Sofern man heute gerne wissen möchte, wie ein Spiel wirklich einzuschätzen ist, dann sollte man am besten genau und nur dann hinhören, wenn einer der beiden Trainer spricht. Denn trotz deren stets gegebener Parteilichkeit ist ihre Beurteilung jener des eigentlich zur Ausgewogenheit und Objektivität verpflichteten Journalisten turmhoch überlegen. So wird wohl kaum je ein Trainer besondere Erfolge erzielen können, der nicht objektiv ist. In letzter Zeit hat sich ein weiterer Trend entwickelt, dass diese, außer ihrer schon früher mit Sicherheit vorhandenen trainerischen Begabungen ihren Verstand zusätzlich zum Verbalisieren von logischen Zusammenhängen exzellent einzusetzen imstande sind. Ganz sicher haben zahlreiche (wird es gar zur Voraussetzung gemacht?), wenn nicht gleich Rhetorik Seminare, so doch immerhin Sprachübungen gemacht. Man tritt oft genug öffentlich auf, wird zu Wort gebeten, warum sich nicht gekonnt ausdrücken können? Grundvoraussetzung auf jeden Fall gegeben: eine gehörige Portion Intelligenz – welche man den Berichterstattern nach derzeitigem Stand schwerlich “andichten” kann. Sprachgewandtheit hier und da schon, wobei dies lediglich in negativen Ausdrücken Niederschlag findet. Ein Beispiel: “Komprimierte Ereignislosigkeit”. Toller Wortwitz. Sicher. Nur: wer würde für diesen Kommentar den Kanal auswählen, auf welchem er zu hören ist?
Zurück zu den Trainern:
Es gibt also eine Reihe besondere Aussprüche dieser sehr besonderen Menschen, anhand derer sich die Chance auftut, der Wahrheit ein Stückchen näher zu rücken. Es gab zu allen Zeiten exzellente Trainer, von denen ein paar Bonmots verwendet werden. Wenn man sich also für die Wahrheit über ein Fußballspiel interessiert, sollte man sich wirklich zunächst an den Trainern orientieren, als Alternative zu den Journalisten, die ja an sich ohnehin eine andere fachliche Ausbildung haben, abgesehen von den anderen durchweg aufgezeigten Mängeln.
- „Der Fußball, den Sie sehen wollen, den gibt es gar nicht.“
Otto Rehhagel sagte mal diesen Satz Es war die Antwort, die Reaktion, auf eine Frage, warum Spitzenspiele so oft nicht das halten, was sie versprechen würden und das gerade gesehene angeblich von minderer Qualität war.
Hier seien diese Worte einmal etwas weiter interpretiert und der geschätzte Herr Rehhagel möge Fehlinterpretationen gegenüber nachsichtig sein: Die Frage wurde aufgeworfen, nachdem Bayern München zu Hause gegen Rehhagels damaliges Werder Bremen 1:1 gespielt hatte und die versammelte Journalistenschar sich festlegte, dass es „ein schwaches Spiel war“ (ja, das war schon in den 80ern so). Dem Trainer der Bremer platzte verständlicherweise der Kragen, hatte er doch mit einigem Stolz einen Punkt bei den die gesamte Bundesliga dominierenden – nicht (nur) in diesem Jahr oder in jenen Jahren, da ihnen Werder ernsthaft Konkurrenz machte, sondern allgemein – Bayern, in der Höhle des Löwen erstritten. Sicher, das eine mag Eitelkeit sein, das andere die schon damals übliche Verfechtung des „Ergebnisfußballs“, der ja an sich von Medienseite auch früher schon gefordert wurde.
Der entscheidende Aspekt aber, auf den sich Rehhagel damals berief – in freier Interpretation – ist aber jener, dass sich eine Spitzenmannschaft nicht nur aus guten Angreifern sondern auch aus guten Abwehrspielern zusammensetzt. Wenn nun die besseren Angreifer auf die besseren Verteidiger treffen – ja, wo, um alles in der Welt, sollen sich dann die gezeigten Aktionen vom zeitgleich ausgetragenen Spiel VfL Bochum gegen Eintracht Frankfurt unterscheiden? „Was wollen Sie für einen Fußball sehen?“ Sie sollen nach Möglichkeit alle nur gute Angreifer einkaufen, am besten ohne Abwehr auflaufen, damit bei jedem Angriff ein Tor fällt – und in der Folge “katastrophale Abwehrschnitzer, auf beiden Seiten” ausgemacht werden sowie jede Woche achtzehn Trainer entlassen werden?
Die besseren Angreifer wurden in diesem Spiel – erfolgreich – von den gut ausgewählten, von den von ihm ausgewählten, Bremer Verteidigern „neutralisiert“, und nirgends passt diese Floskel besser als hier. Ein Duell auf Augenhöhe sichert absolut keine höhere Dramatik oder mehr gelungene Szenen, falls das erwartet worden war. Es wird einem Trainer abverlangt, das Spiel erfolgreich zu zerstören, denn wehe, wenn es einmal nicht gelingt. Dann werden die schlimmen Abwehrpatzer, die Unordnung in der Defensive, das Hühnerhaufenprinzip, der freundlich gewährte Geleitschutz “herausgearbeitet” und an den Pranger gestellt und die wackelige Abwehr oder die falsche Taktik verantwortlich gemacht, so lange, bis die sämtlichen Trainerstuhlbeine abgesägt sind.
Die Kleinigkeit eines weiteren Effekts kommt übrigens bei Spitzenspielen tatsächlich hinzu: wenn es sich um Positionskämpfe handelt – also weder am ersten noch vermutlich am letzten Spieltag, es sei denn … –, dann werden die Akteure aufgrund des tatsächlichen „Sechs-Punkte-Spiels“ rein intuitiv ein wenig vorsichtiger, gehemmter. Man möchte sehr, sehr gerne die Niederlage gerade in diesem Duell – so oft auch in letzter Zeit urplötzlich wieder die Meinung vertreten wird „es gibt keine Sechs-Punkte-Spiele“; Peter Neururer? – vermeiden, weil dieses Defizit wahrhaftig schwer(er) ausgebügelt werden kann. Zu den Akteuren ist im Übrigen auch der Schiedsrichter zu zählen, der sich bei wichtigen Entscheidungen noch eher windet — und die mögliche Toraktion unterbindet.
Falls man also von einer Erwartungshaltung spräche, und diese enttäuscht wurde, dann war es schlichtweg die falsche. Spitzenspiele in der Mitte der Saison stehen keineswegs für mehr Torszenen, mehr Spektakel oder schöneren Fußball. Das sollte die versammelte Journalistenschar verstehen – und Rehhagel probierte sich erfolglos als “Augenöffner”.
- „Soll ich Ihnen den Trainingsplan für nächste Woche erklären?“
Sucht man also nach Wahrheiten, befragt man am besten Trainer. Beziehungsweise: Man wartet, bis ihnen ausreichend viele dumme Fragen gestellt wurden, ihnen der Kragen platzt und sie ein paar echte fußballerische Weisheiten zum Besten geben.
Als Hans Meyer, damals in Diensten der Nürnberger Mannschaft, die sich in Abstiegsgefahr befand, vielleicht sogar temporär auf Platz18, einige dümmliche Fragen bezüglich der Wirksamkeit seiner Maßnahmen zur Verbesserung der wackeligen Abwehr, die immer wieder dumme Gegentore kassieren würde – man beachte: Der Frager kannte sowohl das letzte Ergebnis als auch die Gesamttabelle – gefragt wurde, reagierte er so: „Soll ich Ihnen unseren Trainingsplan für nächste Woche erklären? Aber das bringt nichts, denn Sie würden das sowieso nicht verstehen.“
Die Rotznase hörte aber nicht auf, sich aufzuplustern und damit zu protzen, alles, aber wirklich alles über Fußball zu wissen – was in seiner kleinen Welt die Tabellen Sortierkriterien sind – und merkte bedauerlicherweise nicht, dass er öffentlich vorgeführt wurde. Nun, ab einem gewissen Maß an Ignoranz und Dummheit wird man wirklich schmerzfrei…
Die Wahrheit ist die: Die Abwehrsorgen — oder welche auch immer es sein mögen — existieren gar nicht. Die während des Spieles bereits hinausposaunten und als Stand der Wissenschaft vom Sprecher erachteten Probleme der „fehlenden oder fehlerhaften Zuordnung“, die „katastrophalen Stellungsfehler“ und der „kollektive Tiefschlaf“ gehen unendlich weit an der Realität vorbei. Was der Trainer tatsächlich beobachtet und für verbesserungswürdig hält hat so gut wie gar nichts gemein mit dem, was sich die Berichterstatter so einbilden zu verstehen oder zu wissen – und leider für verbreitungswürdig halten.
