Der Ereignisraum in der Praxis
Im Kapitel „Wie entsteht eine Quote“ habe ich Sie ein wenig darauf vorbereitet, wie die für den Mathematiker so wunderschönen Ereingisräume in der Praxis aussehen können. Hier habe ich nun ein paar Beispiele gesammelt. Vielleicht können Sie nach dem Lesen mit mir gemeinsam über die „heile Welt der Mathematiker“ schmunzeln?
- Mike Kitsos
Die folgende kleine Geschichte spielte sich zu fortgeschrittener Stunde mal in einem bekannten Spielerlokal ab: Die Protagonisten hatten plötzlich die Idee, ein einziges Spiel zu machen um 1000 DM. Aber es sollte ein faires Spiel sein. Es war eine Art Mutprobe. Etwa so: „Ich glaube nicht, dass du dich traust, 1000 DM auf einmal zu setzen.“ „Klar trau ich mich.“ Kindergarten eben. Aber es kam zur Umsetzung. Beide legten 1000 DM auf den Tisch, ein Würfel wurde hergenommen, ein Schiedsrichter, einer nahm die gerade Zahlen, der andere die ungeraden. Sagen Sie jetzt nicht, das wäre nicht spektakulär. Der Schiedsrichter warf, der Würfel kullerte, über den Boden, Spannung, Anspannung, und dann: er rollt unter die Heizung. Was nun? Gilt die oben liegende Zahl? Keiner konnte sie sehen, aber gleich Diskussionen. Zum Glück gab es ja einen Schiri, Wiederholung, Mike gewann. Der Schlaukopf hatte gerade genommen!
- Liverpool – Köln
Hier noch ein hübsches Beispiel, wie Helden geboren werden und Sterne verglühen?! Vor kurzem hatte ich sogar die Gelegenheit, Bilder zu sehen von diesem denkwürdigen Ereignis. Es war zu einer Zeit, da es noch keine Auswechslungen gab. Und ich hatte als Kind schon von der Legende gehört, dass Wolfgang Weber damals mit einem gebrochenen Schienbein weiter gespielt hat. Aber bei den Bildern sah man, dass er eigentlich nur noch stand und wenn, dann nur zwei Schritte vor oder zurück humpelte. Dennoch: Für mich bleibt er ein Held, und davon sind die liebenswertesten ja die tragischen, oder? Es war also in der Viertelfinalpaarung 1.FC Köln – Liverpool, Europapokal der Landesmeister 1964/65. Nach Hin- und Rückspiel stand es immer noch Unentschieden, beide Spiele endeten 0:0. Damals gab es keine Verlängerung. Es gab ein Wiederholungsspiel. Das Wiederholungsspiel endete, inklusive der oben geschilderten kleinen Begebenheit, 2:2, nach der Verlängerung stand es immer noch 2:2. Es gab damals aber außer keinen Auswechslungen auch noch kein Elfmeterschiessen. Wie wurde der Sieger ermittelt? Direkt nach dem Spiel wurde eine Münze geworfen, am Mittelkreis. Der Boden war total umgepflügt. Der Schiri warf die Münze, sie landete tatsächlich auf der Kante, blieb so stecken! Vielleicht war sie aber doch geneigt? Kölns Seite oben? Ganz senkrecht wird es schon nicht gewesen sein. Wir hätten jetzt Micha gebraucht, der hätte gewonnen gehabt bei seinem beliebten Spielvorschlag „Kopf oder Zahl, ich nehm Kante“!
Von Protesten ist mir allerdings nichts bekannt, der Wurf wurde wiederholt – Liverpool siegte. Schicksal? Bedeutungslos? Selbst wenn, aber wenigstens unterhaltsam? Ach bitte.
Es war übrigens international das einzige Mal, dass eine Münzwurfentscheidung erforderlich wurde. Und immerhin hat die besondere Grausamkeit dieses Ereignisses dazu geführt, dass die FIFA eine etwas weniger grausam Methode zum Sieger ermitteln eingeführt hat.
- Olympiakos – Paris St.Germain
Tja, das war auch so eine Geschichte. Europapokal. Ich hatte in dem Spiel Paris St.Germain auf Sieg gewettet. Das Spiel stand 0:2 und es lief die 90. Minute. Es war das Rückspiel und Paris war bei diesem Spielstand souverän weiter. Also das Geld war mir sicher. Und was geschah? Plötzlich stürmten Zuschauer das Feld. Der Schiri hat, anstatt einfach abzupfeifen, das Spiel abgebrochen! Die Entscheidung der UEFA war schon am nächsten Tag gefällt: Paris hatte anstatt mit 2:0 mit 3:0 gewonnen. Aber das Geld hatte ich nicht gewonnen.
