Das Spiel Fußball ist also gigantisch groß. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass es immer so groß bleibt und auch nicht, dass es nicht größer sein könnte. Außerdem wird garantiert immer versucht, etwas zu verbessern. Auch die FIFA Offiziellen beschäftigen sich ständig damit. Jeder wird für sich ebenfalls Ideen haben, von deren Wirkungskraft er überzeugt ist. Hier sind eine Reihe nachvollziehbarer Vorschläge zu Papier gebracht.
Die sehr schlichten Ziele lauten: Den Fußball spannender, attraktiver und gerechter machen, und damit die Anhängerschaft zu erhalten, zu erhöhen, was über die (Rück-)gewinnung der neutralen Zuschauer stattfinden soll. Das hört sich derartig plump an, dass man zwar nicken würde, aber dieses nur das wohlwollende Nicken wäre, dass man einem harmlosen Irren zugestehen würde, und diesem auf die Schulter klopfend sagen würde; „Ja, ja, du hast schon Recht.“, damit er endlich Ruhe gibt, denn innerlich würde man denken: „Spinn mal schön weiter.“
Es hört sich gut an, keine Frage. Nur die Überzeugungen bestehen: darüber ist bereits alles gesagt. Es ist jeder Vorschlag diskutiert, jede Idee überdacht, die meisten verworfen, die aktuellen Regeldiskussionen haben vielleicht Hand oder Fuß, aber nicht beides, wie man absolut überzeugt ist, da man nämlich dazu selbst eigene, fertige Gedanken angestellt hat über die größten Ärgernisse und die Dinge, die wirklich verändert/verbessert werden müssten, auf die nur keiner kommt und wenn mit den falschen Antworten bedenkt. Außerdem hat der Kaiser höchst persönlich, Franz Beckenbauer, mal gesagt: „Lossts den Fußball wie er ist.“
Auf gut Deutsch: Weiterlesen lohnt nicht. Dass man sich diesbezüglich im Irrtum befindet, erfordert einen sehr behutsamen Aufbau und ein wenig Geduld. Der Widerstand ist spürbar, wie in etlichen Diskussionen erkannt. Selbst wenn Platini, Beckenbauer, Pelé und Cruyff den Text in den Händen hielten, könnten sie nicht anders als sich dagegen zu wehren. Es kann nicht sein, dass ihnen etwas vorgelegt werden könnte, was sie nicht bedacht, vielleicht gar übersehen haben. Insofern werden ein paar einfache Vorüberlegungen angestellt, die keinesfalls in Richtung Agitation gehen. Ein entspanntes Nachdenken über ein paar interessante Fragestellungen, die sich vielleicht in dieser Form noch selten bis gar nicht ergeben haben. Schlussfolgerungen daraus zu ziehen ist zunächst völlig freigestellt.
Sofern man sich mit dem Punkt „spannender“ beschäftigt, darf man sich ruhig einmal fragen, wann und wodurch man Spannung empfindet. Sofern man sich mit dem Punkt „attraktiver“ beschäftigt, darf natürlich die Frage erlaubt sein, was eigentlich an dem Spiel attraktiv sein könnte, was man so empfindet und wann eine Erhöhung darin eingetreten wäre. Die schlichte Frage, ob sich dadurch die Motivation erhöht, ein Spiel zu schauen, darf natürlich nicht fehlen. Vielleicht ist Attraktivität ja beim Fußball gar kein Kriterium? Man will Hauen und Stechen, Kamp und Leidenschaft aber doch nichts Schönes? Zur Frage der Gerechtigkeit ist hier insbesondere eine übergeordnete Gerechtigkeit gemeint und keine, die in speziellen Situationen aufgeworfen werden soll. So mystisch sich das anhört: Es ist eigentlich ganz einfach.
