Was wäre wenn… es mehr Tore im Fußball gäbe?
Xxx WM 1994; Tendenzwechsel; Dreipunkteregel; Perspektive Spieler, Trainer, Medien, Zuschauer; Schiedsrichterentscheidungen sind klamm, dann nicht mehr? xxx
Eine Beweisführung, dass es eine „Verbesserung“ für den Fußball wäre ist nicht einmal eine so leichte Aufgabe. Vor allem, weil man die Vorgabe „Verbesserung“ – eine welche wohl jederzeit willkommen wäre, und dies beliebig anwendbar, nicht etwa nur im Fußball sondern überall im Leben – zunächst etwas genauer fassen müsste: was wäre denn eine anerkannte Verbesserung? Hier gibt es schon mal Unterschiede. Nicht nur, weil es Menschen unterschiedlich empfinden könnten, sondern weil es unterschiedliche Formen von Beteiligungen, demnach unterschiedliche Blickwinkel, gibt.
Zu nennen wären Spieler, Trainer, Fans und sonstige Zuschauer – als grobe Unterteilung.
Für einen Spieler sieht es so aus, dass einem die Tore nicht unbedingt wichtig sind. Man spielt, man bewegt sich, man betreibt seinen Sport, man möchte der Mannschaft helfen, man hat seine Aufgabe und möchte am liebsten mit ihr nicht verlieren. Also sind Tore irgendwie neutral, insgesamt gesehen. Erzielen gerne welche, kassieren lieber keine. Aber wenn es am Ende mehr waren, die man erzielt hat, dann ist noch immer Freude und Feiern angesagt. Dennoch bleibt als Ergebnis: sie sind einem nicht (primär) wichtig.
Als Trainer ist man unter Druck – wenn man zunächst im professionellen Bereich bleibt, wobei es sogar bei Amateur- und Jugendtrainern dieses Phänomen gibt. Der Druck ist in erster Linie von den Medien aufgebaut. „Fußball ist ein reiner Ergebnissport“ haben diese ausgerufen – und sorgen für die Gültigkeit. Otto Rehhagel war wohl einer, der dies schon vor der Zeit erkannt hat. So hat er die „kontrollierte Offensive“ eingeführt in der Erkenntnis, dass der Zuschauer schon gerne Angriffsfußball sehen würde, aber dass dennoch das Ergebnis vorgeht. Ebenso Weg weisend in dem Zusammenhang das von ihm erkannte „gut gespielt hat, wer gewinnt.“
Fazit auf die Trainer bezogen: auch sie sind nicht wirklich an vielen Toren interessiert. Gerne, wenn die eigenen welche machen, aber ein 1:0 reicht auch. Wobei man noch zur Kenntnis nehmen sollte, dass das Verteidigen einfacher ist als das Angreifen. Zumindest so, wie der Fußball derzeit „geregelt“ ist und wie diese Regeln ausgelegt und angewandt werden (dazu in den entsprechenden anderen Kapiteln mehr). Warum das Verteidigen aber außerdem einfacher ist? Es ist heute so, dass die Spieler alle körperlich auf einem Level sind. Die Luft reicht für 90 Minuten. Selbst wenn es gelegentlich noch mal ein „müde spielen“ gibt: nicht einmal das Ball hinterherlaufen kostet zu viel Kraft. Man hält durch. Zugleich sind die Abwehrspieler in aller Regel an Ballfertigkeit zwar unterlegen, aber diese ist ja zum reinen Zerstören nicht gefragt. Um einen letzten Aspekt zu nennen: der Stürmer hätte nur einen einzigen Zielort, wo der Ball letztendlich landen muss, damit der Angriff ein zählbares Ergebnis bringt. Dem Verteidiger stehen alle anderen Richtungen offen. Als Beispiel: zwei Spieler gehen im Strafraum zum Kopfball. Für den Stürmer muss das Runde in das Eckige – und so riesig ist das nicht im Vergleich zu dem gesamten anderen Spektrum, welches dem Abwehrspieler frei steht. Abgesehen davon, dass im Tor auch noch ein Torwart steht. Also: wenn man unbedingt Ergebnisse bringen muss – was anerkanntermaßen der Fall ist –, dann konzentriert man sich, vielleicht sogar im Training, mehr auf das Abwehrspiel. Erst mal kein Tor kassieren, dann wird das schon…
Nun könnte man sich mit den Fans beschäftigen. Auch hier wäre recht klar: viele Tore gerne, sofern selbst erzielt. Keine zulassen ebenfalls wünschenswert. Also: selbst wenn eine leicht veränderte Perspektive — da man natürlich schon davon ausgehen darf, dass Unterhaltung für sie eine Rolle spielen müsste –, so aber doch die recht klare Verteilung: Ergebnis geht vor, der Wunsch pro eigener Mannschaft ausgerichtet. Also: viele Tore egal, Hauptsache, wir können feiern.
