Eine Frage wird mir häufig und gerne gestellt: „Was war dein größter Gewinn?“ Nicht ganz so interessant scheint die Frage zu sein: „Was war dein größter Verlust?“ Jedoch habe ich für die Zurückhaltung bei dieser Frage eine einfache Erklärung: Diplomatie. Man würde es gerne wissen, auch, um sich selbst davon zu überzeugen, dass man zu recht einen „soliden“ Beruf gewählt hat. Jedoch fragt man mich nach meinem größten Gewinn, und leitet sich daraus einfach ab, in welchen Größenordnungen sich die Gewinne und die Verluste bewegen können.
Nun nutze ich die Gelegenheit, Ihnen auch darüber zu berichten. Und ich bleibe schonungslos, auch mir selbst gegenüber. Also die schlimmen Verluste sind genauso vertreten wie die hohen Gewinne.
- das erste und das zweite Mal
Meine Wettkarriere hatte also begonnen. Die WM 1990 war der Einstieg. Die Saison 1990/91 habe ich, wie oben beschrieben, meine Einschätzungen mithilfe der theoretischen Wetten bei 9 Buchmachern überprüft. Mit dem Verkauf schien zunächst kein Geschäft zu machen zu sein. Also hieß es: selber wetten. Vielleicht würde ja nach einigen Jahren oder einigen meinerseitigen Erfolgen der eine oder andere sich doch bei mir melden, um nach meinem System zu fragen.
Also zur zweiten Hälfte der Saison 90/91 begann ich, mit barer Münze zu wetten, regelmäßig und beabsichtigt erwerbsmäßig. Das verfügbare Kapital waren 25000 DM. Also zahlte ich bei einigen Buchmachern Beträge ein, so dass ich dort spielen konnte. Nun ist ein Erfolg ja nicht sofort zu erwarten bzw. muss man auch mit Verlusten rechnen.
Ich arbeitete also akribisch meine Wetten aus. Ich platzierte die Wetten, zu der Zeit meist telefonisch, in England und Österreich. Alle Wetten wurden im Computer erfasst. Es waren fast ausschließlich Systemwetten. Kombinationswetten waren ohnehin aufgrund der Kombination der Vorteile aussichtsreicher als Einzelwetten. Und im System wurden sie verpackt, um doch sowohl Geld, also nennenswerte Summen, auf die ausgewählten Spiele zu bekommen, als auch die swings etwas geringer zu halten. Der Vorteil wirkt sich sozusagen optimal aus.
So hatte ich anfangs Woche für Woche ca. 6000 DM im Einsatz. Nun ist man natürlich gespannt auf die Ergebnisse. Ich hatte Spiele in ganz Europa gewettet. Ergebnisdienste existierten noch nicht. Videotest gab es zwar bereits, aber ich musste mir erstmal einen Fernseher mit Videotest zulegen (1992). Aber die Ergebnisse der ausländischen Spiele wurden ohnehin noch nicht dort angezeigt. Ich tat alles, um die Ergebnisse irgendwie zu erfahren. Das war auch der anfänglichen Aufregung geschuldet.
Ich rief teilweise noch spät abends bei irgendwelchen Buchmachern an, um etwas heraus zu bekommen. Manche kannten mich dann schon nach einer Weile. Es gelang mir immer besser, zur richtigen Zeit den richtigen Mann anzurufen.
Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie ich Woche für Woche irgendwie enttäuscht war, wenn ich die Ergebnisse hörte. Ich dachte immer „Ach, das Spiel auch falsch.“ Dann machte ich mich an die Abrechnung. Und oft stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass ich trotzdem gewonnen hatte. Das schwankte so zwischen 300 und 2000 DM pro Woche. Sicher gab es auch Verlustwochenenden, aber insgesamt war das Ergebnis deutlich positiv. Also das System schien zu funktionieren, die Zahlen der theoretischen Wetten wurden durch die Praxis bestätigt.
So begab es sich, dass ich an einem Wochenende mal wieder meine Wetten, wie üblich, platziert hatte. Ein Freund, Andreas, hatte bereits Videotext und er wusste auch sonst einiges über meine Wetten. Er wusste also, dass ich in der Schweiz immer die Auswärtssiege gespielt hatte. Ich konnte die am Sonnabend aber (noch) nicht erfahren und ging irgendwann schlafen. Am Sonntag früh klingelte mein Telefon zu einer ungewöhnliche Uhrzeit. Andreas: „Kennst du schon die Schweizer Ergebnisse?“ Ich: „Nein, sag mal.“ Er: „Alle Auswärtsmannschaften haben gewonnen.“
Die Nachtruhe war jäh beendet. Ich notierte die Ergebnisse und verglich mit meinen Wetten. Und spürte zum ersten Mal die richtig große Aufregung. Das sah viel versprechend aus. Sicher war, dass ich einige der Spiel richtig hatte. Aber es geht häufig um die Kombination der Wetten, wie sie zusammen gestellt waren. Aber es schien zu passen. Eine Wette produzierte bereits eine hohe Auszahlung. Ich scheute mich sogar, die Auszahlung auszurechnen. Die Quoten sind naturgemäß bei Auswärtssiegen meist höher, es waren ja Außenseitertipps. Und hohe Quoten produzieren hohe Auszahlungen.
Die Sonntagsspiele standen noch aus. Aber in der einen Wette waren noch drei Spiele aus Dänemark offen. Den Tag verbrachte ich so, wie man als Kind einen Heiligen Abend verbringt: Zeit totschlagen. Die dänischen Ergebnisse konnte man auch kaum erfahren, nicht vor Montag. Allerdings hatte ich zum Nachmittag hin einen Geistesblitz: Ein früherer Kollege von mir war Däne. Und ich hatte seine Rufnummer. Ich rief ihn an und erreichte ihn. Eine dänische Tageszeitung? Wüsste er nicht. Aber ich könnte seine Mutter in Dänemark anrufen. Sie spräche auch ein wenig Deutsch und könnte mir sicher helfen. Auch diese Frau erreichte ich. Sie konnte mir zwar nicht mit den Ergebnissen helfen. Aber sie gab mir die Rufnummer einer der größten dänischen Zeitungen, Berlingske Tidende.
Kurz vor 17 Uhr, Anpfiff war 15 Uhr, rief ich die Zeitung an. Ich sprach Englisch. Sie wollten gerne wissen, wer oder was ich sei. Journalist? Woher? Nein, Fußballenthusiast. Und tatsächlich nahm sich einer die Zeit und gab mir die Ergebnisse durch.
Wie soll ich meine Empfindungen beschreiben? Höchstens so: Kind an Heilig Abend kommt ins Zimmer zur Bescherung und – nichts unterm Weihnachtsbaum, kein einziges Geschenk. Alle drei Ergebnisse falsch!
Nun war ich gezwungen, die Abrechnung zu machen. Der Gewinn betrug dennoch 3000 DM. Die Enttäuschung überwog. Und dann habe ich meine Schmerzen noch vergrößert, indem ich die möglichen Gewinne berechnet habe, bei einem, zwei oder drei Richtigen. Diesmal waren es übrigens eher Favoritentipps, also kleinere Quoten. Dennoch steigerte sich der Gewinn kontinuierlich bis auf über 20000 DM, wenn alle drei richtig gewesen wären.
Wunden kann man sich relativ leicht zufügen, auch offene. Aber muss man dann auch noch drin rumbohren?