Denn die Folgen sind nicht nur, dass man sie milde belächelt von Expertenseite – manchmal, siehe oben, auch ein bisschen weniger milde –, sondern dass sich dieses gefährliche Viertelwissen unter anderem aufgrund der permanenten und lauthalsen Verbreitung in laienhafte Nachwuchstrainerköpfe einbrennt und diese dann per aufgeschnappter, aber unsinniger Spielfeldrandschreierei nichts weiter verbreiten als schlechte Stimmung und die Unlust, mit dem Fußball fortzufahren. Lerneffekte ergeben sich daraus für den Nachwuchs garantiert nicht, auch nicht bei jenen, die sich nicht so rasch völlig verschrecken lassen. Und dies kann in der weiteren Folge sogar für die Nation schädlich sein im Sinne sportlicher Erfolge.
- „Fußball ist ein Spiel, in dem es um wenige Zentimeter und um Bruchteile von Sekunden geht“
Auch diese recht schlichte, aber dadurch nicht weniger wertvolle, Erkenntnis stammt aus dem Munde von Otto Rehhagel. Ein weiteres Mal möge er eine Fehldeutung verzeihen, jedoch wird überhaupt eine wegen der Sorge darum kaum ausbleiben können. Was er damit meinte war wohl, dass es in sehr vielen Situationen nur um den einen Millimeter geht, und das nicht nur, wenn der Ball an den Innenpfosten geht und sich heraus- anstatt hineindreht (oder umgekehrt) sondern bereits der Millimeter bei dem der den Schuss Absendende das Verrutschen um diese (viel weniger als) „Spannbreite“ dafür sorgen kann, dass der Ball in die Wolken geht – und damit der Schütze als „Fahrkartenjäger“ verhöhnt wird – oder stattdessen ins Netz rauscht, was ihm stante pede eine Aufstellung im nächsten Nationalelfkader einbringen müsste – zumindest wenn man die Reaktion der die Szene Kommentierenden zurate zieht. Ebenso verhält es sich mit den zitierten Bruchteilen von Sekunden. Ob der Verteidiger die Millisekunde zuerst am Ball ist, selbigen erobert und den entscheidenden Konter einleitet oder der Angreifer diesen Zweikampf gewinnt und ihn tatsächlich im Kasten unterbringen kann, ist in jeder einzelnen Szene so nahe beieinander, dass es nicht lohnt, aus einem einzigen Spiel, einem einzigen Ergebnis, geschweige denn einer oder auch mehrerer Szenen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wenn man dazu berücksichtigt, dass der entscheidende Millimeter oder die Zehntelsekunde von äußeren, nicht von den Akteuren direkt steuerbaren Größen abhängt – sei es der Wind oder die Platzbeschaffenheit, gar ein minimales, kaum wahrnehmbares, aber für den Ausgang der Aktion entscheidendes Trikotzupfen –, dann wird recht schnell klar, dass jedes einzelne Fußballergebnis, ganz entgegen der von den für die Verbreitung Verantwortlichen, an sich ein ziemlich reines Zufallsexperiment ist und keineswegs einer Zwangsläufigkeit folgt, welche im Anschluss bei Bekanntheit des Ergebnisses mit noch größerer Inbrunst vertreten wird.
Es gibt die Unterschiede. Natürlich gibt es Unterschiede (Näheres dazu im Abschnitt „Die Berechenbarkeit des Fußballs“, in welchem erläutert wird, inwieweit man sich auf einen Favoriten festlegen kann und wie hoch die Favoritenstellung ausfallen kann). Man sieht in Endtabellen in aller Regel die Favoriten weiter vorne und die Außenseiter weiter unten einsortiert. Jedoch im einzelnen Spiel sind nicht nur die oben angegeben Kleinigkeiten inklusive der Glücksfaktoren, sowie reine Tagesbefindlichkeiten, die sich sogar zufällig im Laufe eines Spieles herauskristallisieren können und in einer besonderen Harmonie – oder Zerwürfnis — münden können, verantwortlich. Vor allem ist es eben nicht an einem Spiel und dessen Verlauf abzulesen, wer dieses Spiel zu gewinnen hätte.
Otto Rehhagel wollte nur auf diese Zufälligkeiten aufmerksam machen. Man sitzt als Trainer am Spielfeldrand und weiß, spürt, sieht, dass es in jeder Aktion nur um diese Winzigkeit einer Zeitspanne oder einer Entfernung geht, die sie zum Gelingen oder zum Scheitern bringt. Dafür, dass ein Tor fällt – für oder gegen die eigene Mannschaft – müssen immer recht viele Dinge passen – oder auf der Gegenseite daneben gehen. Das ist die Wahrheit. Ein einseitiges Sprechen von Abwehrfehlerketten oder alternativ Stürmerversagen – was genau so dicht beieinander liegt – ist die berühmte Schwarz-Weiß-Malerei, mit der man garantiert nicht besonders weit käme, sofern man es erzieherisch einbringen wollte. Aber auch zur Erhellung für den interessierten Fußballgucker ist es ungeeignet.
Es ist nicht alles Zufall. Aber noch viel weniger geschieht alles zwangsläufig, wie uns Glauben gemacht werden soll. Das ist die Wahrheit.
- „Wir verteidigen den größeren Raum“
Bayern Trainer Louis van Gaal erklärte dies dem fragenden Reporter nach dem Champions League Finale 2010, in welchem die Bayern Inter Mailand mit 0:2 unterlagen. Als dieser eine Weile später im Interview noch einmal eine Frage in Richtung der geöffneten Abwehr stellte, wiederholte Louis van Gaal: „Ich habe Ihnen das bereits gesagt. Wir verteidigen den größeren Raum. Soll ich es noch einmal erklären?“ So sinnlos dieses Unterfangen auch gewesen wäre, diesem „Mann mit dem riesigen Fragezeichen im Gesicht, der aber dennoch in Kenntnis des Ergebnisses dummdreist weiter fragt“ überhaupt etwas zu erklären, war selbstverständlich, dass jener sie nicht bejahte.
Nun, was – in grenzenloser Anmaßung an diesen großen Trainer – mal wieder versucht wird, ist, das Gemeinte zu erläutern. Und hier geht man bereits relativ deutlich über auf das Gebiet der Philosophie zum Thema Fußball über, allerdings wird dieses Attribut ja bereits verwendet, indem oftmals gerade von den Fußballlehrern behauptet wird, dass sie „ihre eigene Philosophie“ vom Fußball vertreten.
Die Philosophie über den Fußball – unabhängig von einzelnen Trainern, die diese oder jene zu repräsentieren versuchen – ist, dass es die ganz große Frage ist, wie die Kampfhandlungen eigentlich zu eröffnen sind. Diese Frage stellt sich sehr speziell bei einer Sportart, in der das Unentschieden von allen Sportarten mit die größte Bedeutung hat – die eine Ausnahme wird gleich zur Veranschaulichung verwendet. Denn: das Fußballspiel beginnt bei 0:0. Es steht Unentschieden. Und dieses Ergebnis hat eine zählbare Folge. Man hat nicht verloren, man bekommt einen Punkt gutgeschrieben, bei ko-Spielen steht einem entweder die Verlängerung oder das Rückspiel bevor, so dass die Entscheidung noch nicht gefallen ist, man also weiterhin ein klares Ziel noch nicht verfehlt hat. Man startet bei 0:0 und die Praxis zeigt, dass es kein völlig unvernünftiger Ansatz ist, dieses Ergebnis vielleicht sogar bis zum Schlusspfiff festzuhalten.
Das Problem besteht darin, inwieweit Risiko und Nutzen in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Sowie man Abwehrspieler in den Angriff einbezieht, ergibt sich zwangsläufig das Problem, dass dieser Abwehrspiele im Falle eines Gegenangriffs in der Abwehr fehlen könnten und damit für ein Gegentor verantwortlich sein könnte. Andererseits wird es aber fast unüberwindlich schwer, eine Abwehr mit Unterzahlangriffen in die Knie zu zwingen. Die Komplexität, die, rein mathematisch, durch die Drei-Punkte-Regel hinzukommt, ist an anderer Stelle eingehend erörtert. Sämtliche Philosophien, welche die Trainer umzusetzen versuchen, bewegen sich irgendwo zwischen Johann Cruyff, dem Verfechter des totalen Fußballs, der einfach sagte: „Unser Ziel ist es, ein Tor mehr als der Gegner zu erzielen.“ und Huub Stevens, der einfach so ranging: „Die Null muss stehen.“
Hier nun, um das Analogieversprechen einzulösen, sei kurz das andere Beispiel für eine Sportart, das Spiel Schach, angeführt. Auf höchstem Niveau, unter Großmeistern, gibt es seit gut 80 Jahren die Diskussion, ob Schach nun mit der Weiterentwicklung den Remistod sterben wird, oder ob es ausreichend viele Möglichkeiten gäbe, das Gleichgewicht zu den eigenen Gunsten zu durchbrechen, ohne das Verlustrisiko entscheidend zu erhöhen. Nun ist es ein geflügeltes Wort, dass alles seinen Preis hat, insofern auch das Spielen auf Sieg, was selbstverständlich bei beiden Spielen, Schach und Fußball, nicht anders sein kann. Um das Gleichgewicht im Schach zu durchbrechen, muss irgendwo eine Asymmetrie hergestellt werden, auf irgendeiner Brettseite ein Übergewicht geschaffen werden – sei es auch das Zentrum –, oder im materiellen Verhältnis – sprich: ein Opfer gebracht — was aber zwangsläufig dem Gegner ebenso Chancen einräumen muss. Es kann nicht sein, dass in einem so fairen, mit absolut identischen Voraussetzungen – den Anzugsvorteil, gegen den man schlicht nichts unternehmen, einmal ausgenommen – irgendwo Vorteile zu erzwingen sind, die dem Gegner keine Gegenmöglichkeiten zugestehen. Falls es so wäre, wäre das Spiel in kürzester Zeit ad acta gelegt. Das funktioniert nun einfach nicht.
