Die Mittel zum Erreichen der Ziele
Da das Thema Fußball unergiebig und bereits erschöpfend behandelt, die Ziele banal und plump, die Hürden gigantisch, die Forderungen absurd und die Argumentation meist intuitiv sind, müssen absolut überzeugende, folgerichtige, nachvollziehbare und stichhaltige Beweistechniken her, um Hörbarkeit für das Gesagte zu erzielen.
1) Schlüssige Argumentation
Nun kann man sich daran machen, wie die Hürden überwunden werden können. Sowie man versteht, sich gedanklich darauf einlässt, dass es sich nicht um alltäglich diskutierte Vorschläge handelt, sondern sich diese auf einer völlig anderen Ebene abspielen, ist zwar einerseits eine gewisse Neugier anzunehmen, andererseits jedoch ein noch größerer Widerstand zu befürchten, da die Überzeugung sich verfestigt, dass es sich um Utopien handeln muss. Man nimmt die Ansichten zwar gerne kurz zur Kenntnis, hauptsächlich aber nur, um sie im Anschluss unter Gelächter mit noch größerer Vehemenz in das Reich der Fabel zu verweisen. Insofern ist eine schlüssige Argumentation Grundvoraussetzung. Da jedoch an vielen Stellen intuitive oder psychologische Argumente nicht ausbleiben können – welche laut (Lesers) Überzeugung keinerlei wissenschaftliche Grundlage haben, und vor allem keine rechtliche Standhaftigkeit – wird ein noch größeres Augenmerk auf die tatsächlichen…
2) Beweistechniken
zu legen sein.
Die für weitere Verblüffung sorgende Erkenntnis lautet: Diese Beweistechniken existieren. Aufgrund der Tatsache, dass der Widerstand bei Leser und vor allem Experten noch immer längst nicht nachlässt, die Mauern noch lange nicht in den Grundfesten erschüttert werden und die Hürden eine gewaltige Sprungkraft und Katzengewandtheit einfordern, muss die letzte Hürde genommen werden, die da im Wege steht: „Ich lese einfach nicht weiter. Damit du weißt, so, bäh!“
Die drei Möglichkeiten, die man (durch dennoch erfolgendes Weiterlesen) nach Anhörung und Studium der Beweistechniken hat, lauten, ganz dreist und anmaßend ausgedrückt: Entweder, die Techniken werden angewendet oder man hat zu schweigen. Ach so, die Rede war von drei Möglichkeiten? Ja, hier die dritte: Mitgehen, zuhören, nachvollziehen, glauben, akzeptieren, einräumen, einlenken, verstehen, verinnerlichen. Das soll eine sein?
a. Die Technik der objektiven Nachbeurteilung von Spielsituationen
Die erste vorgeschlagene Beweistechnik, welche an allen möglichen Stellen Anwendung finden könnte erfordert den Aufbau eines kleinen Experiments, welches mit gewissem technischen Aufwand realisiert werden kann. Eine kleine Abstimmung sollte noch erfolgen – vor der Durchführung – was zugelassen ist und wer darüber zu befinden hat, aber man höre zunächst:
Es werden Foulszenen oder Handspielszenen aus früheren, nicht gerade aktuellen, sagen wir, Bundesligaspielen zusammen geschnitten. Nicht aktuell nur, damit die Szenen nicht gleich erkannt werden. Dabei erfolgt die Auswahl so: Es gibt die eine Auswahl geahndeter Szenen, bei denen die kritische Frage lautet, ob es zu ahnden war oder nicht. Weiterhin gibt es ungeahndete Szenen, bei denen die kritische Frage lauten soll, ob die Situation als ahndungswürdig eingestuft wird.
Es kann sehr wohl allgemein nachgefragt werden, ob überhaupt, und wenn, wer eigentlich die Regelwidrigkeit begangen hat, da es im heutigen Fußball fast in jedem Zweikampf so ist, dass beide Akteure im Zweikampf an die Grenzen des Erlaubten gehen – oder sogar darüber hinaus.