Wobei man wenigstens anmerken dürfte, dass es a) ihnen unbedingt recht wäre, wenn es viele Tore gäbe und ihre davon mehr erzielt hätten (was bei Trainern nicht unbedingt der Fall ist; für ein Spiel vielleicht schon, aber man würde sich vermutlich doch mehr Sorgen über die Abwehr machen und dort den Fokus legen im nächsten Training; Motto: vorne war ok, hinten müssen wir arbeiten), b) es durchaus nicht nur fanatische Anhänger einer Mannschaft gibt, sondern auch „ganz normale“ Fans, die schon weiterhin Freude haben, wenn es Tore gibt, selbst wenn es dem Gegner mal gelingt.
Dennoch auch hier recht klar: eine Vielzahl von Toren ist nicht erklärtes Anliegen der Fans. Noch immer steht das Ergebnis an erster Stelle.
Nun gäbe es nur noch den neutralen Zuschauer. Hier wäre zwar recht arg zu vermuten, dass er sich Tore wünschen würde, nur ist die Frage, ob er überhaupt anwesend ist. Also: begibt er sich ins Stadion oder schaltet das Fernsehen ein, sobald ein Spiel anstünde, in welchem er keinen klaren Favoriten hätte? Ein Spiel ohne Leidenschaft für eine Mannschaft? Wobei es hier noch immer meist (weltweit) mehr als eine Mannschaft gibt, der man die Daumen hält. Also der lokale kleine Verein, das ausgewählte Bundesligateam, vielleicht sogar aus einer internationalen Liga eine Mannschaft (Wie wäre es mit Real Madrid?) und dann meist die Mannschaften aus dem eigenen Land, wenn sie in Europa auf internationale Konkurrenz treffen und letztendlich die Nationalmannschaft, wie man gerne unterstellen darf. Allerdings gäbe es noch immer eine höhere Anzahl von Spielen zu sehen, in welchen ein potenzieller Zuschauer weiterhin neutral wäre. Nun müsste er nur noch den Fernseher einschalten oder ins Stadion gehen. Täte er das? Nur dann wäre er nämlich ein „neutraler Zuschauer“, ansonsten nur neutral, ohne zu schauen.
Genau dies jedoch eine der brisanten Fragen beziehungsweise die Antwort mit der Fragestellung vom Titel im Zusammenhang stehend: er schaut sie vermutlich nicht. Er ist nicht anwesend. Also wäre ihm die Anzahl der Tore egal.
Bevor die allgemeine Antwort nun gegeben werden soll, noch eine kleine Vorüberlegung: man hätte bisher so gut wie ausschließlich Stimmen, welchen es egal wäre, ob Tore fallen. Sämtlichen Beteiligten und Anwesenden – Spieler, Trainer, Fans, grob gesagt – ist es egal, ob viele Tore fallen. Tore für die eigenen: herzlich willkommen und je mehr desto besser. Eines für den Gegner: bereits eines zu viel. Was könnte es demnach für eine Rolle spielen, ob es mehr Tore gibt und ob es überhaupt jemanden interessiert?
Mit leichter Verzögerung nun die Antwort, im Stile einer Behauptung, auf die brisante Frage: der neutrale Zuschauer schaut ein Spiel ohne eigene Beteiligung deshalb nicht, weil es zu wenige Ereignisse gibt, die es ihm schmackhaft machen könnten, also, weil es zu wenige Tore gibt.
Mehr Tore würde demnach bedeuten: mehr neutrale Zuschauer. Und hier darf man sehr wohl behaupten, dass diese Vielzahl der verfügbaren neutralen – wenn man es auf die Erste Bundesliga allein bezieht, dann wäre es ein Faktor von acht; ein Spiel mit eigener Beteiligung, acht ohne – jene der direkt Beteiligten deutlich in den Schatten stellt. Um dieses Potenzial an Zuschauer müsste man sozusagen „werben“.