In der jüngsten Zeit hat sich jedenfalls auf Schach bezogen ein Trend herausgestellt, der alles andere als in Richtung Remistod deutet. Von den jungen, nachwachsenden Großmeistern gehen etliche sehr große Risiken ein, regelrechte Drahtseilakte, in dem so positiven Bestreben nach Verwicklungen, aus denen sich der einzelne zutraut, als Sieger hervorzugehen. Man darf zwar sehr wohl – die Analogie lässt sich später wieder umgekehrt auf den Fußball anwenden – anmerken, dass die Veranstalter von Großmeisterturnieren nicht nur in der Auswahl der Spieler besonders darauf bedacht sind, die kämpferischen Naturen ans Brett zu bekommen, sondern sogar zusätzlich oft genug Sonderpreise ausloben für die meisten Gewinnpartien. Zu dem WM-Kampf 2010 zwischen Anand und Topalow wurde eine Regel eingeführt, die es in dieser Form noch nie gab, die aber durchaus noch öfter als einmal kopiert werden dürfte: Die so genannte Sofia-Regel, die es den Protagonisten schlichtweg untersagt, dem Gegner das Remis verbal anzubieten. Insofern, auf Schach bezogen, sind die uralten Diskussionen und allergrößte Bedenken gerade heute fürs Erste vom Tisch.
Auf Fußball bezogen existiert diese Diskussion zwar nicht in der vergleichbaren Schärfe, aber immerhin wurde eine gewisse Gefahr erkannt und um dem beobachteten Phänomen entgegen zu wirken die Drei-Punkte-Regel eingeführt. Dies soll das Risiko lohnender machen und – siehe oben, zum Thema Schach – die Zuschauer in die Stadien locken. Ob sich, langfristig gesehen, die Risiken tatsächlich lohnen, ist eine offene Frage.
Übergeordnet gibt es aber genau zwei Fragen, die man zunächst zu klären hätte. Die erste ist die Mentalitätsfrage, die zweite die Verpflichtung gegenüber dem Zuschauer. Zur Mentalität ist – kurzer Exkurs zum Einzelsport Schach: da gibt es einfach einzelne Spieler, die risikofreudiger sind, nein, gar nicht anders können, als auf Initiative zu gehen, nach vorne zu spielen, und andere, die eher defensiv veranlagt sind – zu sagen, dass es im Kollektiv natürlich nicht so direkt diese Frage gibt, abgesehen davon, dass ein Trainer ja gerade zur Umsetzung von Strategie und Taktik (ja, der Unterschied existiert und ist bekannt?!) eingeteilt ist. Dennoch gibt es – teilweise einfach vom Publikum ausgelöst – oft genug eine Art Eigendynamik, nach welcher sich die Spieler beinahe zwangsläufig nach vorne orientieren. Die Zuschauer treiben die Mannschaft nach vorne, meist ist es einfach die Heimmannschaft. Dazu kommen gewisse Traditionen, die mit Vereinsfarben verbunden werden.
Damit wäre die zweite Frage an sich schon teilweise beantwortet: Die Frage nach dem Zuschauer. Jedoch hat er nicht nur den Einfluss, möglicherweise die eigene Mannschaft nach vorne zu treiben, sondern zusätzlich die Anforderung, gut unterhalten zu werden. Insofern ist es doch ein zweiter Aspekt: Man möchte am liebsten den Zuschauer gut unterhalten UND erfolgreich sein. Nun gibt es auch hierbei wieder die Unterscheidung zwischen neutralem Zuschauer und Fan der Mannschaft: Allgemein will der Zuschauer Spektakel sehen, der Fan eher Erfolge. Nun gut, jedenfalls ist es durchaus möglich, dass man den Zuschauerunterhaltungsaspekt höher stellt als den Erfolgshunger. Recht und billig wäre es – auch dies an anderer Stelle näher erläutert – allemal. Der Zuschauer finanziert das schließlich alles.
Gerade in diesem Zusammenhang hat mal wieder Otto Rehhagel den Begriff der „kontrollierten Offensive“ gepredigt. Im Bewusstsein, dass man nicht angreifen kann ohne die Abwehr ein Stück weit zu öffnen, aber dennoch in der Absicht, den Zuschauer zu unterhalten UND gleichzeitig das Erfolgsstreben haben diesen Begriff, der ziemlich genau zwischen Stevens und Cruyff liegt, hervorgebracht. Vernünftig ist es allemal – und die eingespielten Erfolge von Otto Rehhagel belegen wohl mehr als ausreichend, dass er mehr als nur leere Worthülsen geschaffen hat. Zumal, wenn man sich die Ergebnislisten der Bremer – nein, seiner Bremer – anschaut, dann staunt man nicht schlecht, wie viele Tore Werder in jenen Jahren mit diesem Konzept erzielt hat.
Zurück zu van Gaal und den Bayern: Die ganzen angrenzenden Fragen sind zumindest angerissen, wenn nicht hoffentlich geklärt: Bayern hat sich, möglicherweise einer alten Tradition verpflichtet gesehen, vielleicht das Selbstvertrauen verkörpert, den Gegner mit positivem gegenüber abwartendem Fußball in die Knie zu zwingen, falls man sich nicht einfach sagt: „Mensch, wir stehen hier im Champions League Finale, die ganze Welt schaut zu. Lasst uns einfach Fußball spielen. Das Ziel ist, ein Tor (mehr als der Gegner?!) zu erzielen.“, oder, noch einfacher: „Wenn wir hier auf Ergebnis spielen haben wir keine Chance, das könne die besser. Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir nach vorne gehen.“ Möglich sogar, dass van Gaal ausgerechnet bei der Aufstellung, mit der die Bayern die Liga dominiert haben und die in der Champions League für das eine oder andere Zungeschnalzen zahlreicher (auch ausländischer) Beobachter sorgte, die Stärken in der Offensive gesehen hat und diese einsetzen wollte mit Spiel nach vorne.
Inter Mailand hat seine eigenen Traditionen, die in den 60er Jahren vom legendären Helenio Herreira begründet wurden mit dem berühmten Cattenaccio. Abgesehen davon denkt der Italiener ohnehin eher defensiv (erstaunlich, da heißblütig eher mit Offensivstreben in Verbindung gebracht werden, aber der Fußball hat dort seine eigene Tradition und Entwicklung), insofern sah sich Mourinho garantiert nicht verpflichtet, direkten Angriffsfußball zu spielen.
Das Spiel ist demnach von Bayern nach vorne angegangen worden – kalkuliertes Risiko oder was auch immer – und von Anfang an schon haben sie den größeren Raum zu verteidigen. Der Gegner wird nach Möglichkeit in die eigenen Hälfte gedrängt, die Initiative übernommen. Wenn er sich jedoch befreit – wozu selbstverständlich die absoluten Ausnahmekönner in den Reihen von Inter in der Lage sind –, kann es blitzschnell gehen und der Raum wird riesig, der zu verteidigen ist, vor allem bei einem plötzliche Ballverlust in der kollektiven Vorwärtsbewegung.
Nachdem das 0:1 gefallen war, wäre auch keinem anderen Trainer etwas Besseres eingefallen, als nach vorne zu spielen. Dies eröffnete die Räume, dem Spielstand entsprechend, zwangsläufig.
Die Wahrheit ist die: Die Bayern haben aufgrund einer Einschätzung des Trainers – und wären gar schändlicherweise (? dies gälte nur für den aufsässigen Reporter) Zuschauerinteressen weltweit ins Auge gefasst – den Vorwärtsgang eingelegt. Bewusst ist van Gaal in diesem Moment, dass man das Spiel mit der Offensivtaktik verlieren kann. Sie birgt die bekannten Risiken. Nur ist ihm genauso bewusst, dass seine Mannschaft auch mit jeder anderen Taktik verlieren kann. Mit welcher die Chancen auf den Titelgewinn am größten sind, war die eine, seine, Überlegung, die er möglicherweise so beantwortet hat: offensiv. Das ist die größte Stärke dieser seiner Mannschaft.
