Eine schon nicht so ganz einfach zu beantwortende Frage. Denn: bei (eigens getätigten) Umfragen ergab sich: es ist gerade beim Fußball so, dass dieses eine Tor, wenn es denn fällt, einen derartigen Ausbruch an Emotionen verursachen kann, dass möglicherweise eine höhere Anzahl von Treffern nicht gleichwertig – in Form also von dann viel mehr kleineren Ausbrüchen – an deren Statt treten könnte. Nun ja, vermutlich dies auch meist Stimmen geprägt von dem Gedanken „der Fußball ist so groß und großartig, lasst ihn bloß, wie er ist“ oder auch einem derartigen „wenn jemand was verändern möchte in diese Richtung, dann hätte man davon sicher schon gehört und die FIFA Experten setzen sich damit doch längst auseinander und überhaupt neu = falsch oder zumindest unüberlegt, unreif“.
Dennoch scheint im Prinzip unstrittig, dass ein paar mehr Tore dem Spiel gut täten?! Einerseits sei (erneut) erwähnt, dass die Einführung der Dreipunkteregel ja mehr oder weniger eindeutig aufzeigt, dass es auch von den Regelmachern her ein Interesse daran gab, den Unterhaltungswert zu erhöhen und durch die Verlockung der ausgelobten drei Punkte (anstatt vorher zwei) den Teams einen Offensivgeist einhauchen wollten, damit hier oder da ein wenig mehr Spektakel auftritt, in erster Linie doch sicher in Form von Toren oder zumindest zahlreicheren Toraktionen, als Ergebnis der Öffnung des Spiels. Andererseits wäre rein rechnerisch beim derzeitigen Torschnitt in Europa von etwa 2.7 Toren pro Spiel (2016/2017 in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Spanien den top-flights waren es gar 2.834, in der Saison davor allerdings nur 2.668; nimmt man ein paar weiter Ligen hinzu, Österreich, Schweiz, ein paar zweite Ligen, Deutschland 3. Bundesliga, Holland, Belgien, Portugal so kommt man in der Saison 2016/2017 auf einen Schnitt von 2.716 Toren pro Spiel) die mittlere Wartezeit auf ein Tor entsprechend 90/2.716 = 33.13 Minuten, also eine gute halbe Stunde warten auf ein Tor.
Hier wird insgesamt so argumentiert, dass diese Wartezeit im Grunde zu lang ist um ein Tor abzuwarten, aus der Perspektive des neutralen Fans. Dieser ginge somit dem Spiel als Zuschauer verloren. Der „echte Fan“ mag dies so hinnehmen, zumal ja „seine Mannschaft“ in dieser gesamten Zeitdauer zumindest auch keinen Treffer kassiert, er also in der freudigen Erwartung bleibt, dass es vielleicht seinem Team gelingt, das Tor zu erzielen, mit der Abwehrarbeit ist er so weit einverstanden. Abgesehen davon besteht hier die Überzeugung, dass sich die „echten Fans“ eher zu einem sozialen Event zusammen finden und sich im Grunde selbst feiern oder zumindest sich selbst in einem derartigen Treffen schon genug sind.
Das heißt: der neutrale Fan schaut gar nicht erst zu, der „echte Fan“ hat sein Jahresticket, fährt sogar mit dem mühsam Ersparten zu möglichst vielen Auswärtsspielen, hat aber eine andere Motivation als Torspektakel zu erleben – bei welchem ja auch der eigene Torhüter ab und an den Ball aus dem Netz holen müsste, was auf die Stimmung drücken könnte, zumal im Wiederholungsfall.
Dennoch sollte der Adressat aus hiesiger Sicht im Idealfall der neutrale Zuschauer sein. Dieser könnte zurückgewonnen werden, neue Zuschauer ebenfalls ins Boot geholt werden und die „Dauergucker“, die vielleicht alles hinnehmen hätten urplötzlich ebenfalls einen lange vermissten aber herzlich willkommenen weiteren Grund, ihre Leidenschaft nicht bald aufzugeben oder das eine oder andere Spiel vielleicht nur aus der Gewohnheit geschaut zu haben, nun aber mit freudiger Erwartung.