Ein jeder Anbieter hat seine Regeln. In diesem Falle sind diese Regeln ziemlich eindeutig, zumindest bei Fußballspielen. Bei Abbruch ist die Wette weder verloren noch gewonnen. Man bekommt als Ersatzquote eine 1.0. Also das Geld zurück, bei Kombiwetten wäre das Spiel auch richtig, aber eben mit der Quote 1.0. Die verändert in der Multiplikation nichts. Es ist wie ein Spielausfall.
Aber grausam war es dennoch. So kurz vorm Einkaufen. Ganz sicheres Geld.
Wo waren bloß die Mathematiker jetzt wieder hingerannt? Wo der geliebte Ereignisraum, in dem es nur 1-X-2 gibt?
Man hätte natürlich theoretisch auch auf der richtigen Seite gewesen sein können. Da müssen Sie aber das Buch von dem Olympiakos Fan kaufen gehen.
Oben sagte ich ja „ziemlich eindeutig“. Eine kleine Ausnahme gab es auch hier…
- Abgesägte Flutlichtmasten
Diese Überschrift wird sicher zensiert. Und ich erwähne auch extra nicht den Namen von dem Mann, der die Idee hatte. Aber jedenfalls war es seinerzeit ein recht bekannter Zocker, der auch recht plastisch erzählen konnte.
Er hatte also folgenden Vorschlag: Man wettet ein Spiel sehr hoch. Nun gibt es nach Abschluss zwei Möglichkeiten, wie die Wette verläuft: Die Mannschaft gelangt tatsächlich auf die Siegerstraße. Oder nicht. In letzterem Fall kam sein Vorschlag zum Einsatz: „Wenn es Unentschieden steht oder die hinten liegen, dann wird halt der Flutlichtmast abgesägt.“
Man würde Not gedrungen sein Geld zurück erhalten. Es gäbe also zwei Möglichkeiten: Gewinnen oder pari. Das sind doch mal schöne Wetten, oder?
Gibt es eigentlich wirklich diese Geheimschrift, bei der sich das Gelesene gleich danach selber löscht? Wenn nicht, ich arbeite an einem geeigneten Verfahren…
Nun, so weit ich weiß, hat der Betreffende dieses Verfahren nicht genutzt. Ich jedenfalls habe nichts von eingestürzten Flutlichtmasten gehört bisher.
Aber es gab tatsächlich mal eine vergleichbare Geschichte, die allerdings hier in den Medien nicht für zu große Aufmerksamkeit gesorgt hat. Es war nämlich so, dass es bei englischen Wettanbietern die Regelung gab, dass ein Spielstand dann gewertet wird, wenn das Spiel in die zweite Halbzeit gelangt. Also Spielabbrüche in der ersten Halbzeit: Gleiche Regeln wie oben. Spielabbruch in der zweiten Halbzeit: Der Stand bei Abbruch wird für die Auswertung der Wetten berücksichtigt.
Nun sollte man mit unbewiesenen Anschuldigungen vorsichtig sein. Aber dennoch geschah es einige Male, dass bei englischen Spielen plötzlich in der zweiten Halbzeit das Flutlicht ausfiel. Es war eine auffällige Häufung dieser Fälle zu beobachten Und es gab auch jede Menge Verdächtigungen. Es war von der „malaysichen Wettmafia“ die Rede. Natürlich habe ich das nicht gesagt.
Die Regeln wurden geändert. Vermutlich auch die Überwachung der Flutlichtanlagen…
- Leeds – Stuttgart
Wer erinnert sich nicht? Der berühmte Wechselfehler und das Ende des Christoph Daum als Stuttgart Trainer? Haben Sie sich grad gemeldet? Hilft Ihnen nicht. Ich erzähle trotzdem.
Es war so, dass Stuttgart 1992 unter kuriosen Umständen Meister geworden war (Frankfurt bekam keinen Elfmeter in Rostock und Buchwald köpfte in der 86. in Leverkusen das Siegtor). Und es gab zu der Zeit noch eine Qualifikationsrunde zur Champions League. Stuttgart musste gegen Leeds, den englischen Meister, ran. Ein sehr schweres Los. Aber Stuttgart gewann das Hinspiel zu Hause sensationell mit 3:0.