Wiederkehrend wird angeführt, dass lediglich die Anwendung der bestehenden Regeln eingefordert wird, sowie ein generelles Umdenken. Die einfache Logik dahinter ist die: Der Schiedsrichter hat einen Ermessensspielraum und eine spezielle Regelauslegung, die von Fall zu Fall unterschiedliche, aber jeweils akzeptierte, nicht angezweifelte Ergebnisse liefert. Sowohl Ermessensspielraum als auch Regelauslegung/Regelauffassung führen in einer weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle zu Entscheidungen, die zu Ungunsten der Angreifer ausfallen. Dies wird gemeinhin ohne Lamentieren akzeptiert, da jeder einzelne Fall nichts Aufsehen erregendes hergibt. Die Tendenz der Entscheidungen ist jedoch eindeutig und sogar nachweislich, wie man sich gerne überzeugen kann. Das Umdenken bezieht sich also auf ein Umdenken zugunsten der Angreifer. Mehr Schutz für diese, mehr Toraktionen, mehr Tore, mehr Spannung.
Eine ganz zentrale Behauptung, die ebenso wiederholt ins Gedächtnis gerufen werden soll, lautet: Es gibt zwei Arten von Zuschauern, bei jedem einzelnen Spiel. Der eine ist der wahre Fan einer Mannschaft, der andere ist der neutrale Zuschauer. Der wahre Fan mag sich mit allen möglichen Missständen abfinden. Er schaut das Spiel (seiner Mannschaft) sowieso und wird gemeinhin als „leidensfähig“ bezeichnet. Er erträgt ein langweiliges 0:0, bei der seine Mannschaft zwar selten nach vorne kommt, aber auch nicht viel zulässt, deshalb, weil er den einen Punkt in diesem schweren Spiel als Erfolg wertet. Er freut sich über ein müdes, langweiliges 1:0 diebisch und ausgiebig, da ist ihm das Zustandekommen tatsächlich gleichgültig. Der eine Moment entschädigt. Das Zusammentreffen mit Gleichgesinnten mag auch als Anlass dienen, welches für neutrale Zuschauer entfällt.
Das große Potenzial, welches (zurück)gewonnen werden kann besteht in dem neutralen Zuschauer. Diesem müssen Attraktionen, Unterhaltung und Spannung geboten werden. Eventuell besteht heute bereits die Ansicht, dass man ohnehin ein Spiel nur als Fan schauen kann. Jedoch da wäre genau anzusetzen. Es ist vielleicht tatsächlich so, dass 90% der Zuschauer im Moment aus einer Fanleidenschaft heraus am Bildschirm (oder im Stadion) sitzen. Nur könnte diese Zahl reduziert werden auf vielleicht weit unter 50%. Aber nicht, weil es weniger Fans gibt und auch nicht, weil weniger Menschen schauen. Sondern allein deshalb, weil es mehr neutrale Zuschauer gibt, die ein Spiel aus reiner Fußballbegeisterung schauen. Der Weg dahin mag sich weit anhören, ist es aber nicht wirklich, soweit man sich auf die einfachen Gedanken einlässt. Dieser hier ist bereits einer davon.
1) zum Thema Spannung
a. Inwiefern ist Spannung ein Kriterium?
Man muss vielleicht nicht zu weit ausholen, um es zum wichtigen Kriterium zu erheben. Nur lohnt es sich, sich ruhig selber mal zu fragen, wann man sie empfindet, zuletzt empfunden hat. Wann ist es bei einem Spielfilm so weit, wann bei einem Fußballspiel? Wann ist man zuletzt aus dem Sitz gegangen? So gerne auch philosophischen Fragen weiter nachgegangen würde, die im alten Rom argumentativ beginnen könnten mit der Forderung „panem et circenses“, gebt dem Volk Brot und Spiele und es wird zufrieden sein, hier ist nicht der Raum dafür.
Nur so viel noch: Ein kurzes Nachdenken über die Inhalte des Lebens im Allgemeinen führt einen dahin, über die eigene Zeiteinteilung nachzudenken. Es gibt für die meisten Menschen einen gehörigen Anteil, der mit Verpflichtungen ausgefüllt ist. Oftmals geht man sie zwar bis zu einem gewissen Grade freiwillig ein, um sie dann mit Stolz hinter sich zu bringen, oft genug ist es aber jene Pflicht, sein tägliches Brot zu erwerben, vielfach hängt es mit dem Wohlergehen der Familie zusammen. Ein riesig großer Teil ist mit Sicherheit amourösen Dingen gewidmet. Man hat einen Partner – und ist glücklich oder hat Beziehungsprobleme – oder man ist auf der Suche. Man ist gerade verliebt, mal glücklich, mal unglücklich. Das beschäftigt die Menschen, auch wenn es oftmals nach außen hin verborgen bleibt.
