Was wäre wenn… man mit einem Kommentator das Torstopp Spiel spielen würde?
Und was sollte dabei herauskommen? Torstopp – doch, das kenne ich noch. Oder? Man sieht eine Szene in seiner Entstehung, man sieht den Abschluss, man sieht vielleicht noch den Ball fliegen und den Torwart hechten. Aber dann: Filmriss. Also ein provozierter Filmriss. Das Bild bleibt stehen. Nun muss der Kandidat raten: geht der rein oder nicht? Tor oder kein Tor?
Die früher ausgewählten Szenen für das Spiel waren meist überaus kuriose Szenen. Man wollte den Kandidaten eine „harte Nuss“ vorsetzen. Also lag die Vermutung nahe: man versuchte sogar, ihn reinzulegen. Wer das Spiel kannte hat vermutlich genau gegenteilig zur Bildansicht geraten. „Das sieht man doch, dass der Ball 100%ig rein geht. Da kann der Keeper niemals ran!“ Die Konsequenz? Ich tippe: „Kein Tor!“ „Richtig.“
Oder umgekehrt, der Verdacht, der kann ja niemals reingehen, zwei Meter am Kasten vorbei, dann tippe ich mal, dass er reingeht. Ooch richtich.
Selbst wenn das vorgeschlagene Spielchen hier schon eine Art „Fallenspiel“ sein soll, dann auf keinen Fall eines der früheren Bauart. Um dies zu verdeutlichen soll ein denkbarer Versuchsaufbau bescchrieben werden, der dieses Spielchen prickelnd machen könnte. Das Ganze müsste in etwa so ablaufen:
Es gibt am Samtagnachmmittag die gewohnten fünf Bundesligaspiele, ab 15:30. Es wird vielleicht die Sky Konferenz eingechaltet, als „Vorgeplänkel“. In dieser Konferenz sollte man davon ausgehen, dass es ein paar Tore zu sehen gibt, dass es aber genau so ein paar verpasste Chancen gibt. Hierbei wäre gar eine Unterteilung denkbar – ohne Einfluss zunächst auf das Spiel –, dass es eine gelungenene Abwehraktion gibt, mit welcher das Tor vereitelt wurde, oder, alternativ, dass es eine große Chance war, bei welcher der Stürmer den Ball nicht verwerten konnte, vielleicht also Latte oder Pfosten tragf oder den Ball gar daneben setzte.
Ganz wichtig für den Versuchsaufbau ist übrigens, dass die aktiven Sprecher, welche für die Konferenz eingeteilt sind, nichts davon wissen, dass hier ein Experiment durchgeführt wird. Sprich: sie kommentieren genau so, wie sie es gelernt haben und tagtäglich tun.
Nun schneidet man direkt nach dieser Konferenz ein paar ausgewählte – es können gerne alle in Betracht kommenden sein, Torchancen oder Tore eben – zusammen. Der Kommentar kann laut oder leise geschaltet werden, dies nur einmal sicherheitshalber hier erwähnt.
Es gibt jedoch auch ein Parallelgeschehen. Dieses sieht so aus: ein paar der nicht eingeteilten Reporter, die ihren freien Tag hätten, ruft man ebenfalls zusammen. Aber nicht, dass sie irgendeine Form von Beteiligung daran hätten. Genau das Gegenteil nämlich. Sie werdem vorsätzlich vom Geschehen abgeschottet für die Dauer der Übertragung. Gute zwei Stunden, gerne bei Champagner und Kaviar – also nicht etwa „Knast“ –, wichtig jedoch, dass der Zugang zu Spielständen und Ergebnissen verhindert ist. Keine Handies, kein Internet, keine Fernseher, kein Zugang zur Außenwelt, für gut zwei Stunden. Das wäre doch keine Zumutung?
Die Szenen liegen vor, die Kandidaten sind diejenigen, welche noch keine Ahnung haben, ob es Tore gibt oder wie Spiele ausgegangen sind. Nun wird diesen eine Szene nach der anderen vorgespielt. Sinnvoll wäre es, jeden Kandidaten einzeln aufzurufen oder das parallel auf mehreren Bildschirmen in getrennten Räumen durchzuführen. Also: nun sitzt ein Reporter vor einer Spielszene, genau wie eine Weile davor ein (gleichwertig guter) Kollege von ihm. Die Szene ist also identisch. Der Ton ist aus für den „Kandidaten“, versteht sich.
Nun ist jedoch nicht die Aufgabe, zu erkennen, ob die Szene zu einem erfolgreichen Abschluss führt, ob es ein Tor wird oder nicht, nein. Das war alles nur „Beiwerk“. Möglich wäre sogar, dass der Sprecher erst in diesem Moment erfährt, was er überhaupt zu tun hat. Das wäre dann also ein „einmaliges Experiment“, weil es bei einer Wiederholung ja dann bekannt wäre, was einen erwartet. Aber selbst für eine Wiederholung eignete es sich, mit diesen kleinen Einschränkungen. Vielleicht wäre der Sprecher dann bereits gut vorbereitet?