Wobei die Behauptung noch weiter geht: man würde nicht nur einen Faktor von acht erzielen können, sondern einen wesentlich höheren als den. Sobald nämlich viel mehr Menschen feststellen würden, dass hier tatsächlich Fußball ist und jede Menge los ist und alle Nase lang etwas passiert, dann hätte man viele, die sich bereits abgewandt haben sowie viele neue, die ansonsten sich einem anderen Spiel oder einer Sportart zuwenden würden, ebenfalls hinzu- beziehungsweise zurückgewonnen.
Man könnte alternativ als Gegenfrage stellen, inwieweit eine höhrere Anzahl von Toren einen Schaden anrichten könnten? Denn: selbst wenn die Beteiligten und Zuschauer nicht unbedingt daraus eine höhere Attraktivität ableiten würden – also nicht per se „mehr Tore“ fordern würden –, dann wäre noch immer die Frage, ob ihnen ein Schaden entstünde.
Über die Spieler ist bereits gesprochen worden und deren Perspektive änderte sich nicht. „Mehr Tore, na und? Ich habe meine Aufgabe, ich spiele diese Position, ich darf ab und an nach vorne, muss sonst meinen Gegenspieler im Auge behalten, und der ist echt schnell und trickreich, also aufgepasst! Ansonsten spiele ich den Ball ab, wenn ich einen Mitspieler frei vorfinde und soll das Spiel einfach halten, vermutlich, da mir Dribblings nicht so sehr liegen und da ich mit komplizierten Bällen ebenfalls meine Probleme habe.“ Das Team steht im Vordergrund, man stellt sich in dessen Dienst. Ein Tor mehr als der Gegner wäre schön. Aber ansonsten? Wurscht.
Für die Trainer sähe es schon etwas anders aus. Viele Tore gerne, aber doch nicht mit fliegenden Fahnen untergehen? „Der lässt Hurra-Fußball spielen und wenn es mal gut geht, gewinnen sie sogar. Nur ging es nicht oft genug gut, deshalb ist er jetzt kein Trainer mehr, weder hier noch anderswo.“ Dennoch wäre es natürlich klar, dass, wenn es insgesamt mehr Tore gäbe, jeder die Angriffsbemühungen im Auge behalten müsste. Also: „Heute waren wir richtig gut.“ „Wieso, wie kommst du darauf? Was ist denn passiert?“ „Na, der Gegner hat nur ein Tor erzielt und die hatten bisher drei pro Spiel im Schnitt!“ „Ouh, das ist ja echt klasse. Und wie viele habt ihr gemacht?“ „Na, gar keins, aber davon war ja nicht die Rede.“ Oder vielleicht doch? Es nützt nichts: noch immer darf man nicht verlieren, das mag sein (wobei auch hier ein „Umdenken“ von den Medien vorstellbar wäre; heutiger Gewinner: der Fußball; und vielleicht gar kein Verlierer, trotz eines 5:3?).
Entscheidend dürfte aus Trainersicht dieser Aspekt sein: wenn man ziemlich sicher sein kann, dass der Gegner eh das eine oder andere Tor erzielen wird, einfach weil überhaupt welche fallen und zwar mehr als früher, dann muss man auch an Attacke denken. Spätestens nach dem ersten Gegentor, aber am besten schon vorher.
Also: die Trainer wären bereits gefragt, was Offensivbemühungen anginge. Man hat schon den Eindruck – „Dank“ an Huub Stevens –, dass viele Mannschaften heute bei Anpfiff bereits den Schlusspfiff einkalkulieren: wenn wir keines kassieren, können wir auch nicht verlieren. Noch steht es 0:0 und so lange ist ja gar nicht mehr?
Fazit wäre: wenn es mehr Tore gäbe, gäbe es zwangsläufig – eben teils sogar als Folge – mehr Offensivgeist. Eine Art „Inflationseffekt“.
Für die echten Fans wäre es garantiert eine Bereicherung, eine Mehrzahl an Toren. Die Argumentation hier recht schlicht: die Fanlager neutralisieren sich ja eh, also mit jedem gefallenen Tor gibt es im Schnitt genau so viele Trauernde wie Jubelnde. Das hebt sich auf. Aber ein positiver Effekt wäre dennoch gegeben: wenn eine Mannschaft ein Tor kassiert, wäre die Verzweiflung ein klein bisschen geringer. Denn: aufgrund der höheren Anzahl der Gesamttore wäre die Hoffnung deutlich höher, das Spiel auszugleichen oder sogar zu drehen – falls man denn mal hinten liegt.
Das Fazit wäre ganz klar: kein Schaden, stattdessen nur Vorteile.