Irgendwann kommt man aber zur Freizeit und deren Gestaltung. Was tut man nun mit der wohl verdienten, aber so spärlichen Freizeit? Ja, man macht was Interessantes, Unterhaltsames, Spannendes, eben etwas, das Spaß macht. Darunter könnte also auch das Schauen eines Fußballspiels fallen, das Studium der Tabellensituation, die Analyse des vergangenen Spieltages und die des kommenden. Man liest vielleicht in der Tageszeitung den Sport(fußball)teil oder kauft ein Fachmagazin und stöbert darin, abends kommt die Sportsendung, die ebensolches tut: Einstimmung auf den nächsten Spieltag oder Nachbereitung des vergangenen. Ein erheblicher Teil müsste für den Fan darin bestehen, die Spiele anzuschauen. Randüberlegung hier: Es könnte zu befürchten sein, dass eines Tages das die Vorfreude schürende tägliche Beschäftigen mit dem Thema Fußball nachlässt, sofern die Freude am Spieltag keine rechte Nahrung bekommt.
In der Folge sei einmal vorausgesetzt, dass fast jeder Fan, der ein Spiel schaut oder schauen möchte, auf die Frage warum er dies tut, unter den Top drei Antworten, wenn nicht einhellig der Nummer 1, hätte: „Weil es spannend ist.“ Es gibt also genügend Gründe, dafür zu sorgen, dass es so wird (für Kritiker der Thesen: so bleibt). Die, die diese Antwort geben, sind ja auch jene, die wirklich schauen. Wenn man woanders fragen würde, erhielte man sicher die Antwort: „Fußball? Schaue ich nicht. Ist langweilig.“ „Würdest du schauen, wenn es spannend wäre?“ Na, da mag man selbst drüber nachdenken.
b. Was sind Spannungskriterien, was Spannungsmomente?
Das entscheidende, Spannung auslösende Kriterium ist das: Die Ungewissheit über den Ausgang. Dies kann sowohl die einzelne Szene, als auch das einzelne Spiel, aber auch ein ganzes Turnier betreffen. In einer Szene wäre es die gespannte Frage: „Mal sehen, ob dieser Angriff ein Tor wird“ , im Spiel ist es der Gedanke: „Wie wird es wohl ausgehen?“ und auf ein Turnier bezogen kann die täglich gestellte, aber durch die durch jedes Spiel, jeden Spieltag veränderte Situation stets unterschiedlich beantwortete Frage lauten: „Wer wird das Turnier gewinnen?“ oder „Wer steigt ab?“ oder auch „wer erreicht die Champions League“ und als letzte repräsentative Frage „wo landet mein Verein?“
Eine sehr konkrete Frage, die auf den Punkt „Spannungsmomente“ abzielt, welche sich der Leser selbst vorlegen möge, lautet: „An welches Fußballspiel erinnerst du dich?“ Kurze Denkpause ———
Hier seien einige Beispiele genannt, die ins Gedächtnis springen könnten: Das eine ist sicherlich das Spiel des vorigen Jahrhunderts, Deutschland – Italien, WM Mexiko 1970, jenes legendäre 3:4 nach Verlängerung, in welchem nicht nur viele Tore fielen sondern diese über das Spiel fast gleich verteilt auf beide Mannschaften entfielen, mit wechselnden Führungen. Das andere, nicht automatisch ganz nach vorne sortierte, ist vielleicht das Spiel Tschechien – Türkei bei der Euro 2008, in welchem die Türkei einen 0:2 Rückstand nach über 70 Minuten noch drehte zu einem 3:2. Dieses Spiel wurde später in die Top Ten der größten Spiele bei Welt- und Europameisterschaften gewählt.