Was ist nun die Aufgabe, was ist der ganze Plan dahinter, worum geht es überhaupt? Tor oder nicht Tor? Ja, mache ich mit, ok. „Nein, das ist gar nicht Ihre Aufgabe. Sie sehen die Szene nun, genau wie Ihr Vorgänger. Ihre Aufgabe ist nun: kommentieren sie diese live. Sie dürfen Sie im Anschluss auch noch einmal anschauen, und dann ein zweites Mal kommentieren.“ „Ohne, dass ich weiß, ob es ein Tor wurde?“ „Sie haben es erfasst. Hier geht es um Fußball Sachverstand.“
Nun gut. Vermutlich bleibt es hier bei einem Gedankenexperiment. Dennoch kann man ein paar Ergebnisse „antizipieren“. Was würde herauskommen dabei?
Nun, eine zentrale Idee dabei ist natürlich, die Kommentierung des einen mit der des anderen zu vergleichen. Man hätte ja nun, falls sich der zweite Reporter darauf einließe – oder sonst eben nur im Geiste – zwei Kommentare zweier ausgewiesener Fachleute zu ein und derselben Szene. Wie könnten diese sich zueinander verhalten?
Möglich, dass man als Leser hier bereits dahinter gekommen ist, was dabei herauskommen soll und worum es geht. Vermutlich natürlich dem zweiten Kommentatoren gleich, welcher dann einfach stumm bleiben würde. „Nee, darauf lass ich mich nicht ein.“ Warum er es nicht täte? Liegt wohl auf der Hand: ohne zu wissen, ob der Ball reingeht kann er das nicht. Wobei der live Kommentator ja ebenfalls, eben da live, in erster Instanz dies noch nicht wusste. Also bis zu diesem Zeitpunkt müsste doch der Nachkommentator sich darauf einlassen?
Hier wäre das erste Problem dieses: der erste Kommentator täte es in Kenntnis des Spielstandes sowie des verherigen Verlaufs. Sprich: wenn er live dabei ist und war, so könnte sich die Kommentierung aus dem Vorgeschehen ergeben. Wobei man hier sogar die Hilfestellung für den Nachberichter bereit stellen könnte: man nennt ihm den Spielstand. Man könnte die Szenen sogar chronolgisch für ein Spiel abspielen so dass er sicher sein könnte, dass es bei der ersten Szene noch 0:0 steht. Danach müsste man allerdings „auflösen“. Er hätte die Szene kommentiert und auch die Wiederholung der Szene, in Unkenntnis des Ausgangs Tor oder nicht Tor. Bei der nächsten Szene müsste er aber den Spielstand kennen, also müsste er wissen, ob das ein Tor war oder nicht – wäre aber ebenfalls noch kein ernstes Problem.
Nun ist eine ganze Menge zum Versuchsbaufbau und zur Durchführung erzählt worden. Was so richtig dabei herauskommen soll aber bisher verheimlicht worden – es sei denn, man hätte diese Ahnung.
Der Live Kommentator wäre vermutlich beim ersten Durchlauf der Szene gerade mit Randgeschehen beschäftigt. Also wann der letzte Heimsieg war, wie lange der Stürmer ohne Torerfolg ist, wann dieser Spieler für welche Ablösesumme hergewechselt ist, wie lange der Trainer noch im Amt bleibt oder wie langweilig das Geschehen doch hier wäre und sich immer alles nach dem gleichen Strickmuster abspielte. Während der Szene kann es jedoch passieren, dass die Stimme in die Höhe geht, auf diese Art signalisierend, dass etwas passieren könnte – ohne dabei die Szene selbst zu kommentieren. „… Abspielfehler, keine Ideen aus dem Mittelfeld…“ nur zieht er das Wort „Mittelfeld“ dabei lang und die Stimme in die Höhe. So weiß der vor sich hin dämmernde (genau: DER; ist ja nur einer…) Zuschauer, dass irgendwas passieren könnte, ohne darüber konkret in Kenntnis gesetzt zu werden. Der Abschluss, falls es denn ein Tor würde, käme in etwa derart einem „Climax“ gleich: „Und da ist es passiert.“ Stimme längst wieder runter, denn nun beginnt direkt die Fehleranalyse. „Da schauen alle nur zu.“ „Kollektiver Tiefschlaf“, „den hat gar keiner auf dem Zettel“, „sträflich frei“, „völlig unbedrängt“ und „hat keine Mühe mehr“, wobei es auch sein kann, dass „der Torwart eine Mitschlud trägt.“
Es gäbe eine breite Pallette alternativer Beispiele, die Szene zu kommentieren. Aber eines ist sicher: es wird eine Fehlerkette sein, von dramatischen Unzulänglichkeiten, das bleibt niemals aus und ist beinahe eine Art Reflex. Kaum ist der Ball drin, beginnt die Fehleranalyse. Man darf sich nicht einmal als Zuschauer wenigstens eine Sekunde lang freuen. „Da müssen wir auch über den Torwart sprechen.“ Wer möchte denn über den Torwart sprechen und wer, bitte schön, sind „wir“? Im Kollektiv versagt. Alle gepennt. Völlig unbedrängt. Keiner aufm Zettel. Sträflich frei. Alle schauen zu. Freundlicher Geleitschutz. Durchgewunken. Geht viel zu einfach. Tiefschlaf. Chaos in der Hintermannschaft. Ein Hühnerhaufen hat demgegenüber ein hohes Ordnugssystem. Im Training ist es schwerer, ein Tor zu machen.