Ein paar Punkte wären noch anzuführen im Sinne einer „Beweisführung“, dass eigentlich jeder den Wunsch nach mehr Toren hätte.
Hier lohnt sich ein historischer kurzer Rückblick: als die WM 1994 an die USA vergeben wurde, hatten diese als Ausrichter den Traum, einen Einfluss nehmen zu dürfen. Die allgemein und an anderer Stelle vertretene These lautet ohnehin, dass man in den USA sich darauf versteht, etwas gut zu vermarkten. Man untersucht dort einfach die relevanten Aspekte und weiß und bezieht mit ein, was der Zuschauer sehen möchte – und fertig wäre ein schmackhaftes Süppchen.
Die Regeloffiziellen taten sich schwer damit, sich auf die Vorschläge der USA einzulassen. Der Ausrichter wollte mehr Tore sehen, ganz einfach. Davon versprach man sich und der Welt ein wesentlich höheres Spektakel. Und die USA legten einige Vorschläge vor. Die Regeloffiziellen wanden sich so gut sie es nun mal verstanden und nahmen nur wenige, aber eigentlich gute Ideen auf (Rückpassregel, Dreipunkteregel, im Zweifel für den Angreifer bei Abseits). Dies soll nicht näher untersucht werden, nicht hier, sondern nur als kleiner Beweis dienen. Und wenn die USA das vorschlagen und erkannt haben, ist schon ein bisschen mehr daran?
Apropos Dreipunkteregel: auch diese nicht näher untersucht an dieser Stelle, aber auch hiermit ein gewisser Beweis geliefert, dass man auch unter den Regelmachern irgendwie erkannt hat: ein bisschen mehr Spannung täte gut. Und diese erzeugt man über mehr Tore, welche dann erstrebenswert zu erzielen wären, wenn es Unentschieden stünde – gar nicht mal ein seltener Fall – und nicht mehr lange zu spielen wäre. Kein Ballgeschiebe sondern alle nach vorne, den Dreier holen. Die Änderung brachte zwar nichts – an anderer Stelle ausführlich erläutert –, aber als Beweis dennoch geeignet: mehr Tore erwünscht, auch seitens der FIFA.
Ein weiterer Punkt im Zuge der „Beweisführung“, dass mehr Tore gut täten ist der, dass man sich einfach mal so fragen darf, welche Spiele einem spontan ins Gedächtnis kommen, aus der Vergangenheit. Was sind die Spiele mit Erinnerungswert? Schwer vorstellbar, dass beispielsweise sogar der gar nicht mal so selten anzutreffende Vertreter mit dem ausgeprägtem Widerspruchsgeist („Wozu mehr Tore? Ich finde es gut wo, wie es ist und wenn das eine Tor dann fällt, freut man sich nicht nur doppelt sondern man freut sich zehnfach.“) nun wie aus der Pistole geschossen ein 0:0 oder ein 1:0 hervorkramt. Viel eher müsste er notdürftig und vermutlich leicht peinlich berührt die Erinnerung an jenes 4:3, die sich einschleichen wollte, rasch auszuraddieren versuchen. „Doch, du hast daran gedacht, das hat man genau gesehen.“ „Nein, hab ich nicht.“ „Hast du wohl!“ „Hab ich nicht!“ Aber er hat…
Man darf es ruhig so notieren, gegen Widerspruch gewappnet: es sind Spiele mit vielen Toren, die sich ins Gedächtnis einprägen. Die Action hängt mit Treffern zusammen. Ein gedrehtes Spiel, eine wechselnde Führung, spätes Drama, welches auf keinen Fall „Schlusspfiff“ sein könnte. Tore, Tore, Tore. Das prägt sich ein, das hat Spaß gemacht.
Als weiterer kleiner Beweis mag der häufig vor Spielen zu hörende Reporterspruch sein, mit welchem diese beinahe „versehentlich“ zu Bekennern werden und irgendwie und angeblich ja die Stimme des Volkes sein müssten? „Wünschen wir uns ein schönes Spiel mit vielen Toren“. Sonst fiele einem einfach nichts ein, mit welchem man eine Vorfreude – in dem Fall ein Bundesligaspiel, bei welchem man „nautral“ zu sein hätte, zumindest als Sprecher – ausdrücken könnte: „Ein zähes Spiel ohne viele Chancen“ oder „ ein vorsichtiges Abtasten“ oder ein „Neutralisieren der Mannschaften“ oder ein „Lauern auf den ersten Fehler“ oder „einen dreckigen Sieg“, welcher dann meist ein 1:0-Gewürge ist könnte man ja, trotz ausreichend viel Erfahrung damit, kaum als Einstimmungsfanfare verkaufen. Kurzum: wenn man einfach so Fußball schauen wollte, könnte man sich nur Tore wünschen.