Sicher werden gerade den angesprochenen deutschen Lesern einige berühmte Europapokalschlachten von Werder Bremen in Erinnerung sein, hervorzuheben hier das 5:3 gegen RSC Anderlecht, welches nach einem 0:3 Rückstand, der noch nach 66 Minuten Bestand hatte, zustande kam. An Bundesligaspielen sei hier erwähnt besonders das Spiel der Saison 2007/2008, VfB Stuttgart – Werder Bremen, das in einem dramatischen, aber friedlichen 4:4 Unentschieden mündete.
Sowie man die Gemeinsamkeiten dieser Spiele sucht und ein klein wenig ehrlich mit sich selbst ist, wird man bestätigen können: Sowie viele Tore für beide Mannschaften fallen ist das Potenzial hoch, dass das Spiel Erinnerungswert bekommt. Ein wichtiger Punkt dürfte dazu sein, dass es zu (überraschenden) Wendungen kommen sollte. Dies ist sicher unstrittig. Eine weitere Gemeinsamkeit ist übrigens eine beanstandete: Die Ereignisse sind höchst selten anzutreffen. Man muss weit zurückgehen in der Erinnerung, findet wohl kaum eines in jüngster Vergangenheit. Ist das wünschenswert?
Die Frage also, die man in der Konsequenz gerne aufwerfen darf: „Erscheint einem die Frequenz dieser Ereignisse hoch?“ Weiter gehend: „Muss man dort eine rasche Sättigung fürchten?“ Dies ist wirklich, wie privat geführte Diskussionen ergaben, beinahe die brisante Frage: Könnte der Fußball sehr schnell langweilig werden, sofern es (wesentlich) mehr Tore gäbe? So gut diese Erwägung auch ist: Hier stehen einige Behauptungen, die erhebliche Zweifel daran anmelden: Die Häufigkeit der erinnernswerten Spielen ist so derartig gering, dass dort ein Anstieg noch lange nicht an die Sättigungsgrenze stoßen würde. Zweite Behauptung: So lange es nicht ausprobiert wird, werden allgemeingültige Aussagen schwer verifizierbar. Die dritte Behauptung: Die FIFA Hauptverantwortlichen suchen nach einfachen Möglichkeiten zur Erhöhung der Spannung durch mehr Tore. ,Die letzte Bemerkung: Sofern die Anzahl der Tore zu hoch würde, könnte man ja die Regeln verschärfen, verändern, so dass wieder weniger Tore fallen würden. Erstmal bleibt es dabei, dass es Kritikern sehr schwer fiele, die Aussage „mehr Tore – mehr Spannung“ ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
So sehr also die Ansicht bestätigt würde, dass Spannung ein wichtiges Kriterium ist, so sehr könnte hier trotzdem andersartiger Widerstand dagegen einsetzen. Nämlich jener, ob der Spannungsgehalt mit der Anzahl der Tore direkt zusammen hängt. Ein echter Fan (oben erwähnt bereits einiges über die Aufteilung in neutrale Zuschauer und echte Fans) könnte sagen: „Spannend war es die ganz Zeit, da es 0:0 stand. Und als meine Mannschaft das 1:0 erzielte, war die Explosion so gewaltig, dass sie mit nichts vergleichbar war. Mehr Tore brächten Langeweile. Man kann sich ja nicht dauernd so ausgelassen freuen.“ Diese Überlegung ist gut. Der Gegenbeweis kann nur durch obige Überlegung „welches Spiel hatte Erinnerungswert?“ oder durch die Praxis in der angestrebten, verbesserten Zukunft geführt werden. Das konservative Argument „wir lassen alles wie es ist, dann bleibt auch die Begeisterung so groß, wie sie ist“ kann nur insofern behandelt werden, als die Bedenken angesprochen werden, mögliche Veränderungen in der Wahrnehmung eines Fußballspieles, über die man sich am besten immer wieder selbst befragt: Habe ich mich gut unterhalten? War es spannend? Hat es Spaß gemacht? Schaue ich wieder? Vor allem betrifft es die Menschen, die sich als Anhänger dieses Sports verstehen und deren eigene Mannschaft gerade nicht auf dem Platz steht: Schaust du wirklich gerne dieses Spiel über die gesamten 90 Minuten?