Aber das Schicksal meinte es weiterhin gut mit mir. Oder gibt es doch das „Glück des Tüchtigen?“ Jedenfalls dauerte es gar nicht so lange, bis ich ein ähnliches Erlebnis hatte. Ich habe gerade meine Datenbank befragt und festgestellt: es war der 13. Spieltag der Bundesligasaison 1991/92. Also dann im Herbst 1991. An diesem Spieltag verlor Bayern(zum letzten Mal bis heute, 12.7.2008) ein Heimspiel gegen Borussia Dortmund. 0:3. Ich hatte Dortmund gewettet, hohe Quote, über 6.0. Ich sah das Spiel, wie damals üblich, in der Sportschau. Dann das nächste Spiel: HSV – Wattenscheid. Ich hatte Wattenscheid. Quote: 8.0. Ergebnis: 0:1, Wattenscheid gewann auch. Riesenquoten, das verspricht Gewinne. Dann kamen die Abendspiele. Ich hatte wieder die Schweizer Spiele getippt, wieder fast alle Spiele auf Auswärtssieg. Es gab bereits einen Ergebnisdienst. Ich saß mit Freundin Elena, schwer verliebt, im Restaurant. Ich musste aber den neu installierten Ergebnisdienst in Bielefeld anrufen, nach Beendigung der Spiele.
Und da fiel mir dann wirklich der Hörer aus der Hand: Es war eine Bandansage, die man abhörte. Und es geht ziemlich schnell, ich versuchte, mir alles zu merken. Sicher war aber eines: In der Schweiz hatten wieder fast alle Auswärtsmannschaften gewonnen. Ich wusste nicht, wen ich wo hatte, wie hoch die Quoten waren und so weiter. Aber einige hatte ich sicher und die Gewinne, die sich bereits ankündigten, wurden sicher schon deutlich größer. Aber erst mal das Potential für die Sonntagsspiele! Im Prinzip ist es dann so, dass man garantiert schon einen guten Gewinn hat, aber trotzdem noch (zu) hohe Beträge auf den restlichen Spielen. Aber das ist ja gerade der Sinn der Systemwetten (siehe Kapitel „Mein System“). Man gerät in einen Rauschzustand. Das Essen schmeckte, der Wein schmeckte doppelt und anschließend kann es auch schon mal beim Sex…
Alle meine Wetten waren natürlich in Systemwetten (siehe Kapitel „Der Wettmarkt“) platziert. Bei einer Wette hatte ich zum Beispiel 7 von 9 Spielen richtig. Aber die anderen beiden fanden noch statt am Sonntag! Die Auszahlung war jetzt schon sicher einige Tausend DM. Aber wenn noch eins dazu käme? Oder gar beide? So sah es dann in allen Systemwetten sehr günstig aus. Ich habe aber bewusst nicht die bereits gesicherten Auszahlungen geprüft. Ich wollte mir diese Extraspannung auch weder rauben noch künstlich erhöhen. Diesmal waren es auch wesentlich mehr Sonntagsspiele, auf denen noch Geld war.
Den Sonntagnachmittag verbrachte ich diesmal ganz entspannt. Und diesmal passten sie. Ich war bei einem Freund, immer noch in dem begreiflichen Rauschzustand und sah in der Sportschau in der Zusammenfassung der zweiten Liga (Süd), dass auch Halle bei Mainz gewann! Noch eine 7.0 er Quote. Die Abrechnung wurde diesmal zum Fest. Ergebnisse rein, Computer rechnen lassen, das war bereits automatisiert. Ergebnis: 92000 DM Gewinn! Für mich war es zwar nur die Hälfte, die andere Hälfte ging an Abi, aber 46000 DM fühlte sich erstmal richtig gut an. Montags ging ich gleich am Ku-Damm shoppen. Anzug, Hemd Krawatte, Schuhe, aber nur ca. 1000 DM.
- die negativen Highlights
- Porto – Feyenoord
Bedauerlicherweise sind die Geschichten mit den großen negativen swings weniger spektakulär. Das Problem ist einfach, dass man oftmals einen schlechten Lauf hat über eine längere Zeit hat, so dass der Effekt entsteht, dass man „viel verloren“ hat. Das ist aber eben nur die Summe über einen längeren Zeitraum.
Dennoch gibt es natürlich einzelne Spiele, die sehr viel Geld gekostet haben. Da ich es versprochen hatte, will ich natürlich mindestens eine Geschichte erzählen.
Es lief eines späten Abends das Spiel FC Porto – Feyenoord Rotterdam.
Europapokal 1993/1994. Mein Computer hatte mir geraten, einen Kurs von 1.90 auf Porto zu zahlen. Der Grund war relativ einfach: Obwohl Porto die bessere Mannschaft war, war der Computer (nicht ganz grundlos) der Meinung, dass es wenige Tore geben würde. Nun ist der Effekt, wenn es wenig Tore gibt stets, dass der Kurs auf das Unentschieden klein wird (die 0:0 Gefahr, aber auch das 1:1 ist ja noch „torarm“) und dadurch die Siegquoten auf beide Mannschaften ansteigen. Natürlich auch die Favoritenquote. Ich war noch relativ jung im Geschäft und vertraute meinem Computer.
Heute hätte ich vielleicht etwas größere Zweifel, aber damals war ich bereit, den Kurs von 1.90 am Markt zu „bezahlen“. Es war ein Rückspiel, das Hinspielergebnis war ein 0:0. Hatte mein Computer doch nicht nur phantasiert mit der Torarmut?
Jedenfalls sind die Anstoßzeiten in Portugal ohnehin häufig recht spät (Zeitverschiebung; Portugal liegt im aüßersten Westen Europas, aber wem sag ich das). Der swing auf das Spiel war für mich 30000 DM. Ich brachte es nicht fertig, in den Videotext zu schauen. Dafür gab es aber eine komplette Aufzeichnung des Spiels auf Eurosport, allerdings Zeit versetzt. Ich wartete also bis 23 Uhr und konnte dann das gesamte Spiel sehen. Das Spiel plätscherte dahin. Keine action, eigentlich auch keine Spannung, wenn da nicht…
In der zweiten Halbzeit gab es einen Platzverweis für einen Feyenoord Spieler. Oh Schreck! Etwas später allerdings auch einen für Porto. Spielstand unverändert, 0:0. Der Schiri schien auch nichts gegen mich zu haben, wie es schien. Es konnte eigentlich kein Tor mehr fallen. Es gab ja nicht mal eine Torchance. Dann kam endlich die Nachspielzeit. Diese wurde zu der Zeit noch nicht angezeigt. Aber es konnte ja nicht mehr lange sein. Die 1., 2., 3. Minute Nachspielzeit verging. Noch keine Anzeichen für den Abpfiff, allerdings auch nicht für ein Tor. Die 4. Minute war rum. Jetzt muss er doch abpfeifen. Wie gesagt, es war auch langweilig für neutrale Zuschauer. Ohne Torchancen. Zumal ist eine Beobachtung von mir, dass die Schiedsrichter ganz gerne bei solchen „verlängerungsträchtigen“ Spielständen eher früher abpfeifen. Denn: die Spieler müssen ja (wahrscheinlich; und gerade ich verwende dieses Wort hier) noch 30 Minuten länger spielen.
Also 6 Minuten waren rum. Ich lief im Zimmer hin und her (interessant übrigens meine weiteren Empfindungen hier; denn: das Ergebnis stand ja bereits fest. Also war es doch nicht identisch mit einem live Spiel). Jetzt muss er abpfeifen. Er muuuussssss. Die 7. Minute war rum. Weder Torchance noch Schlusspfiff. Sie ahnen, was geschah: Plötzlich, 8. Minute der Nachspielzeit doch noch eine Chance für Porto, und … drin, 1:0, Abpfiff.