Das Rückspiel schien nur Formsache. Aber es wurde eng. Stuttgart erzielte zwar das Auswärtstor, aber Leeds ließ nicht locker. Und schaffte tatsächlich gar das 4:1. Nur: Das hätte auch nicht gereicht zum Weiterkommen. Es gibt ja die Auswärtstorregel (bis heute), die bei Gleichstand den Ausschlag zu Gunsten der Mannschaft gab, die mehr Auswärtstore erzielt hat. Nur: Wohl um Zeit zu gewinnen wechselte Daum noch einmal aus. Und er wechselte einen vierten Ausländer ein!
Das Spiel wurde beim Stande von 4:1 abgepfiffen. Aber die Engländer bemerkten den Fehler und legten umgehend Protest ein.
Jetzt wird es aber erst richtig spannend, in zweierlei Hinsicht: Ich persönlich hatte eine Wette, schon vor dem Hinspiel, auf Stuttgart Weiterkommen angenommen. Was ist nun mit dieser Wette zu tun? Haben Sie selber grad kurz überlegt? Also ich tue es jetzt. Ich habe keine Antwort, ganz ehrlich nicht. Und noch kurioser ist, dass ich tatsächlich nicht mal mehr weiß, wie ich damals entschieden habe. Es gab ohnehin kein Regelwerk oder so. Man musste sich einigen. Und wir haben uns geeinigt. Aber wie, weiß ich nicht mehr und kann es auch nicht herleiten.
Also muss ich jetzt die Arbeit noch mal aufnehmen und (vorgeben) nach(zu)denken. Der Spielstand wird selbstverständlich für alle Wetten gewertet. Denn das Spiel wurde ja nicht abgebrochen sondern „regulär“ beendet. Gut, wer Leeds Sieg hatte, bekam das Geld ausgezahlt. Wer Unentschieden oder Stuttgart hatte, hatte verloren. Aber wer war weiter? Ja, bei dem Spielstand Stuttgart, das stimmt schon. Aber das Ergebnis galt ja nicht, zumindest nicht für das Weiterkommen.
Bevor ich weiter spekuliere, wie Salomon entschieden hätte, erzähle ich erst mal, wie ein moderner Salomon entscheidet. Und das ist die UEFA. Die Entscheidung allerdings war nach meiner Einschätzung fast so schlimm, wie ein Baby zu teilen (jetzt hör aber auf, so was macht doch keiner): Die UEFA berief sich auf eine Klausel, die in irgendwelchen Regeln steht und auch weiter oben im Beispiel schon Anwendung fand: Sie wertete das Spiel mit einem 3:0 für Leeds!
Sicher, diese Lösung ist allgemeingültig und perfekt, auf alles anwendbar. Nachdem die Entscheidung getroffen war, schauten die Herren Offiziellen dann, gänzlich unvoreingenommen, auf das Hinspielergebnis. Und was mussten sie da feststellen? Ach, siehe da: Das Hinspiel war ja auch 3:0 ausgegangen! Na, so ein Zufall. Was ist denn jetzt? Ach, wir haben Gleichstand. Was macht man bei Gleichstand? Den Paragraphen haben sie grad nicht gefunden (Verlängerung, Münze werfen, Elfmeterschiessen?). Also wurde ein Entscheidungsspiel auf neutralem Boden, in Barcelona, angesetzt. Leeds gewann das Spiel 2:1, Stuttgart war raus.
Aber wie gefällt Ihnen die UEFA Entscheidung? Was, wenn Stuttgart das Hinspiel mit 4:0 gewonnen hätte? Unverschämt, solche Fragen?
Also ausbezahlt habe ich die Wette sicher nicht. Aber ob ich das Geld zurückbezahlt oder einbehalten habe, kann ich nicht mehr ermitteln. Aber wie ich mich kenne, habe ich es schlichtweg zurückbezahlt. Gewertet mit Quote 1.0. Entspräche das in etwa auch Ihrem Verständnis von Gerechtigkeit?