Demnach wäre die allgegenwärtige Frage, die man bei Vorspielen dieser Szene zu stellen hätte: „Wie lautet die korrekte Entscheidung in dieser Szene. Weiterspielen, Freistoß in diese Richtung oder Freistoß in die andere Richtung? Sollte einer der beiden Akteure zusätzlich mit Gelb oder Rot belastet werden?“
Die kleine Erschwernis, die für die später Befragten eingebaut wird – es handelt sich hierbei aber sicher nicht um eine Falle –, ist die: Die Szenen werden völlig isoliert aufbereitet. Alle Linien auf dem Feld, die Position der Tore, am besten auch die Mitspieler werden wegretouchiert. Man sieht nur die zu beurteilende Aktion mit den wenigen wirklich beteiligten Akteuren. Objektiv sollte diese Erschwernis im Grunde eine Erleichterung darstellen. Man hat den Fokus voll auf der Szene.
Die Behauptung über die Ergebnisse eines solchen Experiments sind schon vorformuliert: Das erste Ergebnis würde man direkt nach Aufbau des Experiments in gewisser Ernüchterung erhalten: Es findet sich Niemand, der das Experiment mitmacht, niemand, der bereit ist, diese Szenen zu beurteilen, vor allem keine Schiedsrichter. Die bloße Formulierung dieser Technik würde bereits genügend Abschreckung hervorrufen und die Behauptung offen legen: Im Spiel wird jede Foulsituation zu einem hohen Maße anhand der Position auf dem Feld, wo sie stattfindet beurteilt.
Falls eine Szene als Foul erkannt wird – so eine der banalsten Thesen – und diese sich im Strafraum abspielte, so wird die Entscheidung, die im Spiel tatsächlich getroffen wurde verglichen mit der Nachbeurteilung meist ein „er gab im Spiel nicht Elfmeter, aber es hätte einen geben müssen“ lauten. Im Strafraum gelten andere Regeln als außerhalb. So die Praxis, obwohl in den Regeln nicht formuliert.
Die zweite Behauptung ist die, dass, falls sich tatsächlich ein oder mehrer Testkandidaten einfinden würden – am besten natürlich ausgebildete Topschiedsrichter — darauf einlässt, die Statistik sehr bald aufdecken würde, dass die im Spiel getroffenen Entscheidungen verglichen mit der Nachbeurteilung in erdrückend hohem Maße zu Ungunsten der Angreifer ausfällt.
b. Die Statistik der Abseitsfehlentscheidungen
Dies ist eine sehr schlichte Beweistechnik, die man an sich sofort durchführen könnte. Allerdings wäre es unzulässig, wenn ein einzelner Mensch – hier muss sich speziell der Autor ausklammern – die Aufzeichnungen führen würde. Es müsste ganz einfach nach jedem kompletten Spieltag eine kurze Nachbetrachtung sämtlicher Abseitssituationen geben: Wurde hier zurecht gepfiffen, wurde hier zurecht laufen gelassen, oder beides umgekehrt. Die Szenenauswahlselbst ist dabei – wie man nach kurzem Nachdenken feststellt – ein wenig fraglich. Denn eine Situation, bei der ein Anspiel nach vorne kommt, der Angreifer sehr eindeutig nicht Abseits steht gehört nicht wirklich in die Statistik. Der Assistent könnte aber die Aufnahme einfordern, so nach dem Motto: „Siehst du, hier habe ich richtig entschieden.“ „Ja, das schon, aber es gab ja nicht einmal die Chance, falsch zu entscheiden.“
Mit kritischen Entscheidungen sind eben all jene gemeint, bei denen eine Zeitlupe eingespielt wird, bei denen man sich ernsthaft fragte: „War das nun Abseits oder war es nicht?“ Es finden sich genügende, so viel ist klar. Wie gesagt, die Aufnahme, ab wann die Entscheidung kritisch war, ist ein klein wenig intuitiv.
Dennoch steht die Behauptung felsenfest: Die Statistik der Fehler – wohlgemerkt, alle richtigen Entscheidungen werden herausgenommen – würde auch hier einen eindeutigen Ausschlag zu Ungunsten der Angreifer ergeben.
