Dieses Kapitel habe ich vorsätzlich von der reinen Chronologie getrennt. Denn es soll den Geldaspekt beim Schachspiel beleuchten. Sicher geht dieser ein wenig Hand in Hand mit den Erfolgen, die man feiern kann (man sind die anderen, Sie verstehen bzw. es versteht sich).
- Das königliche Spiel:
Ein wenig Philosophie
Ist es nun königlich, weil es sich tatsächlich über die anderen erhebt? Oder nennt man es nur so, weil der König die entscheidende Figur ist, die es zu fangen gilt?
Sie wissen vielleicht, dass ich in kein anderes Spiel mehr investiert habe als ins Schachspiel? Ich war dessen Faszination erlegen. Es gibt einen sportlichen Wettkampf. Und es ist eine Auseinandersetzung mithilfe der geistigen Fähigkeiten. Es gibt Spannung, Schönheit und Kreativität. Und vor allem scheint ein Faktum es über die anderen Spiele zu erheben: Die völlige Eliminierung des Glücks. Man hat alles unter Kontrolle. Die Figuren wandern von Geisteskraft und mit manueller Umsetzung auf die ihnen von Ihrem Führer zugewiesenen Plätze. Jegliches Glück scheint eliminiert. Ich zweifle das zwar heute an, philosophiere im Weiteren aber dennoch auch über die Konsequenzen dieses gemeinhin anerkannten Umstandes.
Es gibt jede Menge Glück im Schach, so meine Behauptung. Das fängt an bei der Befindlichkeit des Gegners. Wenn dieser gerade heute einen guten Tag hat, kann das Ihr Pech sein. Umgekehrt, wenn er einen schlechten Tag hat Ihr Glück. Dann gibt es die Möglichkeit, eine Figur durch eine falsche Überlegung dennoch auf das richtige Feld zu führen. Das stellt sich natürlich erst später heraus. Dazu können Sie auch von einem Blackout Ihres Gegners profitieren. Dann kann eine Stellung einfach zufällig so beschaffen sein, dass auf einmal eine Gewinn bringende Kombination möglich ist. Die Schachspieler behaupten dann einfach immer: „Das habe ich intuitiv so gemacht. Ich habe gespürt, dass das der Zug richtig ist.“ Oder so ähnlich. Es gibt sogar die Möglichkeit, dass der berühmte Affe, der nichts weiter als die Regeln beherrscht allein aufgrund der Kenntnis sämtlicher legaler Züge die Figuren wie Kasparow führt. Die Wahrscheinlichkeit ist in etwa ebenso groß, wie des selbigen Komposition einer Beethoven Sonate (siehe auch Kapitel: „Ein paar Zahlenspiele“). Aber möglich ist es.
Also, das Element des Glücks ist keinesfalls eliminiert. Es wird nur ignoriert. Wenn man eine tragische Partie verliert, aus verschiedenen Gründen möglich, sagt Ihr Gesprächspartner, dem Sie die Tragik erzählen wollen, garantiert: „Da bist du doch selbst schuld.“
Aber gerne gebe ich zu, dass die Glücksfaktoren wesentlich weniger Bedeutung haben als bei anderen Spielen. Aber was sind nun die Konsequenzen? Da (scheinbar) kein Glück enthalten ist, kann man den Sieger sehr häufig mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit vorhersagen. Und das leitet über zu dem Aspekt des möglichen Geldumsatzes oder –einsatzes. Ich habe früher bei dem hilflosen Versuch als Schachprofi häufig um Geld Schach gespielt. Aber abgesehen davon, dass unter den Schachspielern ohnehin sehr wenige vermögende Menschen sind, würde auch niemand auf den Gedanken kommen, bei offensichtlicher Unterlegenheit um größere Summen zu spielen.
Die einzigen Male, wo es mir gelungen ist, beim Geldspiel viel zu verdienen, war, als ich mich verstellt hatte. Die Umgebung muss dafür geeignet sein. Also auf Deutsch: Es darf mich niemand kennen. Ich habe also durch mein Auftreten dem Gegner suggeriert, keine Ahnung von dem Spiel zu haben und habe auch während der Partien mein unsicheres Auftreten und die scheinbare Ratlosigkeit nicht abgelegt. Auch die Qualität meiner Züge war dem gegnerischen Spielniveau angepasst. Aber Sie hätten mal sehen müssen, wie Menschen, die sonst nur um 50 Pfennig oder 1 DM gespielt hätten, wenn überhaupt, plötzlich Gewinne gewittert haben und auf 50 oder 100 DM erhöht haben, im sicheren Gefühl der Überlegenheit.
Deshalb halten sich meine moralischen Bedenken auch in Grenzen, dass getan zu haben. Denn offensichtlich witterte ja auch der Gegner die Chance, viel Geld zu gewinnen und die Wahl der Mittel war ihm in diesem Moment gleichgültig. Ich bin besser, also schön hoch spielen und den Anderen schröpfen, so seine Überlegungen.