Die Fragen, die er zu hören bekommen hätte, falls sich Bayern passiv, defensiv verhalten hätte, und dennoch verloren – „Ja, sie mussten doch wissen, wo die Stärken Ihrer Mannschaft liegen? Sie hätten doch wenigstens versuchen müssen, nach vorne zu spielen?“ – kann man sich an weniger als drei Fingern abzählen…
Übrigens noch einmal kurz zurück zum Schach und zu der Analogie: die deutsche Nationalelf hat mit ihrem Auftreten bei der WM 2010 in Südafrika aufgezeigt, dass der optimistische, schnell nach vorne gehende, stets auf Torerzielung ausgerichtete Fußball – analog zu den jungen Schachgroßmeistern – aufgezeigt, dass es so geht. Man kann Attraktivität mit Erfolg kombinieren – vielleicht sogar optimal?! Der Bundesligastart zur Saison 2010/2011 hat diesen Trend jedenfalls bestätigt.
- „Schiedsrichter sind nicht mehr Spielleiter, sondern sie werden immer mehr zu Spielentscheidern“
Christoph Daum sagte das, nachdem Köln in der 1. Liga ein Heimspiel mit 1:2 verloren hatte und einem völlig regulären Ausgleichstreffer die Anerkennung versagt blieb, aus auch später nicht erfindlichen Gründen, da die Situation mit Abseits nichts zu tun haben konnte.
Natürlich hatte er in diesem Moment Recht, da es ganz eindeutig war, dass das Spiel durch diesen Fehler – der, wie gesagt, keine erkennbare Grundlage hatte – entschieden wurde. Die Aktion war relativ kurz vor Schluss. Allgemein hat er auch ziemlich Recht, da solche Situationen nicht nur permanent vorkommen UND die Spiele in der Regel knapp stehen oder ausgehen, sondern auch und vor allem in dem Sinne, dass insbesondere bei aberkannten Toren — welche rein mathematisch gesehen genauso Spiel entscheidend sind wie anerkannte Tore, obwohl die aberkannten sich im Gegensatz zu den anerkannten nicht im Ergebnis niederschlagen – den Schiedsrichtern außer einem kleinen Fehler nichts weiter angekreidet wird. Auch der Pfeifenmann aus diesem Spiel hatte mit keinerlei Konsequenzen – außer vielleicht einer kurzfristig eingeschränkt guten Benotung – zu rechnen.
Christoph Daums Aussage wurde mehr als belächelt. Nicht nur, dass es einen Angriff auf die Schiedsrichter darstellte — einen Angriff, den sich zahlreiche Trainer mittlerweile sparen aus der Erfahrung der Medienreaktion heraus, die an jedem, der dies tut kein gutes Haar lassen –, sondern dass es dazu als faule Ausrede eines aufgebrachten Verlierers, der einfach nicht die wahren Schwächen seiner Mannschaft erkennen wollte, dargestellt wurde.
Die Wahrheit ist die, dass beinahe kein Spiel mehr ohne kritische Entscheidungen ausgeht, die, zum entsprechenden Zeitpunkt und in die entsprechende Richtung ausfallend, entscheidenden Einfluss auf das Endergebnis nehmen könnte, selbst bei Spielen, die später ein recht eindeutiges Ergebnis liefern. Die leitet nämlich direkt über zu einer weiteren von Christoph Daum getätigten Weisheit…
- „Tore sind für den Spielverlauf sehr wichtig“
Genau dieser Spruch wurde nämlich ebenso belächelt, entweder aufgrund seiner Banalität oder seiner Gehaltlosigkeit – was die Lächler, typischerweise Medienvertreter, übrigens nicht einmal deutlich herausstellen konnten; es wurde nur zitiert als „albern“ oder in die Richtung, er dafür verhöhnt, ohne Begründung –, ist aber deshalb kein bisschen weniger wahr, sofern man sich ein klein wenig mit Fußball auskennt.
Denn: heutzutage geht es in praktisch allen Wettbewerben so eng zu, dass auch ein klarer Favorit mittlerweile – was in den 60er und 70er Jahren sicher noch lange nicht der Fall war – eine Führung gleichermaßen verwendet und sich, in der Erkenntnis, dass auch ein Tor zum Siegen reicht, meist merklich zurückzieht. Der Gegner soll dann kommen und man möchte den dadurch verfügbar gewordenen Raum nutzen – siehe auch die Aussage und Analyse dazu von Louis van Gaal. Dies geschieht zwar nur mehr oder weniger stark, aber feststehen tut, dass man ein erhöhtes Risiko nur geht, sofern man zurückliegt. Bei Anerkenntnis dieser wirklichen Banalität ist die Weisheit des Satzes bereits aufgespürt.
Wenn also eine Spielanalyse die Bestätigung der Verdientheit eines Spielausganges herausstellt, dann wird sich sehr häufig auf die gesamte Spielzeit bezogen – was natürlich nicht nur legitim sondern verpflichtend ist. Nur: Wenn eine Mannschaft frühzeitig in Führung gegangen ist – es genügt irgendwann in der ersten Halbzeit – und entweder, im weniger erfreulichen und betonenswerten Fall, dieses Tor nachweislich zu Unrecht anerkannt wurde, oder der anderen Mannschaft ein Tor aberkannt wurde, sei es auch nur eine Abseitsentscheidung, die fälschlicherweise angezeigt, aber eine riesige Torchance unterbunden hat, so ist der Spielverlauf der zweiten Halbzeit zwar gerne einzubeziehen in die Spielanalyse, jedoch ist die möglicherweise später erfolgte Rechtfertigung, Überlegenheit nur aufgrund dieser Fehlentscheidung zustande gekommen. Wenn also der Gegner in Führung gegangen wäre, wäre auch der Spielverlauf ein völlig anderer gewesen, abgesehen davon, dass ein Gegentor eine ziemliche Hürde auf dem Weg zu einem Sieg darstellt.
Kurzum: Die Wahrheit ist die, dass Tore den Verlauf des Spieles entscheiden beeinflussen. So wenig so etwas möglich ist, müsste man das Spiel noch einmal anschauen ohne dieses Tor oder mit dem anerkannten Tor für die Anderen. Schau mal, wie das Spiel dann verlaufen wäre. Die oftmals eindeutigen Ergebnisse, die sich ergeben, weil eine Mannschaft einem (ungerechtfertigten) Rückstand hinterherläuft und dabei die eigene Abwehr entblößt, dem Gegner damit riesige Konterchancen einräumt, welche dann ab und an genutzt werden, wären niemals so zustande gekommen.
- „Wenn man den Ball nicht hat, muss man sich fragen, warum man ihn nicht hat“
Giovanni Trappatoni legendärer Schöpfer dieses Satzes, zu der Zeit in Diensten des FC Bayern. Nun, auch hier darf frei weiter interpretiert werden, wie das aufzufassen war. Jedoch war der Satz noch nicht verklungen, da hat das Lachen schon eingesetzt. Und dieses ist bis heute nicht verklungen, ohne nach dem Gehalt zu fragen. Die Chance wäre da gewesen, leider verpasst, Herr und Meister Frageexperte! „Aha“, so hieß es, „Giovanni Trappatoni versucht sich als Philosoph.“
Nun, die Frage ist jedenfalls alles andere als unsinnig. Dass Italiener grundsätzlich taktisch gesehen weiter sind, ist eigentlich weniger die Frage und bereits weiter oben angedeutet. Es hat in Italien Tradition. Auch defensives Denken, was sehr viel mit der gerne den Deutschen zugeschriebenen Disziplin zu tun hat. Jedenfalls ist man in Italien zufrieden, wenn ein Spiel 0:0 endet – das ist wirklich so –, weil man davon ausgehen kann, dass es keine allzu großen Versäumnisse beiderseits gab.
Trappatoni als Italiener hat sicher einiges – nicht nur selber auf dem Platz in den höchsten Ligen sondern auch während späterer Ausbildung und vor allem Praxis — hinzugelernt. Der Spruch ist höchst weise und verkörpert ein wenig die Weiterentwicklung eines Perfektionsgedanken. Wenn man den Ball nicht hat, muss er irgendwo verloren gegangen sein. Sofern der Gegner einen Anstoß auszuführen hat – außer den zu Halbzeitbeginn – so würde jeder sicher gerne in Kauf nehmen, den Ball verloren zu haben. Denn: er ging ihm genau mit dem Verlassen des Fußes (oder Kopfes) verloren, war für einen Moment beabsichtigterweise im Niemandsland, bevor er die gegnerische Torlinie überquerte – und damit in dessen Besitz überging. Diese Art des „Ballverlustes“ ist als optimal zu bezeichnen.
