unglück. Beim Auto, im Haushalt, man nennt es ja sogar „Unfall“, das Gegenteil von „Fall“, also der Fall, der gar nicht eintreten soll. Man wettet also auf einen Unfall oder auch sein eigenes Unglück und hofft zugleich, dass es nicht eintritt. Deshalb haben die Versicherungen auch die prunkvollsten Gebäude. Sie können sich eine angemessene oder korrekte Auszahlungsquote sparen, da der Wetter selber ja das Eintreffen gar nicht wünscht. Er will sogar verlieren, das ist ja das Schlaraffenland für den Anbieter (an dieser Stelle ein kurzes Beispiel aus meinem Spielerleben, wo es auch eine Art von Versicherungswette gibt: Wenn jemand als glühender Fan einer Mannschaft sich sehnlichst ihren Erfolg wünscht, dann wettet er womöglich sogar auf den Gegner, in der Hoffnung, dass dieser nicht gewinnt. Ich nannte das immer eine „finanzielle Versicherung gegen emotionale Rückschläge“; die Auszahlungsquote ist dabei eher untergeordnet. So was machen aber nur ganz echte Fans, die dann trotz finanziellen Verlusts feiern können).
Dabei lohnt es sich sogar, über den Begriff „Versicherung“ nachzudenken. Der Begriff beinhaltet ja das Wort „sicher“. Im Prinzip sucht man also nach Sicherheit, Planbarkeit. Da man intuitiv weiß dass man Sicherheit nicht erreichen kann, versucht man, den Fällen vorzubeugen, wo etwas außerplanmäßiges geschieht. Anschließend hat man ja für den Fall vorgesorgt. Man streicht ihn aus dem Kopf. Abgesichert, jetzt muss ich mir darüber keine Gedanken mehr machen.
Kurioserweise machen die Menschen, die das Wetten am weitesten von sich weisen, selber die meisten und die schlechtesten Wetten. Der Mensch mit dem größten Sicherheitsbedürfnis möchte sich gegen alle Eventualitäten versichern. Dazu muss er sich viel, gut und reichlich versichern. Und gerade die Versicherungen, die nicht ganz so viele Menschen abschließen sind die, bei denen die schlechtesten Quoten bezahlt werden.
Gemeinsam schlagen wir sie
Wenn man mal einen Studenten der Mathematik befragt, was er mal werden möchte, dann lautet eine häufige Antwort „Ich werde Versicherungsmathematiker.“ In der freien Wirtschaft so ziemlich die einzige Stelle, wo man wirklich reine Mathematiker glaubt.
Und mit denen lege ich mich jetzt mal an: Sie machen riesige Rechenfehler. Ich entschuldige mich aber auch gerne sofort wieder, sollte ich irgendwann mal die Antwort bekommen, dass sie diese Fehler bewusst machen oder zumindest, dass sie von diesen Fehlern wissen, aber kein Handlungsbedarf besteht.
Zum Glück gibt es ja das berühmte Gedankenexperiment. Und ein solches mache ich jetzt mal, begleiten Sie mich? Gut, danke, das freut mich aber.
Also wir tun uns zusammen und beabsichtigen, die Versicherungen zu schädigen. Das machen wir natürlich heimlich. Sie haben aber Ihren Beitrag geleistet, dass es ein klein bisschen weniger heimlich ist, und zwar durch Erwerb dieses Buches. Aber trotzdem. Heimlich. Wie machen wir das nun?
Also wir nehmen mal eine Lebensversicherung. Diese geschätzten Mathematiker haben also eine durchschnittliche Lebenserwartung errechnet. Nach dieser sind die Beiträge und auch die Auszahlungsbeträge berechnet. Und alles ist mit solidem Vorteil, also gewinnträchtig kalkuliert.
Wir machen jetzt einfach folgendes: Wir nehmen uns einen Medizinmann her. Also so einen, der einem Menschen einfach ansieht, wie es ihm geht. Und der noch dazu fähig ist, einem die Wahrheit nicht zu verschweigen. Und der schätzt unsere Lebenserwartung individuell. Er erkundigt sich vielleicht auch noch nach dem Lebenswandel, aber so ein richtig guter Medizinmann hat das eigentlich nicht nötig.
Dann orientieren wir uns an seinen Ergebnissen. Und wenn einer weit unterhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung liegt, dann schließt dieser Mensch eine Lebensversicherung ab. Wenn jemand nahe der durchschnittlichen oder gar über der durchschnittlichen liegt, dann schließt dieser keine Versicherung ab. Ich bitte Sie noch, mich nicht für all zu naiv zu halten: Ich weiß, dass die durchschnittliche Lebenserwartung alters- und geschlechtsabhängig ist. Also wer bereits die 60 erreicht hat, hat eine höhere Erwartung als derjenige, der erst 30 ist, das versteht sich. Und Frauen werden nach wie vor etwas älter als Männer. Aber dennoch gibt es eben die Lebenserwartung, von der die Versicherung ausgeht und jene, die uns der Medizinmann (in schonungsloser Ehrlichkeit) prognostiziert.
Glücklicherweise handelt es sich ja nur um ein Gedankenexperiment. Der eine Punkt, der dabei nachdenklich macht, ist der, dass es wohl kaum eine Wette gibt, bei der man weniger gerne einen Vorteil hat als bei jener, wo man auf sein eigenes (frühes) Ableben wettet. Zweitens ist dieser Vorteil relativ ineffektiv, da der gesamte „Gewinn“, den man erzielt, nur den Hinterbliebenen und nicht einem selber zugeführt wird. Aber dennoch, Vorteil ist Vorteil. Erfreulich dabei ist, dass Jeder das selber für sich entscheiden kann und auch diesen Vorteil nutzen kann (so nach dem Motto: „Joethe tot, Beethoven tot und mir jehts ooch nich besonders.“)
Auf der anderen Seite gebe ich aber gerne auch zu, dass ich selber sogar mehr als eine Lebensversicherung abgeschlossen habe. Und obwohl mich der Gedanke streifte, dass ich einen Vorteil haben könnte (s.o.) war es doch die Überlegung, die am wenigsten Einfluss auf die Entscheidung hatte. Ich wollte einfach etwas für die Kinder hinterlassen, für den Fall, dass…