- Die Bedeutung von Glück und Pech
„Ein Fingerhut voll Glück ist mehr wert als ein Eimer voll Können“
Tja, also das ist nun mit das empfindlichste Thema. Ein Umgang damit ist wirklich nicht leicht. Was soll man sich darunter vorstellen? Na klar, kein Problem, jeder kennt die Begriffe, verwendet sie. Aber was ist, mathematisch gesehen, Glück? Was Pech? Man kann auch nach einer Begriffsdefinition Ausschau halten. Oder sich selber eine zurechtlegen. Glück ist es auf jeden Fall, da dulde ich keinen Widerspruch, geboren zu werden. Noch genauer: Auf der Welt zu sein. Und da bin ich bereits sehr phiosophisch/religiös. Ich wage es trotzdem, auszusprechen.
Und ich kann Ihnen das sogar noch besser erklären: Es gibt sicher Spieler, die extreme Pechsträhnen haben. Das passiert mir auch. Wenn man damit aber alles verfluchen möchte oder sich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen möchte, dass so eine Kette von nachteiligen Resultaten eintrifft, dann sollte man immer wieder daran denken: Ich lebe. Danke dafür. Und, wenn es Sie (hoffentlich) betrifft: Ich bin gesund. Danke auch dafür. Das ist sehr hilfreich, um die negativen Gedanken los zu werden. Selbst wenn es sich um spielerisches Pech handelt.
Jetzt kehre ich zurück zu diesen Begriffen auf das spielerische bezogen: Zunächst mal ist es so, dass fast jeder Spieler der Überzeugung ist, Pech zu haben. Ein passender Vergleich könnte so aussehen: Wenn Sie Fahrrad fahren und Rückenwind haben, haben Sie das Gefühl, es geht ja wunderbar leicht heute, noch dazu absolut windstill. Wehe aber, es kommt Gegenwind. Den Gegenwind verspüren Sie doppelt heftig. Deshalb immer das Gefühl, Gegenwind zu haben. Den Rückenwind nimmt man nicht wahr. So auch mit Glück und Pech. Das Glück nehmen die Spieler nicht wahr. Alles ist wunderbar, es geht doch. Aber es wird eben nicht dem Glück zugeschrieben. Das Pech empfindet man.
Aber das ist nur der Anfang der Erklärung. Ich nehme nach wie vor gelegentlich an Schachturnieren teil. Und zwischen zwei Partien unterhält man sich auch mit den anderen Teilnehmern. Und man vernimmt immer ähnliche Sätze: „Ich hab grad ne Partie verloren, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich stand total auf Gewinn, er konnte gar nichts mehr ziehen. Und dann…“ Der Wortlaut wechselt, der Inhalt bleibt. Die Aussage: „Ich habe Pech gehabt.“
Der Grund hierfür ist noch mehr psychologisch zu suchen (und psycho- ist auch ne Logik). Es gibt in jeder Partie, in jedem Spiel Schwankungen der Chancenverteilung (schauen Sie auf das Kapitel „Spielentwicklungen“). Die sind, ähnlich wie im Leben, Schwankungen der Eintrittswahrscheinlichkeit. Jedes Spiel hat dabei seine Eigenheiten. Es gibt also abrupte Veränderungen der Gewinnwahrscheinlichkeit, aber auch stetige Entwicklungen. Und noch dazu gibt es dafür ein mathematisches Grundgesetz, welches wirklich so offensichtlich und banal ist, aber a) später noch von großer Bedeutung, und b) so meines Wissens noch nicht formuliert wurde:
Hier das triviale Gesetz:
„Ein Ereignis mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von x Prozent tritt zu x Prozent ein. Man muss also, damit es eintritt, die verbleibenden 1-x Prozent überwinden.“ Wir ersetzen x durch eine Zahl, nehmen wir mal 70%: Damit Sie als 70% Favorit auch wirklich gewinnen, brauchen Sie für die verbleibenden 30% Glück. Wenn Sie weniger brauchen würden, hätten Sie ja mehr als 70% für Sieg gehabt. Bitte kurz darüber nachdenken.
Allerdings sieht es aus Sicht Ihres Gegners andersrum so aus: Er bräuchte für 70% Glück, um noch zu gewinnen. Er bräuchte also wesentlich mehr Glück als Sie. Das ist das, was die Fußballer(auch andere Sportler) oft meinen und nur so ausdrücken können: „Ein bisschen Glück braucht man auch.“ Also, egal wie überlegen Sie sind, die zu überwindende Restwahrscheinlichkeit ist die „nötige Portion Glück“.
Aber wie kommt nun das Empfinden zustande? Die Schwankungen in den Wahrscheinlichkeiten sind ja das (siehe auch oben, „Bedeutung des Spielens“ und „Bedeutung des Sports“), was das Spielen reizvoll macht. Beim selber tun setzt man sich diesen Schwankungen (auch Gefühls-) aus. Beim beobachten fiebert man nur so mit. Wie wird es ausgehen? Wer gewinnt diesen Pot? Der Zuschauer wird sowohl beim beobachten einer Sportart als auch beim Beobachten eines Spiels, eben wie Poker, in den Bann gezogen. Und der Beteiligte ist den Schwankungen direkt ausgesetzt.