Gekostet hat es mich (im swing) 30000 DM plus ein Bett plus meinen bis dahin noch gesunden Fuß. Denn: Als der Ball drin war trat ich mit voller Wucht gegen mein Bett. Das brach zusammen und mein Fuß war auch noch hin…
Wie ich viel später erfuhr, war es übrigens (bis dahin) das Spiel mit der längsten Nachspielzeit in der Geschichte des Europapokals…
- Werder Bremen – RSC Anderlecht
Mir scheint, immer wenn Geschichte geschrieben wird, bin ich am „receiving end“. Sicher, das genaue Datum habe ich mal wieder dem Internet entnommen. Historisch war also weniger das Datum als viel mehr das Ereignis. Es war der 8.12.1993. Ich hatte einen großen Betrag darauf, dass Anderlecht bitte das Spiel nicht verlieren möge. Die erste Halbzeit war in gewisser Weise Einbahnstrasse. Denn: nur der RSC Anderlecht erzielte Tore. Und zwar insgesamt drei. Nun, eine 3:0 Pausenführung hört sich doch ganz komfortabel an, oder?
Auch die ersten 21 Minuten der zweiten Halbzeit verliefen ganz im Sinne von Anderlecht. Es stand nämlich noch immer 3:0. Und dann wurde einfach Geschichte geschrieben. Ein weiteres Kapitel zumindest. Und zwar eines aus der Kategorie „Werders legendäre Europapokal Auftritte“.
66. Minute 1:3 Wynton Rufer, 72. 2:3 Rune Bratseth, 80. 3:3 Bernd Hobsch, 83. 4:3 Marco Bode und 89. Minute das 5:3 wiederum durch Wynton Rufer. Kostenpunkt für mich? Ca. 40000 DM (im Swing). Dass Luc Nilis kurz vor dem 3:5 noch eine Riesenchance zum 4:4 vergab, interessiert (in Deutschland) natürlich Niemanden mehr. Wenn die deutschen Panzer mal ins Rollen kommen…
Dass ich die zweite Halbzeit „nebenbei“ bei einem Familienzusammentreffen Brüder – Mutter erleben musste und noch dazu mir damals noch gar nichts anmerken lassen wollte/musste, hat meine Empfindungen auf keinen Fall zum Positiven verändert. Es war das nackte Grauen. Und ganz Deutschland schwärmt noch heute, wenn Werder mal wieder im Europapokal ran darf. Hab ich den Grundstein dafür gelegt? „Gibt es heute wieder einen der legendären Auftritte von Werder?“ So die Sprecher stets mit bedeutungsschwangerer Stimme.
- Bayern München – Manchester United
Wer erinnert sich nicht an dieses denkwürdige, dramatische, unglaubliche Finale der Champions League 1999? Und immer, wenn es mir einfällt, beginne ich, zu philosophieren: Werde ich ein solches Spiel umgekehrt auch einmal so gewinnen? Ich stelle mir vor, dass meine Mannschaft hinten liegt bis zur Nachspielzeit und noch 2 Tore erzielt. Aber das alleine würde ja nicht genügen. Es müsste ja dazu noch um 25000 DM gehen.
Jedenfalls war das ein Spiel, über das ich mir schon lange vorher Gedanken gemacht hatte. Ich erinnere mich noch zu gut daran, wie ich mit meinem guten Freund und Mitarbeiter Robert Rabiega, Schachgroßmeister, das Spiel schon durchgegangen bin, als die Finalpaarung noch nicht einmal feststand. Das waren ja zwei der großen Favoriten. Und wir sind damals, wie es die BILD heutzutage bei großen Spielen häufig macht, das Spiel Spieler für Spieler, Position für Position durchgegangen. Und wir kamen zu dem Ergebnis: Dieses Spiel ist absolut ausgeglichen. Wenn nicht sogar Bayern minimale Vorteile hat. Das war allerdings meine exklusive Meinung. Als ManU dann das Rückspiel bei Juventus im Halbfinale nach 0:2 Rückstand zum 3:2 drehte, hat sich der Wettmarkt zugunsten von ManU verschoben. So eine einmalige Leistung wird honoriert, klar. Aber meiner Meinung nach über Gebühr.
Dazu muss man aber wissen, dass ich absolut keine Neigung zugunsten deutscher Mannschaften habe. Es ist eher das Gegenteil, aber nicht aus Abneigung. Es ist eher, weil der Markt meist etwas zu viel Respekt vor deutschen Mannschaften hat. Mir fällt eine objektive Einschätzung oftmals auch zugegebenermaßen etwas schwerer als bei anderen Spielen. Ist es die Fülle der Informationen, die man zwangsläufig über die Medien bekommt, ist es Befangenheit oder nur eine weitere Bestätigung des Sprichworts „der Prophet gilt nichts im eigenen Land“?
Aber Objektivität ist immer gefragt. Und hier war das Ergebnis klar: ManU ist nicht Favorit. Aber am Markt war es ganz eindeutig: ManU wurde als klarer Favorit gehandelt. Also war klar: Ich musste Bayern spielen. Selbstverständlich gibt es keinen Zwang, ein solches Spiel teuer zu spielen. Aber dennoch gibt es ein paar Kriterien, die es rechtfertigen. Diese sind a) die absolute Gewissheit, hier keine Fehleinschätzung haben zu können und b) die Gewissheit, dass ein solches Spiel unter gar keinen Umständen manipuliert sein kann.
Ich habe dazu noch einen verhängnisvollen weiteren Fehler gemacht: Dieses Spiel war so klar und eindeutig zugunsten von Bayern verlaufen und ManU war nicht im Spiel. Die verpassten Chancen, und das waren zumindest zwei glasklare (u.a. Lattenschuss Effenberg), waren kaum noch relevant. Es musste nur noch abgepfiffen werden. Und ich setzte mich, in meinem Übermut und meiner grenzenlosen Naivität und Dummheit bereits an meinen Rechner, um die Wetten abzurechnen, als plötzlich… der Ball nach einer Ecke im Tor einschlug. Kostenpunkt: 15000 DM (swing). Ich konnte nicht mehr hinschauen. Und als tatsächlich in der letzten Sekunde der Nachspielzeit der Ball ein weiteres Mal einschlug (erstes Tor: Scholes, zweites Tor: Sheringham) waren weitere 10000 DM dahin.
Tja, was tut man in solchen Momenten? Mein Bett und meinen Fuß habe ich diesmal verschont. Diesmal verfiel ich in Apathie. Dann legte ich mich auf mein Bett und begann zu philosophieren. Die Gedankenspiele sehen dann etwa so aus: Es gibt so viele Menschen, die wirklich schlimme Schicksale haben. Manche weilen schon gar nicht mehr unter uns, andere haben schwere Krankheiten, einem fehlt ein Arm, einem ein Bein. Nein, mein Schicksal, obwohl es sich grad so anfühlt, ist nicht das schlimmste auf der Welt.
Also muss man sich wieder aufrappeln, weiter machen. Und zwar nicht in panischem Aktionismus, um das verloren Geld zurückzuholen, sondern die gleiche Arbeit wie am Tag zuvor.
Tragisch bei den Championsleague Finals ist es aber, dass es oftmals das letzte Spiel der Saison ist. Oder sollte ich das als glücklichen Umstand werten? Keine Chance, weitere Dummheiten zu begehen? Jedenfalls hat man keine Gelegenheit, in nächster Zeit das wieder aufzuholen, wieder zu gewinnen. Man muss Geduld haben. Und Disziplin. Und ein dickes Fell. Und nach Möglichkeit genug Geld, um trotzdem noch Urlaub machen zu können.
- Frankreich – Italien
Mag sein, dass es in der allgemeinen Erinnerung ein wenig verblasst ist, dieses Spiel, es sein denn, man ist Italiener. Und ich bin ja quasi Italiener. Jedenfalls war es das EM Finale 2000. Favorit war Frankreich. Aber ich hatte schon vorher Italien gewählt und gewettet, sogar auf Turniersieg, vor dem Turnier. Weil sie nach meiner Einschätzung zu diesem Zeitpunkt unterschätzt wurden. Aber im Finale blieb mir keine Wahl: Obwohl ich aufgrund der vorherigen Wetten ohnehin schon Italien hatte, musste ich sie noch nachspielen. Fehleinschätzung ist Fehleinschätzung und Beruf ist Beruf.