Dabei ist gerade auf die Abseitsentscheidungen sogar die Formulierung „im Zweifel für den Angreifer“ in den Regeln verankert, insofern müsste die Statistik im Grund zugunsten der Angreifer ausfallen.
c. Die Statistik der kritischen Elfmetersituationen
Hier gilt das gleiche wie beim Abseits: Die aufzunehmenden Szenen sind nicht eindeutig festzulegen. Man könnte hier sogar noch eine leicht erhöhte Problematik aufgrund der Schwalbeneinstufung erkennen. Denn eine Schwalbe ist – dies der Unterschied zum Abseits – der Täuschungsversuch. Natürlich wäre jede Szene, in der eine Schwalbe erkannt wurde eine richtige Entscheidung, sofern sich die Einschätzung bei Nachbetrachtung bestätigt. Andererseits gibt es die sehr klaren Schwalben, die einzig und allein aufgrund der Täuschungsabsicht vollzogen würden. Über die könnte man sagen „hier war es nicht einmal kritisch, also zählt es nicht zur Statistik der richtigen Entscheidungen dazu“.
Da dieses jedoch zu Ungunsten der Behauptung ausfallen würde, wird hier großzügig eine Mitaufnahme gewährt. Der Grund vor allem der: Die Gefahr einer gelben Karte wird von den Stürmern einbezogen und insofern werden nur dann Schwalben versucht, wenn man sich eine gewisse Hoffnung auf ihr Gelingen macht. Im Übrigen steht eine weitere Theorie dafür: Etliche als Schwalben beurteilte Szenen müssten im Nachhinein als fehlerhaft eingestuft werden. Auch hier wird es teilweise schwer, Übereinkunft zu erzielen.
Dennoch steht die Behauptung ähnlich unerschütterlich: Auch diese Statistik würde ganz klar zu Ungunsten der Angreifer ausfallen.
d. Der Auslandsvergleich bei der Berichterstattung
Diese Beweistechnik bezieht sich (offensichtlich) auf die Berichterstattung und deren angezeigte Mangelhaftigkeit in Deutschland. Die These steht in ihrer Gesamtheit, dass in Deutschland fast nie etwas Stimmiges gesagt wird, dies aber zugleich in einem Tonfall geschieht, der Langeweile verbreitet und einen zum Abschalten einlädt, wenn nicht gar zwingt.
Jeder, der Zweifel daran hat, wird aufgefordert, zunächst ein Englisches Live-Spiel anzuschauen. Obwohl es auch in anderen Ländern weitaus besser ist als hier, genügt eigentlich dieses eine Auslandsbeispiel, zumal in England praktisch alles auf einem sehr hohen Level geschieht, einschließlich der Nachbetrachtung; und weiterhin die Englische Sprache hier die höchste Verbreitung haben sollte.
Dieser Aufforderung wäre es sogar in erster Instanz zuträglich, wenn man sich zunächst noch ohne Verständnis nur mit dem Tonfall beschäftigen würde. Das Bedeutungsschwangere, gespannte in den Stimmen erzeugt bereits ein derartiges Wohlwollen und damit das unbedingtes Bedürfnis, drauf bleiben zu wollen, dass man sich dem Argument kaum verschließen kann. Jeder einzelne wird aufgefordert, es einfach mal zu versuchen, reinzuschalten, zu lauschen, selbst wenn zunächst nur auf die Art, zu sprechen. Man spürt die Anspannung und das tut gut.
Wenn man in zweiter Instanz die Kompetenz – welche alles andere als klugscheißerisch daherkommt – mit berücksichtigt, dann sollte man eigentlich hierzulande nur noch mit den Ohren schlackern, sofern einem das absurde Prädikat „Sportberichterstatter“ angedichtet wurde.
Auch hier gilt: Zuerst tun, bevor Zweifel angemeldet werden. Bei Unkenntnis der Sprache würde gerne in Einzelfällen die übersetzerische Tätigkeit übernommen werden.
e. Die Widerlegung der „judging-by-results“ Technik der Reporter
Es wird die Ansicht vertreten, dass eigentlich sämtliche Spielszenen hierzulande nur noch und ausschließlich anhand des Ausganges eingestuft werden. Einerseits bezieht sich das auf das Spielergebnis beziehungsweise den aktuellen Zwischenstand, der scheinbar an jeder Aktion der Führenden die Berechtigung des Spielstandes abzulesen gedenkt, andererseits den Ausgang der einzelnen Spielszene. Ein Schuss, dem man die exzellente Technik und Torgefahr anmerkt, der aber nicht einschlägt, wird immer wieder mit „fehlender Effektivität“, „Abschlussschwäche“ und „am Ende kommt nichts dabei heraus“ kommentiert, falls nicht ein „da hat er wohl zu genau gezielt“ oder „da fehlt die letzte Präzision“ abgesondert wird.