Kurzum: es könnte rundherum dem Spiel nur gut tun. Der einzig Leid tragende bei einem fallenden Tor ist der Fan der das Tor kassierenden Mannschaft. Dieser sollte jedoch so weit in der Unterzahl sein, dass seine Bedürfnisse kurzerhand übergangen werden können – zumal er sich ja baldigst das verlorene Glück potenziert zurückholen kann, indem seine Mannschaft einfach ein, zwei Tore gut macht – ohne diese lästige endlose Wartezeit, welche hier und da schon mal in Verzweiflung übergeht: „Da passiert eh nix mehr, die schaffen heut kein Tor.“
Zunächst aber hier ein paar Worte in der Historie zurückblickend.
Die WM 1994 in den USA
Vielleicht hier zur Einführung ein kleiner Rückblick: als die Fußball Weltmeisterschaft für 1994 an die USA vergeben wurde, hatten jene selbstverständlich auf ihre Art eine Chance, Einfluss zu nehmen, auch auf das Regelwerk. Sicherlich, ja, ein Großereignis dieser Kategorie bietet eine Riesenchance, natürlich auch kommerziell. Wobei eben der „soccer“ in den USA stets ein Schattendasein führte zwischen Baseball, Football, Basketball und Eishockey. Selbst die Versuche in den 70er Jahren, mit der Verpflichtung einer Vielzahl ausländischer (alternder) Topstars, konnte dieses Bild nicht wesentlich beeinflussen. Die Amis mögen also keinen „soccer“, nicht die europäische Form des Fußballs? Nun ja, sie mögen alles – sofern es gerecht zugeht und einen hohen Unterhaltungswert bietet. Selbstverständlich gehören adäquate Vermarktungskampagnen dazu, jedoch darum müsste man sich zunächst keine Sorgen machen: ein attraktives Produkt an den Mann bringen? Das wird schon gehen, no problem.
Nun scheiterte dieses so einfache Unterfangen an jenem so simpel klingenden Adjektiv: „attraktiv“. Wenn keine Tore fallen, dann lasst das mal schön in Europa. Wir brauchen hier action. Aber sofern diese geboten ist? Da wird es das ganz große Business.
Zunächst also haben sie das Großereignis an Land gezogen, dann aber sehr bald schon ihren möglichen Einfluss geltend gemacht. Die Vorgabe lautete: wir wollen mehr Tore sehen. Was ist an diesem Gedanken so falsch? Nun setzten sich die Regelkommissionen zusammen. Wie könnte dieses Ziel erreicht werden, ohne den Fußball komplett auf den Kopf zu stellen? Als der Vorschlag aufkam „Tore vergrößern“ mussten selbst die Vorschlagenden einsehen: nein, das ist unmöglich. Man könnte die Stadien hier in Amerika alle auf diese Art aufbauen/umbauen, aber sämtliche kleinen Dorfplätze auf der ganzen Welt? Geht nicht.
Oder eben dies: Abkopplung des Profifußballs vom Amateurfußball? Dort diese Torgröße, hier jene? Undenkbar. Genau auf so etwas wollte man sich in Europa auf keinen Fall einlassen. Genau dies – so die Gegenstimmen – macht den Fußball hier aus: alle können es spielen, mit den gleichen Regeln. So muss es bleiben, keine Kompromisse.
Nun hatte der Ausrichter ein paar weitere Vorschläge eingereicht, welche nicht die Fundamente erschüttern sollten. Sie mussten wohl die großen Ideen immer weiter herunterbrechen auf machbare, durchsetzbare, da der Widerstand zu groß war. Dennoch gelang es, ein paar Kleinigkeiten zu ändern in ihrem Sinne:
Zunächst wurde in den Vorrunden erstmals die Dreipunkteregel angewandt. Für derart kleine Gruppen (von vier Mannschaften) durchaus sinnvoll (obwohl an anderer Stelle diese Regel vehement in Frage gestellt wird; zusätzlich sei erwähnt, dass die Sinnhaftigkeit dieser Regel auch für so kleine Gruppen dann wieder irrelevant wäre, sofern die anderen Gedanken verwirklicht würden; die einfachste: Anwendung der bestehenden Regeln).