Also ging es wieder um 25000 DM. Und Italien war gut, Italien war besser, obwohl Außenseiter. Italien ging auch in Führung. Und nun ist es ja weltweit und für jede Mannschaft fast schon sprichwörtlich schlimm, ausgerechnet gegen eine italienische Mannschaft in Rückstand zu geraten. So erging es auch den Franzosen. Sie waren stark, sie haben auch ein paar Chancen bekommen. Aber sie schafften den Ausgleich nicht. Doch selbst wenn der Ausgleich fallen würde, hätte ich auch noch lange nicht verloren.
Dann wieder: die Nachspielzeit. Auch diese war fast abgelaufen. Dann gab es eine Szene, die sicher kaum jemand außer mir in dieser Form wahrgenommen hat: Ein Italiener, meiner Erinnerung nach Delvecchio, ist nach einem abgefangenen Angriff der Italiener stehen geblieben in der gegnerischen Hälfte. Er zog sich die Stutzen hoch, Erschöpfung? Jedenfalls schrie ich ihn quasi an, er solle zurücklaufen oder das Feld verlassen (er stand in der Nähe der Auslinie). Aber er blieb innerhalb. Italien fing seinerseits den Angriff der Franzosen ab. Ein Italiener schlug den Ball nach vorne, wie man es halt in solchen Situationen tut. Die Schiedsrichterentscheidung war eindeutig und korrekt: Abseits. Der Mann stand innerhalb des Feldes, egal, ob er in diesem Moment ins Spiel eingriff. Frankreich kam in Ballbesitz. 2:30 über die Zeit, Der letzte Angriff, der letzte Torschuss, drin, 1:1.
Verlängerung. Es kam, was kommen musste (sollte ich so etwas sagen?). jedenfalls fiel das 2:1, Frankreich war Europameister. Ein weiterer schwarzer Tag. Und, verdient hin oder her. Wer möchte darüber noch streiten? Das Geld war weg, nur das zählte, zumindest für mich.
- Borussia Mönchengladbach – Werder Bremen
Noch ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Ich bemühe mich, bei dieser Zusammenfassung natürlich nur solche Spiele zu erwähnen, wo irgend etwas absolut außergewöhnliches geschehen ist. Und, ich gebe Ihnen gerne immer mal wieder einen kleinen Einblick in die „Zockersprache“. So auch hier: Wenn jemand den Gewinn schon sicher glaubt und, ungeachtet der Tatsache, ob er noch einen Einfluss auf den Ausgang hat oder nicht. Man sagt dann gerne: „Der war schon einkaufen mit dem Geld.“
Also man beschäftigt sich nicht mehr mit dem aktuellen Geschehen. Im Geiste ist man bereits einkaufen. Boh, ei, so viel Geld. Was kann ich damit alles einkaufen?
So war ich also auch schon „einkaufen“ in allen diesen Fällen. Oder ist es doch nur ein geflügeltes Wort? Aber ich hatte ja wirklich keine Steuerungsmöglichkeiten. Ändert das etwas? Oder habe ich sie nur nicht wahrgenommen?
Es war gegen Ende der Saison 2006/2007. Borussia Mönchengladbach war schon so gut wie abgestiegen. Nur ein Wunder konnte sie noch retten. Aber wenn das Wunder geschehen sollte, musste an diesem Spieltag Werder Bremen besiegt werden. Ich hatte aber Werder gespielt, auf Sieg. Werder hatte das Spiel die ganze Zeit im Griff und führte. Es ging in die Schlussphase. Ich hatte längst bei premiere auf die Konferenz umgeschaltet, um auch bei den anderen Spielen informiert zu sein.
Werder war ja nicht meine einzige Wette, sondern (nur) die mit Abstand teuerste. Jedenfalls kam kurz vor Schluss der Ruf des Reporters: „Tor in Mönchengladbach, Tor in Mönchengladbach.“ Ich bekam einen Schreck und dachte nur: „Bitte nicht.“ Besser wäre gewesen „Schlusspfiff in Gladbach.“ Denn dann hätte ich ja gewonnen. Aber die Einblendung kam. Es war zwar Tor, aber Tor für Werder. Das 3:1. Ich hörte gar nicht mehr hin, bewegte mich (wieder mal) in Richtung Rechner, was ich aber ohnehin immer zum Schluss tue. Denn die Ergebnisse müssen ja eingegeben werden, die Wetten abgerechnet und so weiter.
In diesem Falle gab es ja auch, im Gegensatz zum CL Finale, auch andere Spiele, die schon beendet waren.
Na gut, die anderen Ergebnisse waren zwar nicht günstig, aber durch den Werder Sieg war alles in Ordnung. Garantiert Gewinn, das war klar. Aber plötzlich, alle Spiele waren beendet, und diesen hysterischen Schrei werde ich so schnell nicht mehr vergessen, die Stimme überschlug sich diesmal: „Tor in Gladbach, Toooor in Gladbach, Tor Tor Tor!!!!“ Ich denke zunächst noch: „Na, was schreit der denn so, wenn ein Tor dann halt das 2:3 oder das 1:4. Aber dafür so eine Hysterie?“ Aber dann der Schock: „Das 2:2. Unglaublich. 94:30 über die Zeit. Es waren nur 4 Minuten angezeigt. Aber hier musste noch was draufgepackt werden. Nando Rafael zum 2:2. Und gleichzeitig der Schlusspfiff.“
Was mir entgangen war, war also, dass das (im Übrigen, wie später nachgewiesen) absolut korrekte Tor von Werder nicht gegeben wurde, es also noch 2:1 stand. Und geholfen hats Gladbach ja eh nicht, sie sind hoffnungslos abgestiegen. Meine Kohle war futsch.
Unterschied für mich: 15000 Euro.
- USA – Kolumbien
Weltmeisterschaft 1994. Und es gab eine Überraschung schon vor der WM: Ein Qualifikationsspiel Argentinien – Kolumbien endete 0:5. Carlos Valderrama war der Spielmacher, Adolfo Valencia der Torjäger. „El Tren“ spielte seit 1993 bei Bayern München. Und dann hat Pele noch vor der WM einen Satz gesagt: „Mein Geheimtipp für diese WM ist Kolumbien.“
Die Folgen für mich können Sie sich in etwa ausmalen. Der Geheimtipp war nach wenigen Tagen nicht mehr ganz so geheim. Eher im Gegenteil. Sämtliche Wetter, die etwas auf sich hielten, spielten Kolumbien. Die meisten spielen es dann aber kursunabhängig. Denn Pele hat gesprochen. Und das ist vergleichbar mit Winnetou.
Weitere Folge: Kurseinbruch am Markt. Unabdingbar dann für jeden Profispieler: Geld zählen, Verstand zusammenreißen und den korrekten Betrag finden. Die Wettformulierung ist auch klar: Alles gegen Kolumbien. So läuft das Geschäft halt.
Die Beträge verteilten sich selbstverständlich auf verschiedene Ereignisse. Kolumbien soll möglichst wenig Tore schießen. Kolumbien soll möglichst wenig Punkte in der Vorrunde machen. Kolumbien soll so früh wie möglich ausscheiden und so weiter. Aber auch ganz konkret im einzelnen Spiel sollen sie nicht gewinnen, besser noch verlieren.