c. Die einzelne Szene
In einer einzelnen Szene fühlte man sich als (neutraler) Zuschauer sicher dann gut unterhalten, wenn man das Gefühl hätte, dass es eine Torsituation, nach Möglichkeit vielleicht ein Tor ergäbe. Wenn irgendjemand im Mittelfeld den Ball führt, dann müsste man gespannt sein, ob er einen freien Mitspieler findet, auf Außen, der seinen Gegenspieler umspielen könnte, eine Flanke hereingeben und ein Kopfball aufs Tor kommen könnte. Es könnte auch sein, dass man auf ein Dribbling durchs Zentrum mit einem überraschenden Pass in die Spitze hofft, der einen Stürmer in Schussposition bringt. Man könnte auch darüber nachdenken, ob es möglich wäre, dass man aus 30 Metern in Schussposition gelangt und mit einem gewaltigen Fernschuss das Netz auswölbt. Die letzte Überlegung vielleicht die, dass, wenn jetzt alle Mann aufrücken, in der begreiflichen Absicht, das Ziel des Spieles, ein Tor zu erzielen, zu erfüllen, dabei die eigenen Defensive entblößen, nach einem Ballverlust nicht rechtzeitig zurück gelangen und gar der Gegner per Konterangriff ein Tor erzielen kann.
Die Frage darf erlaubt sein: Denkt man wirklich daran? Kurz nachdenken —.
Die Antwort lautet: Nein, so die fast gesicherte Beobachtung. Frage: „Glaubst du, dass dieser Angriff zu einem Tor führt?“ „Nein, das glaube ich nicht.“ Was könnte man anders antworten? Man wäre doch naiv, wenn man bei einer Chance von höchstens 1/100 auf den Gedanken verfiele, dass es jetzt eintreten könnte? „Ja, ich glaube daran.“ 10 Sekunden später die Antwort: „Aha, hast ja gesehen. Das war wohl nix, du Träumer.“ Man würde ausgelacht. Als kleiner „Beweis“: Man beobachte mal, wenn während eines Spieles die Kamera auf die Ehrentribüne gerichtet wird. Die Gesichter sind weitaus gelangweilter als die bei einer Bundestagsdebatte. Es empfindet niemand Spannung. Er wäre ein Narr, wenn er es täte. Denn: der nächste Angriff wird kein Tor. Falls man sich da irren sollte: Sei´s drum. Gespannt war ich aber nicht. Ätsch.
Die einzelne Szene ist nicht spannend. Es gibt Spannungshöhepunkte, das ist keine Frage. Nur lohnt es sich nicht wirklich, darauf zu warten. Sie kommen zu selten, um einen gebannt darauf warten zu lassen. Wie gesagt, der echte Fan ist hier außen vor. Die Frage richtet sich an einen neutralen Menschen, vielleicht einen Neueinsteiger, dem man den Vorschlag macht, ein Fußballspiel anzuschauen. Nach dem ersten Versuch bricht er ab. Einmal und nie wieder.
Es besteht sogar die Behauptung, dass man eigentlich gar nicht mehr hinschaut. Man erwartet nichts. Es kann eigentlich nichts passieren. Das geht über 60 Minuten so. Dann ein Tor. Oh, ist doch was passiert. Na, war wohl durch einen Zufall. Man kann es sich sparen, eine einzelne Szene in einem Livespiel anzuschauen. Eine Zusammenfassung geht vielleicht, da kommen die Highlights hintereinander. Aber ein ganzes Spiel in jeder Szene? Das fällt schwer. Beinahe Jedem. Der Grund: Es fällt jetzt kein Tor. Es besteht, von winzigen, kleinen, möglichen Irrtümern abgesehen die Überzeugung: Der Ausgang einer Szene erscheint gewiss (kein Tor) und nicht, wie gefordert für Spannung, ungewiss.
