In diesem Abschnitt sollen ein paar Fußballspiele aus der Vergangenheit untersucht werden, welche die Bezeichung “dubios” aus den unterschiedlichsten Gründen verdienen. Es gibt eine Vielzahl von Gegebenheiten, welche sie in diese Art eines Zwielichts rücken. Es soll nicht mit übertriebener Ernsthaftigkeit zugehen. An etliche dürfte man sich erinnern, einige mögen einem bisher noch nicht untergekommen sein. Teilweise ist die Betrachtungsweise nur differenziert – und somit abweichend — im Vergleich zu bisher vertretenen beziehungsweise gängigen Ansichten über sie.
Die angestellten Spekulationen werden nach Möglichkeit sehr vorsichtig gehalten, da meist keine klare Beweisführung angetreten werden kann. Die Argumentation ist intuitiv gehalten, jedoch werden auf diese Art die Verhaltensweisen nachvollziehbar gemacht. Man kann sich halt nur so seine Gedanken machen, vielleicht erfährt man ja an irgendeiner Stelle gerade durch diese „Aufdeckung“ hier einmal, was Beteiligte darüber sagen, sagten, wie sie sich erinnern. Manche Begebenheiten sind sicher nur zum Schmunzeln, andere wiederum recht ernsthaft und haben vielleicht an anderen Stellen Tragödien ausgelöst. Zum Teil wird den Protagonisten die Verantwortung sogar wieder entzogen – sprich: kein Vorwurf erhoben –, so dass einige viel zitierte Beispiel möglicherweise in ein anderes Licht gerückt werden können, hier und da den “Tätern” ein Entlastungsargument an die Hand gegeben.
Es gibt vielleicht ein paar längst vergessene Spiele darunter, es gibt aber auch ein paar bis heute diskutierte, wieder und weider als “Klassiker” zitierte. Bei einigen verwundert es, dass es die Öffentlichkeit „nie interessiert hat“, bei anderen ermöglicht die differenzierte Erörterung eventuell eine Richtigstellung.
Weder die Bedeutung der Spiele noch die „Schwere der erwogenen Vergehen“, genauso wenig jedoch die Chronologie sollen für die Sortierung verantwortlich sein. Es soll einfach nur eine bunte, möglichst unterhaltsame Mischung ergeben.
- Bayern München – SSV Ulm, Regionalliga Süd 1963/64
Insofern soll hier gleich mal ein eher lustiges Beispiel angeführt werden, welches einem noch in den 60er Jahren über die Münchener Bayern erschienenen Büchlein entnommen wurde, jedoch merkwürdigerweise niemals später zitiert oder von den Beteiligten erwähnt wurde. Insofern fraglich, ob es sich tatsächlich so abspielte oder einfach nur eine hübsche Anekdote darstellt? Hier die Geschichte:
Den Bayern war zur Einführung der eingleisigen 1.Bundesliga zur Saison 1963/64 ein Platz in der Eliteklasse, also unter den damals Top 16 Klubs Deutschlands, verwehrt worden. Natürlich waren sie auch damals schon eine gute Adresse, aber für die Verantwortlichen wohl nicht ausreichend gut, jedoch blieben die Kriterien für die Aufnahme von vielen Seiten zumindest „umstritten“.
Die Bayern wollten also in der Folgesaison logischerweise unbedingt aufsteigen. Dazu musste ein 1. oder 2. Platz her in der damaligen Regionalliga Süd, dem “amatuerhaften” Unterhaus der Bundesliga. Der Aufstieg wurde in anschließenden Gruppenspielen aus je zwei Teams der fünf Regionalligen Nord, Süd, West, Südwest und Berlin ermittelt. Diese wurden auf zwei Gruppen mit je fünf Mannschaften aufgeteilt und im Modus Jeder gegen Jeden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen, welcher den zwei Siegern der Gruppen die lukrative erste Liga als Lohn versprach.
Nun machten sich die Offiziellen sicher einige. möglicherweise aber im Sinne von Vermeidung von kleineren Einflussnahmen nicht richtigen Gedanken, wie die beiden Aufstiegsgruppen aufzuteilen wären. Jedenfalls wurde vorab festgelegt, dass unter anderem der Südmeister und der Westmeister sich in der gleichen Gruppe um den Goldklumpen prügeln sollten. Westmeister, das stand entweder fest oder war quasi unvermeidlich, würde Alemannia Aachen werden. Die West-Liga wurde ohnehin als die stärkste erachtet – das war auch in Folgejahren ziemlich unumstritten – aber auch sonst wollten die Bayern ausgerechnet diesen Topfavoriten unter allen Umständen vermeiden.
Glückes Geschick, die Möglichkeit war gegeben. Es stand nur die winzige Hürde davor, ein Fußballspiel nicht mit dem allerletzten Einsatz und Elan anzugehen und so vielleicht, wenn es geht, nicht auf die maximale Punktausbeute in der Partie zu kommen, um dann doch recht tragisch den Titel „Regionalliga Süd Meister 1964“ zu verpassen – jedoch ab dann dank der somit erreichten verrmeintlich leichteren Aufstiegsgruppe — und dem erhofften Abschluss auf dem Siegerpodest — fortan die Jagd nach jenem Titel auf nicht absehbare Zeit durch jene nach dem Deutschen Meistertitel in der Eliteklasse zu ersetzen.
Laut Legende waren sich weite Teile der Mannschaft einig, dass ein solches Vorgehen ratsam wäre und man dem Gegner, den SSV Ulm, großzügig die Punkte überlassen könne. Solche Namen wie Franz Beckenbauer, Sepp Maier, „Katsche“ Schwarzenbeck waren bereits in der Aufstellung und sozusagen „Eingeweihte“. Trainer „Tschick“ Cajkowski hatte nur zum Spieltag hin das winzige Problem, den etatmäßigen Mittelstürmer ersetzen zu müssen. Als Ersatzmann stand ein völlig untalentierter, ziemlich dickbeiniger 18-jähriger zur Verfügung, der vermutlich den Plänen kaum hinderlich im Wege stehen würde und insofern nicht einmal in Kenntnis gesetzt werden musste. Dessen Name lautete: Gerd Müller, der gerade in jenen Tagen von den Mannschaftskollegen den Beinamen „Knubbel“ bekam, während der Trainer ihn in gewisser Ignoranz deutscher Grammatik-Regeln und der Umlautsaussprache despektierlich „kleines dickes Muller“ nannte.
„Kleines dickes Muller“ war also aufgestellt und ihm waren teamtaktische Maßnahmen schnuppe. Außerdem, so kann man an dieser Stelle ruhig mal plastisch spekulieren: Konnte ein Müller überhaupt daneben schießen? Er erzielte vorne Tor auf Tor. Ob ihn seine Teamkameraden dazu anspielen mussten ist nicht überliefert. Während also Müller vorne reichlich traf hatte Sepp Maier auf der Jagd nach Fliegen im eigenen Kasten wesentlich mehr Erfolg als mit jener auf der zum Nebenobjekt erklärten „Pille“, die er mitsamt der in den Handschuhen eingefangenen Fliegen insgesamt sieben Mal im Anschluss an die Einschläge aus dem eigenen Netz herausholen musste. Der Zweikampf Müller – Maier endete mit 6:7. Maier hatte erfolgreich ausgebügelt.
Die Bayern waren nun zwar tragischer Zweiter geworden, hatten dafür aber im Gegenzug sowohl Alemannia Aachen vermieden als auch bereits den ersten Zeh einer bald zu errichtenden Legenden-Statue angefertigt. Auch Aachen war dankbar, nicht gegen die Bayern antreten zu müssen. Sie standen sich auch bei ihren Aufstiegsbemühungen kein bisschen im Wege. Beide schafften es. Die Bayern schon im Folgejahr 1965 ,Alemannia Aachen 1968. In diesem Jahr allerdings, 1964, setzten sich Hannover 96 und Borussia Neunkirchen durch.
Wie heißt es doch im Englischen so schön? Crime dont pay? Verbrechen lohnt nicht?
- BRD – DDR, WM 1974
Nun, was hat ausgerechnet dieses Spiel hier verloren? Na, man möge lesen, sich erinnern, gerne recherchieren und – nachdenken.
Als das Spiel ausgetragen wurde, war der kalte Krieg in dewr Nähe seines Höhepunkts angelangt?! Die beiden Staaten hatten „nichts miteinander zu tun“, außer, dass ihre Einwohner weitest gehend eine zumindest ziemlich ähnliche Sprache sprachen. Sonst mied man sich, noch mehr als das mied man sportliche Auseinandersetzungen. Es kam nur dazu, wenn es unvermeidlich war. Wobei der östliche Teil schon großen Wert darauf legte, bei Großereignissen eine Art Vormachtstellung einzunehmen. Medailleinspiegel: DDR weit vorne. “Drüben”, wie es hieß, hatten die für Olympiaden zugelassenen Teilnehmer die vielleicht einmalige Chance, die westliche Welt zu bereisen. Das motiviert doch? Dennoch waren sportliche Vergleiche jenseits dieser “Pflichtveranstaltungen” rar oder gänzlich ausgeschlossen.
Die Fußballnationen mussten und haben so nur dieses einzige Spiel gegeneinander ausgetragen. Eine „besondere Brisanz“, welche dem Spiel damals zugeschrieben wurde, konnte man — bei genauerem Hinsehen — eigentlich nicht in der bis heute ausgemachten, medial verbreiteten, Art finden. Dies lag an den speziellen Voraussetzungen für dieses Spiel, und da insbesondere den sportlichen.
Für die bundesdeutschen Kicker gab es ein erklärtes Ziel: Fußballweltmeister wollte man werden. Im Gegensatz zu Leichtathleten – nur um das einmal klar zu stellen – waren die Fußballer Profis in der BRD, insofern dort “auf Augenhöhe” oder eben, aufgrund der Tradition und des Größenunterschieds (BRD > DDR) gar (klar) vorne.
Generell muss der Ausrichter immer mit einem etwas höheren Druck, einer höheren Erwartungshaltung leben, aber man hat zugleich diesen gewissen Heimvorteil. Diesem Ziel – Weltmeister — waren die Verhaltensweisen untergeordnet. Selbstverständlich wurde die BRD, als Weltmeister 1954, als Finalteilnehmer 1966, als WM- Dritter von 1970 und zusätzlich als Ausrichter der WM 1974, weithin als Mitfavorit, wenn nicht gar als „der große Favorit“ gehandelt. Die DDR hingegen war ein unbeschriebenes Blatt. Erfolge bei Olympia, durch gute Sichtung, Ausildung, “Professionalität”, das ging gut. Im Fußball waren die Unterschiede zu den großen Nationen, auch bei perfekter Ausbildung (wie in den „Randsportarten“ in der DDR gang und gäbe), nicht so ohne weiteres zu überbrücken. Beide Aspekte zusammengenommen war es der DDR sicher in allen Disziplinen ein ganz besonderes Ziel, den Klassenfeind zu ärgern, zu besiegen, wo es ginge, diesmal auch gerne im Fußball, ohne über mögliche „nachteilige Folgen“ zu spekulieren.