Und dann kam das Spiel: USA – Kolumbien. Kolumbien hatte schon gegen Rumänien verloren (kuriose Geschichte hier nebenbei: ich sollte bei der deutschen Meisterschaft im Subbuteo, ein wenig bekanntes Tischfußballspiel, wo ich aber immerhin zwei Welt- und zwei Europameisterschaften mitspielen durfte, teilnehmen. Mein Vereinsvorsitzender, Marcus Tilgner, wollte mich unbedingt überreden. Aber es war Fußball WM. Ich willigte ein unter einer Bedingung: Er müsse seinen Videorekorder mitnehmen und die parallel stattfindenden Spiele aufzeichnen. Er versprach es. Und, ein Mann, ein Wort: Er tat es auch. So spielten wir zusammen die deutsche Meisterschaft, Mannschaft, kehrten spät abends ins Hotel zurück, warteten noch den Abpfiff aller Spiele ab und schauten dann die aufgezeichneten Spiele die ganze Nacht hindurch. Unter anderem Kolumbien – Rumänien. Ergebnis: 1:3).
Das zweite Spiel war also sehr wichtig für Kolumbien, Sie mussten es gewinnen. Sie mussten. Und wer auch immer dafür verantwortlich war oder wie es zustande kam: Das Endergebnis lautete 2:1 für USA. Besiegelt wurde das Endergebnis durch ein Eigentor des Kolumbianers Pablo Escobar. Und ich zitiere hier wörtlich, was ich im internet darüber soeben fand:
„ Beim Vorrundenspiel gegen die Mannschaft der USA am 22. Juni 1994 erzielte Escobar ein Eigentor; Kolumbien verlor 1:2 und schied aus dem Turnier aus. Wenige Tage später, am 2. Juli 1994, wurde Andrés Escobar vor einer Bar in Medellín mit 12 Schüssen getötet.
Der Täter Humberto Muñoz Castro handelte möglicherweise als enttäuschter, wütender Fan, oder aber als Auftragsmörder der kolumbianischen Wettspielmafia. Vermutet wird jedenfalls, dass der Grund für Escobars Ermordung jenes Eigentor war. Muñoz Castro wurde im Juni 1995 zunächst zu 43 Jahren Haft verurteilt, im Jahre 2005 aber wegen guter Führung entlassen.“
So tragisch dieses Tor auch für Kolumbien und noch mehr für diesen Mann war: Mir brachte es in diesem Moment einen Gewinn von ca. 50000 DM ein. Kolumbien war raus, Kolumbien hatte das Spiel verloren. Und von dem späteren Unglück wusste ich noch nichts.
Aber auch meine Vermutung war ähnlich: Irgendjemand hatte wohl etwas zu viel verloren.
Hat das Spiel nun die Aufnahme in dieses Kapitel verdient?
- Brasilien – Frankreich
Die ganze WM 1998 habe ich in wirklich guter Erinnerung. Aber das Finale am allerbesten. Und ich habe wieder mal einen berühmten Zockerspruch selbst verwendet: „Rauf im Lauf.“ Die WM lief gut, in jeder Hinsicht. Spanien sollte raus, das war das wichtigste. Und Spanien ist raus. Mit einem 0:0 gegen Paraguay in der Vorrunde am letzten Spieltag. Ein Sieg hätte zum Weiterkommen genügt, aber es blieb beim 0:0.
Dann Holland – Brasilien. Das 1:1 durch Bergkamp in der 86. Obwohl Holland dann nach Verlängerung ausschied (Weiterkommen wäre noch besser gewesen), war das Tor Gold wert und ich staunte in diesem Moment doch über meine beim Fußball nie so aufgefallenen Sprungkraft: Ich erreichte mit dem Jubelsprung mühelos meine Zimmerdecke, allerdings auch nur dieses eine Mal.
Dann kam das Finale. Und in den meisten Fällen konnte ich die Marktentwicklung und die Marktbewegungen bisher deuten. Bei diesem Spiel bleibt es mir bis heute schleierhaft. Wieso wurde da Brasilien als klarer Favorit vom Markt gehandelt? Die Einzelspieler, gut, hier Ronaldo in Topform, aber da Zidane, konnten das doch nicht sein? Dazu quasi ein Heimspiel für Frankreich? Und dann war Ronaldo am Spieltag auch noch fraglich. Also es ging um viel, um sehr viel. 80000 DM, das war der swing. Gewinn vielleicht 50000. Aber dennoch: Ein 3:0 für Frankreich, zwei Mal Zidane per Kopf (!!), fast ohne Schwitzen gewonnen. Es bleibt denkwürdig.
Aufnahme hier nur deshalb: Wie kam die Markteinschätzung zustande? Wieso sollte Brasilien in diesem Spiel Favorit sein? Unerklärlich. Aber: ich bekam Recht.
- Real Madrid – Odense, unsere Bank
In den seligen Zeiten, als sich noch einzelne Buchmacher mit ihren Quotenangeboten exponierten und damit teilweise Umsatz erzwangen, gab es auch für den Profispieler noch wesentlich mehr attraktive Wetten. Ein einzelner eitler Anbieter, der der Überzeugung war, dass seine Quoten „korrekt“ sind und ihm langfristig Erfolg sichern, nahm dann auch gerne mal höhere Wetten, so lange das Geld eben reichte. Vielleicht ist er auch dabei reich geworden, das mag sein. Aber für mich war es jedenfalls ein El Dorado. Die Verbreitung der Quoten anderer Anbieter über das Internet existierte noch nicht und wer etwas auf sich hielt und mannhaft spielte, der vertraute seinen Quoten. Selbst wenn sie, wie durch meine Gewinne nachgewiesen, nicht jede Quote „stimmte“.
Jedenfalls gab es dann mal ein Wettangebot auf Odense bei Real Madrid im Europapokal von 20.0. Und bei Abwägung aller Vor- und Nachteile – dieser Kurs musste zu hoch sein. Zumal es das Rückspiel war und Real Madrid das Hinspiel schon mit 2:1 gewonnen hatte. Also nach Europapokalarithmetik würde sogar ein 0:1 zum Weiterkommen reichen für Real. Ich habe gerade noch mal in die Datenbank meines Computers geschaut: Das Spiel fand statt am 7.12.1994. Mein Computer hat sehr wohl Odense als krassen Außenseiter gesehen. Aber die faire Quote lag bei 11.30. Immerhin, bei einer Bezahlquote von 20.0 kann man von einem satten Vorteil sprechen. Aber erstmal muss die Einschätzung ja stimmen und wenn sie stimmt, muss das Spiel trotzdem erst noch so ausgehen.
Aber wenn man natürlich viele Spiele spielt, kommt schon öfter mal eines, auch und gerade eines mit einer hohen Quote.
Jedenfalls überlegten wir so, wie wir den Vorteil optimal ausnutzen könnten. Immerhin bestand bei dem Anbieter Kombizwang, also mindesten drei Spiele mussten kombiniert werden. Zu diesem Zweck hatten wir uns ein ganz besonderes „System“ überlegt: Wir wählten die größten Außenseiter als „Bankspiele“. Jeder, der schon mal eine Wette mit einer Bank gemacht hat, wird jetzt sicher den Kopf schütteln. „Bankspiele“ sind für gewöhnlich die Spiele, die man als die sichersten erachtet. Also viele Spieler, die mit Bänken spielen, hatten bei so einem Spiel natürlich Real Madrid als Bank – Entschuldigen Sie bitte, gegen Odense natürlich. Aber unsere Wette war aufgebaut mit Odense als Bank.
Der Sinn der Sache war der folgende: Nur auf diese Art konnten wir genügend Geld auf Odense unterbringen. Uns war es ganz recht, dass, wenn Odense nicht gewinnt, wir ganz leer ausgingen. Es war die einzige Möglichkeit, den Vorteil mit einigermaßen hohem Einsatz zu nutzen.