Dieser kleine Eingriff hatte vom Grundgedanken her diese Bewandtnis: bereits im ersten Spiel könnte sich keine der beiden Mannschaften sicher sein, dass ein Remis ein vorteilhaftes, erstrebenswertes Ergebnis wäre. Der Grund hierfür: sofern es im anderen ersten Gruppenspiel einen Sieger gäbe, wäre man im zweiten Spiel (einer der beiden mit dem Remis gegen den Gewinner) bereits gehörig unter Druck. Ein weiteres Remis würde den Vorsprung des Gegners (von satten zwei Punkten) bestätigen. Nun würde das dritte Spiel bereits so gut wie sicher einen Pflichtsieg bedeuten (welcher dann schwer zu erzwingen sein könnte, falls nicht unmöglich). Die Regel hatte demnach die positive Folge, dass das taktieren im ersten Spiel mehr oder weniger entfallen müsste. Sofern es denn einen Sieger gäbe, würde sich das Prinzip natürlich fortsetzen: zumindest der Verlieren muss danach auf Sieg gehen, ohne Wenn und Aber.
Tatsächlich kann man hier sogar von einer Verwirklichung der Vorstellung sprechen. Vom ersten Spiel an haben die Mannschaften dies verstanden und die WM selbst wurde – ab der Vorrunde – im Prinzip eine mit vielen Toren, auch sicher zum Teil dieser Regel zu verdanken (Toreschnitt in der Vorrunde 1994: 2.58; zum Vergleich 1990 in Italien: 2.28, also 0.3 Tore mehr pro Spiel).
Die nächste Änderung war jene: der Torwart dürfe den Ball nicht mehr mit den Händen aufnehmen, sofern er von einem eigenen Spieler zu ihm gespielt wurde. Auch dies in jedem Fall eine Verbesserung und Beschleunigung des Spiels. Schaut man heute ein Spiel von vor dieser Änderung, in welchem eine Mannschaft lediglich um das Halten eines Ergebnisses bemüht war, so wird man recht bald zwangsläufig den Kopf zu schütteln beginnen. So oft, wie der Ball zum Torwart zurück, wieder abgerollt, wieder zurück, wieder in die Hände, wieder auf den Boden, wieder abgespielt, wieder zurück gespielt, ad infinitum, hätte diese Regel ohnehin früher oder später unweigerlich kommen müssen. Dennoch war es eine gute Änderung, zur WM 94 eingeführt, von den Amis durchgesetzt.
Die dritte Änderung war die eigentlich beste und vom Grundgedanken her jene, welche nicht nur an dieser Stelle für den großen Umschwung (pro Tore) sorgen sollte. Sie lautete so: „Bei engen Abseitsentscheidungen solle man im Zweifel für den Angreifer auslegen. Fahne unten lassen anstatt sie zwanghaft hoch zu reißen.“
Ob diese Änderung nun für dieses eine Turnier gelungen war oder nicht ist eigentlich gar nicht die unbedingt prickelnde Frage . Es war WM, es war Sonnenschein, die Leute haben für die Dauer des Turniers ohnehin alles angenommen, zumal ja ein Großteil aus ausländischen Zuschauern bestand. Es gab kein Problem damit, alles war so oder so positiv (wobei: das Finale war eines jener von Taktik geprägten Spiele von zwei Teams auf Augenhöhe, welche ihr Hauptaugenmerk auf das Verhindern eines Gegentores legten; das 0:0 nach 120 Minuten zwischen Brasilien und Italien sicher kein fußballerischer Leckerbissen). Abgesehen davon ist eine Regeländerung direkt nach ihrer Einführung oftmals auch noch eine beachtete (sprich: die korrekte Regelauslegung wird überprüft; nach einer Weile ebbt das deutlich ab).
