- Das LaPlace Experiment
Das LaPlace Experiment ist ein theoretisches Zufallsexperiment. Die Mathematik behilft sich sehr häufig mit idealisierten Zuständen, um des Chaos´ um uns herum Herr zu werden. Dabei ist das reale Auftreten von derartigen Zufallsexperimenten tatsächlich ausgeschlossen. Dennoch lässt sich die Mathematik an den idealisierten Beispielen wunderbar erarbeiten.
Bei dem so genannten LaPlace Experiment wird also davon ausgegangen, dass es n verschiedene Ausgänge gibt und dass alle n Ausgänge gleichwahrscheinlich sind. Daraus lässt sich schon ein Grossteil der gängigen Mathematik zur Wahrscheinlichkeitsrechnung ableiten. Also damit kann für gewöhnlich ein jeder Mathematiker behend und mühelos umgehen. Man spricht hier auch vom „idealisierten Wahrscheinlichkeitsraum“. Und als klassisches Beispiel nimmt man dann immer einen Würfel, bezeichnet das Werfen dieses Würfels (auch würfeln genannt) als ein „Zufallsexperiment.“ Jede der sechs Chancen hat dann 1/6 und das war es. Dann kann man jede Menge Aussagen daraus ableiten. Und der Mathematiker fühlt sich pudelwohl und glaubt, jetzt dieses Thema abgehandelt zu haben.
Jetzt kommen aber meine „ifs“ and „buts“:
Nehmen Sie einen beliebigen Würfel in die Hand. Sie haben auch tatsächlich die Absicht, ganz ehrlich und aufrichtig, fair, zu würfeln, rein zufällig. Wie das geht? Augen zu, in den Würfelbecher, ausrollen lassen, schauen. Na gut, was soll die Frage?
Nun, das will ich gerne erläutern: Auf welchem Untergrund haben Sie gewürfelt? Hat der Würfel evtl. Ausstanzungen? Ach ja, bei den Augen. Aber da gibt’s ja die so genannten „precsion dice“, Präzisionswürfel, na dann…
Ja, also sind dann überhaupt alle Seiten gleich schwer? Wo ist der Schwerpunkt? Ist er in sich homogen? Wie hoch sind Luftdruck und Luftfeuchtigkeit? Wie stark würfeln Sie? Welche Seite liegt bei Abwurf oben, entlang welcher Achse würfeln Sie? Raumtemperatur? Und so weiter.
Noch weiterführend könnte ich sogar behaupten, dass, wenn man alle Parameter kennt und richtig einbezieht, man den Ausgang sogar exakt errechnen könnte (das war übrigens sogar eine Behauptung von LaPlace selber. Ich zitiere: „Ein Dämon, der für einen gegebenen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte sowie die gegenseitige Lage aller Atome kennte, und der überdies scharfsinnig genug wäre, die gegeben Größen der Mathematik zu unterwerfen, würde in einer einzigen Formel die Bewegungen der größten Weltkörper und des leichtesten Atoms erfassen können. Nichts wäre ihm ungewiss, und Zukunft und Vergangenheit würden ihm offen vor Augen liegen“).
Also ist Würfeln nun ein echtes Zufallsexperiment? Wann wäre es eines?
Während ich Ihnen gerade auseinandersetze, dass es kein wirkliches Zufallsexperiment gibt, haben Sie sich sicher grad eines überlegt. Eines, was garantiert klappt. Was ist mit einem Kartenspiel? Wir nehmen ein Kartenspiel, mischen es „gut durch“ und ziehen dann eine Karte. Und fragen dazu zum Beispiel: Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Karte von der Farbe Pik ist, dass es eine 7 ist oder dass sie rot ist? Jedenfalls scheint es sich ja hier um fest bestimmbare Wahrscheinlichkeiten zu handeln. Wo ist das Problem? Hier ist das Problem: Wann sind die Karten „gut gemischt?“ Welche Anordnung der Karten würde als „gut gemischt“ welche als „schlecht gemischt“ bezeichnet werden? Noch dazu würde ja bei genauerem Hinsehen (durch die Karte durchsehen zum Beispiel? ) es ja ohnehin feststehen, welche Karte jetzt kommt. Ach, Sie ziehen aus der Mitte, ja?