Um dies nun beweisbar zu machen, müsste man einen der Kommentatoren für die Dauer eines Spiels vom Geschehen fernhalten, so dass er in Unkenntnis des Ergebnisses im Anschluss zur Kommentierung aufgefordert würde. Kleiner Haken für ihn wäre: Ähnlich dem Torstopp wird jedes Mal, wenn ein Schuss Richtung Tor abgegeben wird, kurz vor dem möglichen Einschlag die Übertragung abgebrochen. Das Spielgeschehen wird dann etwa 30 Sekunden verzögert fortgesetzt, so dass der Sprecher nicht wissen kann, ob es im Anschluss Tor, Abstoß oder Eckball gegeben haben könnte. Er sieht also fast das gesamte Spiel, außer den Toren und denw enigen Folgesekunden nach einer Torszene.
Nun, offensichtlich ist, dass sich kein Kommentator jemals darauf einlassen würde. Vor allem sicher deshalb nicht, da er annehmen muss, dass die Kommentierung angehört wird von Menschen, die über das Ergebnis Bescheid wüssten, er also ohnehin nichts außer Gelächter ernten könnte. Dennoch als Überlegung interessant.
Man nennt ein solches Experiment also „Gedankenexperiment“. Sofern es jedoch ernsthaft durchdacht wird, müsste man sich bei jeder Aktion doch eigentlich zu fragen beginnen, ob man sich die „katastrophalen Stellungsfehler“ oder den „kollektiven Tiefschlaf in der Abwehr“ nicht eventuell wirklich nur aufgrund des bekannten Ausganges der Aktion eingeredet hat – und in der Folge diese dem Zuhörer ale besondere Expertise darzulegen gedenkt. In Wahrheit hat nämlich gar keiner geschlafen und es stand keiner falsch, zumindest nicht erkennbar mehr als in anderen Situationen. Es ist nämlich viel mehr als nur möglich, dass es in zehn vergleichbaren Momenten zu größeren „Fehlern“ kam, dadurch, dass die Auswirkung aber ausblieb, am Ende sogar noch das Urteil steht, dass „die Abwehr heute einen sehr stabilen Eindruck macht“, da natürlich in diesem Spiele gar kein Tor fiel.
Es wäre jeder Sprecher herzlich willkommen, sich darauf einzulassen. Ein Vorschlag wäre übrigens der, dass er nur für sich, ohne Zuhörer einmal bei Nichtbekanntsein des Ausgangs einer Aktion versucht, sie objektiv oder wie gewohnt zu kommentieren. Er würde sehr schnell selber merken, dass er eigentlich gar kein Urteilsvermögen über die „Fehler“ hat. Der Fußball ist viel zu gut und schnell heute. Das mit den Fehlern ist eine reine Erfindung, und vor allem die Ansicht, dass nur durch sie Tore fallen können. Wenn überhaupt kann man in einer längeren Analyse der Gesamtsituation hier oder da einen Fehler herausarbeiten (so, wie es im Ausland übrigens geschieht). Dieser hätte aber in vielen Fällen eigentlich nicht direkt etwas mit einem kassierten Tor zu tun.
Kurzum: Dem Kommentator würde der feste Boden unter den Füßen entzogen werden und er würde eine gewaltige Hilflosigkeit erspüren. Es würde entweder das Urteilsvermögen komplett fehlen – was sehr wohl etwas mit Kompetenz zu tun hätte – oder ihm würde der Mut fehlen, wann auch immer er einen „Fehler“ sieht, diesen anzusprechen. „Fehler? Was soll da für ein Fehler gewesen sein? Ist doch nix passiert.“ Wahres Urteilsvermögen würde von den Konsequenzen abzusehen haben.
Zusammengefasst mögen alle vorgestellten Techniken gerne als Gedankenexperimente aufgefasst werden. Sie sollen vor allem anregen, sich einmal etwas weiter gehende Gedanken darüber zu machen. Vielleicht ja doch mit der Auswirkung, dass auch hierzulande wieder weit mehr die positiven Aspekte in den Vordergrund gerückt werden. Spannung in dem -, die Begeisterung für das -, die Schönheit des – Spiel(s) Fußball erzeugen, aufzeigen, wecken.