Dahingestellt also die Auswirkungen für dieses Turnier. Die Folgen weltweit jedoch: die Regel „verschwand“ einfach, völlig unbeachtet, selbst wenn hier und da durchaus – sogar bis heute – mal zitiert. Nur ist merkwürdig, dass sogar die Regeloffiziellen sich nicht im Geringsten daran zu orientieren scheinen, nein, sie selbst nicht ins Gedächtnis rufen oder ab und zu mal, in kritischen Situationen darauf hinweisen: „Es war knapp und schwer zu sehen, aber im Zweifel sollte man ja pro Angreifer entscheiden“. Die Regel existiert nicht und ihr Fortbestehen ist sogar dahin gehend fraglich: ist sie überhaupt notiert, noch oder jemals? Der Satz wurde auf jeden Fall häufig genug so ausgesprochen, auch von Experten. „Eigentlich sollte ja im Zweifel mal der Stürmer bevorteilt sein.“ Falls es jedoch praktisch geschieht, dann geht es bis in die siebte Zeitlupe und Perspektive, um es endgültig festzustellen: „Das war ein Fehler und eigentlich war der Mann im Abseits.“ Keine „Unschuldsvermutung“, keine Entlastung, keine Regelnuance im Sinne der Angreifer auszulegen sondern stattdessen der böse erhobene Zeigefinger. Dass uns das ja nicht noch einmal passiert, dass hier eine Abseitsstellung übersehen wird! Logische Folge auch hier: alles darf passieren, nur das nicht noch einmal. Fahne hoch, egal, was du gesehen hast. Ob richtig oder falsch mögen sie ruhig im Anschluss diskutieren. Zu deinem Schaden wird es schon nicht sein.
Die hier aufgestellte und vertretene These lautet so: praktisch jeder Fall ist ein Grenzfall. Es ist quasi immer eng und zwar genau immer dann, wenn eine Torchance entstehen könnte oder sogar schon da ist. Nämlich dann, wenn der Ball eben „ genau im richtigen Moment gespielt wird“. Die Angreifer befinden sich ständig an der Grenzlinie, auf der Lauer befindlich, während die Abwehrspieler umgekehrt nicht zu weit nach hinten rücken wollen – Abwehrreihe auf einer Linie das gängige Verteidigungsprinzip, gegenüber dem klassischen Libero –, zugleich aber immer auf den Moment gefasst sein müssen, dass nun der „tödliche Pass“ gespielt wird und, falls es denn adäquat erschiene, den halben Schritt nach vorne machen, um den Angreifer ins Leere – also ins Abseits – laufen zu lassen oder aber den Ball oder Gegenspieler abzufangen, wenn der Ball dann eben doch im richtigem Moment (was dann jedoch „zu früh“ wäre) gespielt wurde.
Sprich: jede Situation ist eine Grenzsituation, sofern es denn Richtung Torchance ginge. Also ein Pass im richtigen Moment ist zwar jener, der eine Torchance ermöglichen könnte, aber eben auch jener, welcher die kritische Entscheidung heraufbeschwört. Kurz gefasst: man könnte also immer pro Torchance auslegen oder aber dauerhaft gegen die Torchance auslegen. Letzteres geschieht, aus den genannten Gründen und ungeachtet des Regelwerks oder der Schirianweisungen.
Das Motto „im Zweifel für“ wird jedoch nicht beherzigt. Es gibt nur die Unterteilung „richtig“ und „falsch“ und dann kommt ein weiterer hinzu: eine Fehlentscheidung, welche ein Tor zulässt, welches demnach hätte nicht gelten dürfen, schlägt hohe Wellen. Umgekehrt wird ein Abseitspfiff, welcher nicht korrekt erfolgte, immer nur für ein Schulterzucken sorgen. Genau dann heißt es nämlich: „War schwer zu erkennen, kein Vorwurf an den Schiedsrichter oder den Mann an der Linie.“ Genau so müsste es aber eben, bei korrekter Anwendung der für die WM 1994 gefassten Regel, lauten, wenn ein ganz enges Abseits durchgelassen wurde.