Na gut, ich bleib jetzt mal bei dem Beispiel des Würfelns. Also, Sie haben Freude an der Sache, Sie nehmen einen Würfel her, Sie beginnen, aufzuzeichnen. Sie machen 1296 Versuche (am besten durch 6 teilbar, aber nehmen Sie irgendeine andere Zahl, gleichgültig). Notiert wird nur die geworfene Augenzahl. Nun stellen Sie fest, dass nach 1296 Versuchen die 1 229 Mal geworfen wurde. Jetzt kommt der Mathematiker (der ist zufällig männlich, ansonsten sind ja Wahrscheinlichkeitsrechnung, Mathematik und Statistik weiblich, also man spricht auch davon, dass die Statistik die Schwester der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist), also der Statistiker, und rechnet Ihnen vor: 1296/6 = 216. Eigentlich müsste die 1 also 216 Mal kommen. Sie ist aber 229 Mal gekommen, das ist innerhalb der einfachen Standardabweichung, das toleriere ich, es gibt keinen Grund, an der Annahme „die Wahrscheinlichkeit, eine 1 zu würfeln ist 1/6“ zu zweifeln.
Nur: Wer hat in diesem Fall die Annahme aufgestellt? Ich behaupte folgendes: Sie haben ein Experiment mit einem ganz bestimmten Würfel unter ganz bestimmten Bedingungen durchgeführt. Dann ist der Wert 229/1296, also die so genannte „relative Häufigkeit“, mit der die 1 eingetreten ist, eine bessere Näherung an die tatsächliche Eintrittswahrscheinlichkeit des Ereignisses „Würfle eine 1“ als der einfach so angenommene Wert des Mathematikers. Sie haben ja nur den einen Wert. Der Mathematiker hat auf seiner Seite nur eine Theorie, eine Grundüberlegung. Er nimmt 1/6 an und zweifelt einfach nicht. Die Praxis, das praktische Ergebnis, „interpretiert“ er. „Diese Abweichung ist im Rahmen der erwarteten.“
Allein, dass der Mathematiker keinen Grund sieht, seine intuitive Annahme von der Gleichverteilung der Wahrscheinlichkeiten anzuzweifeln, rechtfertigt diese Annahme nicht. Sie haben relative Häufigkeiten (eingetretene Fälle/Gesamtzahl der Versuche), dass ist Ihre Wahrscheinlichkeitseinschätzung. Der beste Wert, den Sie bekommen konnten. Und er hingegen sagt einfach 1/6? Ist doch ein Würfel und der hat sechs Seiten. Wer hat nun Recht? Ist die Abschätzung 1/6 oder die Abschätzung 229/1296 besser?
Hier würde sich es jetzt anbieten, diesem Menschen eine Wette vorzuschlagen: Er behauptet 1/6, Sie behaupten einfach, „>als 1/6“, aufgrund Ihres Experiments. Er zahlt Ihnen den „korrekten Kurs“ oder „die faire Quote“, diese ist 6.0 (ja, gut aufgepasst, der Kehrwert). Und jetzt mische ich mich ein: Ich nehme Ihre Seite und sage, dass Sie eher einen Vorteil haben als er. Gewagt? Der Untergrund wird ausgesprochen rutschig jetzt, gab es Eiswarnung? Blitzeis? Dieses ist noch dazu dünn… Das ist mehr eine Warnung an mich selber.
Diese Überlegungen gelten natürlich auch beim so oft zitierten Roulette. Da heißt es doch auch immer, nicht nur unter Mathematikern „langfristig keine Chance, da gewinnt die Bank.“ Es gibt 37 Zahlen, jede kommt mit 1/37, ein typisches, echtes und reines LaPlace Experiment. Die Auszahlung ist 36:1. Die Bank gewinnt. Aber auch da gibt es gute Gründe, an der Gleichverteilung zu zweifeln (siehe Kapitel „Permanenzen und die Folgen“).