Nichts davon ist wahr, aber dennoch muss man all das hören. Unterhaltungswert? Unter null. Wahrheitsgehalt? Da passt der Ausdruck nicht. Null. Witzig? Höchst eingeschränkt. Anmaßend: ja. Respektlos: ja. Dumm: ja. Und nun kommt die Quintessenz: einzig am Ausgang orientiert? JA!!!
Hier käme der Zweitsprecher ins Spiel. Wie fiele seine Beurteilung der Szene aus, ohne Kenntnis des Ausgangs? Ganz offensichtlich und ohne jeglichen Nachweis einsichtig würde er keine einzigen dieser katastrophalen Unzulänglichkeiten erkennen und herausarbeiten können. Obwohl man angeblich beim Erstsprecher, wie er in der Wiederholung nachweist, erkennen kann, wer alles falsch steht und zuschaut und freundlicehn Geleitschutz bietet, was er nämlich dazu sagt, würde es der nach ihm Kommentierende, der sich auf dem gleichen Level befindet, was Fußball Verstand angeht, nicht sehen können – es sei denn, er wüsste, dass der Ball im Tor landete.
Wenn dies nämlich nicht der Fall wäre – was im Experiment angeregt wird und die Idee deutlich macht –, dann würde nämlich im Nu aus diesem freundlichen Geleitschutz und dem Hühnerhaufen sowie den Stellungsfehlern ein „klägliches Versagen des Stürmers“ werden. Genau, wie es in der Folgeszene der Fall ist. Dort hat die gute Torchance nämlich kein Tor ergeben. Auf einmal gab es keine Abwehrfehler mehr, sondern nur noch einen Stürmer, der sogar einen Lastwagen aus drei Metern verfehlen würde in einer Szene, in welcher selbst die Großmutter den Ball versenkt hätte.
Fazit: die ganzen Fehler, mit welchen man an einem einzigen Samstagnachmittag in der Konferenz bombardiert wird – sofern man sich das antut, was aber mit tatsächlich wachsamen Ohren und Augen nur ein verschwindend kleiner Personenkreis tut –, existieren gar nicht. Im Gedankenexperiment wird wohl deutlich, dass man von keinem Fehler weiß, so lange man das Ergebnis der Aktion nicht kennt. Schlussfolgerung : Es gibt ihn nicht. Zwischen dem katastrophalen Versagen (wenn man den Worten Glauben schenken würde) der einen Seite sowie den genau so erheblichen Unzulänglichkeiten der anderen Seite steht oftmals ein Pfosten, eine Handbreit, ein Millimeter, ein zufällig abprallender Ball, eine Fußspitze und oft genug eine unerkannte kleine Behinderung, die jedoch nicht geahndet wird. Das Gedankenexperiment sollte dafür sensibilisieren. Wenn es die Fehler gar nicht gibt, warum erzählt man dann davon? Es erfüllt nicht ein Mindestkriterium an eine gute Reportage.
Hier gerne noch hinterher geschoben: sollte man dieses Experiment in England vorschlagen, würde man sich zwar etwas darüber verwundern, was es bringen sollte, aber es würde ohne Zögern jeder Reporter mitziehen. Warum denn nicht? Er erzählt ohnehin nur das, was er wirklich sieht und wie er es einschätzt. Da ist nichts Aufgesetztes oder im Nachhinein Geschlussfolgertes daran, auch nicht der Versuch der Kritik, der Abwertung, der eigenen Gleichstellung, der Ansammlung von Expertenpunkten, wie es hierzulange Ganz und Gäbe ist. Ein Fachmann sagt: „Schlimmer Fehler“, denn wer sich das traut, der muss richtig gut sein. Trauen tut er sich aber nur unter den genannten Umständen.