Hoffentlich honorieren Sie meine Versuche, immer wieder interessante Aspekte der Mathematik, die noch dazu nützlich sein können, aufzuzeigen. Hier unter den „Zahlenspielen“ sind aber wirklich ein paar lustige Geschichten dabei.
- Die 14 Erden
Die Geschichte begann so, dass wir aus einer Laune heraus (wir, das sind mein damaliger, langjähriger Partner und bis heute guter Freund, Michael), eine Backgammonstellung konstruieren wollten, in der es maximal unwahrscheinlich war, dass die eine Seite noch gewinnt. Aber es sollte doch noch möglich sein.
Dazu sollte man wissen, dass eine jede Stellung, in der es noch Kontakt gibt, also in der noch geschlagen werden kann, sei es auch nur theoretisch, immer wesentlich wahrscheinlicher ist, als man es sich so vorstellen kann. Das liegt dann häufig noch im Prozent- oder Promillebereich.
Die von uns konstruierte Stellung sah so aus, dass es keinerlei Kontakt mehr gab. Man spricht dann auch von einem „reinen Rennen“. Wer höher würfelt, gewinnt. Natürlich kann eine Seite einen Vorsprung haben, dann genügt es, wenn man nur etwas schlechter würfelt, und man gewinnt trotzdem noch. Je nach Größe des Vorsprungs kann die Chance natürlich auch sehr groß bis gigantisch sein. Kurioserweise sehe ich häufig, auch unter sehr guten Spielern, dass sie in der Schlussphase der Partie, wenn die letzten Steine herausgewürfelt werden, anfangen zu rechnen, ob es möglich ist, dass sie noch gewinnen können. Sie zählen dann die Steine durch und rechnen. Ob man sich dann irgendwie schlauer fühlt, wenn man es heraus hat? Ich halte das für reine Zeitverschwendung. Ich würfle einfach, bis alle Steine raus sind, meine oder des Gegners. Und wenn er mich auf Grund dessen für einen schwächeren Spieler hält, dann wäre das nicht mal von Nachteil.
Also in der von uns konstruierten Stellung war es so, dass die hinten liegende Partei noch gewinnen konnte, wenn sie in den folgenden 11 Würfen 10 Mal Pasch 6 und ein Mal Pasch 4 (oder auch Pasch 6) würfelt. Winzige Nebenbedingung: Der Gegner, die vorne liegende, musste zeitgleich 11 Mal 1-2 würfeln. Wenn er einmal höher würfelt, war es garantiert gewonnen. Diese beiden Wahrscheinlichkeiten multipliziert ergeben eine Chance von 1.57*(10 Hoch -24). Also eine Wahrscheinlichkeit von ca. 1.57 zu 1000 000 000 000 000 000 000 000, ausgeschrieben.
Dann war Micha sofort bereit, 1 DM zu riskieren. Er wollte die führende Partei spielen und ich sollte den Außenseiter spielen. Er würde mir die korrekte Quote ausbezahlen, wenn ich gewinnen würde.
Ich erwog kurz die Möglichkeiten, es war ja ohnehin nur ein Spaß, eine DM hätte ich ihm auch schenken können oder ihm einen Kaffee spendieren können. Ich sagte, aus Spaß also: „Ok, können wir machen. Aber du musst den Gegenbetrag erst mal legen.“ Legen nennt man es, quasi auf den Tisch legen.
Jetzt war es wieder an ihm, zu überlegen. Dann haben wir uns die Sache vereinfacht und gemeinsam überlegt. Das artete regelrecht aus. Und einmal angefangen, waren wir nicht mehr zu bremsen. Wir haben gerechnet. Wir haben unendlich viele Größen abgeschätzt, das versteht sich. Dabei strömt man dann so durch die 10er Potenzen. Am Ende kam heraus, wenn er diesen Betrag „legen“ gewollt hätte, hätte er 14 Erden legen müssen. Aber die Besonderheit: Alle hätten prall gefüllt mit 1000 DM Noten sein müssen.
Möglicherweise hätte das dann die Tragkraft des Tisches gesprengt?
- Neun kleine Zifferlein… sprengen das Universum
Als Übungsaufgabe hatte ich mir mal überlegt: Man stelle die neun Ziffern, also alle Ziffern von 1 bis 9, so zusammen, dass sie die größtmögliche Zahl ergeben. Dann habe ich mir überlegt, das als Wettbewerb auszutragen. Und dann beginnt man, die Einsendungen zu überprüfen. Es gibt einen Preis für die beste Lösung, die größte Zahl.