Dies zumindest war die Absicht der neu gefassten Regel. Es hat nicht funktioniert, so gut der Gedanke dahinter auch war. Gebt dem Schiri das Alibi, wenn er sich geirrt hat, falls er mal ein enges Abseits nicht gesehen hat und nehmt ihn nicht ins Visier (eine Mannschaft „verpfiffen“ zu haben), wenn es um ein paar Millimeter abseits gewesen sein könnte, wie die Standbilder belegen wollen, aber das NICHT unterbunden hat mit einem Pfiff.
Der Grundgedanke, pro Angreifer auszulegen, könnte natürlich an jeder Stelle weiter verwendet werden. Wobei es schon ausreichen würde, die Angreifer lediglich gleich zu behandeln.
Die Regeländerungen, für die USA 1994 eingeführt, waren von den richtigen Ideen geprägt. Man hat eine einfache Absicht: mehr Tore. Die Folgen davon: erhöhter Unterhaltungswert. Diesen hat man einfach unterstellt, ohne dies geprüft zu haben. Es müsste einfach klappen, so dachte man sich, und diese Idee wird hier höchst befürwortet. Somit führt dies direkt zum nächsten Punkt.
Spiele mit Erinnerungswert
Die Zweifler an der Grundidee „mehr Tore – mehr Spaß“ werden hier auf den Prüfstand gestellt. Sofern also jemand behauptet „gerade die geringe Torausbeute sorgt dafür, dass es mir so viel Spaß macht“ müssen diese Frage beantworten. Provokant gefragt: „An welches dieser tollen 1:0 oder 0:0 Spiele erinnerst du dich denn so?“. Neutraler würde man fragen: „Nenne mal ein paar Spiele aus dem Gedächtnis, welche sich eingeprägt haben.“
Jeder möge dies für sich tun. Ziemlich sicher kann es aber immer nur so gehen: „Ja, da war mal dieses 4:3 zwischen Italien und Deutschland bei der WM 1974“ oder auch „Bayern – Schalke, im DFB Pokal, war da nicht mal ein 6:6?“ Kaiserslautern – Meppen, das 7:6 zum Saisonabschluss, oder das 12:0 von Gladbach – Dortmund (wobei hier schon ein übler Beigeschmack bleibt). Sicher könnte man diese Liste erheblich verlängern. Das Grundprinzip sollte jedoch klar geworden sein: es muss schon etwas los sein, auch in puncto Torvielfalt, damit es sich einem einprägt. Eine Begleiterscheinung ist meist: es gab Höhen und Tiefen, emotionale Schwankungen, eine nicht für möglich gehaltene Wende. Ein klarer Rückstand für eine Mannschaft, am Ende doch noch ein Sieg oder zumindest ein Remis.
Regeln anwenden – dann mal schauen
Dies ist nun das entscheidende Prinzip: erst einmal müssen die vorgegebenen Regeln so durchgesetzt werden. Selbstverständlich besteht generell die Ansicht, dass dies doch der Fall ist und falls mal was daneben geht, dann gibt es die grundsätzliche Entschuldigung: „Irren ist menschlich“?
Man könnte allein anhand der Elfmeterentscheidungen bereits ausschließlich das Problem erläutern. Denn gerade hier gab (und gibt es, beinahe täglich) so viele Beispiele, dass ein Widerspruch eigentlich sinnlos wäre, falls aber doch eingelegt wird hier verwiesen auf das noch immer mögliche „Beweisprinzip“ (an anderer Stelle näher erörtert).