- Bayern München – Nürnberg
Dieses Spiel ist nur insofern legendär, dass ich mich bis heute frage, was sich die Bayern bei dem Torjubel gedacht haben? Ich verstehe schon den Begriff „Tatsachenentscheidung“. Aber in diesem Fall gab es eine Tatsache und eine Entscheidung. Die Tatsache war so: Der Ball war nicht drin. Die Entscheidung war die: Tor.
Thomas Helmer schlug sich im ersten Moment auch die Hände vors Gesicht, ob der Größe der verpassten Chance. Jeder im Stadion und jeder am Bildschirm wusste, auch ohne beurteilen zu können, ob der Ball vollumfänglich (in diesem Falle war es weder der volle noch der halbe noch irgendein anderer Umfang: Der Ball ging neben das Tor) die Linie überquert hatte, dass der Ball unmöglich drin gewesen sein kann. Man spürt das an der Reaktion der Spieler.
Man könnte auch etliche andere Beteiligte wie zum Beispiel die Schiedsrichter und die Assistenten befragen oder zumindest über deren Empfinden bei und nach der Entscheidung rätseln. Oder allgemein über Entscheidungsfindungen in Deutschland nachdenken. Oder wer sich das ausgedacht hat, dass der Schiedsrichter entscheiden muss und dann anschließend unter allen Umständen bei der Entscheidung bleiben muss. Aber alle derartigen Überlegungen gehören hier eigentlich nicht hin.
Ich frage mich nur, wie die Wettbüros reagiert haben. Darüber ist mir nichts bekannt. Sicher wurden die Wetten auf Bayern Sieg ausgezahlt. Denn Bayern „gewann“ mithilfe dieses Tores 2:1. Kurios ist es aber allemal. Denn es gab hier eine ganz besondere Ausnahme: Das Spiel wurde wiederholt. Und nachdem die Bayern das Wiederholungsspiel mit 5:0 gewonnen hatten, war zumindest die Tabellenkonstellation und andere Mannschaften davon nicht beeinflusst oder betroffen. Vielleicht hätte sonst die ganze Saison wiederholt werden müssen?
- Robbie Fowler und Leicester City
Im Gegensatz zu dem obigen Beispiel habe ich noch zwei andere herausgekramt. Und sagen Sie bitte nicht, es wäre Zufall oder Vorsatz von mir, dass es beides Beispiele aus England sind. Es gibt noch so etwas wie Fairplay, und garantiert nicht zufällig ist, dass das ein englisches Wort ist.
Robbie Fowler beziehungsweise seine Mannschaft, der FC Liverpool, bekam einmal einen Elfmeter zugesprochen. Das Spiel war weit davon entfernt, entschieden zu sein. Robbie Fowler war der Meinung, dass der Elfmeter nicht berechtigt war. Er versuchte gar, den Schiedsrichter davon zu überzeugen, seine Meinung rückgängig zu machen. Der Schiedsrichter tat, wie ihm geheißen, und zwar dem Geheiß der FIFA: Nimm niemals eine Entscheidung zurück selbst wenn du genau weißt, dass sie falsch war.
Robbie Fowler hat dann sein Verständnis von Fairplay derart zum Ausdruck gebracht: Er schoss den Elfmeter so schwach, dass der Torwart ihn ohne Mühe parieren konnte. Kleines Problem bei seiner Form der „Selbstjustiz“: Sein Teamkamerad Jason McAteer wusste nichts davon und brachte den Abpraller über die Linie. Nun ja… Als Engländer hätte ich jetzt gesagt: „No harm done.“
Als Leicester City im Liga Cup im Jahre 2008 bei Nottingham Forest ran musste, passierte folgendes: Die Partie ging beim Stande von 1:0 für Nottingham Forest in die Halbzeitpause. Dort brach der Spieler Clive Clark von Leicester City zusammen mit einer Herzattacke. Er wurde sofort medizinisch versorgt und ins Krankenhaus gebracht. Die Spieler von Leicester City standen unter Schock. Sie fühlten sich nicht in der Lage, weiter zu spielen. Die Manager der beiden Clubs einigten sich darauf, das Spiel abzubrechen und teilten dem Publikum das gemeinsam mit, eine Viertelstunde nach dem normalen Ende der Halbzeitpause.
Die Football Association hatte in ihren Regeln keinen anderen Passus als diesen, dass abgebrochene Spiele neu angesetzt werden. So geschah es am folgenden Dienstag. Clive Clark ging es mittlerweile auch besser, er war über den Berg und aus Zitaten war zu entnehmen, dass er ausgesprochen dankbar war. Eines hier: „…it goes without saying, that a day wont pass, that I cherich every moment in my life.“ …man muss es nicht extra sagen, dass nicht ein Tag vergehen wird, an dem ich mein Leben nicht zu schätzen weiß.