Sofern man ihn beispielsweise durch einen Torschuss verliert, der zwar das Ziel erreicht, aber dort aufgehalten wird, so wird sicher noch kein Trainer murren – es sei denn, der Schuss war aus sehr günstiger Position oder, noch schlimmer, wenn er einen besser postierten Mitspieler übersehen hat. Man hatte einen Torschuss und damit eine Torchance. Wenn man es öfter probiert, wird er schon irgendwann einschlagen. Sei es hier so ausgedrückt: Ein Angriff soll nach Möglichkeit mit einem Torschuss abgeschlossen werden. Primäres Ziel. Sofern er neben dem Tor landet, ist der Effekt zwar ähnlich, hier gälten nur in gewisser Weise andere Gesetze: wenn man das Tor nicht trifft, kann man auch kein Tor erzielen. Dennoch auch hier: Der Abschluss war da, Teilziel erreicht.
Sofern man ihn im Aufbauspiel verliert, gibt es bereits mehr Fragestellungen: Haben sich die Mitspieler gut angeboten oder waren sie zu weit weg? Hat der Gegner vielleicht eine Art forechecking gespielt, womit er Druck ausübte und damit den Fehler provozierte? In diesem Falle könnte das Zepter des Handelns gar zum Trainer übergehen – davon war ja noch keine Rede – und er müsste seine Spieler versuchen, das ginge auch von der Seitenlinie aus, auf diese (unerwartete) Taktik einzustellen. Entweder sollen sie mehr lange Bälle spielen, damit das Risiko erhöhen auf Fehlpässe, jedoch andererseits möglicherweise dem Gegner viel Raum abnehmen um eine günstige Situation weiter vorne hervorzurufen, oder, alternativ, mehr Anspielstationen im Mittelfeld zu schaffen, was gleich bedeutend wäre mit Stürmerrückzug.
Sofern einfach Fehlpässe gespielt werden, kann man sehr wohl die Konzentration anmahnen – im Übrigen können auch diese bei der Geschwindigkeit des heutigen Fußballs erzwungen sein – oder auch mehr Unterstützung der Mitspieler für den Ball führenden einfordern. Jeder Ballverlust hat seine Ursachen. Warum nicht ihr nachgehen? Vor allem als Trainer.
Die Wahrheit: Falls man beginnt, sich ernsthaft damit zu beschäftigen, warum man den Ball nicht hat, so fördert dies jede Menge nutzbare Erkenntnisse zutage, die dem Trainer bei der täglichen Arbeit helfen können, und somit, weiter gedacht, natürlich den Spielern, damit Mannschaft und Verein. Trappatoni, der Philosoph, hat einen sehr kurzen Einblick gewährt in tatsächliche Trainertätigkeiten. Und einen sehr lehrreichen, der alles andere als Gelächter verdiente.
- „Man spielt immer so gut, wie es der Gegner zulässt“
Nun ja, gut und schön, zitieren kann diesen Spruch nun wirklich jeder, auch jeder Sportreporter. Nur wird er zitiert, dann ein bisschen gelächelt, wenn nicht belächelt, dann werden die vereinbarten 5 Euro für das Phrasenschwein abgeführt, und alle hatten ihren Spaß.
Wie wertvoll diese Erkenntnisse vom legendären Sepp Herberger aber bis heute sind, wie oft sie Anwendung finden könnten, wie sehr man sie stets bei jeder Spielanalyse mit einbeziehen sollte, wie philosophisch beruhigend diese Weisheiten sind, ja, das kann nur in etwa mit dem noch immer in der Regierungspartei namentlich verankerten, aber längst nicht mehr beherzigten „christlichen“ Verhalten verglichen werden. Das gibt es auch nicht mehr, nur darf der Name – und damit auch die Idee — weiter getragen werden.
Es ist die Wahrheit, die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Wenn eine Mannschaft einen Angriff vorträgt, dieser aber unterbunden wird durch geschicktes taktisches Abwehrerhalten zum Beispiel, dann wäre es zwar leicht, den Angreifern dafür die Verantwortung zuzuschieben, nur trifft man damit einfach nicht die Wahrheit. Es ist ein bisschen ähnlich wie die verbreitete, aber ebenso falsche Aussage: „Da hat er aber nicht gut gezielt.“ nach einem verpassten Schuss: „Doch, gezielt habe ich sehr genau, nur getroffen nicht.“ Genau. Man stellt es sich immer so schön vor, jeder Mittelfeldspieler, der den genialen Steilpass spielt, spielt ihn stets – jedoch nur in seiner Vorstellung. „Ja, ich dachte, du läufst genau da hin, und ich treffe den Ball genau so, wie ich ihn treffen wollte und er landet auch da, du bist weg und haust ihn rein.“ Ja, schöne Idee. Nur gibt es jemanden, der etwas dagegen hat. Entweder, der Pass abgeblockt wird, oder der Angreifer nur ausreichend unter Druck gesetzt wird, so dass das timing und die Präzision fehlt, oder dass der hineinlaufende Angreifer seinem aufmerksamen Abwehrspieler nicht entweichen kann. Es hat immer etwas mit der Gegenseite zu tun.
Jeder kennt den Spruch. An Gehalt hat er nicht verloren. Beherzigt ihn wieder. Auch in der Berichterstattung.
- „Wir müssen von Spiel zu Spiel denken“
Ein in letzter Zeit in Deutschland reichlich gehörter, genau so verhöhnter Satz wie die vorherigen, angeblich wegen seiner Banalität und Gehaltlosigkeit, den die selbst ausschließlich mit Floskeln um sich werfenden Berichterstatter ihrerseits als „flache Floskel“ einstufen, ohne sich überhaupt mit der darin enthaltenen Aussage auseinanderzusetzen. Ihre Ansicht: „Das sagt man halt so.“
Sobald man sich damit beschäftigt und drüber nachdenkt, kommt die Wahrheit ans Licht. Die Manager, Trainer und Spieler, die sich derartig äußern – wobei man getrost davon die etwas länger im Geschäft befindlichen als Urheber bezeichnen darf – – haben sich sehr wohl etwas gedacht. Dazu darf man sich mit dem heutigen Fußball gerne etwas näher beschäftigen.
Alle Spiele – auch die von Top-Favorit gegen Außenseiter – stehen meist für längere Zeit auf der Kippe. Es gibt zwar sehr wohl leicht und auch hoch gewonnene Spiele. So etwas kommt vor. Jedoch hat es in vielen Fällen nicht viel mit den vorhandenen Spielstärkeunterschieden zu tun, sondern schlichtweg etwas mit einem einzelnen Spielverlauf. Eine Mannschaft geht frühzeitig, aber eher zufällig, in Führung. Die andere bemüht sich, recht bald zurückzuschlagen, öffnet das Spiel. Sie kassiert das 0:2, und dies kann auch ohne das Öffnen passieren. Nun trägt die Erkenntnis, dass 2 Tore fast gar nicht aufzuholen sind dazu, dass man sozusagen „verzweifelt“ angreift. Warum auch nicht? Man kassiert noch ein oder zwei Tore. Ein klarer Sieg, auf dem Papier. Aber man nehme an, dass man vor dem 0:2 selber die Großchance zum 1:1 hatte?
Der Normalfall bleibt der: das Zwischenergebnis ist knapp, das Endergebnis ist knapp. Das Zustandekommen eines Sieges hängt von der Verkettung kleinerer Zufälligkeiten ab – was aber noch lange nicht das völlige „Glattwalzen“ von Unterschieden bedeutet –, die einmal zu dieses Gunsten, einmal zu jenes Gunsten verlaufen.
Der Fußball heute spielt sich allgemein auf einem sehr hohen Level, aber auch sehr einheitlichen Level ab. Das Zustandekommen eines einzelnen Ergebnisses ist von kleineren Zufällen abhängig. Die gestellt Frage, die die Antwort : „Wir denken von Spiel zu Spiel“ erhält – und auch verdient hat – ist meist jene nach übergeordneten Saisonzielen.
Diese Frage kann nur auf eine Art beantwortet werden, wie auch immer das letzte Ergebnis oder die letzten Ergebnisse waren, wie auch immer die Tabellenposition ist, was auch immer die Fans oder die Medien erwarten sollten: das bestmögliche Gesamtergebnis erzielt man dann, wenn man aus jedem einzelnen Spiel das Maximum herausholt. Was hätte also das vollmundige Versprechen von einem Durchmarsch für einen Sinn, wenn man am nächsten Wochenende eine Niederlage kassiert? Andererseits: hat nicht gerade Felix Magath, von allen Seiten bewundert, den Meistertitel nach Wolfsburg geholt, indem er permanent tief stapelte, sogar die erstmals aufkeimende Frage nach der Meisterschaft mit einem spontanen, und daher absolut glaubwürdigen Lächeln quittiert?