Eine Zusammenfassung – um die Indizienkette zu verlängern hier angeführt – besteht aus den Highlights. Die Highlights sind zwar dem englischen entnommen, aber man übersetzt mühelos in „Höhepunkte“. So oder so: es dürfte bei den Highlights nach Belieben etwas ausgelassen werden. Aber unter keinen Umständen die Tore. Und wenn man es „naiv“ kurz zu Ende dächte, käme nur heraus: „Je mehr, desto besser.“
Wobei man hier eindeutig auf eine Obergrenze stoßen könnte. Nur um es an zwei Beispielen fest zu machen: bei einer Zusammenfassung eines Basketball- oder Handballspiels würde man unter keinen Umständen sämtliche Treffer vorfinden. Bei Eishockey hingegen schon. Obergrenze?
Das Argument der „Obergrenze“ ist durchaus ernst zu nehmen, denn keinesfalls hat der Widerspruchsgeist völlig unrecht. Je seltener das Ereignis eintritt, umso größer ist die Freude, wenn es denn doch mal geschieht. Wobei hier zwei relevante Fragen anzuschließen sind: a) vielleicht schauen etliche gar kein Spiel mehr, weil ihnen die Wartezeit auf das Glücksereignis bereits viel zu lange erscheint, mit im Schnitt gut dreißig Minuten für ein Tor? Und b) : wäre die aufsummierte Freude über beispielsweise drei Treffer in einem Spiel nicht am Ende doch größer als die zugegeben riesige Freude bei dem eine einzigen Treffer? In etwa so: 3 Mal 0.5 ist immer noch größer als 1 * 1.
Die Tore sind das Salz in der Suppe. Und dieses Bild lässt sich durchaus glänzend weiter verwenden: wie viel mehr Salz würde der Suppe gut tun, bevor sie versalzen wäre? Vielleicht ist sie derzeit doch etwas arg wässrig? Und falls wirklich zu viele : dann hätte man noch die nette Erklärung des verliebten Kochs. Allerdings ist ja nicht alles, was hinkt, ein Vergleich… Tore sind gut, Salz ist gut, beides in angemessener Menge. Wie viele Tore sind angemessen, damit es Spaß macht? Derzeit zu wenige. Hierfür steht dieser Text sowie etliche weitere, um das zu untermauern.
Nun ist hier bisher allgemein von Toren die Rede. Das Runde in das Eckige oder so. Der Toreinschlag, bei welchem sich die Anspannung in pure Freude verwandelt. Ok, die Fans der das Tor kassierenden Mannschaft mögen enttäuscht sein, aber selbst da kann es mal vorkommen, dass man Respekt zollt, den Hut zieht oder gar klatscht. Super gemacht, das muss man einfach anerkennen. Schönes Tor, habt ihr verdient. Somit wäre also nicht einmal das „Neutralisieren“ der Freude bei einem gefallenen Tor erfüllt, sondern der positive Teil überwiegt – mal so nebenbei bemerkt.
Tore sind und bleiben irgendwo das Ziel des Spiels. Sie sind das, was zählt und womit man Sieger ermitteln kann. Ohne Tore ginge das Spiel gar nicht.
Aber es steht noch ein weiterer Gedanke dahinter, der unmöglich zu ignorieren ist, bei der hier zu Papier gebrachten Werbung für mehr Tore. Dieses wäre der Spannungsaspekt. Eine Art von allgemein empfundener Spannung. Nicht nur der auf diesen Angriff und den Abschluss bezogene sondern der übergeordnete, auf Spielausgang und Saisonverlauf bezogene.