Ein Beispiel eingefangener Stimmen lautet jedoch so (und zwar kamen diese Stimmen erstmals in England auf, wie hier einfach so behauptet wird). Das klang in etwa so: „Everywhere else on the pitch that is a freekick.“ Überall sonst wäre das ein Foul (gefolgt von Freistoß). Gemeint natürlich eine Foulsituation im Strafraum. Überall würde es einen Foulpfiff zur Folge haben aber im Strafraum wird nicht nur gezögert sondern am Ende dagegen entschieden („Weiterspielen“). Wie überzeugt der Schiri dabei von seiner Entscheidung ist und diese damit auch so verkauft, sieht man häufig genug daran: er fordert den gefallenen Spieler sofort mit einer Geste auf, sich wieder vom Boden zu erheben, wedelt also mit den Hände nach oben. Dies überzeugt häufig genug auch die Kommentatoren (welche natürlich ebenso intuitiv das Ungleichgewicht bemerken, aber die Ursache nicht zu erforschen wagen): „Da stand der Schiri ganz nahe und hat sofort entschieden: kein Strafstoß.“ Der ergänzende unausgesprochene Nebensatz wäre: „Dann wollen wir ihm mal glauben.“
Dann kommt die Wiederholung, welche selbstverständlich „den Kontakt“ aufzeigt, aber dann zeitgleich schon wieder die Entschuldigung: „Ja, Kontakt war da schon.“ Und dann eben einen jener Sätze: „Reichte ihm wohl nicht für einen Strafstoß“ oder „hat er anders bewertet“ oder „hätten sich die Gegner nicht beschweren dürfen, wenn…“ und so weiter, die aber allesamt immer für die identische Entscheidung erfolgen. Auch dieser Satz hier leitet das Problem nur weiter: „Ein anderer Schiri hätte sicherlich…“ Nur gibt es halt diesen „anderen Schiri“ gar nicht. Das sagt man zur Beruhigung des eigenen Gewissens: da stimmt was nicht aber noch weiter schaue ich nicht dahinter. War doch schon immer so…
Hierzulande hört man diese Einschätzung allerdings auch inzwischen oft genug: „Das wäre überall sonst ein Freistoß gewesen. Warum dann nicht im Strafraum?“ Die Schiedsrichter- und Spielebeobachter haben sich dies dann doch irgendwann mal zumindest insoweit zu Herzen genommen: „Elfmeter wirklich nur bei klaren Aktionen“. Und nicht etwa bei „Allerweltsfouls“? Demnach steht aber immerhin nun in den Regeln, dass im Strafraum anders bewertet wird.
Warum das Ganze? Hier wird ja keinerlei Vorwurf erhoben, sondern lediglich erklärt und nach Ursachen geforscht, schon in der Absicht jedoch, die Augen zu öffnen und für Optimierungen zu sorgen. Die Erklärung wäre diese, aber bereits geliefert: ein einzelnes Tor hat einen zu hohen Wert und kommt zu selten vor. Zugleich verschieben sich die Chancen (zum Teil, abhängig von Spielstand und Spielminute erheblich, bis an die Grenze von 100%; vor dem Pfiff war die eine Mannschaft weiter, nach dem Pfiff die andere; nimmt man beispielsweise ein Ausscheidungsduell in der Champions League, vielleicht gar im Halbfinale, wo es klarerweise wirklich „um die Wurscht geht“, wie eben bei Chelsea – Barca einstens).
Zusammengefasst: es würde ganz leicht mehr Tore geben, wenn man die Regeln zunächst anwenden würde. Der einhergehende höhere Spaß könnte zwar von dieser Seite aus garantiert werden, aber es gäbe natürlich keinen Anlass, etwas zu ändern, wenn die Regeln so wie aufgezeichnet angewandt würden. Wer käme auf die Idee, sofern es 5 oder mehr Tore im Schnitt pro Spiel gäbe (wie bei der WM 1954 übrigens), dann sich zu ereifern: „Wir müssen uns dringend was einfallen lassen. Uns laufen die Zuschauer weg, wenn ständig Tore fallen. Wie schön doch die Zeiten, als Helenio Herrera den Catenaccio einführte und Inter Mailand den Europapokal damit gewann. Immerzu 0:0 oder 1:0. Ja, die guten alten Zeiten, wer holt sie uns zurück?“
Denkbar? Undenkbar!