Und hatte nicht schon die vielleicht größte aller Legende von deutschen Trainern, Sepp Herberger selber, bereits erkannt, dass „der nächste Gegner immer der schwerste ist“? Wie sehr er auch damit recht hatte…
Umgangssprachlich gibt es sogar dafür eine Entsprechung: Warum das Fell des Bären verteilen, bevor er erlegt ist?
Konzentriere dich auf das nächste Spiel, auf die nächste Szene, die nächste Aktion. Je besser du dich da verhältst, umso besser das mannschaftliche Ergebnis am Ende der Saison. Das ist die Wahrheit.
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Die lächerliche Frage nach den Saisonzielen dient den Medien lediglich dazu, die ansonsten für sie — aufgrund der geringen ihrerseits beobachteten Ereignisvielfalt auf dem Platz — abseits des Platzes für anderweitige Schlagzeilen zu sorgen. Man fragt nach den Zielen, hofft, dass sie optimistisch formuliert werden – und hat dann immer mindestens ein paar Stühle zum Ansägen, ein paar andere, denen der letzte Hieb verpasst wird. Denn, welche Mannschaft würde beispielsweise schon den Abstieg als Saisonziel angeben? Dennoch wird man vermutlich nach jedem Spieltag drei (na, je nach Regelung) Mannschaften auf den Abstiegsrängen vorfinden, insbesondere am Saisonende. Sollten die Ziele aber pessimistisch formuliert werden, dann hat man natürlich auch etwas zum drauf rumhacken. „Na, wenn man sich nicht einmal traut, den Titel als Ziel auszugeben, muss man sich nicht wundern, wenn…“ Dies leitet direkt über zur nächsten Überschrift, wobei diese Weisheit eine von den Medien geschaffene ist, und somit an QUalität keineswegs gleich gestellt ist mit den Aussagen der Trainer. Eher im Gegenteil…
- „Wenn die Bayern schon mal schwächeln, sind die andern zu dumm., das auszunutzen.“
Diese Art der Wochenendanalyse im Rückblick bekommt man immer mal wieder dann zu hären, wenn die Bayern nicht gewonnen haben, zugleich aber der direkte Verfolger, der womöglich mit einem Sieg hätte vorbei- oder gleichziehen könnte seinerseits ebenfalls nicht gewinnt. „Na, wenn sich schon mal die Chance biete, muss man sie auch beim Schopfe packen“ und derartigen Unsinn bekommt man zu hören.
Eine Wahrheit gibt es darüber aber auch. Diese sieht in etwa so aus, wobei das Facettenreichtum hier keinesfalls komplett abgedeckt werden kann. Also: alle Spielausgänge folgen gewissen Wahrscheinlichkeitsgesetzen und Überlegungen. Je nach eigenen Befähigungen, der Schwere des Gegners und dem Austragungsort — Heimspiele stellen einen sehr langfristig nachweisbaren Vorteil dar, keine Frage – hat jede Mannschaft in jedem Spiel einen Prozentsatz, das Spiel zu gewinnen, es Unentschieden zu spielen oder es zu verlieren. Dies betrifft sowohl Bayern München als auch jede andere Mannschaft in der Liga. Die Bayern haben in aller Regel die Favoritenrolle, fast in jedem einzelnen Spiel. Sicher. Die Verfolger haben ihre Prozentsätze, welche im Durchschnitt zumindest geringer sind, wenn auch im Einzelfall höher liegen können (speziell natürlich in der Runde, von der gerade die Rede ist, wo ihnen die „Dummheit“ schlichtweg angedichtet wird).
Statistisch gesehen passiert es also einfach etwas häufiger, dass sie doch einen Punktverlust hinnehmen müssen, selbst wenn er nach gängiger Meinung „überraschend“ kommt, was, in übersetzter Intuition bedeutet, dass sie als recht klarer Favorit ins Rennen gegangen sind für dieses Spiel. Über die ganze Saison gesehen – und gerade hier spielt der zuletzt ausgetragene Spieltag eine völlig untergeordnete Rolle – kann man damit rechnen, dass man in etwa die Punktausbeute erhält, die einem zusteht. Nun, genau hier, bei „statistisch gesehen“ liegt eine kleine Form eines Hakens. Denn die Statistik „erlaubt“ auf ihre Art schlichtweg gewisse Ausreißer – sowohl für den einen nach unten als auch für den anderen nach oben.
Genau dieses „Ausreißerergebniss“, das angeblich aufgrund der diagnostizierten Dummheit diesmal nicht zustande kommt, gibt es in der „realen Statistik“ in der angemessenen Häufigkeit. Die Bayern sind die Konstante, da sie fast immer als Favorit in die Saison gehen. Wenn man sich nun die Bundesliga Geschichte seit Bayerns Zugehörigkeit anschaut (Aufstieg 1965, zur dritten Saison überhaupt), dann gilt quasi die Aussage: „Entweder, die Bayern schaffen es, oder die Bayern schaffen es nicht.“ Sie haben 21 Meistertitel erreicht in 45 Jahren. Knappe 50%. Die Prognose, die sogar der Computer bestätigt, lautet auch wieder für die Saison 2010/2011: „Die Bayern oder irgendein anderer?“ 50% Bayern, 50% der Rest. So lebt es sich als Favorit, nur, wenn man es zusammen nimmt, gar nicht mal schlecht.
Denn die etwas geringere Vorhersagbarkeit der Deutschen Bundesliga erzeugt eher Neid im Ausland, wo die Favoriten sich oft früher und deutlicher absetzen, wie man übrigens auch an den abschließenden Punktausbeuten erkennen kann.
Also ist genau für die Spannung gesorgt, die der Liga gut tut, die der Journaille gut tun müsste und die die Fans so sehr und leidenschaftlich Woche für Woche in die Stadien rennen lässt oder überhaupt auf die neuen Ergebnisse warten lässt. Was soll nun die „Analyse“ über die „Dummheit“, die nichts als Miesmacherei ist und so absolut nichts mit der Realität zu tun hat, wenn überhaupt nur eigene Dummheit verbreitet, dafür aber die Spannung raubt?
Eine weitere dieser Ausrägung lautet so:
- „Ist das Niveau der Liga gesunken, weil sich niemand so recht absetzen kann?“
Auch eine derartige Analyse wurde schon häufiger gehört oder verbreitet. Wobei es ja als aufgeworfene Frage nur Diskussionsgrundlage bieten soll, jedoch eine Tendenz in gewisser Weise vorgibt, da speziell der „Missstand“ dann aufgedeckt werden soll, wenn alle Spitzenteams gleichzeitig Punkte abgeben, sich also niemand an der Tabellenspitze erkennbar absetzt.
Nun, falls man überhaupt eine Schlussfolgerung aus engen Tabellenbildern ziehen wollte könnte diese unter gar keinen Umständen lauten, dass das Niveau geringer ist. Logisch gesehen gibt es nicht den geringsten Anhaltspunkt ohne einen einzigen externen Vergleich (dieser wäre dann gegeben, wenn zum Beispiel Real Madrid in der Liga mitspielen müsste – als externe Konstante – und sich in einer Saison nur mit Mühe durchsetzen könnte, also reichlich Verlustpunkte hinnehmen musste, in der Folgesaison aber viel weniger. Dies wiederum wäre dann jedoch keineswegs an dem Tabellenbild der anderen Mannschaften untereinander ablesbar, sondern ausschließlich an der Punktausbeute, der als konstant angenommenen, externen Mannschaft Real Madrid.
Da man also auf keinen Fall den Schluss ziehen könnte, dass das Niveau gesunken ist aufgrund des beobachteten Phänomens einer (vermutlich temporären) Ausgeglichenheit im Tabellenbild, so verbliebe nur die Frage, ob der Umstand eventuell die gegenteilige Aussage zulässt. „Ist das Niveau gestiegen, da keiner sich absetzen kann?“
Dafür nun allerdings gibt es zwar keinen direkten Beweis, jedoch intuitiv ein paar einleuchtende Überlegungen: Wenn eine Mannschaft einen Durchmarsch macht, dann kann man keinesfalls auf ein hohes Niveau der Liga zurück schließen. Wie sollte es gehen? Man könnte, wenn man sehr mutig ist, dieser Mannschaft eventuell im internationalen Vergleich aufgrund ihrer inländischen Dominanz gute Chancen prognostizieren. Selbst dafür gäbe es zwei anschauliche Widerlegungen: a) es gibt genügend kleine Länder, in denen einzelne Mannschaften durchmarschieren, was ihnen keineswegs für europäische Auftritte hilft und b) der durchmarschierenden Mannschaft fehlt ein wenig die Wettkampfpraxis auf hohem Niveau, was keinesfalls förderlich für die zu erwartenden Aufgaben auf jenem Level sein dürfte.