Für diese Form des „Ärgerns“ war der Anlass aber denkbar schlecht ausgewählt. Die Voraussetzungen waren derart:
Es war das letzte Spiel der Gruppenphase, Der ersten Gruppenphase, wohlgemerkt. Beide waren bereits vor dem Spiel eine Runde weiter. Es ging „nur“ um Platz 2, na gut, wer möchte, auch um Platz 1.
Es gab damals nach Abschluss der Vorrunde zwei Finalrunden mit je vier Mannschaften, also eine zweite Gruppenphase. Dem Sieger der deutschen Gruppe winkten als Belohnung ein paar richtige Highlights, ein paar gigantische Duelle, höchst attraktive Paarungen, wo man lediglich in den Siegchancen ein paar kleinere Abstriche zu machen hatte, während der Verlierer ein paar völlig unattraktive Gegner erhielt, die auf ihre Art aber zur Chancenerhöhung für das erfolgreiche Überstehen dieser Spiele beitrug.
Dem Sieger standen die Partien gegen Holland, Brasilien und Argentinien bevor. Und da kann man wirklich eine Menge lernen. Weiterkommen? Na ja.
Hingegen hatte der (mehr oder weniger) traurige Verlierer in der dann erreichten Finalgruppe es mit den „undankbaren Aufgaben“ Schweden, Jugoslawien und Polen zu tun.
Also so sehr die Standardreporterphrasen verachtet werden, in diesem Falle muss man mal ein paar davon verwenden: Die ausgelöste Verblüffung hätte unter diesen Umständen eher gering ausfallen sollen, als die Deutsche Abwehr Herrn Sparwasser in der 79. Minute den als Ausdruck so häufig verwendeten, aber so selten zutreffenden, „freundlichen Geleitschutz“ tatsächlich gab. Dass anschließend Torhüter Sepp Maier wie üblich katzengewandt (ja, die Katze von Anzing, wer erinnert sich nicht?) wie schon einstens gegen Ulm die im Augenwinkel erkannte Fliege, welcher nachzujagen viel lohnender erschien, einfing, nicht jedoch den Ball, damit jener endlich im Netz landete, sorgte zwar für einen Verzweiflungsausbruch (ist sie ihm entschlüpft, die Fliege?), jedoch konnte man eventuell annehmen, dass er sich nur auf den Boden warf, um sich das Lachen zu verkneifen. Denn: ein Unentschieden hätte einfach nicht gereicht für die BRD. Für Platz 2, wohlgemerkt.
Es ist anzunehmen, dass die gesamte Deutsche Mannschaft vor dem Spiel auch wirklich intensiv trainiert hatte. Und zwar Schauspielerei. Sepp Maier hat es auf seine Art getan, die anderen mühten sich kollektiv, das so angebrachte Grinsen unterdrücken zu können, wobei die etwas weniger begabten Schauspieler die Version „verstohlen nach unten gucken“ trainierten. Dies aber, man schaue die Bilder, nur für ausreichend Aufmerksame, mit mäßigem Erfolg. Schauspieltraining, sellbst auf drei Tage ausgedehnt, macht noch lange keinen guten Schauspieler.
Nein, das war eigentlich zu eindeutig: Brasilien und Argentinien waren vielleicht in diesem Jahr nicht wirklich überragend, zumal sich die Südamerikaner bis dahin bei Weltmeisterschaften auf Europäischem Territorium selten überragend präsentiert hatten. Dennoch hatte man allen Grund, auch bei jenen auf eine Leistungssteigerung gefasst zu sein, war doch Brasilien immerhin Titelverteidiger und „die ganz große Fußballnation“. Dennoch hätte es schon genügt, nur den bei jenen Endturnieren 74 und 78 wirklich, dank Cruyff, absolut herausragenden Holländern aus dem Weg zu gehen, um eine Niederlage gegen die DDR zu „rechtfertigen“. Dass es in diesem Fall sogar möglich war, allen drei Schwergewichten aus dem Wege zu gehen und die DDR denen zum Fraß vorzuwerfen mit nur einer netten, dafür dankend, aber nicht etwa naiv, angenommen Einladungskarte ist weit mehr als nur ein schwaches Indiz.
Man überlege an dieser Stelle nur mal kurz, wie dieses Spiel verlaufen wäre, wenn beide ein identisches Ziel gehabt hätten, nämlich jenes der „nüchternen Chancenberechnungskünstler“? Beide wollen verlieren, nicht gewinnen? Das wäre wohl historisch ein fast einmaliges Beispiel. Na, nur ein Gedankenspiel. Die DDR hatte sicher weniger die Chancenerwägungen im Hinterkopf. Diese Chance war einmalig und konnte, von der Öffentlichkeit unbemerkt, genutzt werden, um eine eigene Heldensage aufzubauen, den Klassenfeind im einzig offiziellen Spiel, und das bei einer Weltmeisterschaft, besiegt zu haben. Auf den Weltmeistertitel hatten sie so oder so keine Ambitionen angemeldet.
Beide Nationen waren mit ihrer „Strategie“ erfolgreich. Die DDR hat viel gelernt und wenig Punkte geholt, die BRD hat nach dem tollen Sieg gegen Schweden mit 4:2 auch Jugoslawien besiegt, in der abschließenden und längst legendären Regenschlacht von Frankfurt auch das einzig konkurrenzfähige Polen dank des von Gerd Müller spät verwandelten – und dieser Weg ins Tor wohl der einzig mögliche an jenem Tage war, wobei man erwähnen muss, dass ein Unentschieden der BRD genügt hätte – Strafstoßes und wurde Weltmeister. Dass jeder (außer den Bundesbürgern selbst, wie üblich) gesehen hat, welche Mannschaft im Finale die bessere war (die Niederlande, nicht etwa Holland; apropos „politisch korrekt“, DDR und nicht BILD-Deutsch “DDR”), tut der Sache keinen Abbruch. Immerhin hatten sich die Niederlande mit dem Ausschalten der Brasilianer UND der Argentinier schon beinahe selber ein Denkmal gesetzt. Der krönende Abschluss blieb Johann Cruyff und seiner Truppe, wie man ruhig sagen darf „leider“, versagt, was auch für 78 galt, als sie sich erneut mit dem Gastgeber und einem möglicherweise leicht parteiischem Schiedsrichter (wie auch in Deutschland; die Frage nach der Berechtigung der Strafstöße wird hier leicht parteiisch im Sinne der Gerechtigkeit so beantwortet: der erste: Ja! Der zweite: Nein!). erfolglos herumschlagen mussten. Cruyff der Beste – ohne je die Krone zu erobern.
Was nur bis heute so unwahrscheinlich erscheint: warum wurde diese Argumentation NOCH NIEMALS angeführt? Es wird einfach verschwiegen. Immer wieder werden Szenen davon gezeigt, Rückblenden, Spieler befragt, die damals dabei waren und noch heute entsteht der Eindruck, wenn man Franz Beckenbauer dazu hört, dass er ein bisschen mehr weiß als der Fragende. Aber zumindest angemerkt werden könnte doch mal, dass die Bundesdeutschen Kicker, selbst wenn ihnen natürlich nichts unterstellt werden soll (vom Frager in dem Moment), ob sie nicht, nachdem sie die ersten Tränchen von der tragischen Niederlage gegen den ungeliebten Nachbarn getrocknet hatten, doch bei Blick auf die anstehenden Paarungen „gar nicht mal mehr so entsetzt waren“ wie es bis heute dargestellt werden soll? Nur mal diese eine Frage?
Dubios genug?
- Argentinien – Peru, WM 1978
Auch wenn dieses Spiel bereits vielfach diskutiert wurde, soll es hier aus einem bestimmten Grund erwähnt werden. Besonders großes Aufsehen hat es auch gar nicht ausgelöst, vielleicht in Südamerika eher, aber nicht wirklich weltweit. Man hätte seine Lehren ziehen können, um einen späteren (hausgemachten)„Skandal“ abzuwenden.
Die Situation mitsamt der Regeln war die: Bei der 78er WM gab es nach der Vorrunde weiterhin zwei Finalgruppen, wie bei der 74er WM in Deutschland. Die besten 8 Mannschaften spielten in diesen Jahren nicht in k.o.-Spielen sondern in zwei Vierergruppen. Die beiden Sieger dieser Gruppen bestritten das Finale. Eine unerfreuliche Regelung, die nicht nur aufgrund der hier aufgeführten, an sich aber vermeidbaren, vielleicht sogar leicht vorhersehbaren, “Problemfälle” sportlich weniger reizvoll war. Von den Partieverläufen waren sie eher taktisch geprägt, gegenüber den diese Regelung bald wieder ablösenden direkten Ausscheidungsspielen, den so genannten “k.o.-Spielen”. Von der Gerechtigkeit her … na, man sehe.
Am letzten Spieltag war die Lage die: Die brisante Partie Brasilien gegen Argentinien war 0:0 ausgegangen, zum Auftakt dieser Gruppenphase. Beide Topfavoriten hatten ihre Folgepartien gegen Polen beziehungsweise Peru deutlich gewonnen. Wie auch immer es zustande gekommen war, die Regelung, dass Schlussrundenpartien IMMER zeitgleich ausgetragen werden müssen, war noch nicht eingeführt, dem Kommerz zum Opfer gefallen, von den Offiziellen vergessen, die Problematik ignoriert, oder sogar, in diesem Falle fast denkbar, der bereits vorab festgelegten Spielabfolge zugunsten der gastgebenden Nation ausgefallen?! Nun, ein wenig bösartig, aber irgendwie auch vorstellbar?
Absehbar war jedenfalls einigermaßen – man könnte es somit als “geplant” auslegen, dass Argentinien Gruppensieger in der Vorrundengruppe A würde und somit, falls dieses Ziel erricht würde, das Sonderrecht des letzten Spiels der anschließenden Finalrunde bekäme.
