Was wäre wenn… man Stürmer und Abwehrspieler ein Friedensabkommen vorlegen würde?
Um dieses Friedensabkommen verständlich zu machen und im Anschluss aufzusetzen, muss man auch hier Vorgeschehen, Entwicklung und ein wenig am Rande das Thema „Pädagogik“ erörtern.
Grundsätzlich steht die Behauptung im Raum, dass Regeln so aufgestellt werden müssten, dass ihre Einhaltung nicht nur wünschenswert ist, sondern erforderlich für den guten, respektvollen Umgang miteinander. In der Erziehung ist es so, um Kinder allmählich in das Erwachsenenleben einzugewöhnen, in den Gesetzesbüchern, um den allgemeinen Umgang miteinander zu regeln und in Spielen in der Form, dass das Spiel sinvoll ist und dass es so, wie es gespielt werden kann und soll Spaß macht. Regelverletzungen in jeglicher Form sollten am besten gar nicht vorkommen, weder hier noch da noch dort.
Um dafür zu sorgen sind die Sanktionen vorgesehen, welche genau so grundsätzlich nur als Androhungen zu verstehen sein sollten, und deren Verhängung nur für den nicht wünschenswerten Fall einer Regelübertretung als so geannte „Abschreckungsmaßnahme“ auftreten sollte, um eine Wiederholung möglichst auszuschließen
Insofern hier noch einmal die praktisch überall Gültigkeit besitzende Maxime: „Haltet euch an Regeln und Gesetze.“ Die Folgen in etwa so auf den Punkt gebracht : dann funktioniert alles gut und das Leben (das Spiel) ist schön und macht Spaß.
Die Regelübertretungen beginnen allerdings schon recht früh. Nämlich im Grunde im Kleinkindesalter. Hier ist der Egoismus noch sehr ausgeprägt, welcher den Kindern angeboren zu sein scheint und für welchen das Abgewöhnen auf dem Programm steht. Egoismus bleibt zwar bis zum Erwachsenenalter auch gerne mal erhalten, gilt aber dennoch nicht eben als positive Eigenschaft. Sprich: da würden Erziehungsfehler zutrage treten, wenn es nicht ausreichend gut gelungen ist. Wobei es wohl auch eine Art von „gesundem Egoismus“ gibt? Vermutlich so gemeint: das gänzliche Abtrainieren der Eigenschaft würde in eine Art von Selbstaufgabe münden, wobei man in dem Falle wohl zu den Zukurzgekommenen zu zählen wäre? „Du musst schon sehen, wo du bleibst.“
Wie gesund diese Mischung hierzulande ist sei dahingestellt. Jedoch spricht man nicht ganz umsonst von der „Ellenbogengeselllschaft“, was schon auf ein ordentlich erhaltenes Maß an Egoismus deutet. Wobei eine der ganz großen Parteien – derzeit, 2017, die regierende – ein „C“ im Kürzel trägt, welches für „Christlich“ steht, und garantiert ist das von Jesus Christus vorgelebte Verhalten ein selbstloses, allerdings im Einklang mit dem von ihm gepredigten stehend. Sprich: er lebte vor, wie er sich das Zusammenleben vorstellte und verbreitete die dahinter stehenden Weisheiten.
Dies soll aber hier nicht unbedingt Thema werden, darf aber dennoch mal – auch im Sinne der Kapitelüberschrift – zu denken gegeben werden. „Friede auf Erden und auf den Fußballfeldern dieser Erde…“
Zurück zum Kleinkindesalter: die Kinder fühlen sich gerade im Spiel mtieinander häufig zu kurz gekommen und zeigen dies beim Erwachsenen an. Die Ursache ist natürlich meist eine Art von Regelverletzung des Mitspielers. Es gibt ein paar Backformen, beide spielen damit im Sandkasten, das eine Kind möchte die gleiche Form haben wie das andere. Also nimmt es ihm diese weg, vielleicht sogar mit Gewalt: „Das ist meine, gib her!“ Vielleicht kommt es direkt zum Streit, vielleicht sogar zu mehr „Gewaltsamkeiten“, also einer „handfesten“ Auseinandersetzung. Nun läuft irgendwann eines der Kinder zum Schutzbefohlenen und beklagt sich, vielleicht weinen beide, als der Erwachsene hinzukommt. Nun geht das Geplärre aber erst richtig los. Vor allem steht diese Aussage im Raum: „Der hat angefangen!“ Nur ist sie beiderseitig geäußert.