Nun gibt es einen eigenen Abschnitt darüber, insofern hier nur kurz darauf verwiesen und daran erinnert: Tore können für Tendenzwechsel sorgen. Eine Mannschaft führt, die andere gleicht aus, geht selbst in Führung. Das wäre eine Art von Spannung, welche auftreten könnte, natürlich nur durch Tore. Wobei die Spannung darin liegen würde: kann das passieren? Lohnt es sich, darauf zu warten? Als Fan: es zu erhoffen oder es zu befürchten? Wie oft passiert das eigentlich, dass ein Spiel gedreht wird? Wenn sehr selten: warum und wie darauf hoffen? Heute: „Halbzeitstand: 0:1. Oh man, schon wieder verloren.“ Oder morgen : „Es steht 1:3. Ist noch alles drin.“
Natürlich gälte dies auch ausgedehnt auf den Saisonverlauf. Wenn es möglich ist, ein Spiel zu drehen, dann ist es auch möglich, beispielsweise in einer Konferenz von Wendungen im Tabellenbild, in der Abstiegsfrage, für die Meisterschaft, für den Europapokaleinzug zu rechnen und auf diese Art mehr Spannung aufzubauen. Überhaupt wäre das Warten auf ein Tor abgekürzt und somit dürfte man durchaus mit erhöhter Spannung, auch unter den Zuschauer oder bei den Kommentatoren rechnen. Mehr Tore = mehr Spannung = mehr Action = mehr Spaß.
Und trotzdem wurde der alles entscheidende Aspekt für den Schluss aufgehoben. Denn: wenn es mehr Tore gäbe, wäre der Wert eines einzelnen Tores geringer. Insofern hätte man (als Schiedsrichter, aber auch in der Nachbeurteilung) nicht so viel Angst, ein Tor gelten zu lassen, eine Aktion laufen zu lassen, mögliches Abseits nicht anzuzeigen. Ein einzelnes Tor entschiede nicht mehr ein Spiel, also wäre die Bereitschaft in der Entstehung wesentlich erhöht, nicht nach einem Haar in der Suppe zu suchen (Salz und Haare gibt es da also, aha…) sondern den Stürmern Vorfahrt zu gewähren.
Die klamme Auslegung und Anwendung der Regeln ist eine Folge der wenigen Treffer in einem Spiel. Im Zweifel reißt der Mann an der Linie lieber die Fahne hoch. „Ich bin zwar nicht sicher, aber falls ich ihn laufen lasse und das ein Fehler war steht es 1:0, die verlieren das Spiel und ich bin Schuld. Fahne hoch!“ Intuitiv, aber fast immer in diese Richtung. Bei Elfmetern genau das gleiche Denken: „War das auch wirklich ein ganz klares Foul? Ouh, ich bin nicht sicher. Lieber keinen Elfer, bevor ich Schuld bin, dass einer gewinnt und vor allem, dass einer verliert.“ Bei mehr Toren logisch: „lass ruhig laufen, ist ja kein Problem. 1:2 und noch so viel Zeit auf der Uhr? Können sie jederzeit drehen. Lass mal schön die Fahne unten, dürfen tust tu es eh, laut Regeln.“ Auch im Strafraum. „Das war ein Foul, also Elfmeter. Das Spiel ist noch lange nichr durch danach, auch wenn hier das 4:2 fällt.“
Dabei wäre eine gleich verteilte Auslegung bereits ausreichend, um für wesentlich mehr Tore zu sorgen. Wenn man tatsächlich in Zweifelsfällen für die Stürmer auslegen würde? Zugegeben, das war nur ein Versuch der USA, weil ihnen eben (sofort) auffiel, dass da was nicht stimm. Insofern nut der Vorschlag „im Zweifel auch mal für“ so in etwa. Sollte man dies jedoch dauerhaft tun, wäre es nach hier vertretener Ansicht eine dauerhafte Entscheidung für den Fußball. Die Stürmer sind es, welche die Tore erzielen sollen, die Fußball spielen wollen und die somit unser Herz erfreuen können, Verteidiger sind solche, die das spielen verhindern wollen. Gebt doch ruhig den Stürmern ein paar mehr Rechte?
Die Folge wäre insgesamt eine Inflation an Treffern. Jedoch wären alle im Rahmen der aktuellen Regeln zu erzielen.
Fazit: es gäbe nur Vorteile. Das Problem der Übersättigung ist zunächst völlig auszuschließen. Abgesehend davon, dass die Tore alle nur durch Anwendung bestehender Regeln fallen würden, wie in anderen Passagen näher erläutert ist. Es würde ein fast nur winzig kleiner Umdenkprozess ausreichen.
Und falls es irgendwann mal zu viele wären, könnte man ja noch immer darüber nachdenken, die Tore kleiner zu machen, um spaßeshalber einen der USA 1994 gemachten Vorschlag umzukehren? „Hilfe, die Leute laufen weg, weil es ständig scheppert. Da müssen wir was gegen tun! Tore kleiner, vielleicht gibt es dann endlich wieder mal ein 0:0?“ Kaum vorstellbar wohl?
Mehr Tore täten gut. In jeder Hinsicht.