Der Dienstag kam. Der kleine Pauli, Olle Icke, hat in völliger Ignoranz der Geschehnisse eine Wette auf das Spiel platziert, blindlings den Empfehlungen seines Computers vertrauend, und zwar auf Leicester City. Das Spiel begann. Ich konnte es nur per Internet Ergebnisseite verfolgen. Nach einer Minute das 1:0 für Nottingham Forest. Ich erfuhr etwas später, was geschehen war: Vom Anstoß weg hat der Torhüter von Nottingham Forest, Paul Smith, ein unbehindertes Dribbling Richtung Tor von Leicester City unternommen und konnte den Ball ebenso unbehindert einschieben.
Eine große Geste des Fairplay. Dem Anlass und den Umständen des Spielabbruchs absolut angemessen. Nur: Weder ich noch offensichtlich der größere Teil der Wettbevölkerung (ich beginne schon wieder zu scherzen: Ich meinte Welt-) hatte vorher etwas davon gewusst. Man hätte das bei Bekanntheit der Planung der Aktion jedenfalls sicher an den Kursentwicklungen vor dem Spiel gesehen.
Das Spiel wurde anschließend normal fortgesetzt. Und Leicester City gewann tatsächlich noch mit 2:1. Sieger war: Der Fußball, wie sich alle Beteiligten hinterher einig waren; und ein kleiner Ignorant…
Hätte der Abschnitt vielleicht doch besser Platz gefunden im Kapitel „Glücksphilosophie“?
- HSV – Nürnberg
Das ist nun wirklich ein sehr altes aber ebenso kurioses Beispiel für die Anfangszeit der Ausgänge, die im Ereignisraum nicht vorgesehen waren.
Wenn Sie heute in den Annalen des deutschen Fußballs blättern und dabei besonderes Augenmerk auf die deutschen Meister legen, dann wird Ihnen möglicherweise auffallen (oder dies bereits sein), dass es im Jahre 1922 keinen Deutschen Fußballmeister gibt.
Der Grund hierfür ist der: Die Regeln waren in diesen Jahren noch etwas anders als heute. Man muss einfach gewisse Erfahrungen machen. Man kann nicht alle möglichen „Ausgänge“ vorhersehen.
Die Regeln: Es durfte nicht ausgewechselt werden. Bei Unentschieden gibt es Verlängerung. Diese Verlängerung wurde gespielt, bis ein entscheidendes Tor fiel und das ganze ohne Zeitbegrenzung. Also das so genannte „Golden Goal“ gab es schon in beinahe grauer Vorzeit. Nur gab es wohl noch nicht so prickelnde Anglismen.
In diesem Finale stand es nach 90 Minuten 2:2. Verlängerung. Keiner Mannschaft wollte ein Tor gelingen. Die Spielzeit schritt voran. Die Tageszeit allerdings gleich mit. Und obwohl es an einem 22.Juni in unseren Breitengraden quasi der längste Tag ist, geht auch dieser irgendwann zu Ende. Bemerkbar macht sich das Tagesende dann in der Regel mit Verringerung der natürlichen Lichtkrafteinwirkung. Flutlicht im Jahre 1922? Kein Gedanke. Der Schiedsrichter traf die einzige unter diesen Umständen mögliche Entscheidung: Spielabbruch, nach 3 Stunden 9 Minuten, wegen Dunkelheit!
Nun, man hatte ja noch die Möglichkeit, ein solches Spiel zu wiederholen. Immerhin bedeutete das aber in jener Zeit noch einen recht erheblichen Aufwand. Die Spieler waren sicher noch keine Profis, standen woanders in Lohn und Brot. Eine Anreise per Zug und was so alles dazu gehört. Aber Endspiel ist Endspiel. Das muss wiederholt werden.
Neuer Termin: Der 9.August. Sicherheitshalber wurde eine frühere Anstoßzeit gewählt. Diesmal 16 Uhr. Da wird doch wohl nicht…
Aber auch dieses Spiel endete 1:1. Die Verlängerung begann. Kein Tor, für keine Mannschaft. Aber Nürnberger Spieler zogen sich Verletzungen zu. Einer nach dem anderen musste vom Platz. Als es nur noch 7 Spieler waren und das Spiel immer noch 1:1 stand hatte der Schiedsrichter ein Einsehen: Er pfiff das Spiel ab.