Was mich dann wesentlich mehr beschäftigt hat, als die Frage, wie man die Ziffern so optimal zusammenstellt, war das Problem, dass man bei der Prüfung der Einsendungen hätte. Weil man jede Zahl erst ausrechnen müsste und das könnte auch jegliche Rechnerkapazität sprengen. Das hört sich kurios an? Also erläutere ich mal:
Die aus meiner Sicht optimale Lösung sieht so aus: 2 ^ 3 ^ 4 ^ 5 ^ 6 ^ 7 ^ 8 ^ 91. Das größte Problem besteht darin, die 1 möglichst so zu platzieren, dass sie am wenigsten Schaden anrichtet Denn irgendeine Zahl hoch 1 oder Mal 1 oder was auch immer verändert die Zahl ja nicht. Und wenn man sie in einer kleineren Potenz verwendet, wird es nie so effektiv.
Wenn man also vergleicht 2 ^ 3 ^ 41 mit 2 ^ 31 ^ 4 dann ist 2 ^ 3 ^ 41 wesentlich größer. Dabei ist tatsächlich zur Beurteilung der Größe der Zahl die Abfolge der Rechenoperationen zu beachten. Also die Zahl 2^(3^4) ist größer als (2^3)^4. Dabei ist (2^3)^4 = 4096 und 2^(3^4) um lächerliche 18 Zehnerpotenzen größer, nämlich = 2.41785 * 10^24. Mein Excel bewältigt sogar noch die Zahl 2^(3^6). Das ergibt die lächerliche Kleinigkeit von 2.824 * 10^219. Also mit diesen kleinen drei Ziffern habe ich eine Zahl produziert, die eine Länge von 219 Stellen hat. Aussprechbar ist sie ohnehin nicht mehr. Immerhin noch darstellbar.
Wenn Sie sich jetzt aber noch die 6 verbliebenen Ziffern vorstellen und die Explosion, die mit Modifikation der einen kleinen Ziffer (von 4 auf 6 als Potenz erziele ich einen Zuwachs von fast 200 Zehnerpotenzen, dann kann man sich vielleicht die Explosion vorstellen, die sich mit einer weitern Ziffer, die noch dazu in der Potenz steht, ergibt. Nur der Vollständigkeit halber: Die korrekte Schreibweise für die (bisher) größte Zahl mit den 9 Ziffern wäre eigentlich 2^(3^(4^(5^(^6 (7^( 8^91))))))).
Ich habe dann versucht, nur im Geiste, die Dimension zu wechseln und mir vorzustellen, wie man diese Zahl näherungsweise beschreibbar machen kann. Und dazu stelle ich mir die Nullenkette vor, die der führenden 1 folgt. Nur ist es ratsam, das gar nicht erst in einer Kette sondern gleich im Volumen darzustellen. Ich schreibe also Kisten-, Häuser-, Erdenweise Nullen. Pro Kubikmillimeter immer eine Null. Sagen Sie nicht, die sind zu groß. Aber selbst wenn: kleiner hilft auch nicht.
Da ich ja nun mühsam die ersten drei Ziffern verarbeitet habe, also das 2^(3^4), aber mit der 5 schon absolut nicht mehr zurecht komme, müssen andere Vergleichsmittel herhalten. Die abschließende 8^91 ist ja bereits auch eine 1 mit 82 Nullen. Das ist aber nur der Exponent für die davor schon alle Dimensionen sprengende Zahl. Und selbst wenn es einem gelingen sollte, die Nullen der Zahl bis zur 7 in unserer Milchstraße unterzubringen, dann ist diese Zahl potenziert mit einer 1 mit 82 Nullen garantiert das Ende unseres Universums, es platzt aus allen Nähten.