Nun gut, also ein Durchmarsch einer Mannschaft ist nicht nur aus Spannungsgründen unerfreulich, sondern eher aussagelos für das Niveau der Liga, wenn überhaupt nur nachteilig für sie, aufgrund der aufgezeigten Punkte. Wenn es einige Mannschaften gibt, welche die Liga dominieren, die also keine anderen Mannschaften an sich heranlassen und den Titel unter sich ausmachen, ist logischerweise auch nicht das Niveau der gesamten Liga dafür verantwortlich, wie oben. Einzig könnte man hier davon sprechen, dass sich die vorne liegenden Mannschaften in allen Spielen anstrengen müssen, um die volle Punktausbeute einzufahren, damit die Konkurrenz nicht entwischt, und sogar die wenigen Duelle untereinander hat, um auf die geforderte Wettkampfpraxis auf höchstem Level zu kommen. Man würde die Begegnungen gegen untere Mannschaften also konzentriert angehen – jedoch in der Regel gewinnen.
Eine Liga, die jedoch in allen Runden für jede Mannschaft Partien verspricht, bei denen alles andere als auch nur annähernde Gewissheit über den Ausgang besteht, kann demnach als einzigen Anhaltspunkt für einen Niveauvergleich – der sich logischerweise nur auf die Chancen für Europa beziehen kann — eine Erhöhung desselben bedeuten. Alle Partien umkämpft heißt alle Gegner sind stark.
Die Wahrheit also: Wenn eine Erkenntnis zu gewinnen wäre aus einem ausgeglichenen Tabellenbild, dann kann es sich nur um diese handeln:
„Die Liga ist stärker geworden, da sich an der Spitze niemand absetzen kann.“
Man kann die Aussage, die einfach so, unreflektiert ausgesprochen wird (leider, meine Herren) jedoch mit einigem Geschick deuten – und die aufgeworfene Fragestellung, um die es sich intuitiv handelt richtig stellen (und genau hier müssen die beiden Wörter unabhängig von der Rechtschreibreform auseinander geschrieben werden).
Zunächst mal verleiht die Aussage einer Befürchtung Ausdruck. Die Befürchtung, die durchaus nachvollziehbar ist, lautet eigentlich: „verlieren wir in den europäischen Cupwettbewerben den Anschluss?“ (Nun, gerade der Champions League Finaleinzug der Bayern sowie der Auftritt der Deutschen Mannschaft in Südafrika 2010 haben die Bedenken fürs Erste aus der Welt geschafft). Man liest dies aus der Tabelle ab, da die Bayern nicht (eindeutig) vorne liegen und man an sich die Hoffnungen immer direkt an sie knüpft.
Richtig müsste die Frage also lauten: „Verlieren wir in Europa den Anschluss, weil dieses Jahr die Bayern die Liga nicht dominieren und sie uns doch wenigstens in Europa die Erfolge bringen sollen?“
Ein weiterer Satz von den Medien kreiert – also demnach einer minderer Qualität und ohne Gehirnschmalz abgesondert, vermutlich aufgrund eines Mangels daran – lautet :
- „Glücklich, aber nicht unverdient“
Genau in diesem so völlig gedankenlosen Satz wird erkennbar, wie sehr die Berichterstatter mit Tore zählen beschäftigt sind und nichts anderes bereit sind, anzuerkennen, ja wohl nicht einmal dürfen, denn das könnte die eigene Position kosten, die damit für einen anderen Dämlichquatscher frei würde.
Die Begriffe „glücklich“ und „verdient“ schließen sich gegenseitig aus, sie stellen Antipoden dar, krasse Gegensätze. Es gibt nur eines der beiden Urteile: Der Sieg war glücklich oder der Sieg war verdient. Wenn man sich zu Fragen, ob man sich das Glück auch verdienen kann, ernsthaft äußern möchte, so sollte man sich am besten eines uralten, aber dadurch lange nicht an Wirkungskraft einbüßenden Sprichwortes bedienen: „Es war das Glück des Tüchtigen.“
In diesem Sprichwort ist alles enthalten, was zur Klassifizierung des Spieles hinreicht. Man möchte dem Sieger gar nicht die Punkte absprechen, man kennt die Gesetze auch, die da lauten, dass den Sieg derjenige davonträgt, der am Ende die höhere Anzahl an Toren erzielt hat. Man möchte es auch gar nicht missgönnen oder schlecht machen. Man spricht dem letztendlichen Sieger auch in aller Form dessen Leidenschaft und Einsatzbereitschaft zu, die am Ende durchaus mal belohnt werden darf. So kann es jeder akzeptieren. Aber eine Erkenntnis bleibt bestehen, die auch der Sieger so aussprechen darf: „Ja, wir hatten (etwas) Glück heute.“ Der Gegner dürfte hinzufügen: „Na, wenn ihr das so ehrlich sagt? Aber gekämpft und gerackert habt ihr auch bis zum Umfallen. Deshalb war es das Glück des Tüchtigen.“
Man reicht sich die Hände und freut sich auf das nächste Duell.
Glücklich, aber nicht unverdient ist hingegen barer Unsinn. Entweder, oder. Glücklich, weil sie Glück hatten, nicht unverdient, weil nichts als die Tore zählen. Demnach also doch: glücklich?
Die Wahrheit über den Fußball haben die Trainer gesprochen. Die Medienvertreter arbeiten daran, sich das gegenteilige Image aufzubauen. Jedoch scheinen sie dies in Unwissenheit zu tun. Einen weiteren Beleg gibt es in dieser Aussage:
- „Die 100%ige Torchance“
Hören tut man den Satz oft genug. Ob er jemals von einem dies aussprechenden reflektiert wird, ist mehr als fraglich. Allerdings kommt einem jemand, der sich auf lediglich „100%ig“ festlegt noch beinahe „vernünftig“ vor – im Vergleich zu jenen, die jederzeit bereit sind, um die Größe dieser Chance zu illustrieren, es auf 1000% zu steigern (manch etwas vorsichtigere Zeitgenossen steigern gelegentlich, anscheinend in dem weiter hinten gelagerten Wissen, dass daran irgendwas nicht stimmt, auf 110% oder 120%, dies aber häufig nur auf einsatzbereitschaft anwendend).
Nun ja, allgemein steht ja – auch an anderer Stelle, im Abschnitt „Die Berechenbarkeit des Fußballs“ – die etwas provozierende Äußerung im Raume, dass Mathematik eine Art (mehr als ungeliebtes) Stiefkind hierzulande ist, jedoch die Wahrscheinlichkeitsrechnung ein entsprechend noch weniger „geliebter“, hm, beinahe verhasster, Abkömmling davon ist, im Raum. Einen winzigen Beleg dafür könnte man an derartigen Äußerungen ablesen. Zumindest in dem Sinne, dass der Effekt der Steigerung von 100% nun wirklich final ineffektiv ist. Allerdings erscheint auch der Erstautor der zugeschriebenen 100% nicht mit allen Gesetzmäßigkeiten vertraut. Mildernde Umstände könnte man ihm dennoch unter gewissen Umständen einräumen.
Wenn man diesem Konstrukt nämlich genau auf den Zahn fühlt, stellt man im Grunde genommen fest, dass es sich entweder um ein Paradoxon handelt – oder eine völlige Banalität.
Paradox wäre diese Auffassung: wenn es sich um eine 100%ige Torchance auf die Verwertungsprozente bezogen – wie vermutlich ursprünglich so gemeint — handeln sollte, dann ist diese einzig und allein der Fall, wenn der Ball drin ist. Die Frage, ob das Tor dann auch zählen muss, geht jedoch beinahe in Philosophie über. Denn: angenommen, das Tor war absolut korrekt erzielt, nicht der Schatten eines Zweifels. Der Schiedsrichter verweigert ihm aber die Anerkennung. Nun, ein wie viel prozentiges Tor ist es dann? Es ist ein 100%iges Tor. Ja. Aber im Endergebnis wird es nicht eingerechnet. Aus 100% werden 0%. Einfach so. Eben: philosophisch.