Es gibt einfach keinen Deutschen Meister im Jahre 1922. Ist das sooooo schlimm?
- Tennis, Spielabbrüche, Peter Wette bei Schwechat auf diPasquale
Das Thema Tenniswetten ist wirklich ein leidiges, das wird sicher jeder Buchmacher und Wettanbieter bestätigen können. Beinahe ist gar mein Eindruck entstanden, dass sich der Tennissport durch die Wetten selber kaputt macht.
Die Anbieter haben oft unterschiedliche und ständig sich ändernde Regeln. Warum das so ist, möchte ich an ein paar Beispielen erläutern: Was macht man, wenn ein Spieler aufgibt? Nun gibt es dabei offensichtlich mehrere Perspektiven. Man kann auf der richtigen Seite oder auf der falschen Seite sein. Das betrifft sowohl den Anbieter als auch den Spieler, Wetter. Entweder hat man den Spieler, der aufgegeben hat oder man hat den Gewinner. Selbstverständlich würden beide Seiten jetzt am liebsten davon „profitieren“. Die eine Seite, die verloren hat, möchte am liebsten nicht auszahlen oder das Geld zurück. Die Seite, die gewonnen hat, möchte gerne das Geld einbehalten oder ausbezahlt bekommen.
Nun gibt es ja in aller Regel einen Grund für eine Aufgabe. Es kann also sein, dass der Spieler bereits verletzt ins Spiel ging oder eine Verletzung während des Spiels erlitten hat. Darüber hinaus, und das ist bedauerlicherweise ein sehr wesentlicher Grund, kann man die Schwere einer Verletzung nicht überprüfen. Ein Spieler kann also willkürlich aufgeben. Niemand könnte ihm beweisen, dass er noch hätte weiterspielen können. Die Konsequenz daraus ist offensichtlich, dass es kaum leichter geht, sich dadurch als Beteiligter, als Tennisspieler und Wetter gleichzeitig, einen Vorteil zu verschaffen.
Wie reagieren nun also Anbieter auf so etwas? Halten wir uns vor Augen, welche Fälle auftreten können: Ein Anbieter hat hohe Wetten angenommen auf einen Spieler, der gegen einen leicht verletzten Spieler antritt. Der Anbieter wusste davon allerdings nichts. Die beiden Spieler spielen das Match absolut ehrlich. Der Anbieter verfolgt das Match. Er sieht, dass „sein Mann“ keine Chance hat, aufgrund der Verletzung. Er verliert den ersten Satz 2:6. Der zweite Satz beginnt. Sein Mann gibt gleich das erste Aufschlagspiel ab, offensichtlich der Schlagarm verletzt. Beim Stande von 2:6, 0:2 gibt er auf. Chancenlosigkeit gepaart mit Schmerzen.
Der Anbieter möchte die Wette nicht ausbezahlen. Er hatte keine Chance, verliert im Wesentlichen wegen der Verletzung. Er schreibt ab diesem Tag in seine Regeln: „Bei Aufgabe gilt für alle Seiten: Die Quote ist 1.0. Das Geld wird zurückgezahlt. Keiner gewinnt, keiner verliert.“
Im nächsten Turnier nimmt er wieder hohe Summen auf einen Spieler an. Er sieht das Spiel live. Sein Mann ist vom ersten Ballwechsel an auf der Siegerstrasse. Der Gegner chancenlos. Beim Stande von 6:3, 5:1 plötzlich – was jetzt? – der Unterlegene beginnt, zu humpeln. Er macht eine Verletzungspause. Der Physio kommt, beginnt die Behandlung. Nach 5 Minuten die schockierende Nachricht: Es geht nicht mehr, Aufgabe.
Jetzt muss man alles sicher geglaubte Geld wieder zurückzahlen. Was würde man jetzt empfinden? Sicher: Das ist Diebstahl!
Wie gesagt, ein solches Szenario, in dieser oder jener Form, kann jeder, der an dem Spiel „Tenniswetten“ teilnimmt, erleben. Und wer auf welche Art dabei seine Finger im Spiel hat, kann man sich so oder so zurechtlegen. Fakt ist nur: Es gab einen großen Skandal im Tennis. Es gab etliche große Zeitungs- und Fernsehberichte. Und das Tennis hat gewaltig darunter gelitten. Weil man praktisch bei jedem Match den Gedanken haben muss: Wird ehrlich gespielt? Wer hat welche Absicht?
