14) Noch mehr zum Thema Glück…
Hier mal wieder eine kleine Anekdote, was einem so alles passieren kann: Ich hatte einen Abend im Casino Black Jack gespielt. Ich weiß nicht mehr, ob gewonnen oder verloren. Jedenfalls hatte ich Chips in der Tasche. Ich lief an einem Roulette Tisch vorbei. Die Kugel rollte. Mich durchzuckte der Gedanke, hab ich von Otto: „Alles auf die 27.“ (zufällig hab ich am 27. Geburtstag). Ich nestelte in meiner Tasche, bekam einen Chip in die Finger, setzte ihn auf die 27. Mein Blick ging vom Roulettekessel, der rollenden Kugel, noch einmal zurück auf den Spieltisch. Oh Schreck, da lag ein 100 DM Chip. Nein, so viel wollte ich nun auch wieder nicht riskieren, auf eine einzige Zahl. Ich nahm den Chip wieder hoch, suchte nach einem 20er, zu spät, das Spiel war abgesagt „rien ne va plus“. Der Croupier schaute mich, noch während die Kugel rollte, an und sagte „Das sollte man nie machen, einen Chip wieder runternehmen,“ dann die Ansage „27, rouge, impair, passe“. Wie Recht er doch hatte…
Die Fragen lauten nun: Habe ich 700 DM oder 3500 DM verschenkt? Und: Chaostheorie hin oder her: Hätte die Kugel tatsächlich den Lauf verändert, wenn mein Chip dort geblieben wäre?
Ich habe das Casino übrigens fluchtartig verlassen. Und meine drittliebste Beschäftigung ist, über den Sinn des Lebens nachzudenken.
Es gibt übrigens auch folgendes Phänomen: Ein Spieler verliert, er verliert eine Menge, über einen längeren Zeitraum. Und der Mann hat richtig übles und großes Pech, jeder könnte es bezeugen. Was er macht, kommt einfach nicht. Aber dennoch: er hat die falsche Seite. Die Seite, die langfristig verlieren wird. Was soll man dann über diese Form des Pechs denken? Ich habe eine Antwort gefunden: Das ist kein Pech. Vielleicht ist es sogar Glück. Bei der richtigen Interpretation ist es jedenfalls Glück. Die Betrachtung ist so: Wenn man ein Spiel mit Nachteil spielt, dann sollte man das wissen. Wenn man es nicht weiß, sollte man versuchen, die Ergebnisse zu interpretieren. Es gibt durchaus Rechtfertigungen, Spiele, auch mit großem Nachteil zu spielen. Noch mal Lotto: wenn 1 Euro oder auch 10 Euro pro Woche nichts, rein gar nichts verändern in ihrem Leben, 10 Euro sind wie „ich bring meiner Frau ein paar Blumen mit“ oder „heute geh ich Essen statt selber zu kochen“. Aber der Gewinn könnte Ihr Leben komplett verändern. Warum dann nicht spielen? Nur bewusst spielen. Ich weiß, dass ich die falsche Seite habe, ich lasse mich darauf ein, das investierte Geld wird mir mit Vergnügen zurückgezahlt, beim Lotto eben mit der kleinen Hoffnung.
Aber wenn man zu viel verliert, kann man im Prinzip auch dankbar sein. Man hätte diese Menge Geld ja ohnehin irgendwann verloren, jetzt kann man aufhören und wieder sinnvolle Dinge tun. Denn verlieren macht ja nun mal keinen Spaß. Und langfristig würde es ohnehin keinen Profit bringen.
Ich kann noch versuchen, das auf zwei Arten anders auszudrücken. Wenn der Mann jetzt sagen sollte : „Schau mal, was ich für ein Pech hatte. Ich habe im letzten Monat 10000 Euro verloren. Das sind 10% meines Umsatzes. Ich hätte aber nur 2000 verlieren dürfen, ich hatte nämlich nur 2% Nachteil. Jetzt beweise ich dir, dass es stimmt.“ Und nach einem Jahr sehen Sie sich wieder und fragen nach, er erzählt jetzt: „Ja, siehst du, ich hatte Recht und die Mathematik stimmt. Nach Ablauf des Jahres habe ich insgesamt 25000 Euro verloren. Und das sind exakt 2% meines Umsatzes.“
Aber ein wenig klüger wäre es ja doch gewesen, schon nach dem einen Monat aufzuhören, oder?. Denn immerhin hätte er die weitern 15000 Euro Verlust gespart. Und die investierte Zeit?
Ich drücke es für mich selber auch gerne so aus, denn ich spiele zweifellos auch gelegentlich ein Spiel mit Nachteil: „Ich möchte ja gar nicht gewinnen, wenn ich einen Nachteil habe. Vor allem möchte ich nicht beweisen wie viel Nachteil ich habe.“ Es passiert, ich habe verloren, meinetwegen zu viel, aber ich höre auf, so oder so. Warum sollte ich einen Lohn bekommen für einen Fehler, eine Dummheit?
Und da liegt die dritte mögliche Ausdrucksweise dieses Phänomens: Was würde andernfalls passieren? Was würde mit dem Menschen geschehen, wenn er gewinnen würde anstatt zu verlieren? Über einen längeren Zeitraum? Er würde sich für einen Glückspilz halten, meinetwegen. Aber er würde jeden Tag wieder gehen, wieder das gleiche Spiel spielen, weiter mit Nachteil. Und er würde dann allmählich die unerbittliche Kraft der Mathematik zu spüren bekommen. Er würde verlieren, und den schönen Zeiten des großen Gewinnens nachjagen. Und doch alles verlieren. Ein guter Tausch?
Deshalb immer wieder der gleiche Ratschlag: Wenn man spielt, bewusst. Wenn man die falsche Seite spielt, bewusst. Besser noch, man sucht die richtige Seite. Am besten, man findet sie und spielt sie. Aber auch mit Nachteil kann es Vergnügen bereiten. Aber auch dann weiterhin bewusst spielen. Ich habe etwas gewonnen, ich habe Glück gehabt, ich höre auf oder ich spiele weiter. Aber immer in der angemessenen Größenordnung. Ich habe Pech gehabt, ich habe verloren, ich höre auf. Oder spiele weiter. Wie oben.