Natürlich fühlen sich beide im Recht und zugleich haben beide irgendwann die Regeln verletzt. Wessen Verletzung als Ausschlag gebend anzusehen sein müsste, mag sich gar nicht recht klären lassen, aber mit irgendetwas fing es dennoch an. Wobei dieses „wir spielen zusammen, und somit gbt es in dem Moment weder meins noch deins“ bereits eine kritische Voraussetzung sein mag. Sie wurde weder ausgesprochen noch allgemein so akzeptiert. Es ist zugleich schwer zu klären, ob eine Bemerkung wie „du machst das falsch“, die als Ursache ebenfalls in Frage käme, bereits eine ernste Beleidigung ist und insofern Anlass zu einer Eskalation werden kann, weil einer daraufhin kneift, in Ermangelung alternativer, argumentativer Reaktionen.
Es soll natürlich hier nicht zu einer pädagogischen Erörterung werden. Die entscheidende Frage ist die, für welche hier ein wenig sensiblisiert werden sollte und sie lautet: „Wer hat denn nun wirklich angefangen?“
Sofern man dies nämlich auf Stürmer und Abwehrspieler überträgt, taucht auch hier die Frage wieder auf. Man sieht beispielsweise ein Laufduell und beide rudern mit den Armen, zerren am Trikot – immer nur mommenteweise – oder sperren für einen Moment, bringen ihren Körper randlegal zum Einsatz, was auch immer. Nun hört man dazu häufig den Kommentar: „Hier haben beide …“ was auch immer getan, eine der Verletzungen, mit der logischen Erkenntnis, dass man keinem der beiden etwas Besonderes anlasten kann – und möglicherweise die Szene gar nicht abgepfiffen wird „mangels Beweisen“. Wer hat denn nun? Beide – also weiter spielen.
Dass nun in der Vielzahl der Fälle der Stürmer als Täter ausgemacht wird und es somit ein Stürmerfoul gewesen sein soll und die Abwehr den Ball erhält und der Geschädigte längst nicht mehr anwesend ist – der neutrale Zuschauer nämlich – soll hier ebenfalls nicht in den Fokus gerückt werden.
Es ginge vielmehr um die Frage: „Wer von den Beiden hat angefangen, Foul zu spielen?“ Und das gilt nicht nur für diese Szene. Man könnte es historisch zurückverfolgen. Oder, man könnte es eben allgemeiner ausweiten: „Wer hat das größere Interesse daran, dass es kein normales Laufduell, kein normaler Zweikampf bliebe?“ Letztendlich vielleicht gipfelnd in der Frage: „Wer profitiert davon, dass es beiderseits irregulär zugeht?“
Diese Fragen ließen sich eigentlich recht einfach klären: man legte Abwehrspielern und Angreifern das Friedensabkommen vor: „Wenn du mich nicht foulst, dann mache ich es auch nicht. Einverstanden?“ Beiderseitige Unterschrift – der Deal ist gemacht.
Hier nun kommen jedoch die kecken Behauptungen ins Spiel: a) die Abwehrspieler sind es, die anfangen, b) die Abwehrspeler haben das größere Interesse an einem nicht regulären Zweikampf, c) die Abwehrspieler profitieren davon, d) die Stürmer würden sofort unterzeichnen und e) die Abwehrspieler würden zumindest zögern.
Die entscheidende Frage noch einmal aufgeworfen, und so kindisch sie sich anhört: es gibt eine Antwort. „Wer hat angefangen?“ Antwort: „Die Verteidiger!“
Wie es dazu kam ist nun vielleicht nicht einmal die zentrale Fragestellung, selbst wenn eine derartige Herleitung immer für das vielleicht nicht unmittelbar gegebene Verständnis sowie die Anerkennung dessen sorgen kann, insofern doch eine kurze Erklärung: die Verteidiger hatten nicht immer Vorfahrt. Sie wollten keineswegs foulen. Dies brachte Buhrufe, Schmähungen, Verwarnungen mit sich, ab und an eine Hinausstellung, aber auch generell fing es nicht so an, dass man kunstvoll Regelübertretungen einbaute, um sich Vorteile zu verschaffen. Dennoch fand man nach und nach heraus, dass die Tore seltener wurden und die Ergebnisse knapper und die Ergebnisse zeitgleich wertvoller bis hin zu heute „einzig wichtig“.