Nun gut, also man kann Schach im Prinzip nicht um hohes Geld spielen. Und wenn man an Schachturniere denkt, da sieht es ähnlich aus: hohe Startgelder (bei den so genannten „Open“ Turnieren, wo jedermann mitspielen kann) können nicht erhoben werden, da der Durchschnittsspieler ja eh keine Chance hat, an die Fleischtöpfe zu gelangen. Die Startgelder müssen klein bleiben. Sonst würde einem Veranstalter schnell mal der Vogel gezeigt werden: „Ich bin doch nicht blöd, ich soll hier die Großmeister sponsoren, das mach ich nicht.“
Also ist das königliche Spiel gänzlich ungeeignet als Geldspiel. Es gibt nur weltweit vielleicht 20 Spieler, die sich gut davon ernähren können. Die meisten Großmeister müssen sich plagen und mühen. Solche Künste nennt man dann auch gerne mal brotlos.
Ich persönlich bin auch den beschwerlichen Weg gegangen und wollte es versuchen. Zum Glück stand mir mein schachliches Pech im Weg. Und darüber müssen Sie nicht unbedingt nachdenken.
- Die reine Geldperspektive
In bester Erinnerung habe ich noch ein Turnier, welches ich ziemlich am Anfang meiner Karriere spielte. Es war im Oktober 1974, das Hermann Gulweida Gedenkturnier in Tempelhof. Ich durfte noch als so genannter „Ungesetzter“ starten. Für die Ungesetzten gab es einen Extra Preisfonds, obwohl alle Teilnehmer im gleichen Feld spielten. Ich schwänzte am Sonnabend die Schule, um mitspielen zu können. Und ich gewann tatsächlich bei den Ungesetzten den (geteilten) 1.Preis. Und das waren immerhin 125 DM! Weit mehr, als ich damals an Taschengeld bekam, denn das lag noch bei 20 DM pro Monat. Den Hunderter verstaute ich gleich an einem geheimen Ort in einem Buch. So viel Geld auf einmal! Kannte ich bisher nur von der Konfirmation.
Leider stellte es sich alsbald heraus, dass man nicht zu oft als Ungesetzter starten darf. Eher sogar nur einmal. Ich war bekannt geworden, zumindest in Berlin, ab jetzt bei den Gesetzten.
Als Jugendlicher ist das Thema „Geld verdienen“ aber tatsächlich noch untergeordnet. Wenn ich kein Fahr- oder Startgeld zu einem Turnier hatte, kein Problem. Wozu gibt es Eltern? Und überhaupt hat man ja wirklich noch Kost und Logis, sogar mit Zubereitung, Wäsche waschen, neue Sachen kaufen etc. Dennoch aber wurde mein Alltag aufwändiger. Wenn man sich Tage (gar Nächte) in Kneipen und Cafés aufhält, kann man nicht durchgehend auf Gönner hoffen.
Und die Aufenthaltsorte waren durchaus mit Bedacht ausgewählt: Orte, wo man Schach spielen konnte. Nun, ich habe mir vielleicht zu der Zeit noch höhere Einträglichkeit eingedenk größerer Fähigkeiten erträumt. Das stellt sich bald als Illusion heraus. Man kann Partien bekommen um 50 Pfennig, um 1 DM, allerdings verliert man hier auch leicht den Spielpartner angesichts dessen Einsicht der Unterlegenheit.
Also, kurzum, ich konnte gerade so die Aufenthalte finanzieren. Aber es ist auch als Jugendlicher leichter, da man doch hier und da auf einen großzügigen Gönner trifft. Leute, die einfach einem Kind mal einen Kaffee oder eine Cola, ein paar Würstchen ausgeben. Zumal ich ja als „Talent“ gerade in Schachkreisen auch immer ein wenig interessant war.
Meine Turniererfolge wurden zwar auch häufiger aber dennoch: das ist nichts um davon zu leben. Noch aber träumte ich von einer großen Karriere, oder tat ich das? Es gab auch ein paar Einladungen zu größeren Turnieren. So konnte ich mich als Berliner Jugendmeister1977 für die Deutsche Jugendmeisterschaft qualifizieren und belegte dort sogar den 4.Platz. Geldpreis? 0 DM. Dennoch: Die Reisekosten und Unterbringung waren bezahlt, das war klar, und man fühlte sich irgendwie „wichtig“.
Es gab später aber auch hier und da ein paar größere Gewinne, von denen ich an anderer Stelle erzähle. Dieser Abschnitt dient bloß dem Aspekt, aufzuzeigen, dass man sich mit dem Schach nicht langfristig gut ernähren kann. Weltweit sind es vielleicht 20 Spieler, denen es wirklich gut geht. Weitere 200 können vielleicht noch halbwegs sorgenfrei leben. Aber dahin aufsteigen? Und selbst dann noch kann man nur vom „gerade-so-durchkommen“ träumen.