Fakt ist, dass Brasilien gegen Polen vorab antreten musste. Trotz eines problemlosen Sieges, der ihnen ein Torverhältnis von 6:1 Toren bei 5:1 Punkten einbrachte, mussten sie nun abends vor dem Fernsehschirm folgendes Drama miterleben:
Argentinien hatte das 0:0 gegen Brasilien und ein 2:0 gegen Polen erzielt, also 2:0 Tore. Ein 4:0, wie man leicht errechnen kann, würde genügen, so wie auch jeder andere Sieg mit vier oder mehr Toren Unterschied. Da Peru aufgrund der anderen Gruppenergebnisse um gar nichts mehr spielte, war das Feld bestellt. Das Ergebnis war irgendwie vorgezeichnet. Das Spiel endete mit einem 6:0 für Argentinien.
Die letzten beiden Tore haben ihnen die Peruaner vermutlich deshalb „geschenkt“, damit es bei einem Maßergebnis von 4:0 nicht noch mehr nach Schiebung aussehen solle. Jedenfalls war dieses Spiel eine Farce.
Man möge sich nur für einen Moment in die Haut eines brasilianischen Spielers (eines Brasilien Anhängers täte es auch) während dieses letzten Spieles hineinversetzen. Man sieht Tor auf Tor und ist diesem hilflos ausgeliefert. Denn genau dieser Umstand ist der am meisten Bedenkliche. Wenn man nur überlegt, wie sehr diese Ungerechtigkeit zum Himmel schreit! Selbst wenn Argentinien einfach nur heiß gelaufen war und Peru sich nach Kräften, aber erfolglos gewehrt hatte – natürlich durchaus denkbar und nicht auszuschließen – dann, selbst dann müsste man doch den Brasilianer das Recht zugestehen, auf diese Torflut zu reagieren? „Was denn, Argentinien führt 5:0? Dann mal los. Männer, wir brauchen noch ein, zwei Törchen.“ So haben sie ihr Ergebnis in Unkenntnis des folgenden abgeliefert, in Unwissenheit darüber, wie viele Tore sie brauchen würden. Man hätte vielleicht mehr gekonnt, wenn man es nur gewusst hätte, während des eigenen Spieles!
Bemerkenswert das Spiel Argentinien – Peru, dieser Skandal, eigentlich wegen seiner Folgen, die den nachfolgenden weitergehenden, dafür viel mehr beachteten Skandal erst möglich machten.
- Deutschland – Österreich, WM 1982
Die Auswirkungen dieser (Regel-)Nachlässigkeit zeigten sich 4 Jahre später. Während Argentinien ja als Ausrichter 1978 sowieso nur jubelnde Menschen nach dem 6:0 um sich hatte und die Welt das Spiel, angesichts der anerkannten Unterlegenheit der Peruaner, einfach so „schluckte“ — während Brasilien mangels Lobby im Weltverband lediglich mehrfach schwer schluckte, und sich dank ihrer gefühlten Überlegenheit einfach sagten, dass sie dann eben den nächsten Titel holen würden –kam es in Spanien bei der WM 82 zu dem “Skandalspiel” Deutschland – Österreich. Der berühmte „Nichtangriffspakt“ – und das auch noch bei einem Spielstand von 1:0: Schande über sie! — ging in die Geschichtsbücher ein und wird wieder und wieder hervorgekramt. Dennoch sollen hier ein paar Worte untergebracht werden, die das gezeigte Verhalten aus einem anderen Blickwinkel beleuchten.
Der eigentliche Skandal bestand ursächlich darin, dass man auf die Vorfälle in Argentinien nicht reagiert hatte. Die Verantwortlichen der FIFA haben demnach eindeutig Kommerz vor Gerechtigkeit gestellt. Dass so ein Vorfall einmal passieren kann, dass man nicht alle Eventualitäten beim Verfassen einer Regel vorhersehen kann, kann man gerade noch nachvollziehen, hinnehmen, vielleicht tolerieren. Dass man es aber nach dem offensichtlich ungerechten, einmaligen Auftreten nicht sofort ändert fällt sehr schwer zu akzeptieren.
Insofern muss man den FIFA Offiziellen einen zumindest ziemlich grauen Peter zuschieben. Das hätte man verhindern können, nein, verhindern müssen. Obwohl es in Argentinien ja die zweite Gruppenphase war und in Spanien die erste: die Spiele der Schlussrunden hätten unter allen Umständen zeitgleich angesetzt werden müssen nach Ansicht des 78er „Skandals“ – wie in der Folge auch üblich, dies endlich erkennend, einsehend.
Zusätzlich (und/oder daraus folgernd) soll aber das vielfach und weltweit angeprangerte Verhalten der Spieler auf dem Platz etwas genauer betrachtet werden.
Die Lage vor diesem berühmten Spiel: Die Deutsche Mannschaft hatte gegen Algerien verloren, mit 1:2. Die Österreicher hatten Algerien besiegt, mit 2:0. Österreich hatte auch gegen Chile gewonnen, mit 1:0, die Deutschen ebenfalls gegen Chile gewonnen mit 4:1. Dann kam der letzte Spieltag, in der noch bestehenden nicht zeitgleichen Version.
Dass nun zunächst das Spiel Algerien gegen Chile ausgetragen wurde, mag entweder reiner Zufall sein oder das typische Glück der deutschen reflektieren, falls es nicht eine logische Folge der üblichen Setzlisten war. Ungerecht bleibt es allemal, selbst wenn man akzeptieren würde, dass gesetzte Mannschaften an dieser oder jener Stelle kleinere Vorteile eingeräumt bekommen (es ist ja per se schon einer, denn man vermeidet durch das Setzen der Topnationen ja deren sehr frühzeitiges Aufeinandertreffen, was der Turnierspannung helfen soll, aber den Kleinen jedenfalls immer wenigstens ein Schwergewicht garantiert).
Die Chancen für Chile waren nur noch theoretischer Natur, aber immerhin waren sie vorhanden. Falls sie dieses Spiel gewinnen, klar und deutlich, anschließend Österreich gegen Deutschland gewinnt. Dann hätte Österreich 6:0 Punkte und die anderen drei Mannschaften hätten 2:4 Punkte, wonach das Torverhältnis entschieden hätte. Es hieße für Chile: hoch gewinnen und hoffen.
Diese Theorie wurde im Verlaufe der ersten Halbzeit, gleich dem zuvor erwähnten Peter, grauer und grauer. Denn Algerien erzielte drei Tore, führte mit 3:0. Das war ihr Wunschergebnis. Sie wären uneinholbar durch gewesen.
Dann wäre die einzige offene Frage nur noch gewesen: Deutschland oder Österreich.
Algerien kassierten zwei Gegentore in der zweiten Halbzeit – wobei auch schon eines genügt hätte, um eine „Schiebung“ zu ermöglichen – das Endergebnis lautete 3:2 für Algerien. Damit war klar, dass ein Ein-Tore oder ein Zwei-Tore Sieg von Deutschland über Österreich beiden das Weiterkommen sichern würde. Für die Algerier hieß es: Warten, Hoffen, Beten. Für/auf ein Wunder. Und dann dieses Spiel mit der vorstellbaren ihrerseits empfundenen Hoffnungslosigkeit anzuschauen. Wie vier Jahre zuvor Brasilien. Fußball kann wirklich grausam sein…
Dennoch soll hier zu dem Vorwurf „Absprache“ noch etwas gesagt werden: Das Spiel begann furios und die Deutschen erzielten nach 12 Minuten das 1:0, Hrubesch per Kopf. Mit diesem Ergebnis waren die Deutschen weiter. Sie sahen danach keinerlei Erfordernis, ein weiteres Tor zu erzielen. Das sind die Gesetze des modernen Fußballs. Man hat sein Wunschergebnis erreicht, ab diesem Zeitpunkt, so macht es praktisch jede Mannschaft auf der Welt, lässt man den Gegner „kommen“, man selber lauert auf Konter. Das ist normal, so ist Fußball, so ist das Spiel. Man wäre eigentlich dumm, wenn man mit aller Macht nach vorne stürmen würde, um entweder das 2:0 zu erzwingen oder — sich dann selber ein Gegentor per Konter einzufangen. Sogar das viel zitierte, sehr viel früher noch verpönte Zeitspiel wird zumindest in diesen Tagen bereits als „ziemlich normal“ eingestuft. Vor allem mit der einen absolut überzeugenden Begründung: „Der Gegner würde es ja auch tun, wenn er führen würde.“ Man muss es akzeptieren. Der Rückwärtsgang wird eingelegt. „Lass die ruhig kommen.“
Dass die Österreicher ihrerseits nun nach dem 1:0 feststellten, dass sie gleichfalls ein Wunschergebnis erzielt hatten, ein Ergebnis, mit dem sie gefahrlos weiter wären — wie erwähnt hätten sie sogar noch das 0:2 kassieren dürfen — begannen auch sie, den Gesetzen dieses Spiels folgend, „den Ball hin- und her zu schieben“. „Sollen die doch kommen, wir sind weiter.“
Beide Mannschaften hatten ein Wunschergebnis erreicht. Und noch ganz besonders soll auf den Umstand aufmerksam gemacht werden, dass das so „schändliche“ Verhalten eher als Beweis aufgefasst werden könnte, dass rein gar nichts abgesprochen war. Wenn man etwas absprechen würde, dann würde man sich nicht so doof verhalten, dass es gleich jeder sieht. Die Spieler haben einfach das gemacht, was sie immer machen würden, wenn sie ein Wunschergebnis erreicht haben: sie beginnen, das Tempo herauszunehmen, auf Ballsicherung zu spielen, die Defensive zu stärken und den Gegner kommen zu lassen. Dadurch, dass es „zufällig“ bei diesem Ergebnis beide Mannschaften betraf, kam es zu diesem unästhetischen Spiel. Die Verantwortung dafür wurde den wirklich Verantwortlichen auf diese Art bestens vor Augen geführt.
Man könnte sogar noch weiter spekulieren, dass es ihnen allmählich recht war, der FIFA diese Backpfeife zu verpassen, da sie sich absolut keiner Schuld bewusst zu sein hätten in dieser Situation. „Wir spielen so, wie es der Situation angemessen ist.“ Sagten sich die Deutschen. „Wir spielen so, wie es der Situation angemessen ist.“ Sagten sich die Österreicher.