Ich stelle mir nur noch mal den Auswerter vor, der dann den schlechter platzierten die traurige Mitteilung machen muss, dass ihre Lösung um die Kleinigkeit von 628 Millionen Universen zu klein geraten ist gegenüber der Gewinnerlösung. Und ich habe doch lediglich ein paar Ziffern aneinander gereiht, gerade mal 9…
- Schach
Das erste Schachbuch, welches ich aufschlug, begann auch gleich mit der Anekdote, welche erzählt, wie der Erfinder des Spiels seinem Schah (ja, Persien, daher das Wort „Schach“) das Spiel vorschlug und dieser so begeistert davon war, dass er dem Herrn Erfinder gerne einen Wunsch erfüllen wollte. Dieser sagte, er würde sich nur ein Reiskorn auf dem ersten Feld, die doppelte Zahl auf dem zweiten, dann wieder die doppelte Zahl, also 4 auf dem dritten und so weiter wünschen würde. Der Schah war so gerührt ob der Bescheidenheit des Wunsches und gedachte, diesen ohne Umschweife zu erfüllen. Leider musste er alsbald feststellen, dass der gesamte Reisbestand der Erde vermutlich nicht ausreichen würde. Schlaue Menschen haben viel später die Länge der Lastwagenkette berechnet, die erforderlich gewesen wäre, alle diese Reiskörner zu transportieren. Diese hätte angeblich mehrfach die Erde umspannt.
Nun gut, das mag beeindruckend klingen, aber die Zahl 2^64 kann ich noch ohne weiteres niederschreiben. Das ist gleich 1.844 * 10^19. Man könnte sie sogar noch aussprechen. Das sind gerade einmal 18,44 Trillionen. Hört sich so ein bisschen an wie unser Haushaltsdefizit.
Auf der anderen Seite versuche ich immer wieder auf den Glücksfaktor im Schach aufmerksam zu machen. Das wird von fast allen Spielern (mit Freuden) ignoriert. Alle guten Züge, die jemand aus einem falschen Beweggrund macht, die sich aber als wirksam und gut erweisen, werden entweder der Intuition oder als „geplant“ ausgewiesen. Dass fast ein Jeder dabei flunkert, gehört zum Schach dazu. Die Eitelkeit (habe ich darüber schon ein wenig geplaudert?) ist ein treuer Wegbegleiter (Vorsicht, pass auf, Paule, was du redest!) der Menschen mit vermindertem Selbstwertgefühl. Dieses ist allerdings sehr weit verbreitet, es gibt kaum Ausnahmen.
Andere Glücksfaktoren wie „Zustand des Gegners“, „zufälliges, nicht planmäßiges Zustandekommen einer Position“, „grober, nicht dem Niveau des Gegners entsprechender, Verlust bringender Bock des Gegners“, „glückliche Konstellation der Figuren“ oder auch „trotz Übersehens des Gegenzugs geht es gerade noch gut“, abgesehen von „Losglück im Turnier“ oder auch da „Fehlleistungen der Konkurrenten in entscheidenden Partien ohne eigene Beteiligung“ und etliche andere werden wohlwollend ignoriert. Man hat eine Stellung, man kennt alle legalen Züge, man hat die Möglichkeit, das Geschehen durch die eigene Zugauswahl entscheiden zu beeinflussen.
Deshalb präsentiere ich jedem Zweifler immer gerne meine ursprüngliche Überlegung, wie ich das Glück beweisen kann: Wenn man einem Affen (das kann auch gut und gerne ein Computer sein) das Schachspiel beibringt und er nichts weiter weiß als alle legalen Züge in einer Stellung zu (er-)kennen und dann von allen legalen Zügen einen zufällig auszuwählen hat, er auch die Möglichkeit hätte, sämtliche Züge auszuführen, die auch Kasparow in diesem Moment gemacht hätte. Die Wahrscheinlichkeit mag einem klein erscheinen. Ich habe dafür mal angenommen, dass eine Partie im Schnitt 50 Züge dauert und pro Stellung 22 legale Züge möglich sind, dann ergibt sich die Zahl 22^50. Dann ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit von 1 zu 1.3* 10^67. Diese Zahl kann man zwar nicht mehr aussprechen, aber sie ist noch ohne weiteres darstellbar. Der Affe hat also mit einer Wahrscheinlichkeit von diesem Wert jetzt alle Kasparowschen Züge ausgeführt.
Aber dann, in der Stellung, in der Kasparows Gegner aufgibt, wäre das sicher nicht ratsam für den Gegner. Nach diesen 50 Zügen, die der Affe dann ausgeführt hätte wie Kasparow, würde der Affe danach immer noch 99.999999999999999 % aller Partien verlieren. Denn selbst wenn er einen ganzen Läufer oder gar Turm im Vorteil wäre (was in der Großmeisterpraxis garantiert zur Aufgabe führen würde, selbst kleinere Vorteile), würde er die Partie bei weiterhin zufälliger Auswahl der Züge doch noch verlieren, praktisch immer.