Nun waren selbstverständlich ein paar Spiele im System mit dieser Bank kombiniert. Und der Verlauf der Wette war dann so: Spiele in Spanien werden häufig etwas später angepfiffen. Dadurch standen einige Ergebnisse bereits fest. Der Verlauf der Gesamtwette war eher günstig. Aber nun warteten wir auf das Ergebnis von Odense. Alles wäre für die Katz, wenn Odense nicht…
Und, sicher würde ich die Geschichte nicht erzählen, wenn nicht… jedenfalls ging Odense tatsächlich in Führung. Es stand 0:1. Das Spiel ging in die Endphase. Und für diesen Fall waren wir ja sozusagen „abgesichert“. Denn: Jetzt würde Real sicher nichts mehr riskieren, um unbedingt den Ausgleich zu erzielen. Sie würden eher versuchen, das 0:1 zu „halten“. Immerhin war man ja dann trotz der „Blamage“ in der nächsten Runde.
Das war eben der zusätzliche Vorteil, den wir gerade bei dem Charakter des Spiels mit berücksichtig hatten. Aber wissen Sie, was nun passierte? Der Engländer bezeichnet das gerne mit dem Ausspruch: „they didnt read the script.“ Odense hatte tatsächlich das Skript nicht gelesen, sich also nicht in das vorbestimmte Schicksal gefügt und in der Nachspielzeit … das 0:2 erzielt – Real war raus, Odense war weiter. Und wir waren nach Abrechnung um ca. 65000 DM reicher…
- Der Superjackpot
Heutzutage hat sich das Wettgeschäft sehr verlagert. Die ganzen schönen Systemwetten gibt es nicht mehr. Die Quoten, die bei den normalen Buchmachern angeboten werden, sind nicht mehr konkurrenzfähig. Außerdem kann man bei den herkömmlichen Buchmachern einfach nicht genug Geld auf die Spiele unterbekommen. Die Beträge werden limitiert.
Also spielt sich das Wettgeschäft weitest gehend bei den asiatischen Buchmachern oder bei den Wettbörsen ab (Kapitel „Der Wettmarkt“). Und es gibt noch dazu eine Verschiebung der Umsätze auf die live Wetten. Wenn man sich mit einer Einschätzung nicht ganz sicher ist oder zunächst nur einen kleineren Betrag gewettet hat, dann kann man live ja noch etwas nachspielen, falls einen der Auftritt der Mannschaft, die man spielen möchte, von Anfang an überzeugt. Wie gesagt, damit muss man aber schnell sein. Die anderen sehen das Gleiche.
Dennoch bleibt die Chance auf einen Jackpot oder sogar Superjackpot bestehen. Aber während er früher so aussah, dass man zum Beispiel eine Systemwette 3 aus 9 spielte, sogar noch mit ein paar höheren Quoten, und alle 9 eintreffen (Kapitel „Mein System“). Dann kann es, auch bei den herkömmlichen Buchmachern, wo man die Wette nicht teuer spielen konnte (es gab früher sogar oft Auszahlungslimits. Das bedeutete teilweise, dass man die Wette so spielen musste, dass nach Möglichkeit das Auszahlungslimit nicht überschritten werden konnte. Das ergab zwangsläufig, dass man nicht all zu hoch spielen konnte). Aber dennoch konnte es dann mal passieren, dass man bei 500 DM Einsatz 20000 DM auf eine Wette ausbezahlt bekam.
Das war früher der Jackpot.
Heute ist der Traumverlauf so: Man spielt zum Beispiel einen Außenseiter. Dieser geht irgendwann in Führung. Das hat man gehofft. Man würde aber schon gewinnen, wenn die Mannschaft nicht verliert. Nun schreitet die Zeit voran. Der Gegner macht Druck, ist überlegen. Dann macht man 20 Minuten vor Schluss eine Versicherungswette. Teils aus Sorge und teils aus Überzeugung. Die Versicherungswette lautet so: Ich wette, es fällt noch (mindestens) ein Tor. Bei einem Tor gibt es aber nur halben Gewinn, so ist das meist, wenn man 20 Minuten vor Schluss das „over“, also auf Tore, spielt.
Nun geschieht, was man befürchtet hat: Der Favorit erzielt den Ausgleich, 75. Minute. Aber: Die Ausgangslage ist trotzdem nicht gar so schlecht. Noch würde man mit der Wette auf den Außenseiter gewinnen. Diese Wette komplett. Die andere Wette auf „over“ hat man schon gewonnen, aber nur zur Hälfte. Nun entschließt man sich, wieder teils als Versicherung, teils aus Überzeugung, eine weitere Wette auf „over“ zu platzieren. Die „line“ hat sich aber jetzt geändert. Nun gewinnt man die Wette bereits komplett, wenn noch ein Tor fällt, die line ist „over 0.5“, übersetzt gesprochen, und zwar ab dem Zeitpunkt der Wette, also ein beliebiges Tor genügt zum kompletten Gewinn.
Dann geschieht das Wunder: Der Außenseiter erzielt das Siegtor, 2:1. Man hat alle Wetten, die man vor und während des Spiels abgeschlossen hat, voll gewonnen. Das ist ein moderner Superjackpot. Warum schaffe ich den nur nie?
Nach diesem kleinen Exkurs erzähle ich Ihnen nun die Geschichte vom richtigen Superjackpot. Aber dieser ist, anders als Sie jetzt vermuten könnten, tatsächlich als Superjackpot ausgetragen worden. Und zwar als Backgammonturnier in Monte Carlo im Jahre 1988.
Das läuft also so in Monte Carlo: Offiziell ist es die Weltmeisterschaft im Backgammon. Es gibt aber keine Qualifikation dafür, jeder darf mitspielen, der bereit ist, das Startgeld zu bezahlen. Und irgendwie klingt es doch ganz gut: Backgammonweltmeister. So werden also ziemlich viele Spieler aus Nah und Fern angelockt, die diesem Titel nachjagen. Das Startgeld ist allerdings nicht ganz unerheblich: Früher 6000 FF, umgerechnet ca. 2000 DM, heutzutage 1000 Euro. Aber immerhin: Für viele Spieler ist es gar noch als kleiner Betrag zu werten. Denn ein Sprichwort trifft in der Welt der Reichen und Schönen zu: Über Geld spricht man nicht. Geld hat man.
Das Startgeld ist aber mit der Entrichtung nicht automatisch verloren. Im Gegenteil. Es wird zu 100 % ausgeschüttet. Dazu bezahlt man noch eine Kleinigkeit an den Ausrichter. Der will ja schließlich auch leben. Jeder Teilnehmer träumt also nicht nur von Ruhm und Ehren, sondern auch von großen Gewinnen. Als Turniersieger kann man sich nicht nur als Backgammonweltmeister bezeichnen (wenn auch bisher stets nur für ein Jahr; der Weltmeister hat seinen Titel noch nie verteidigt), sondern auch noch, zumindest vorübergehend als „vermögend“. Je nach Teilnehmerzahl schwankt das natürlich. Aber 100000 DM waren früher keine Seltenheit als 1.Preis. Dieses Jahr, 2008, waren 199 Teilnehmer. Es waren etwas weniger als in früheren Jahren. Heutzutage gibt es den Poker-Boom und die Weltmeisterschaft im Pokern findet alljährlich zeitgleich in Las Vegas statt. Da sind die gambler dort.
Nun gut, es gibt aber jede Menge „sideaction“. Haufenweise „gambler“ an einem Ort, viele davon vermögend bis sehr vermögend. Die wollen spielen. Man kann ins Casino gehen. Aber man ist ja auch zum Backgammon spielen dort. Also gibt es Jackpots. Täglich, ständig laufend. Man kann Tag und Nacht Backgammon spielen. Natürlich auch so, um Geld, wie sonst auch, oder eben in Jackpots.
Aber es gibt einen Superjackpot. Da ist das Startgeld noch höher als im Turnier. Und es wird ständig erweitert, es gibt neue Optionen. Ausgeschiedene können sich wieder einkaufen und so weiter. Aber als ich zuletzt ernsthaft mitspielte, im Jahre 1988, gab es nur den einen Superjackpot. Teilnehmerbegrenzung auf 64. Startgeld 8000 FF. Ich habe aber nicht alles alleine bezahlt. Ich habe 50% davon eingezahlt. Die anderen 50% habe ich auf Begleiter verteilt, die dazu gerne bereit waren. Denn: ganz schlecht war ich nicht.