Erinnert sei hier, dass es auch zuvor schon Spiele gab – weiter unten ist eines angeführt, mit Uerdingen gegen Gladbach –, bei denen beiden Mannschaften ein Unentschieden genügte. Hier wird das Ballgeschiebe viel eher akzeptiert, selbst wenn es gelegentlich erst in den letzten 20 Minuten zu beobachten war („Wir sind zufrieden. Wollt ihr noch?“ „Nee, lasst mal gut sein. Remis ist auch ein Punkt.“). Die Zuschauer würden nicht einmal pfeifen. Grund: Der ausgeglichen Spielstand scheint es zu rechtfertigen, gegenüber dem für den Aufschrei sorgenden Spielstand von 1:0, wo es vorgeschrieben sein soll, auf den Ausgleich zu streben, was aber, wie erwähnt, nur diesem speziellen Spielstand anzusehen wäre, nicht aber den Turnierchancen.
Man kann es auch gerne dieser Situation gegenüber stellen: im Europapokal mit Hin- und Rückspiel führt eine Mannschaft mit 1:0. Es ist aber die Gastmannschaft, die führt, stelle man sich vor, und das Hinspiel war ein 2:1 für die jetzige Heimmannschaft. Das Heimteam wäre also nach Adam Riese weiter bei diesem Spielstand afugrund der Auswärtstorereglung (eines mehr erzielt). Kein Zuschauer würde sich beklagen, wenn das Heimteam nun in den letzten Spielminuten ein paar Rückpässe spielen würden oder auch sonst lediglich ein Abwehrbollwerk errichtete, nur um kein weiteres zu kassieren.
Sicher gibt es hier einen Unterschied, Vielleicht sogar einen wichtigen: die gegnerische Mannschaft ist die Leid tragende des Spielstandes. Ihr genügt der 1:0-Sieg, so schön er auch klänge, nicht. Sie brauchen noch ein Tor, so dass das Spielverhalten der Heimmannschaft – der eingelegte Rückwärtsgang – eh akzeptiert, aber auch vom Gegner torpediert würde. Diese beiden hier kämpfen um ein sportliches Ziel im Kampf gegeneinander. Bei Deutschland – Österreich haben sie ebenfalls für das Ziel gekämpft, nur zogen sie am gleichen Strang.
Dennoch sei es hier erwähnt, dass es vorkommen kann, dass man zurückliegt und nicht angreift und damit keineswegs eigenen Chancen im Wege steht.
—————–
Noch einmal zusammengefasst: Die Offiziellen tragen die Hauptschuld, insofern, als sie aufgrund mangelhaften Regelwerks und paralleler, nie ganz zu verachtender Geldgier eine solche Konstellation ermöglichten. Dies hätte aufgrund der Erfahrungen von 1978 – aber auch bei gesundem Menschenverstand schon zuvor – vorhergesehen werden können (und sage man nicht, 1978 gab es noch keine Manipulationen, war doch der Bundesliga-Skandal erst grad mal sieben Jahre her).
Das Verhalten der Spieler auf dem Platz erscheint einem vor allem deshalb sehr merkwürdig, da es zum Zeitpunkt dieses Verhaltens einen Sieger in der Partie gab. Da muss man sich doch gegen wehren? Nein, man muss nicht. Dank der Offiziellen, die dafür gesorgt haben. „Die Niederlage ist für uns wie ein Sieg oder ein Remis. Was sollen wir denn dagegen unternehmen müssen? Wer will uns zwingen, einen besseren Spielstand anzustreben, wenn wir einen günstigen erreicht haben?“
Hätte beiden ein Unentschieden gereicht, hätte man vielleicht nur ein paar Mal die Nase gerümpft — und sich damit abgefunden.
Das Verhalten der Spieler auf dem Platz war so offensichtlich, dass es zwar reichlich dumm war und demzufolge auch so aussah, aber gerade dieses könnte als Indiz dienen, dass es keine Absprache gab.
- Deutschland – Dänemark, WM 1986
Dieses Spiel ist aus etwas anderen Gründen hier aufgenommen worden. Es hat für keinerlei Aufsehen gesorgt, insofern muss man vielleicht erst einmal etwas genauer hinschauen, was es für Ursachen für die Aufnahme in die Liste mit dem Titel “dubios” gibt. Eine davon mit Sicherheit aber jene, dass die Deutschen ihren Ruf, eine Turniermannschaft zu sein, auch einer solchen hierzulande gerne missachteten Begebenheit zu verdanken haben.
Hier eine kleine Vorgeschichte und die Konsequenzen:
Deutschland hatte mal wieder gar nicht gut begonnen. Ein 1:1 gegen Uruguay nach Rückstand. Danach das Spiel gegen Schottland, Ein mühevoller 2:1 Sieg, wieder nach Rückstand. Es war aber dies die erste WM, bei welcher 24 Mannschaften am Start waren, aber aus den sechs Vorrundengruppen – mit je vier Mannschaften — sechzehn Mannschaften für ein Achtelfinale herauskommen sollten. In der Vorrunde wurden somit nur acht Mannschaften eliminiert, lediglich 25% der Starter.
Der Modus war auch sportlich zweifelhaft. Nicht nur, dass vier Gruppendritte weiterkommen mussten, um das Eliminations-Ziel zu erreichen, auch wurden diese Mannschaften „über Kreuz“ verglichen, was immer sportlich gesehen zweifelhaft ist. Ausschlag gebend für die Qualifikation zur k.o.-Runde war das Kriterium „die vier besten Drittplatzierten“. Für diese wurde eine Tabelle gemacht. Abgesehen vom Überkreuz-Vergleich bestand aber noch das Problem der zeitlichen Abfolge. Also eine Mannschaft war in Gruppe A bereits gesichert Dritter, musste aber noch auf die Ergebnisse der anderen Gruppen warten, ob ihr Dritter Platz „reichen“ würde? Das kann nicht gut sein.
Dazu konnten die später spielenden Gruppen ihre Ergebnisse nach den Vorgängergruppen ausrichten und wussten schon, welches Ergebnis für Platz 3 und damit fürs Weiterkommen reichen würden – und welche dringend zu vermeiden waren. Eine neuerliche Art der Wettbewerbsverzerrung, an sich als Eigentor der FIFA zu werten. So kann man es einfach nicht machen, Kommerz hin oder her (wohl deshalb die Aufstockung auf 24?).
Also, wie gesagt, sportlich höchst fragwürdig und auch zum Glück durch neuerliche Teilnehmeraufstockung bald abgeschafft. Soll hier nicht unbedingt Thema sein. Für die Deutschen bedeutete es nur, dass sie nach diesen beiden faden Spielen bereits gesichert weiter waren.
Kurioses Spiel übrigens in der Deutschlandgruppe, und hier nur am Rande erwähnt, da es die Aufnahme in diese „Hall of fame“ nicht ganz verdient. Das letzte Spiel der Gruppe, parallel zu Deutschland – Dänemark, zwischen Schottland und Uruguay: Schottland hatte beide Spiele verloren, gegen Deutschland und Dänemark, Uruguay immerhin den Punkt gegen Deutschland erkämpft, ist danach gegen Dänemark mit einem 1:6 regelrecht “eingegangen“. In der 1. Minute des Spiels Schottland – Uruguay wurde, damit das früheste derartige Ereignis bei einer WM, ein Uru vom Platz gestellt. Die 10 Urus standen fortan 90 Minuten lang auf der eigenen Torlinie. Das Ergebnis hielt. Der Schlusspfiff ertönte. Die 10 Urus fielen sich noch auf dem Spielfeld in die Arme, es wurde hemmungslos gejubelt, Klar, sie waren weitergekommen als „einer der vier bestplatzierten Dritten“. Nur: Die Art des Erzielens und die Ergebnisse selber, die sie erreicht haben, führen im Prinzip schon das ganze System ad absurdum: ein 1:1 geholt gegen Deutschland, gut, dann eine 1:6 Klatsche eingefangen, und dann ein ermauertes 0:0. Na bitte, reif fürs Achtelfinale! Der Jubel verständlich, die sportliche Leistung hingegen? Der Modus selbst?
Wie es Uruguay gelang, mit einer derart miserablen Bilanz durchzukommen? Nun, in einer Gruppe hatte ein Tabellendritter nur einen Punkt – gegen die Top 2 verloren, gegen den Letzten Remis – und Ungarn hatte gegen die Sowjetunion gar 0:6 verloren; zwar auch 2:4 Punkte, aber das noch schlechtere Torverhältnis. Zudem das Problem hier offenbar: Uruguay wusste, dass das 0:0 genügte; Ungarn wusste zuvor nicht, was sie brauchen würden. Kurioses Spiel, Schottland – Uruguay: ja. Dubioses Spiel: nein.
Für das Dänemark – Deutschland Spiel hatte dies inklusive der Vorgeschichte folgende Bedeutung: es ging theoretisch um den Gruppensieg. Beide Mannschaften waren schon qualifiziert. Selbst der zweite Platz war dem Verlierer sicher, Deutschland zu etwa 99.99% aufgrund des katastrophalen Torverhältnisses der Urus gegenüber Deutschland (sie konnten noch punktgleich eingehen, wenn Uruguay gewinnt und Deutschland verliert). Dadurch konnte man aus deutscher Sicht schon ein wenig „planen“, wen man als Gegner lieber hätte, was sogar für die mögliche Folgepaarung galt (es drohte ihnen also kein Absturz auf Platz 3, mit unabsehbaren Folgen; so trafen die Urus in der nächsten Runde übrigens auf den späteren Weltmeister Argentinien).
Sie haben ein tolles Spiel gemacht, bedauerlicherweise aber mit 0:2 verloren. Franz Beckenbauerauer sinngemäß nach dem Spiel: „Ich habe das beste Spiel in meiner Amtszeit gesehen.“ Und schmunzeln tat er ähnlich, wie er es für die „unglückliche Niederlage von 1974 gegen die DDR“ einstudiert hat.
„Lohn“ zugleich für dieses so tolles Spiel: der Achtelfinalgegner hieß Marokko. Dänemark bekam es mit Spanien zu tun. Dänemark flog raus mit einem 1:5. Deutschland hatte es mit einem fast übermächtigen Marokko zu tun. dennoch wurde der Gegner schon in der 89. Minute durch einen haltbaren Freistoß von Lothar Matthäus aus 30 Metern, flach in die Ecke, bezwungen. Egal, sagt man hierzulande. Wir sind weiter. Basta. Immerhin aber bestand ja schon allein die Möglichkeit, sich diesen Gegner „auszusuchen“ und allein dies schon kann man leicht als Glück auffassen, sofern man möchte, und dass noch dazu per Niederlage gegen Dänemark (Wunschgegner ist ja schön, aber dafür hätte ein anderer vielleicht etwas leisten müssen? Einen Sieg?).