Aber bleiben wir kurz mal beim Thema: Ich hatte das Tennis auch in mein Programm aufgenommen, also ein spezielles Tennisprogramm entwickelt. Ich hatte auch häufig Wetten für andere Leute weitergespielt, bei anderen Buchmachern. Ich hatte aber prinzipiell mal gesagt, dass es bei mir immer mit 1.0 gewertet wird, wenn ein Spiel durch Aufgabe oder Abbruch endet. Dann bekam ich eines Abends einen Anruf. In der Nacht gab es ein Match von Arnaud DiPasquale. Ich kannte den Mann noch nicht. Also habe ich dem Anrufer gesagt, ich kann das nur für ihn weiterspielen bei Schwechat, einem Österreichischen Anbieter. Die Quote war 1.60. Er war einverstanden. Ich spielte bei Schwechat für ihn 8000 DM auf DiPasquale.
Am nächsten Morgen warf ich einen Blich auf die Ergebnisse: DiPasquale hatte aufgegeben! Mein Bekannter bei unserem nächsten Gespräch: „Du sagtest doch, bei dir gäbe es bei Aufgabe immer das Geld zurück.“ Er wollte seinen Einsatz also zurückhaben. Ein kurzer Anruf bei Schwechat ergab natürlich, dass die Regeln bei Schwechat anders waren. Meine 8000 DM waren verloren.
Die Diskussionen verliefen in dem Falle so, dass mein Anrufer nicht einverstanden war. Es beträfe ihn nicht, wo ich meine Wetten für ihn spielen würde. Ich hätte ihm meine Regeln mitgeteilt, er bekäme das Geld zurück. Immerhin war er nach einer Weile bereit, 2000 DM des Schadens zu übernehmen.
Was ist eigentlich der Ereignisraum? Einer gewinnt und einer verliert, ja?
- Der lange Lutz mit Trabzonspor nach dem Spiel
Nicht nur, dass der lange Lutz ein einziges Mal bei meinem absolut lächerlichen und erfolgosen Versuch, selber Wetten anzunehmen zum Geld verdienen mich das eine Mal so gewaltig geschädigt hat, als er an einem Sonnabend alle Bundesligaspiele richtig tippte und aus 120 DM ca. 9000 DM machte (die ich also zu finanzieren hatte), er hat später auch nie mehr gewettet. Nicht etwa, dass ich besonders scharf darauf gewesen wäre. Aber man könnte ja theorteisch auch annehmen, dass irgendwann mal „meine Zeit“ kommt und ich wenigstens Teile zurückerobern würde. Lutz hat sich das aber als Flachs immer aufgehoben. Außerdem muss er gespürt haben, wie viel Glück er dabei hatte und es für sinnlos halten, dass noch einmal provozieren zu wollen.
Dennoch bekam ich eines Tages einen Anruf von ihm. Es war so ca. 15 Uhr. Lutz hatte einen Wettzettel von mir bekommen. Es war Europapokal Tag. Das erste Spiel, welches laut meinem Wettangebot angepfiffen werden sollte, war ein Heimspiel von Trabzonspor. 15 Uhr Anstoss. Lutz, der wochenlang nicht eine einzige Wette platziert hatte sondern stattdessen immer nur Hohn und Spott für mich hatte, sich noch dazu vor anderen mit seinem Sensationstreffer als absoluter Fußballexperte brüsten konnte, wollte eine Wette auf Trabzonspor platzieren. Nun, mag sein, dass ich auch sonst etwas skeptisch geworden wäre, wie er ausgerechnet auf Trabzonspor kommen würde, wo doch Bayern München und Borussia Dortmund, Real Madrid oder Manchester United am Abend spielen würden, so aber musste ich ihn nicht erst lange fragen oder erklären lassen: ich hatte nämlich selber gerade den Videotest an und dort war abzulesen, dass Trabzonspor das Spiel mit 1:0 gewonnen hatte. Der Anstoss war um 13 Uhr gewesen. Was wäre nun mit dem Ereignisraum gewesen, wenn ich die Wette akzeptiert gehabt hätte?
- Backgammon Regeln