Das Turnier begann. 1. Runde hatte ich einen der Behrend Brüder. Die erschienen stets mit Cowboyhut und Zigarre. Sicher hatten sie ihr Vermögen nicht mit Backgammon erwirtschaftet. Ihre Zugauswahl war eher emotional gesteuert. Dennoch sind solche Gegner oft gefährlich(er). Sie sind sorglos und unerschrocken. Und meine Erfahrung, eher eine Art von Gefühl sagt mir, dass sie auch in der Lage sind, mehr Glück zu entwickeln.
Dennoch rang ich den Gegner nieder, ein umkämpftes Match war es allemal. Zweite Runde traf ich auf Gerd Schiesser. Er war schon mein Finalgegner in Hamburg, bei dem ersten Turnier, welches ich gewann, 1984. Die goldenen Würfel. Und Gerd war nicht unbedingt jedermanns Freund. Er war es dann auch, der im Verlaufe des Matches in den Becher geschaut hat, um sein Glück damit ein wenig zu seinen Gunsten zu gestalten. Der herbeigerufenen Schiedsrichter hat alle Versuche unterbunden. Gerd benahm sich anständig. Hochanständig sogar. Er verlor das Match nämlich.
3. Runde musste ich gegen Michael Svobodny ran. Der erste Amerikaner. Und auch Ex-Weltmeister. Mike genießt einen legendären Ruf als gambler. Aber dennoch, Mike, sei mir nicht böse, dein Backgammon habe ich nie auf dem allerhöchsten level gesehen. Auch Mike konnte ich bezwingen. Der Vorteil, den man hat, wenn man nicht das ganze Startgeld alleine bezahlt, ist übrigens, dass man meist Zuschauer, sogar regelrechte Fans am Brett hat. Und außer, dass es eine psychologische Hilfe ist: Man erwirbt das Recht, auch mal zu sagen: Bitte eine Tasse Kaffee, bitte ein Wasser oder ein Sandwich. Und es wird gebracht, wonach man verlangt.
Allerdings wurde die Zeit knapp. Das Turnier musste weiter gehen. Ich hatte das Spiel unter den letzten 16 gerade gewonnen, das gegen Michael. Mein nächster Gegner, Nack Ballard, hatte mir seine Zimmernummer gegeben. Ich sollte ihn (falls ich gewänne) nach dem Match anrufen. Er käme dann runter zum Spielen. Nun war es bereits nach 3 Uhr morgens. Ich rief Nack dennoch an. Er war bereit, zu spielen. Er kam in den Turniersaal. Nachteil: Diesmal war ich wirklich alleine. Meine Fans schliefen. Ich kämpfte trotzdem gegen Nack bis 6 Uhr morgens. Und ich gewann auch dieses Match.
Aber Nack war nicht irgendein Spieler. Er war der beste Gegner, den ich je hatte. Ich hatte noch kurz vor dem Turnier sein Buch gelesen: „Reno 1986“. Absolut phantastisch. Wirklich empfehlenswert (zumindest in der Zeit). Ich habe alles aufgesogen. Und man musste dort immer Fragen beantworten, wie man bestimmte Züge zu spielen gedenkt. Bei der Auflösung bekam man dann je nach Qualität des ausgewählten Zuges oder der sonst wie gegebenen Antwort Punkte. Für grobe Fehler sogar Abzüge. Die Einteilung nach Abschluss sämtlicher Aufgaben sah in etwa so aus: 0-150 Punkte: Beginner, needs study (Anfänger, viel üben). 150-300 Punkte: Average player (Durchschnittsspieler). 300-450 Punkte „Advanced Player“ (Fortgeschrittener). 450-600 Punkte: „Ready to compete in big tournaments“ (kann große Turniere mitspielen, mit Erfolgsaussichten). Und dann die oberste Kategorie, über 600 Punkte: „Legend in his own time“ (bereits zu Lebzeiten eine Legende).
Natürlich war ich bereits eine Legende. Nur: Nack wusste davon noch nichts. Ich habe es auch für mich behalten. Nack war besser, ganz ehrlich, ich habe dennoch gewonnen.
Dann endlich Schlaf, aber nicht all zu viel. Unruhe, Aufregung, man war von dem üblichen Adrenalin-Rausch gepackt. Schlaf bis mittags, etwas Essen, dann zum Strand, ein bisschen Entspannen und bewegen. Am Nachmittag stand dann das Halbfinale gegen Crespi an. Immerhin gab es schon etwas Geld, das man als Halbfinalist erhielt, das war sicher. Jetzt ging es dennoch um richtig viel. Das Match wogte hin und her. Aber ich war knapp vorne. Dann kam die entscheidende Partie: Ich führte 15:13 im Match bis 17. Der Verdoppler darf von beiden Seiten noch bedient werden. Aber: Wenn er doppelt habe ich einen „toten Würfel“. Denn: Das zurückgeben muss er nicht fürchten. Er muss nur fürchten. dass ich dieses Spiel gewinne. Aber er hat Chancen bis zum Schluss. Ich kann ihn nie „rausdoppeln“, egal wie überlegen meine Stellung ist. Er hat gedoppelt. Frühzeitig. Ich nahm das Doppel an. Ich geriet aber in Gammon Gefahr (Gammon ist ein Spiel, bei der die eine Seite alle Steine ausgewürfelt hat und die andere noch keinen einzigen). Wenn ich Gammon verliere, ist das Match vorbei. Er bekäme 2*2, also 4 Punkte und hätte mit 17:15 gewonnen. Ich stand mit 2 oder 3 Steinen auf der Bar. Die müssen eingewürfelt werden. Aber sein Heimfeld war fast geschlossen. Nur der Zweierpunkt war noch offen. Es stand schon ein Stein von ihm dort, so dass er den Punkt nur noch schließen musste, wenn nicht…. Ich brauchte ganz dringend eine 2, sonst ist das Match vorbei. Ich warf, keine 2 dabei. Cool bleiben, Würfel aufnehmen, ruhig, Axel, es läuft. Wenn er jetzt eine 3 macht, ist auch der letzte Punkt zu. Dann ist es aus und vorbei. Er warf. Ich schaute nicht hin, aber nicht, wie ein Fußballtrainer beim Elfmeter für die eigene Mannschaft, sondern weil es sowieso meine Masche war (siehe Kapitel „Backgammon“).
Er geriet nach seinem Wurf ins Grübeln. Aha, keine 3 dabei. Dann zieh irgendwas, ich brauch eh eine 2.
Nun gibt es Spieler, die den Würfelbecher bei wichtigen Würfen besonders heftig schütteln. Andere werfen eher betont ruhig. Ich versuchte, sämtliche Gedanken zu ignorieren. Würfeln und schauen, was der Wurf bringt. Ob mir gerade in dem Moment das Sprichwort aus Barclay Cooks Backgammon Buch einfiel: „There´s always God on the next roll.“?
Ich warf also, die Würfel rollten, sie kamen zum Liegen. Auch Crespi war ein erfahrener Spieler und ließ sich nichts anmerken, als ich mit meinem Wurf alle auf der Bar befindlichen Steine einsetzte. Es war ein Pasch 2! Der wertvollste Wurf meines ganzen Lebens. Das aber vor allem, wegen der geringen Chance und dem gigantischen davon ausgelösten Swing..
Das Spiel drehte sich. Ich kam gleich in Vorteil und gewann die Partie noch und damit das Match. FINALE!!