Somit hatte Dänemark also ein ähnliches Schicksal wie ein paar Jahre davor die DDR: Deutschland besiegt, das kleine Land (darob) ohnehin glücklich, das Aus in der Runde darauf gegen einen starken Gegner hat man hinzunehmen, kann mit leben. Passt schon.
Aber damit noch nicht genug, aus deutscher Sicht. Der weitere Weg im Turnier zeichnete sich ab: Der Viertelfinalgegner war Mexiko, das war absehbar, als Sieger einer der anstehenden anderen Achtelfinalpartien, Mexiko gegen Bulgarien, dieser Weg stand aber bereits fest, es wurde nicht „frei gelost“. Aber: auch Bulgarien wäre machbar gewesen?
Immer noch nicht genug damit. Mexiko als Ausrichter hatte jetzt schon etwas ganz Großartiges erreicht und die Fans waren ohnehin zufrieden, so dass Deutschland nicht nur auf einen schlagbaren Gegner traf, sondern dieser bereits in gewisser Weise mit dem Erreichten zufrieden war.
Das Spiel selber sah Deutschland nach Platzverweis gegen Briegel in die Verlängerung und mit einem 0:0 ins Elfmeterschießen gehen, mit Müh und Not. Bei Elfmeterschiessen, so sicher der hiesige Glaube, gibt es immer nur einen Sieger. Der Weg, den die deutschen zu nehmen hatten, war also in jeder Hinsicht beschwerlich. Gegen Dänemark ruhmreich verlieren, dann Marokko, dann Mexiko oder Bulgarien…
Dass die Deutschen sich auch noch durchs Elfmeterschießen im Halbfinale (nach 1:3 Rückstand in der Verlängerung) gegen Frankreich „molchten“, war dann schon beinahe eine Selbstverständlichkeit für einen Deutschen. Die hierzulande gerne gestellte Frage: „Ja, wo waren dann die Brasilianer, Engländer, Spanier, Italiener?“ konnte erneut mit einem „…längst zu Hause“ beantwortet werden. Jedoch standen diese mit Sicherheit sich gegenseitig im Weg, während Deutschland den beschriebenen hatte. Marokko, Mexiko. Das soll kein Glück sein?
Ein Deutscher klopft sich ob solcher „Verdienste“ auf die gleiche Schulter — Ja, „wir“ sind eben eine Turniermannschaft –, mit der er im Anschluss zuckt. Glück gibt es nicht? Nicht nur, dass man diesen Weg gehen konnte durch eine freiwillige Niederlage, dass es ihn überhaupt gab, mit einem haltbaren 1:0 kurz vor Schluss und einem Elfmeterschießen-Erfolg musste man ihn dennoch erst einmal heil überstehen, was, wie man sieht, alles anderem als Glanzleistungen zu verdanken war?
Was hat das schon mit einem einmaligen Ausrutscher mit 0:2 gegen Dänemark zu tun?
- Werder Bremen – BFC Dynamo, Europapokal 1988?
- Borussia Mönchengladbach – Bayer Uerdingen, Bundesliga Saison 1989/90, letzter Spieltag
Dieses bereits etwas weiter oben angegebene Spiel ist wohl ziemlich in Vergessenheit geraten, falls es überhaupt jemals aufgefallen ist. Hier gelten die „etwas anderen Gesetze“ des Unentschiedenen Spielstandes, die das Verhalten auf dem Platz nicht bedenklich erscheinen ließen. Abgesehen davon ist der DFB gar nicht besonders daran interessiert, sich an das eigene Bein zu … na, wie Hunde das so machen … Man möchte, wenn es geht, gar keinen großen Wirbel haben, dazu kommt das Problem der „Beweislast“.
Immerhin gab es aber, analog zu einmal Brasilien (die vielleicht genügend Überheblichkeit aufbrachten, es großzügig zu übersehen) und Algerien (die sicher eine fehlende Lobby anführen könnten; dennoch hat sowohl das Folgespiel für weltweites Aufsehen gesorgt und so groß konnte der Teppich gar nicht sein, um es darunter zu kehren, zugleich sorgte der letzte “Zwischenfall” dafür, dass das Regelwerk geändert wurde), auch hier einen Geschädigten, was eigentlich bei jeder „Manipulation“ der Fall sein dürfte.
Der „Geschädigte“ war in diesem hier vorgestellten Fall der VfL Bochum. Die „Unabsteigbaren“ konnten möglicherweise aufgrund einer Übereinkunft zweier anderer diesem Ruf in jener Saison nicht gerecht werden.
Hier zunächst die Tabellensituation: Es war so, dass Bochum vor dem letzten Spieltag zwei Punkte Rückstand auf diese beiden Mannschaften hatte, also auf Gladbach und Uerdingen. Es galt die Zweipunkteregel. Hier ein Auszug aus der Tabelle nach dem 34.Spieltag.
Diese Tabelle ist dem Internet entnommen, während sonstige Aufzeichnungen in der Regel aus dem Gedächtnis erfolgen.
Man kann spielend leicht erkennen, dass den Bochumern angesichts der Möglichkeit des Unentschiedens zwischen Gladbach und Uerdingen der bereits eingerechnete erzielte 2:0 Sieg nichts genützt hatte. Ebenso ist das 0:0 zwischen Uerdingen und Gladbach bereits ausgewertet. (viel weniger kurios hier, dass theoretisch unter den gegebenen Umständen ein 1:0 für MG gereicht, dass die Tabelle die gleiche Reihenfolge ausgewiesen hätte; sie hätten also kurz vor Schluss noch einen machen können, um den Verdacht auszulöschen; wobei ja bei Bochum auch noch ein Tor hätte fallen können?)
14. Bayer 05 Uerdingen 34 10 10 14 41:48 -7 30:38
15. Borussia Möncheng. 34 11 8 15 37:45 -8 30:38
16. VfL Bochum 34 11 7 16 44:53 -9 29:39
In der Sportschau war nach Ablauf des Spieltages ein Interview mit einem aufgebrachten Uwe Leifeld, dem Bochumer Topstürmer in diesen Tagen, immerhin ausgestrahlt worden. Er ereiferte sich ziemlich, um auf die Offensichtlichkeit des Verhaltens aufmerksam zu machen, dass er in der Annahme, dass sich Uerdingen und Gladbach auf ein remis einigen könnten, versucht hatte, bei österreichischen Buchmachern eine Wette auf das X zwischen Mönchengladbach und Uerdingen zu platzieren, und dass kein Buchmacher ihm eine Quote darauf anbieten wollte. Die Buchmacher wussten schon, was sie taten und warum sie es taten.
Nun, dass Leifeld aufgebracht war, ist sehr gut nachvollziehbar. Dass die andere Seite die Wette auf das Remis nicht annehmen wollte, versteht man aber mindestens genauso gut. Warum sollen sie denn ihr mühsam verdientes Geld einfach so verbrennen wollen?
In der Sportschau wurde ansonsten wenig Wind um die Sache gemacht. Es wurden, wie üblich, ein paar Ausschnitte gezeigt, zwei halbe Torchancen hier, zwei halbe dort, das war es. Die halben Chancen wurden noch so ein wenig mit dem Tenor gezeigt, dass man ja sähe, dass sie es versucht hätten. Ansonsten war eben „nicht all zu viel los.“
Man war offensichtlich einfach nicht daran interessiert, einen “Skandal” daraus zu machen. Bochum ist doch in gewisser Weise selbst schuld und die Saison war lang genug, um genügend Punkte zu sammeln und so weiter. Gerecht ist es dennoch nicht und den Charakter “dubios” müssen sich die Protagonisten mindestens zuschreiben lassen. Inwieweit abgesprochen? Siehe Deutschland – Österreich. Wobei man für das Beispiel Gladbach – Uerdingen auch anführen darf: das Problem hier kaum in den Griff zu bekommen, während es bei Deutschland – Österreich die einfache Behebung gab: zeitgleich spielen. Was an dem letzten Bundesligaspieltag jedoch ohnehin (schon lange) der Fall ist. Möglich also, dass man auf so ein Spiel nicht eingeht, weil es keine Möglichkeit gibt, so etwas grundsätzlich zu vermeiden?
- Portugal – Estland, EM Quali ?
Das besondere an diesem Spiel war, dass Portugal einen hohen Sieg benötigte, mit fünf Toren oder mehr, um Spanien auszuschalten und selbst zur Euro zu dürfen. Die Esten aber wehrten sich mit allem, was sie hatten und feierten nach Abpfiff die 0:4 Niederlage wie einen Sieg. Natürlich kann man erahnen, dass sie sich so freuten, da es von anderer Seite – ruhig hier konkret angesprochen: spanischer – ein Lohn für eine solche Glanzleistung zu erwarten war.
Etwas später (Teneriffa – Real Madrid) wird eigentlich die Befürwortung einer derartigen Unterstützung sowohl moralisch als auch regeltechnisch zur Sprache gebracht.
Immerhin unterscheidet sich dieser Vorfall hier insofern, als die Esten ja nur nicht höher als 0:4 verlieren sollten.
- Albanien – Spanien, EM Quali ?
In dem gleichen Qualifikationszyklus kam es angeblich auch in dieser Partie schon zu einer kleineren „Bestechung“. Es ist eher anekdotisch, soll nicht direkt als „Wahrheit“ verkauft werden und keine Anschuldigung werden. Eigentlich wird eher der gesamte Modus in Frage gestellt und wurde ja später auch – sicher anlässlich derartiger Beobachtungen, zumindest der Möglichkeiten derselben – abgeändert, so dass Höhen von Siegen gegen underdogs nicht mehr über die Qualifikation entscheiden sollen (sondern der direkte Vergleich, was allerdings auch seine Tücken hat).
Es war wohl so, dass absehbar war, dass Portugal und Spanien punktgleich einlaufen würden, insofern das Torverhältnis die entscheidende Rolle spielen würde. Als Spanien nach Albanien fuhr, brauchten sie also „Tore satt“. Angeblich und völlig unbestätigten Informationen zufolge haben sie den Albanern lediglich ein paar (natürlich viele PaarE) neue Schuhe als Gastgeschenk mitgebracht, was in jenen Tagen in dem ärmlichen Land bereits Glücksgefühle auslöste und die Schritte der neu beschuhten dennoch so hemmte, dass sie mit einem 9:0 abgefertigt wurden.
Allerdings, siehe oben, war noch ein weiterer kleiner Geschenksatz fällig an die Esten. Vielleicht ein paar Glühbirnen? Oder mussten sie doch tiefer in die Tasche greifen?