Unterschied ist nur der: als Beteiligter nimmt man immer den Moment der größten Chance wahr. „Ich war schon so dicht dran.“ Also, jetzt in Zahlen ausgedrückt: Wenn man im Verlaufe eines Spiels tatsächlich in der positiven Zone landet, in dem Bereich von über 50% und sogar noch wesentlich höher, wenn man dann anschließend dieses Spiel, dieses Match, dieses Turnier nicht gewinnt, empfindet man es als Pech. Je näher man dran war an den 100%, umso größer empfindet man es. Aber über das Erreichen dieser Prozentzahl macht man sich keine Gedanken. Wie kam man denn überhaupt in diese Situation? Es gab vielleicht lange vorher einen Moment, wo man selber so gut wie verloren war. Wo man selber weit unter 50% war, wo der Gegner klar auf der Siegerstrasse war. Aber diese(n) Moment(e) verdrängt man, vergisst man schlicht. In Erinnerung bleibt der Moment der größten Chance.
Man pickt sich eben immer den günstigsten Augenblick heraus in der Erinnerung oder in der Erzählung. Das stellt man zum Beispiel ganz gut dann fest, um zum Beispiel des Schachs zurückzukehren, wenn einem wieder mal einer der unglücklichen Verlierer seine Pechgeschichte erzählt und dann zufällig der Gegner vorbeikommt und das mithört. Dann entbrennt die Diskussion. Der vermeintlich glückliche Gewinner erinnert den Verlierer daran, dass er, bevor er in diese Gewinnstellung kam, doch schon einmal klar verloren war und nur aufgrund seines eigenen Fehlers wieder in Vorteil gelangt sei, und so weiter.
Jetzt kommt aber eine sehr wichtige Frage: Wie geht man damit um?
Der Umgang mit Glück und Pech ist ausgesprochen komplex. Wenn man eine längere Glückssträhne hat, wird man es immer so deuten, dass einem dieses Glück zustünde. Da man die Phasen des Pechs wesentlich intensiver wahrnimmt. Also dann besteht die allergrößte Gefahr tatsächlich im Leichtsinn. Da man insgesamt Rückenwind hat, hat man immer das Gefühl, es geht weiter so, weiterhin so einfach. Also passiert es einem relativ leicht, dass man auch beim Spielen auf die Verliererseite gerät. Man verliert die Disziplin. Man fängt an, schlechte Wetten zu machen. Und einen jeden Einsatz auf ein angeblich zufälliges Ereignis ist ja eine Wette. Der Pokerspieler macht mit seinem Einsatz eine Wette, wenn er an den Tisch geht, der Backgammonspieler macht eine Wette, wenn er eine Partie um Geld spielt (und Backgammon ist wirklich langweilig und nicht spielbar ohne Einsatz), der Casinospieler auch („ich wette, jetzt kommt rot“; ich hätte übrigens schwarz genommen), der Lottospieler, jeder macht eine Wette, der Versicherte auch, nur zur Erinnerung. Man hat sehr viel Geld verdient, gewonnen. Jetzt kann man doch ruhig mal ein bisschen Roulette spielen, oder? Vielleicht gewinnt man sogar?
Das mag alles vertretbar sein, prinzipiell ist es immer gut, wenn man weiß, ob man Glück oder Pech hat bzw. hatte. Wenn man zu viel gewonnen hat, anlegen, aufsparen. Nicht damit schlechte Wetten machen. Der umgekehrte Effekt tritt dann nämlich spielend leicht ein. Man fängt an zu verlieren, und versucht, das Geld, welches man durch offensichtliches Pech verloren hat, zurückzuholen. Man macht erst recht schlechte Wetten. Gerade, wenn man Pech hat, wird der Effekt oft sogar noch schlimmer. Man macht normalerweise, wohl auch in dieser Phase, Vorteilswetten. Aber man verdient nichts damit. Im Gegenteil. Man verliert sogar. Dann ist die Neigung, sich folgendes zu sagen: „Wenn ich schon mit Vorteil nicht gewinnen kann, vielleicht klappt es ja dann mit Nachteil.“ Oder auch nur dieser Gedanke: Es ist ja irrelevant, ob Vorteil oder Nachteil, der Vorteil wirkt sich nicht aus, jetzt wird gegambled. Jetzt spiel ich irgendwas, vielleicht kommt es ja, wenn ich nicht über Vor- oder Nachteil nachdenke.
Also, egal ob man eine Glücks- oder Pechsträhne hat, die Gefahr ist immer die Selbe: man fängt an, die falsche Seite zu spielen, schlechte Wetten zu machen. Insofern bleibt mein Rat auch immer der Selbe: Disziplin, immer nur versuchen, die richtige Seite zu suchen und auch zu spielen. Und auf die Kraft der Mathematik vertrauen. Auf lange Sicht sollte sich die gute, bestmögliche Auswahl der Wetten, bemerkbar machen. In Ihrem Portemonnais.
Der beste Umgang mit Glück und Pech ist übrigens für mich wieder rein philosophisch. Und es ist quasi eine Art Selbstschutz oder auch gelangt man zwangsläufig dorthin wenn man ständig diesen Schwankungen ausgesetzt ist. Ich sage es mit täglich, denke es und empfinde es so: Danke, dass ich lebe. Dieses Glück steht über allem.