Im Finale traf ich dann auf Eric Seidel. Ein weiterer amerikanischer Topspieler. Aber ich war auch in prächtiger Verfassung. Er hatte etliche der anderen amerikanischen Topspieler um sich vereinigt. Sie wollten mich gemeinsam besiegen. Ich hatte, und auch im Finale nur teilweise, grad mal ein par Fans, die aber selber nicht so gut spielten, um mich versammelt. Das Turnier war auch ansonsten zu Ende. Das Finale war eines der letzten matches der gesamten Veranstaltung. Jedenfalls kam ich auch in die Situation, in Führung zu liegen. Es kam die entscheidende Partie, der so genannte „double match point“. Eric hatte das „Crawford game“, das ist die Partie, in welcher einer der beiden Spieler gerade noch einen Punkt vom Matchgewinn entfernt ist (der Spielstand war also 16:14 für mich, gespielt wurde bis 17. In der Partie darf der zurückliegende Spieler eine Partie lang nicht verdoppeln. Das wurde irgendwann mal als „unfair“ betrachtet und dementsprechend die „Crawford rule“ eingeführt). Mein Gegner hatte die Crawford Partie aber gewonnen. Es stand also 16:15 Er durfte wieder doppeln.
Da hat er sogar vor der Partie eine Auszeit genommen, um sich mit seinen Freunden zu beraten, wie er die Partie angehen sollte. Ich wusste aber, was er vorhatte. Er wollte das Doppeln verzögern, um einen Fehler zu provozieren. Aber seine Strategie ging nicht auf. Er musste doppeln und ich kam dennoch in Vorteil.
Dann kam die entscheidende Situation. Ich hatte nur noch ein kleines Problem bei der Verwertung des Vorteils. Und ich hatte aufmerksam das Buch von Barclay Cooke gelesen. Dort stand: „Leave the shot early.“ Man soll also früh den Schuss lassen. Ich habe mich stets an diese Regel gehalten. Bei anderen schien es mir, dass sie die Regel zwar kannten und auch anwandten, aber nur im normalen Spiel um Geld oder bei „unwichtigen“ Entscheidungen. Aber plötzlich dann nicht mehr, wenn es um viel Geld ging. Dann wurden die Spieler immer sehr „tight“, fest, ängstlich und dachten dann „Nee, das ist mir zu gefährlich. Nachher trifft er mich und ich verliere. Ich riskier es lieber nicht.“
Also es kam genau zu so einer Spielsituation. Ich entschied, dass es richtig war, jetzt den Schuss zu lassen. Denn: Wenn er den jetzt trifft, ist die Partie noch nicht endgültig entschieden. Wenn ich ihn später lassen muss, ist sie vielleicht sofort entschieden, wenn er trifft. Aber auch dafür hatte Barclay Cooke das passende Sprichwort, diesmal war es allerdings ein türkisches, frei übersetzt so viel wie: „There is always God on the next roll.“ Also im nächsten Wurf hilft dir vielleicht Gott. Das war auch die Rechtfertigung, den Schuss nicht früh zu lassen. Wer weiß schon, ob ich im nächsten Zug überhaupt einen lassen müsste? Der Begriff, den es dann wieder dafür wieder gab hieß „Calculated risk“. Das kalkulierte Risiko. Es gibt immer eine Chance. Abwägen der Chancen ist immer das Vernünftigste. Wann sind sie am besten? Aber das Buch war ja auch aus den 60er Jahren. Ich entschied mich also für den „Männerzug“. Jetzt das kalkulierte Risiko eingehen und nicht auf Gott im nächsten Wurf vertrauen.
Ich ließ also mutig einen Stein offen stehen. Eric brauchte eine 4. Wenn er trifft, ist er Favorit. 3-1 ginge auch. Aber, wie üblich schaute ich nicht auf seinen Wurf, er zog und schlug den Stein nicht… das bedeutete wohl: er hatte verfehlt! Die Partie und damit das Match waren entschieden, sogar gleich das Turnier. Im Tennis nennt man so einen Punkt wohl „tournament point“.
Dann wurde ich als Sieger geehrt und musste mit ins Casino, um das Geld in Empfang zu nehmen. Glücklicherweise hatte ich ein paar Helfer beim Tragen. Denn: 216000 FF in 500er Scheinen? Meine Taschen hätten nicht ausgereicht, so viel ist gewiss…
- Fast die Bank gesprengt
Es war im Jahre 1999. Sommeranfang. Es lief aber bereits der UI-Cup. Und das war auch alles, was man auf dem Tippzettel zu der Jahreszeit finden konnte, zumindest an Fußballspielen. Ok, einige Skandinavier spielen durch, stimmt. Aber sonst? Saure Gurken.
Dennoch hat mein Computer mir wie immer ein paar Spiele ausgespuckt, die ich wetten sollte. Ich gab diese meinem Partner, Christian Plenz, er ist es bis heute, telefonisch durch. Christian, mach was draus. Er platzierte die Wetten und sagte mir die Wetten durch. Alles klar. Nur, wie es der Zufall so wollte, kam ein Spiel nach dem anderen. Und noch dazu hatten wir einige wirklich hohe Quoten getroffen. Es lief so zusagen. Dann, am Sonntag Nachmittag, spielte der HSV zu Hause gegen Basel. Wir hatten Basel gewettet, Quote 8.0. Na, wenn das Spiel jetzt auch noch kommt? Die Höchstauszahlung war schnell ausgerechnet. Aber plötzlich klingelte das Telefon. Christian. „Ja, ich hab dir vergessen, etwas zu sagen.“ „Was ist denn los?“ „Ich habe für mich die ganzen Spiele noch mal in einer kleinen Kombi als Superheinz gespielt. Ganz klein aber, wirklich.“ „Aha, wieso das denn? Das geht doch nicht.“
Wir rechneten damals die Wetten im Verhältnis 2:1 ab, er hatte also ein Drittel der Wetten, ich zwei Drittel. Wir rechneten schnell aus, was passieren würde, wenn… Es ergab sich folgendes: Wenn Basel das Spiel gewinnt, kann das Wettbüro die Wette noch komplett auszahlen. Wir hatten bei William Hill in England gespielt. Dort betrug die Höchstauszahlung 250000 DM. Die Auszahlung bei Sieg Basel wäre gewesen 180000 DM. Aber danach war noch ein Spiel offen: Tampere in Finnland. Die hatten ein Auswärtsspiel. Quote: 5.0. Was, wenn die auch noch gewinnen?
Na gut, das war das nächste Problem. Aber erstmal wollten wir, dass Basel gewann. Ich schaute das Spiel an, doch schon einigermaßen aufgeregt. Denn Basel ging in Führung. Der HSV drückte. Die Zeit schritt voran. Und tatsächlich: der HSV schaffte kein Tor mehr. Endergebnis 0:1.
Jetzt mussten sofort die Verhandlungen aufgenommen werden. Denn: Wenn Tampere das Spiel noch gewinnt, dann ist die Bank gesprengt. Jetzt mussten wir uns einigen, wie das Geld dann aufzuteilen wäre. Denn die Auszahlung wäre ja nur deshalb nicht möglich gewesen, weil Christian diese Extrawette gemacht hatte. Und wenn ich dann den vollen Teil auf die andere Wette beansprucht hätte, hätte er wesentlich weniger gewonnen. Wir wurden uns dennoch schnell einig. Ich weiß zwar nicht mehr wie, aber Einigkeit ist Einigkeit. Der theoretische Streitwert, den weiß ich noch: Es ging um ca. 60000 DM, deren Besitzer bei Sieg Tampere nicht eindeutig gewesen wäre.
Sollen wir nun dem Schicksal danken? Tampere spielte 1:1, wir gewannen „nur“ die 180000 DM, die wir, wie alles andere auch, im Verhältnis zwei Drittel / ein Drittel aufteilten.
Christian hat seit dem auf seinem Computer als Hintergrundbild eine Szene, ich glaube den Schlusspfiff, des Spiels HSV – Basel…