- Teneriffa – Real Madrid, 1992 und 1993
Eine Besonderheit verschafft diesem Spiel hier die Aufnahme. Erinnert sei gerne noch vor der eingehenden Erörterung, dass es doch als erheblicher Unterschied angesehen werden müsste, ob es eine (finanzielle) Motivationsspritze in Richtung einer Höchstleistung oder eine solche hinsichtlich einer Fehlleistung gibt oder gab.
Kleiner Exkurs an dieser Stelle: Die Ignoranz dieses Umstandes war bereits bei dem Bundesligaskandal 1971 zu beobachten, als der Offenbacher Präsident Horst-Gregorio Canellas die Bombe mit einem aufgezeichneten und abgespieltem Telefonat mit Bernd Patzke von Hertha BSC platzen ließ, in welchem er Herrn Patzke hörbar einen ordentlichen Betrag zusagte, für den Fall, dass Hertha die Arminia aus Bielefeld besiegte am letzten Spieltag. Darauf antwortete jener, dass die Arminia besser bezahlte für ein herthaliches Versagen. Sicher berief sich Herr Canellas, der dennoch einige Füße in demselben Sumpf hatte, in diesem Moment auf seine Ehrenhaftigkeit, in welcher er trotz Bekanntheit des Verbotes einer derartigen Motivationshilfe, sich sozusagen auf den moralischen Anteil berief. „Ich wollte doch bloß, dass sie ordentlich laufen und ackern. Das machen sie doch aber sowieso.“ Dass dies bei der Beurteilung und Aufdeckung des Skandals meist unerwähnt blieb, ist eigentlich kurios. Selbst wenn es das Verbot gab, Siegpämien von fremder Seite zu zahlen, so hat es doch eine andere Qualität und müsste demnach auch anders beurteilt werden.
Dieses Beispiel hier soll nun aufzeigen, wie man auch damit umgehen kann:
Die eine Sache an dem Real Madrid Beispiel ist ein gigantischer Zufall, den Freund Internet nach ca. 30-sekündiger „Recherche“ bestätigen konnte: in zwei aufeinander folgenden Spielzeiten, den Spielzeiten 1991/92 und 1992/93 kam es am letzten Spieltag der Primera Division, also der spanischen Meisterschaft, zu einer absolut identischen Konstellation. Es war ebenfalls noch Zeitalter der Zweipunkteregel. Real Madrid lag jeweils am letzten Spieltag mit einem Punkt Vorsprung an der Spitze der Tabelle. Am letzten Spieltag mussten sie in beiden Spielzeiten zu CD Teneriffa reisen. Beide Male verlor Real Madrid dort (einmal mit 2:3, einmal mit 0:2), während Konkurrent FC Barcelona jeweils gewinnen konnte. Beide Male verlor Real Madrid also am letzten Spieltag den Meistertitel durch eine Niederlage gegen den gleichen Gegner, bei gleichzeitigem Gewinn des Kontrahenten, und musste die Meisterschale noch abgeben.
Das alleine mag zwar bemerkenswert sein, hätte aber absolut nichts hier in diesem Abschnitt zu suchen. Falls nicht ein weiteres Faktum hinzukommen würde: Real Madrid war wohl sicher enttäuscht und suchte „ein Haar in der Suppe“. Sicher wird ihnen während der Auftritte auf Teneriffa die erkennbar große Motivation des Gegners aufgefallen sein. Sie kämpften bis zum Umfallen.
Von so viel gegnerischer Motivation ihrerseits motiviert, brachte Real tatsächlich heraus, dass Teneriffa eine kleine „Motivationsspritze“ von Barcelona bekommen hätte. Dass diese gar, wie bis dahin absolut verboten, in Heller und Pfennig erfolgte, erregte die königlichen Gemüter derart, dass Real Madrid tatsächlich Protest einlegte, zumal Derartiges eben laut Regel verboten war.
Die Verantwortlichen setzten sich zusammen und kamen zu dem Schluss, dass sie fortan eine derart „positive Motivation“, selbst wenn sie mit finanziellen Mittel erfolgte, nicht mehr untersagen wollten. Diese Regelung galt zwar nur für die Zukunft, jedoch wurde der Protest ebenfalls abgeschmettert. Barcelona behielt beide Meisterschaften, Real die Fäuste in der Tasche.
- FC Barcelona – Dynamo Kiew, Europapokal 1995?
Dieses Pferdchen soll ruhig einmal von hinten aufgezäumt werden. Und zwar derart:
Es liefen die letzten Minuten in dieser Partie. Der Spielstand lautete: 2:1 für Barcelona. Die daraus sich ergebende Konsequenz: Kiew war nach Hin- und Rückspiel bei diesem Ergebnis draußen. Das beobachtete Verhalten der Kiew-Spieler, natürlich nur einem höchst subjektiven Eindruck entnommen: Sie waren mit diesem Ergebnis ebenso „zufrieden“ wie die Barca-Spieler, vermutlich jedoch aus anderen Gründen. Es gab einen ähnlichen Nicht-Angriffspakt wie einstens bei Deutschland und Österreich. Kiew schob den Ball in der eigenen Hälfte hin und her. Aber es gab bei diesem Spiel doch nur einen sportlichen Sieger. Was sollte das bezwecken?
Da die Annahme, dass Dynamo Kiew sich in dieser Partie und bei diesem Spielstand aufgrund des Unverständnisses der angeblich so komplizierten Europapokal-Arithmetik für qualifiziert hielten zumindest sehr unrealistisch klingt, gibt es einen gewissen Anlass, darüber zu spekulieren, ob sie nicht vielleicht trotz des Ausscheidens auf eine andere Art „zum Sieger“ wurden?
Hier nun eine sehr vage und gewagte These, wie das ganze abgelaufen sein könnte: Das Hinspiel war 1:1 ausgegangen. Kiew hatte keine all zu günstige „Verhandlungsposition“. Barcelona hielt sich auch für stark genug – trotz erkennbarer Stärke des Gegners –, das allein hinzubiegen. Eine vorsichtige Anfrage vor dem Spiel ergab keine Annäherung, geschweige denn Übereinkunft.
Kiew hängte sich in Hälfte 1 voll rein, um sich in eine bessere Lage zu begeben. Und sie schafften wirklich das 1:0! Zur Halbzeitpause nun bemühte sich der schwitzende, unter anderem da schwer bepackte, Barca-Präsident in die Kabine von Kiew – und kam erleichtert wieder heraus, hatte er doch die schwere Fracht abliefern können, welche sich logischerweise aus den aufgrund des unerfreulichen Spielstandes erforderlichen reichlichen Paketen von Dollarnoten zusammensetzte.
Barca drehte das Spiel. Und alle waren zufrieden.
Na, eben: Sehr vage. Interessant wäre es nur, noch einmal diese Schlusssequenz anzuschauen. Ein Narr, wer Schlechtes dabei denkt?
- Dänemark – Schweden, EM 2004
Dieses Beispiel wird sicher noch bei vielen in Erinnerung sein. Angeführt werden soll es hier vor allem, weil man auch auf dem Gebiet „dubiose Spiele“ eine Fortentwicklung, was den Geschicklichkeitsgrad der Umsetzung angeht, beobachten kann. Dennoch bleibt alles spekulativ, das soll hier gerne wiederholt betont werden. Also: Dubios ja, nachweisbar? Niente! Je geschickter gemacht, desto weniger. Ob das Aufdecken eines solchen Falles in irgendeiner Form — außer von Seiten des Geschädigten — überhaupt vorangetrieben werden soll, ist ein weiterer „dubio“, ein Zweifel, der hier gerne angemeldet wird. Karre im Dreck kann passieren. Aber warum sie selber dorthin fahren?
Dass das Regelwerk immer wieder ein paar Schlupflöcher aufweist, selbst wenn man sich bei dem aktuell verwendeten schon auf halbwegs sicherem Eis wähnte, zeigt auch dieses Beispiel. Weiter oben war kurz angeführt, dass der direkte Vergleich seine Tücken hat, mindestens eine sieht man in der Folge.
Zur Vorgeschichte:
Bei diesem letzten Spiel der Gruppenphase der Euro war es für beide Seiten ausreichend, falls sie Unentschieden ab einer bestimmten Höhe spielen würden. Es war der letzte Spieltag der Vorrunde. Die ersten Beiden qualifizieren sich fürs Viertelfinale. Die Gruppenkonstellation war die: Dänemark und Schweden hatten in den ersten beiden Spielen jeweils gegen Bulgarien gewonnen und gegen Italien Unentschieden gespielt. Italien hatte also zwei Punkte, aber im parallel ausgetragenen Spiel gegen Bulgarien auch die Siegchance und damit, bei der längst gültigen Dreipunkteregel die Chance, auf 5 Punkte zu kommen. Jedoch würden auch Dänemark UND Schweden diese Marke erreichen bei einem Remis. Wer von den dann drei punktgleichen Bewerbern Weiterkommen würde, hatten die „Schreibtischtäter“ der UEFA auf die folgende bis heute (2011) gültige Art festgelegt:
„Bei Punktgleichheit entscheidet das Ergebnis aus dem direkten Duell gegeneinander, wenn mehr als zwei Mannschaften punktgleich sind, wird eine Tabelle aus den direkten Duellen gebildet. Dort entscheidet dann zunächst die Tordifferenz und wenn auch die gleich ist, die Anzahl der erzielten Tore. Wenn auch diese gleich ist, so wird der UEFA-Koeffizient…“
Der letzte Teil der Regelung ist weder hier ausformuliert noch soll er länger diskutiert werden, unfassbar (schlecht) ist er allemal.
Der Rest lässt das Bemühen um eine sportliche Lösung erkennen. Um die Auswirkungen dieser Form der „Sportlichkeit“ besser zu verstehen seien noch diese kleinen Besonderheiten angeführt: Italien hatte gegen Dänemark 0:0 gespielt und gegen Schweden 1:1. Ihr Torverhältnis war also fix 1:1 für die Tabelle der drei untereinander. Auf dieses hatten sie keinen Einfluss mehr. Wenn Schweden gegen Dänemark 2:2 (oder höher Unentschieden) spielen würde, dann hätte Dänemark 2:2 (oder mehr) Tore und Schweden gar 3:3 (oder mehr). Italien wäre also nach der obigen Regelformulierung ausgeschieden. Die Mannschaften wären untereinander punktgleich, Tordifferenz wäre gleich, die Regelung „dann die Anzahl der erzielten Tore“ würde Dänemark und Schweden weiter verhelfen, ab 2:2 Unentschieden.