Das taktische Verständnis, das kluge Handeln, der Catenaccio, die Betonung der Abwehrreihen, das Verhindern von Fußball, den Gegner kommen lassen, den Gegner locken, bis er sich selbst hinten öffnet und man die Räume nutzen kann, die Sinnhaftigkeit eines 0:0, all dies Erwägungen, die nach und nach Einzug hielten im Zuge der Entwicklung zum „reinen Ergebnissport“ haben ihren Beitrag geleistet. „Du darfst deinen Gegenspieler nicht vorbei lassen, kapiert?“ „Ok, alles klar.“ So werden jegliche Mittel recht, finden Anerkennung und halten Einzug. Wie halte ich ihn auf? Im Notfall mit Foulspiel. Noch besser aber, wenn ich nur ein klein wenig foule, so dass es nicht einmal Freistoß gibt und wir stattdessen in Ballbesitz gelangen. Man trainiert mit wachsendem Erfolg das „leichte, nicht freistoßwürdige“ Foulspiel. Teilweise trainiert man dies im Spiel an: „Mal schauen, was er dazu sagt, der Ref? Ach, das ging? Ich hab den Ball? Dann probier ich doch mal, noch ein bisschen mehr auf seinen Füßen zu stehen?“
Was hätte der Stürmer dem entgegenzusetzen? Er möchte doch nur den Ball spielen können, wenn man ihn ließe. Er ist der „aktive“ Part im Sinne von „Ball führend“ und „Angriff inszenierend“ sowie mit den Torabsichten versehen – dem eigentlichen Ziel des Spiels. Der Vertediger möchte ihn daran hindern. Er ist in dem Sinne der passive Part, der nur irgendwie den Stürmer aufhalten möchte. Jedoch um dies zu tun, wird er zum aktiven Part. Nämlich zu dem, der mit den kleinen Regelübertretungen beginnt – womit wir wieder im Sandkasten wären.
Er hält ganz leicht und ganz kurz, fast unmerklich. Dennoch weiß der im Ballbesitz befindliche Stürmer: a) „wenn ich jetzt fiele, ist der Ball weg und wir bekommen gar nichts“ weil er weiß, dass das „zu wenig“ war, b) die Behinderung ist dennoch eine Benachteiligung sowie c) wenn ich mich nicht wehre, habe ich nur Nachteile. Logischerweise gibt er nun das an ihm Verübte zurück. „Wenn du zupfen kannst, kann ich das auch.“
So eskaliert dieser eine „kleine Streit“ auf dem Spielfeld so, dass praktisch jeder Zweikampf heute unansehnlich, hässlich, zumindest grenzwertig ist. Aber vor allem ist er dies: vom Verteidiger so angestrebt und in die Wege geleitet, historisch gesehen und im Einzelfall.
Fazit: die Verteidiger fangen an mit dem Foulspiel, die Stürmer wehren sich nur.
Der einfache Vorschlag wäre der: man legt den beiden Parteien einfach das Friedensabkommen vor. Wenn sie unterzeichnen: bitte schön, es wäre ja schon mal eine Aussage sowie ein Abkommen geschlossen. Ob man sich in der Folge daran hielte wäre vielleicht noch zu klären, aber ein Versuch wäre es auf jeden Fall und diesen auch wert.
Sollte jedoch das Zögern der Verteidiger tatsächlich eintreten und sie sich weigern, es zu unterzeichnen, dann hätte man ebenfalls eine Aussage sowie eine Notwendigkeit, etwas Grundlegendes zu ändern. Denn so, wie die Zweikämpfe heute geführt werden – inklusive der sich häufenden oftmals schweren Verletzungen, von sich ausbreitenden Ellenbogen oder rudernden Armen verursacht – sind sie nicht nur unansehnlich und hässlich sondern sie haben mit dafür gesorgt, dass eigentlich niemand mehr Fußball sehen möchte. Außer unansehnlich und hässlich ist es nämlich auch noch eines: ungerecht. Einer fänt damit an – und der ist es, der als Sieger hervorgeht. Ziel ist, das Tor zu verhindern, und das hat schon mal geklappt.
Friedensabkommen: „Wenn du nicht foulst, foule ich auch nicht.“ Damit gelangt man zurück zu den Anfängen. Man foult einfach nicht. Deal or no deal?
Die Folgen sind immer die gleichen: weniger hässliche Szenen, mehr Fußball, mehr Torszenen, mehr davon, was die Spieler so alles mit dem Ball können und nicht nur die, die das verhindern können als Sieger. Mehr Tore, mehr Action, mehr Spaß, mehr erfreute Zuschauer mehr Gerechtigkeit. Und das auf eine so schlichte Art, die doch keiner verwehren könnte?