d. Das einzelne Spiel
Das einzelne Spiel bezieht seine Spannung aus der Ungewissheit über den Ausgang des Spiels im Sinne von „wer wird gewinnen?“ oder „bleibt es beim Unentschieden?“. Diese Art von Spannung ist sicherlich so lange gegeben, wie es 0:0 steht. Nur spürt man dem typischsten aller Fußballergebnisse an, dass es nicht direkt nach Veränderung schreit. Es ist bisher nichts passiert. Warum sollte ausgerechnet jetzt? Schaut man es deshalb? Oder ist man ebenso gut unterhalten, wenn man den Videotext einschaltet und ein Kreuzworträtsel löst? Vielleicht besser, wegen des Kreuzworträtsels? Das Problem besteht übrigens weniger darin, dass es bei 0:0 ungewiss ist, aber eigentlich doch langweilig, sondern dass es, wenn das 1:0 fällt, entschieden ist. Vor dem ersten Tor soll man gebannt sein, wer das erste Tor erzielt, wenn es aber gefallen ist, weiß man, wer gewonnen hat? Das klingt nicht gerade nach großer Unterhaltung.
Die Spannung soll ein Spiel aus der Ungewissheit über en Ausgang beziehen. Auch hier ist es so, dass diese nicht wirklich gegeben ist. Man kennt den Sieger zwar nicht, aber man will es schon beinahe nicht mehr wissen. „Heute ist ein tolles Spiel, Bayern gegen Werder.“ „Ja, gut, toll, spannend. Erzähl mir nachher, wie es ausgegangen ist.“ Das würde eigentlich genügen zum Unterhaltungswert. Anschauen? Das lohnt nicht.
e. Ein gesamtes Turnier
Auf ein Turnier bezogen hat man mit jedem Spieltag die Spannung veränderter Bedingungen. Wird Bayern doch noch Meister? Steigt Hertha wirklich ab? Kann sich Bochum retten? Kommt der VfB Stuttgart in die Champions-League? Bei einem großen Turnier, einer EM oder WM gibt es natürlich auch täglich jede Menge spannende Fragen. In der Gruppenphase: Fliegt Spanien raus nach der Auftaktniederlage? Kommt Ghana weiter? Was ist mit Frankreich los? Die fliegen wohl raus? Und natürlich hat man seine eigene Mannschaft, meist die seiner eigenen Herkunft, die man in den Vergleich stellt und mit deren Chancen man sich beschäftigt, zwangsläufig mit den möglichen zukünftigen Gegnern. Ab den KO-Spielen ist es in dem Sinne spannend, dass in jedem Spiel eine Mannschaft so richtig jubeln darf, die andere aber die Koffer packen muss.
Jedoch wäre auch hier die Frage, ob die Spannung nicht höher wäre, wenn es spannendere Spiele gäbe, mehr spannende Szenen, mehr Tore. Veränderungen ergeben sich ständig durch fertige Ergebnisse. Aber das Zustandekommen der Ergebnisse dürfte doch ruhig auch spannend bleiben?
2) zum Thema Attraktivität
Was soll man sich unter dieser geforderten, erhöhten Attraktivität vorstellen? Nun, es geht darum, dass es durchaus schöne Szenen geben kann, Szenen, die einem Bewunderung und Begeisterung abverlangen, ohne dass sie sich messbar niederschlagen. Eine gekonnte Ballannahme, ein toller Pass, ein gelungenes Dribbling, ein Hackentrick, ein präziser Schuss, eine ebenso gelungene Parade. Es schlägt sich nicht nieder, aber man mag es sehen. Dass der Fan wieder seine eigene Perspektive hat, sei hier gerne erwähnt, ändert aber nicht viel: Wenn dem Gegner etwas Tolles gelingt, dann mag er knurrig, aber vielleicht dennoch anerkennend sein. Außerdem ist ein Ziel, die neutralen Zuschauer in die Überzahl zu bringen, so dass der einzelne Fan die Minderheit darstellt, abgesehen davon, dass es ja nur jener der betroffenen Mannschaft ist. Der der eigenen Mannschaft schnalzt mit der Zunge, vielleicht sogar zu häufig, weil er Szenen gutiert, die ein neutraler nicht wahrnimmt.