Das Spiel endete 2:2. Die Italiener, selbst als Künstler am Rechenschieber verschrien, waren natürlich empört und verwiesen auf die Offensichtlichkeit. Morten Olsen, der dänische Trainer, sagte anschließend sogar: „Natürlich gab es einen Deal“ und goss damit, vermutlich bewusst, temporär noch etwas mehr Öl in das dennoch bald danach wieder verlöschende Feuer. Wieso sollte denn so ein Spiel nicht 2:2 enden? Wie etwas beweisen? Wozu gibt es Teppiche? Zum drunterkehren. Genau. Und Morten Olsen war eh fein raus: lügen tut man nicht gerne und schmunzelnd “die Wahrheit” zu sagen lässt alle Schlüsse offen. “Natürlich gab es ihn”, und so kommt man in den Knast? “Ja, ich habe fünf Menschen ermordet und ausgeraubt. Könnt ihr mich jetzt bitte einbuchten?”
Abgesehen davon ist ja ein 2:2 Spiel etwas anderes als ein 0:0. Jeder, der Betrug fürchtete, konnte ja nach jedem gefallenen Tor doch wieder spekulieren, ob es vielleicht doch ehrlich zuginge? Es gab jede Menge Action auf dem Spielfeld, das ganz gewiss. Und immer mal lag einer vorne oder hinten, es war ein „spannendes Spiel“. Es näherte sich der Schlusspfiff und es stand 2:1 für Dänemark. Kuriosum am Rande nur, was die ganze Zeit über völlig andere Spekulationen ermöglichte: Italien führte nicht gegen Bulgarien.
Hier jetzt mal die Geschehnisse der letzten Minuten in Romanform:
Die 70. Minute. Nach wechselvollem und spannendem Verlauf führt Dänemark 2:1 gegen Schweden. Selbstverständlich haben beide Mannschaften Angst, dass eine Absprache „auffliegt“. Im Prinzip würden sie dieses 2:2 liebend gerne vermeiden, wenn irgend möglich, aber dennoch weiter kommen. Italien dürfte nur nicht gegen Bulgarien gewinnen. Mal hören, wie es da läuft? Ach, Italien gleicht gerade aus, 1:1, schade. Na, hoffentlich machen sie jetzt nicht bald das 2:1. Oder lieber doch? Dann wüsste man wenigstens woran man ist?
Die Schweden und Dänen geben das gute und noch mögliches Ergebnis „nicht aus der Hand“, es bleibt beim 2:1 und könnte jederzeit… abwarten. Gelingt Italien nun die Führung? Wie steht es? Vielleicht das 2:1 für Bulgarien? Wäre doch möglich? Nix von da, 1:1 weiterhin. Die Schlussminuten rücken näher. Allmählich wird es den Skandinaviern aber mulmig. Letzte Spielminute. Der Torhüter der Dänen. Peter Schmeichel, greift an einem völlig harmlosen Ball vorbei — das 2:2! Nebenbei macht Italien das Siegtor.
Hier nun das parallele Geschehen aus der anderen Sicht:
Aus Sicht der Italiener war die Lage natürlich eine ganz andere. Sie ahnten von den Plänen oder mussten sie zumindest befürchten. Aber sie ahnten auch, dass die beiden Nationen das Auffliegen, das Platzen der Bombe, am liebsten vermeiden würden. Also waren sie, selbst bei möglicher Befähigung, gar nicht an einer Vernichtung des Gegners nach dem Motto „1:0, 2:0, 3:0“ interessiert. Sie wollten so lange wie möglich mit der Führung warten. Ob die Bulgaren nun womöglich auch noch eingeweiht waren, gar mithelfen wollten, von Italien beflügelt wurden, der Ehrlichkeit des Sports nun dienen zu können, indem sie mitwirken würden und einen solchen Plan unterstützen wollten?
Eine mögliche, auch noch sehr „billige“ — in Dollar ausgedrückt — Absprache, könnte so ausgesehen haben: „Hört mal, ihr Bulgaren, Ihr seid raus, so oder so. Die Chance, bei größtmöglichem Einsatz gegen uns etwas zu holen ist auch nicht besonders hoch, zumal es sicher hier oder da Motivationsprobleme geben könnte. Dazu können wir die Dänen und Schweden vielleicht anschmieren und einen Skandal der besonderen Art vermeiden. Hättet ihr etwas dagegen, wenn wir gewinnen, aber das Siegtor erst in der Nachspielzeit erzielen?“
Geschehen ist es so. Italiens Führung dauerte bis zur Nachspielzeit. Die Hoffnung, dass Dänen und Schweden naiv genug sein könnten, zu glauben, dass die Italiener in den letzten Sekunden doch nicht mehr das Siegtor schießen würden und plötzlich, beinahe „aus Versehen“, vergessen, selber das 2:2 zu machen, um allen Eventualitäten vorzubeugen, trogen.
Obwohl der Plan der Italiener aufging der übereifrige „Fliegenfänger“ im Tor der Dänen machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Alles nur Phantasie?
Interessant übrigens die Perspektive damals, die vor allem die Bewegungen am Wettmarkt mit einbezog. Die Quote auf ein 2:2 Unentschieden in einem solchen Spiel wäre unter normalen Umständen etwa 13.0 gewesen. Der Kurs bei der Wettbörse betfair stürzte und brach komplett ein. Der Kurs schloss bei 3.40 zum Spielbeginn. Auch die Quote auf das Unentschieden war längst nicht vergleichbar mit „normalen“ Remisquoten, die in der Größenordnung von 3.0 oder höher liegen. Dieser hier war bei 2.0, also wesentlich kleiner.
Das hat nichts mit „Wissen“ dort zu tun. Es ist einfach nur, wie der Wettmarkt auf eine solche Konstellation reagiert. Wer gewonnen und wer verloren hat – bei einer Wettbörse sind es fast ausschließlich Privatpersonen – ist völlig offen. Es war jedenfalls kein „groß angelegter Betrug“ dort, nur um diesen Verdacht nicht aufkommen zu lassen.
Aber spannend war es doch?
13) Borussia Mönchengladbach – Inter Mailand, Europacup 1971 7:1 oder 0:0?
(Details zu diesem Spiel sind in dem Falle Rechercheergebnisse)
Borussia Mönchengladbach, die Fohlen Elf, damals so getauft nach dem Aufstieg in die Bundesliga 1965, war inzwischen gereift und hatte etliche Erfolge in Europa gefeiert, war dort längst ein anerkannter und gefürchteter Gegner.
Die Auslosung ergab eine Art “Traumlos” mit Inter Mailand, für die zweite Runde im Cup der Landesmeister. Natürlich einer der schwereren Gegner in einer frühen Runde, aber Duell Deutschland – Italien hatten immer diese Brisanz und waren unter allen Umständen “attraktiv” und “medienwirksam”. Die Chancen? Vielleicht damals als ausgeglichen zu bewerten? Inters Sieg in dem Wettbewerb lag ja bereits gut vier Jahre zurück. Aber ein mehr als respektabler Gegner auf jeden Fall.
Hinspiel am 20.10.71 in Gladbach. Gladbach ging früh in Führung (7., Heynckes), Roberto Boninsegna glich aus (19.). Gladbach gelang erneut die Führung (21., le Fevre). Dann der legendäre Büchsenwurf kurz danach: ausgerechnet Boninsegna bekam diese an den Kopf und ging zu Boden. Er stand nicht mehr auf, verließ den Platz auf einer Trage. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch. Schiri Dorpmans (Arnheim, Holland) entschied auf Weiterspielen. Nach sieben Minuten Unterbrechung ging es weiter. Ghio für Boninsegna im Spiel.
Gladbach spielte sich in einen Rausch und erzielte Tor auf Tor. 7:1 am Ende. Eine Vernichtung von Inter, ein Traumspiel, eines der besten der Geschichte von Gladbach.
Es dauerte aber nicht lange, bis Inter Protest gegen die Spielwertung einlegte. Immerhin war einer ihrer (wichtigsten) Spieler verletzt worden und konnte seiner Mannschaft nicht mehr helfen. Auswechslungen waren seit 1967 erlaubt (also noch gar nicht so lange), damals noch zwei Spieler je Team.
Die UEFA entschied: das Spiel muss wiederholt werden. Kurios allerdings ein paar Dinge daran. Punkt 1: nach sieben Stunden Verhandlung unter dem Vorsitz von Dr. Sergio Zorzi (Ita) fiel die Entscheidung. Punkt 2: das Spiel sollte außerhalb Deutschlands stattfinden. Punkt 3: das Rückspiel war für den 3.11. angesetzt. Dieses Spiel fand auch an jenem Abend statt. Nur war es damit nicht mehr das Rückspiel sondern das Hinspiel. Denn das eigentliche Hinspiel, also das Wiederholungsspiel, fand erst am 1.12. statt. Punkt 4: man einigte sich darauf, das “Hinspiel” in Berlin auszutragen, also nicht wirklich außerhalb Deutschlands (wobei West-Berlin damals immerhin einen Sonderstatus hatte).
Weiterhin bemerkenswert: zum Spiel in Mailand wurde Gladbach auf übelste Art empfangen. Der Mannschaftsbus kam kaum zum Stadion, die Spieler wurden wüst beschimpft und schwer beleidigt. Das ist schon ein wenig befremdlich: was hätten die Spieler denn für eine Verantwortung zu übernehmen für einen einzelnen, vielleicht betrunkenen, Fan, dessen Identität nie festgestellt wurde? Möglich allerdings, dass die Gladbacher schon Zweifel an der Echtheit der Verletzung von Boninsegna geäußert hatten?
Bemerkenswert auf jeden Fall: weiterhin gilt die Regel, dass es ein Vorteil ist, zuerst auswärts spielen zu dürfen. Dafür kämpfen viele Mannschaften heute in den Vorrundengruppen, um einen ersten Platz zu ergattern, welcher dieses Privileg für die folgende Runde einräumt.
Im Heimspiel nämlich hätte man die Chance, den Heimvorteil nutzend, das Zielergebnis zu kennen und sich an diese zu orientieren. Es ist mehr als nur ein intuitiver Vorteil, das Rückspiel vor eigenem Publikum austragen zu dürfen.
Das Heimrecht wurde vertauscht, wenn man so will, und Inter Mailand musste diesen Nachteil in Kauf nehmen, wobei das Spiel ja immerhin, laut Beschluss, auf neutralem Platz stattfinden würde, insofern der Heimvorteil zumindest eingeschränkt wäre (West-Berlin immerhin BRD, wie Gladbach).
Zunächst weiter in der Chronologie: Gladbach musste also nach Mailand und wurde dort nicht nur abseits des Platzes schlecht behandelt, nein, auch auf dem Platz ging es hoch her. Die Italiener hatten sich Rache für das 1:7 geschworen, denn trotz der Aberkennung hatten sie ja dennoch auf dem Platz diese sieben Stück kassiert. Sie reagierten mit heftigen Fouls und anderen Nickligkeiten. Die Schiedsrichter hatten zu jener Zeit, von der kochenden Volksseele beeinflusst, und ohne weiteren Schutz ausgestattet, sowie weitaus weniger Kameras, welche die versteckten Fouls aufdecken konnten, keinen so leichten Stand. Die Standardreaktion war die: die Heimelf kam ungeschoren davon. Auch in aufkeimenden Diskussionen hatten die Heimspieler, mit dem kompletten Publikum im Rücken, Sonderrechte, welche sie sich einfach herausnahmen.
Gladbach leistete guten Widerstand, war aber diesem äußeren doppelten bis dreifachen Druck nicht ganz gewachsen in jenem Spiel. Sie kamen in der 89. Auf 2:3 heran, verloren aber doch noch 2:4.
Zum Rückspiel in Berlin waren damit die Vorteile doch auf Inters Seite. Gladbach musste zwei Tore aufholen und ein neuerliches derartiges Schützenfest war unter keinen Umständen zu erwarten. Das Spiel endete 0:0, das Abwehrbollwerk der Italiener hielt, immerhin hatte ja Inter unter Helenio Herreira 1967 mihilfe des damals neuen Catenaccio den Europapokal gewonnen.
Zurück zu dem legendären 7:1 und dem Büchsenwurf. Eine Cola-Dose, die heute im Museum von Vitesse Arnheim, im Stadion dort, ausgestellt ist, traf Boninsegna. Die herumstehenden Gladbacher Spieler behaupten, die Büchse wäre leer gewesen und hätte Boninsegna im Schulter- bis Nackenbereich getroffen, aber nicht am Kopf, wo er die Verletzung anzeigte. Boninsegna behauptet (Interview 2011), dass die Büchse gefüllt war und dass sie ihn am Kopf getroffen hätte, weiterhin er 15 bis 20 Sekunden (woher wüsste er das?) bewusstlos war. Schiedsrichter Dorpmans hatte die Büchse nicht gesehen (im Flug), aber vom Linienrichter erfahren, dass dieser Spritzer aus der Büchse kommen sah.
Dies klingt glaubwürdig und es gab ja keinen Anlass, ihm einen Mangel an Neutralität zu unterstellen. Es war etwas drin, welches im Flug allmählich weniger wurde. Dass die Gladbacher Spieler nun behaupten, dass die Büchse leer war und sie diese aufgenommen hätten – wie es Rainer Bonhof tat, aber Luggi Müller äußerte sich ähnlich – überzeugt insofern nicht ganz, als sie diese schüttelten und dabei weitere Reste herauskamen. Das “Beweisstück” also als solches ungeeignet. Denn eine entscheidende Frage kann mit ihm nicht beantwortet werden: war die Büchse voll, halb voll, viertel voll, drei viertel voll oder gar gänzlich leer kann die am Ende sicher leere Büchse nicht mehr aufdecken.
In die Mailänder Spieler hineinversetzt: egal, wie schwer Boninsegna verletzt war, noch weniger, ob er nicht einfach hätte weiterspielen können, Ohnmacht hin oder her. Das wäre auch anderen schon passiert – wenn es denn eine war. Man schüttelt sich, reibt sich den Kopf, die Stirn, Schulter, den Nacken, bekommt ein Riechsalz unter die Nase und weiter gehts. Nur hätte er gar nicht die Absicht gehabt. Seine Mannschaft lag zurück zu dem Zeitpunkt. 1:2 war aus damaliger Sicht ein vertretbares Ergebnis (wäre es heute vielleicht auch, bei Schlusspfiff, aber es war ja erst die 22. Minute). Boninsegna war sicher bei gutem Bewusstsein und klarem Verstand, als er mit seinen Mitspielern auf dem Platz etwas, auf italienisch, besprach – wie Luggi Müller berichtet. Das klingt sehr glaubwürdig, zudem klar, dass Luggi die Worte nicht recht verstand, aber schon von einem leichten Augenzwinkern der Italiener untereinander – welches er natürlich auch gerne wahrnehmen wollte – erzählt.
Auch dieser Teil ergibt einen Sinn. Sie besprachen etwas und Boninsegna stand nicht auf, sondern ließ sich vom Feld tragen. Sicherlich hielt er sich auch den Kopf, damit man möglicherweise keine Gesichtszüge erkennen könnte, welche sowohl ein Grinsen als auch erkennbar eine Unversehrtheit deutlich machen könnten. Sprich: der Ort des Büchseneinschlages beschäftigte ihn dabei weniger. Wer sollte das schon wissen?
Angenommen nun, Boninsegna wäre wirklich schwerer getroffen worden, als es die Gladbacher angaben und weiterhin diese Vermutung in den Raum stellen – durchaus von einigen Indizien gestützt. Dennoch wäre es für ihn möglich gewesen, weiter zu spielen. Denkbar jedoch, dass es eine Art Handicap dargestellt hätte. Man wurde also getroffen, sogar schwer oder zumindest empfindlich, beißt aber auf die Zähne und spielt weiter. Man stellt jedoch fest, dass einem bei jeder Aktion ein paar Prozente fehlen. Vielleicht geht man sogar in einen Kopfball Zweikampf mit einer gewissen Sorge? Oder würde bei einem Laufduell an der Seitenlinie beeinflusst sein von der Angst vor einem weiteren Angriff auf die eigene Person? Vielleicht gab es ja eine Gruppe, die es auf ihn abgesehen hatte, da er als gefährlichster Gegner ausgemacht war?
Viele Spekulationen, sicherlich. Nur wenn man selbst betroffen (und getroffen) wäre: würde man denn unter allen Umständen “auf die Zähne beißen” wollen? Oder würde man vielleicht doch die Auswechslung vorziehen? Man ist attackiert worden, man ist getroffen worden. Das ist auf alle Fälle gegen die Regel, das war nicht fair, das steht so nicht im Knigge des Fußballs. Man könnte also, aber würde man auch? Sicher darf man auch erwähnen, dass es in dem Moment bereits eine Art “Hintergedanken” gibt. Andererseits hat dieser auch eine gewisse Berechtigung, egal, wie viel Prozent es wären, die einem selbst oder der Mannschaft im Anschluss fehlten.
Der Einfluss auf die auf dem Platz verbliebenen Spieler ist aber auch ein erkennbarer und spürbarer: einer der wichtigsten Spieler fehlt nun. Na gut, kann passieren. Andererseits ging er aber doch verloren durch eine Art von unfairer Aktion? Es ist nicht alles Kalkül dahinter, es ist aber dennoch eine Art von Gespür, die man dafür hat. “Irgendwie wurden wir benachteiligt.” Und da ist jedenfalls etwas dran. Dass übrigens ein UEFA Offizieller in der Halbzeitpause in der Kabine, bei Boninsegna war und eine Beule am Kopf feststellte, sollte nicht unbedingt in die Beweislage aufgenommen werden. Die kann sonstwo hergekommen sein. Dass er noch immer “benommen” war, kann auch Folge halbwegs gekonnter Schauspielerei gewesen sein.
Inter war also leicht geschwächt und zumindest partiell benachteiligt, dass sollten auch die Gladbacher nicht außer Acht lassen. Nun kassiert man ein weiteres Tor unter diesen Umständen. Man möchte wirklich nicht, aber es passiert. Nun gehen die Gedanken in andere Richtungen. Das Ding hier drehen wir nicht mehr. Aber: wir haben ja noch eine Art “Ass im Ärmel”. Die Partie wird zum Selbstläufer, für den Gegner. Das Defensivverhalten passt sich an, man deckt nicht mehr richtig, alle sind infiziert. Natürlich immer mit diesem Hintergedanken: egal, wie es hier ausgeht, wir sind noch lange nicht verloren.
Dies soll nur einen Teil der Erklärung liefern, wie es zu einem solch unglaublichen Ergebnis kommen konnte. Der Rausch der Gladbacher zum Teil von diesem Verhalten von Inter beeinflusst. Sieht man heute die Szenen, dann kommt einem das Abwehrverhalten schon arg nachlässig vor. Ob das in anderen Spielen in der Zeit so ausgesehen hat? Schwer vorstellbar. Inter standen oft im Eins gegen Eins und der Stürmer gewann das Duell, mit einfachen kleinen Finten. Wobei dies ja noch vorstellbar sein mag, “on a good day”. Aber das ein einzelner Verteidiger im Strafraum gegen einen Stürmer steht, dass es diese Situation überhaupt gibt? Das war auch früher schon nur bei Kontersituationen der Fall. Und gerade die Italiener…
Die Sternstunde der Gladbacher hatte also wirklich diesen kleinen Makel. Es waren tolle Tore, es wurde zu einer Einbahnstraße und es könnte vielleicht auch unter völlig regulären Umständen mal passieren. Aber doch gab es möglicherweise diesen kleinen Einfluss, der es dazu werden ließ.
Insofern liefert auch dieses Beispiel, wenn man es denn zu Ende denkt, nur die Erkenntnis zutage: es sind immer Menschen, auf beiden Seiten, im Einsatz, bei denen eine Unterteilung in “gut” und “schlecht” schwer fällt beziehungsweise gänzlich entfällt. Sie handeln wie Menschen, sie empfinden wie Menschen, sie reagieren wie Menschen, sie denken wie Menschen, sie erklären wie Menschen, sie urteilen allerdings auch wie Menschen. Nur ist genau dies der zweifelhafte Teil: sollte man dies tun oder lieber versuchen, das Handeln der anderen zunächst zu verstehen? Jeder Part in dieser Geschichte hatte seinen Anteil und seinen Beweggrund. So gesteht beispielsweise Schiri Dorpmans im Interview (ebenfalls 2011) ein, dass der Vorsitzende der Kommission ein Italiener war und er deshalb bestimmte Dinge damals nicht so gesagt hat, wie er sie heute sagen würde. Ganz einfach: er wollte seine Karriere doch nicht gefährden? Menschlich, nachvollziehbar, wie jede andere Handlung auch? So ist es.