Ist die Möglichkeit heute gegeben, derartige Spielszenen zu sehen? Die Antwort lautet: Viel zu selten. Die Leistungsunterschiede verwischen immer mehr. Die trotzdem besseren Spieler haben zu wenige Möglichkeiten, ihre Überlegenheit auszuspielen, ihren Vorteil erkennbar zu machen. Es ist nicht nur so, dass es automatisch heißt, dass der Trainer diese schönen Aktionen zu unterbinden hat – Stichwort: Medienverantwortung, die natürlich das herausstellen können, was sie wollen, sie stellen aber Erfolg haushoch über alles –, denn der lapidare Kommentar lautet: „Schön, aber ineffektiv.“ Es geht nur um den Erfolg. Ist es wirklich so?
Vergisst man nicht dabei, dass man dem Zuschauer gegenüber die Verpflichtung hat, Attraktion, vergleichbar mit dem Zirkus, wo es auch keine gekürten Sieger gibt und der dennoch besucht wird, zu bieten? Kann man auf diese Art nicht Zuschauer dabei behalten, zum Zuschauen bewegen?
Die Behauptung steht hier: Der moderne Fußball lässt den besseren Fußballern in jeder Hinsicht keinen Freiraum. Der Trainer hat es zu unterbinden, die Medien reden von „Schönspielerei“, die die Effektivität vernachlässigt und sogar belächelt wird und die Verteidiger lassen niemanden vorbei. Das betrifft jeden: Ein gelungenes Dribbling bekommt man praktisch gar nicht mehr zu sehen. Man bedenke aber, dass Maradonnas Tor gegen England bei der WM 1986 das Tor des Jahrhunderts war. Dabei umspielte er die halbe Mannschaft und vollendete. Es ist spektakulär, attraktiv, man will es gerne gesehen. Aber es kommt nicht zustande. Die Verteidiger werden als naiv hingestellt, die einen Stürmer passieren lassen und ihn nicht foulen. „In dieser Szene musste ich ihn aufhalten. Die gelbe Karte habe ich mir gerne abgeholt. Aber ich habe im Sinne der Mannschaft, des ganzen Landes gehandelt.“ Wenn er es nicht tut, fliegt er raus.
So werden nach und nach alle hübschen, schön anzusehenden und selbst wenn ineffektiven, so doch sehenswerten Szenen aus dem Spiel verbannt. Soll es so sein? Wie lange dauert es noch, bis es heißt: „Heute ist Fußball. Und keiner geht hin.“
Was sollte es zu sehen geben? Keine spannenden Szenen mehr. Keine spannenden Spielverläufe, keine wechselnden Führungen, keine spektakulären Aktionen, keine Durchsetzungsmöglichkeiten für die besseren Spieler. Eigentlich ist alles nur noch ein Einheitsbrei, der von seinem Mythos lebt. Ein einzelnes Spiel heute hat nichts zu bieten.
3) zum Thema Gerechtigkeit
Da sind die Beiträge reichlich. Jeder hat einen zu bieten. Mindestens. Es ist beinahe so, dass man sagen könnte, man schaut Fußball eigentlich nur noch, weil man sich so herrlich über die permanenten Ungerechtigkeiten aufregen kann. Die Erkenntnis ist intuitiv und unartikuliert gefunden: Das Spiel hat nichts zu bieten. Ein Glück gibt es Schiedsrichter. Also stürzen wir uns auf sie und ihre Fehlleistungen.
Sowie man in freier Runde über ein Fußballspiel diskutiert — was absolut eine Ausnahme darstellt, da die rein inhaltlichen Szenen, die Spannung, die schönen Aktionen wie oben erwähnt, eh schon weggefallen sind – geht es relativ schnell los, dass die Ungerechtigkeiten in den Mittelpunkt gerückt werden.
4) Gibt es noch andere Kriterien?
a. Schönheit und Ästhetik
b. Athletik
c. gelungene Aktionen
d. Leidenschaft/Emotion
e. Kampf