Na, Thomas Helmer hat damals ja ein 0%iges Tor erzielt, welches anerkannt wurde. Allerdings musste er durch das durch die Absurdität der Anerkennung anberaumte Wiederholungsspiel anstatt mit einem mühsamen 2:1 mit einem 5:0 vorlieb nehmen. So gerecht ist die Welt…
Eine 100%ige Torchance ist es dann, wenn es ein Tor gibt. Man multipliziere meinetwegen aus: 100% * Tor = 100/100 * Tor = 1/1 * Tor = 1 Tor = ein Tor. Ein Tor ist ein Tor. Na, paradox wäre es bis hierher noch nicht. Eher eine Art Tautologie. Nur wird der Satz ja genau auf die Situationen angewendet, wo es kein Tor wird (und dabei die leicht scherzhafte Ausnahme über ein klares Tor, welches nicht anerkannt wird, ausklammernd). Der Ball geht nicht rein. Der Sprecher befindet aber auf „das war eine hundertprozentige Torchance.“
Die alternative Deutung, die einerseits die mildernden Umstände gewähren lassen, andererseits die Aussage zu einer gehaltlosen Banalität verkommen lassen, sieht so aus: „Eine 100%ige Torchance“ ist es immer dann, wenn es überhaupt eine Torchance ist. „Ja, das war eine Torchance.“ Damit 100% richtig. Das ist ein Auto. Ja, 100% Auto. Die Zahlwörter „ein“, „eine“, „eines“ stehen ja genau für 100%, so wie „ein Tor“. Wie gesagt, banal, aber nicht falsch, denn damit gewährte es keinerlei Einblick in die Größe der Verwertungsprozente, die eine Torchance von einem Tor trennt. „Das war eine 100%ige Torchance.“ „Ja, das habe ich auch gesehen. Aber wie groß ist denn die Chance, dass aus einer (aus dieser) Torchance auch ein Tor wird?“ „Na, das weiß ich nicht. Ich hab nur gesehen, dass es eine Chance war. Im Gegensatz zu dem Einwurf vorhin. Das war 100% Einwurf.“
Kehren wir mal zurück zu gehaltwolleren Banalitäten.
- „Der Ball ist rund“
Ja, der gute alte Sepp Herberger. Wie viele bis heute gültige Weisheiten er von sich gegeben hat. Bei jedem Interview könnte beinahe jeder Trainer das Interview mit diesen Worten beginnen, ungeachtet der Aufwendungen für das Phrasenschwein. „Warum habe Sie heute verloren?“ „Schauen Sie, der Ball ist rund. Er ist bei uns zwei Mal ins Tor gegangen, dort drüben nur einmal. So verhalten sich runde Gegenstände gelegentlich. Nächste Frage?“
Es beantwortet eigentlich alles, vor allem den vorlauten Reportern, die als einzige Stütze für ihre Argumentation (offensichtlich in Ermangelung von alternativen Beobachtungs- und Verständnismitteln) die korrekt gezählten Tore ins Feld führen, dürfte man diesen Satz immer wieder unter die Nase reiben.
Implizit sagt der Trainer damit: „Bevor wir uns auf ein Urteil festlegen oder eine Spielanalyse durchführen, möchte ich, dass Sie, ganz speziell Sie, verstehen, dass jeder Spielausgang zu einem ordentlich Anteil vom Glück, vom Zufall abhängt. Das Glück, der Zufall, der das runde Objekt bald hierhin, bald dorthin springen lässt, speziell in Tornähe, wo bereits ein Grashalm (oder, man erinnere sich, ein Papierkügelchen, in England jüngst ein Luftballon) für die Flugrichtung verantwortlich sein kann. Haben Sie das verstanden?“ Falls es jemals dann ein kleinlautes „Ja, ich denke und hoffe schon, jetzt hat es klick gemacht.“ zu vernehmen gäbe, dann hätte dieser Mensch tatsächlich einen Fortschritt erzielt, wäre der Wahrheit ein Stückchen näher gerückt – und der Zuschauer könnte endlich mal eine gute Spielanalyse zu hören bekommen, die tatsächliche Einblicke liefert.
Ja, es wäre so sehr wahr und würde zugleich den Respekt vor dem nicht steuerbaren Anteil des Schicksals (wie hoch soll eigentlich der beeinflussbare sein?) zum Ausdruck bringen, dass man vielleicht die Absicht haben kann und in einigen Fällen sogar einen gewissen Erfolg erzielen kann, dass man jedoch endgültig niemals alles erklären kann, was es zwischen Himmel und Erde – gerne darüber hinaus – gibt.
Na ja, Zukunftsvisionen….
- „So einfach geht das“
Abschließend noch ein paar Sätze zu einigen Reporterfloskeln, die natürlich alles andere als reflektiert sind. Wenn man diesen Satz hört, „so einfach geht das“, handelt es sich natürlich um einen Reporterkommentar. Was er damit sagen möchte, bleibt weitest gehend unklar, außer, dass er selbst im besseren Lichte erscheinen möchte und theoretisch müsste. „So einfach geht das, wenn sie endlich mal das umsetzen, was ich die ganze Zeit erkläre“ wäre ein Versuch den Satz zu ergänzen. Bedauerlicherweise bliebe es aber bei höchst durchsichtiger Klugscheißerei.
Was sich einem an sich aufdrängt und wie es auch nicht anders auszurücken wäre und bliebe – sogar im Interesse senderseits der Einschaltquoten –, gelingt dem Engländer spielend, verbal umzusetzen: „They make that look so easy.“ „Das sieht so einfach aus.“
Genau das reflektiert die Wahrheit. „Es sieht so einfach aus.“ Nur drückt das gleichzeitig diesen riesengroßen, angemessenen Respekt aus vor der Schwierigkeit, dass so hinzubekommen. Man selber würde kläglich scheitern, das muss einem zunächst mal klar sein. Wer selbst Fußball gespielt hat, der weiß, wie schwierig es wird, einen Gedanken umzusetzen, der einem so einfach und so hübsch erscheint. Aber in diesem Tempo auf dem allerhöchsten Niveau? Den Hut kann man gar nicht aus der Hand legen, so oft müsste man ihn ziehen vor diesen gigantischen, unfassbaren Höchstleistungen. Diese Anmaßung „so einfach geht das“ drückt leider das aus, was in Deutschland auf die ganze Berichterstattung zutrifft, siehe oben. „So einfach geht das.“ und man soll wohl annehmen „ich könnte das sowieso, darf nur nicht mehr mitmachen wegen der davon ausgelösten Wettbewerbsverzerrung.“
- „Abschlussschwäche“
Dieser fürchterliche Begriff der Abschlussschwäche existiert gar nicht. Er gibt zu erkennen, dass der das Äußernde eigentlich gar nichts versteht. Gelegentlich gibt es ja Trainer, die eine passende Antwort darauf geben, die da lautet: „Sorgen mache ich mir deswegen nicht. Wir hatten die Chancen. Sorgen würde ich mir nur machen, wenn wir sie nicht hätten.“
Genau das ist die Wahrheit. Dass man selbstverständlich den Abschluss hier und da trainiert, dass man sehr wohl weiß, dass ein Wayne Rooney, David Villa oder Fernando Torres eine höhere Trefferquote aus weniger guten Torchancen erzielen und man sie gerne in den eigenen Reihen hätte ist nicht die Frage. Die Kunst bleibt es, Torchancen herauszuspielen. Das Ausnutzen derselben folgt den einzelnen Wahrscheinlichkeiten, deren eine ist die Größe der Torchance – selbst wenn objektiv schwer messbar –, deren andere das Verwertungspotenzial der eigenen Angreifer ist, was je nach Art der Torchance schon wieder individuell unterschiedlich sein kann.
Die Trainer sind selbstverständlich darauf bedacht, a) möglichst viele Chancen herauszuspielen, b) möglichst große herauszuspielen und c) möglichst viele davon zu verwerten. Die tägliche Arbeit ist sicher unter anderem darauf gerichtet, in all diesen Bereichen Fortschritt zu erzielen, falls es nicht auch noch eine Defensive gäbe, die exakt möglichst hohe Ausmaße derselben von Gegnerseite aus zu vereiteln bemüht ist…
- „Ergebniskrise“
Der Begriff der „Ergebniskrise“ wurde einfach von irgendeinem Trainer mal geschöpft, um auf humoristische Art mit den gnadenlosen Medien fertig zu werden, ohne all zu viel an Wahrheit zu verschleiern. Die Medien lassen ohnehin praktisch niemals ein gutes Haar am Verlierer. Angelehnt an Abschnitt über die Abschlussschwäche, die gar nicht existiert, da der Begriff doch eigentlich positiv beschreibt, was die Mannschaft erreicht hat, nämlich Torchancen herauszuspielen, höchstwahrscheinlich sogar mehr als der Gegner, da es ansonsten nicht zu der Fragestellung käme und die Niederlage eher an der mangelhaften Defensive festgemacht würde.
Die „Ergebniskrise“ ist die Wahrheit. Sie tritt genau dann ein, wenn eine Mannschaft mehrmals in Folge die höhere Anzahl (und eventuell Qualität von) Torchancen herausgespielt hat, und dennoch mit leeren Händen dastand. „Wir spielen gut, wir machen weiter so, die Ergebnisse kommen irgendwann von selbst, da wir nichts falsch gemacht haben. Punkt.“ So ist es. Punkt.
- Offensiv oder defensiv? Alles eine Frage der Taktik?
Man hört oftmals nach heutigen Spielen, dass sich angeblich eine Mannschaft so passiv verhalten hätte, jeglichen Offensivgeist vermissen ließ und sich regelrecht hinten einigelte. Dies kann auch oder insbesondere dann „herausanalysiert“ werden – sogar häufig mitten im Spiel –, wenn die gegnerische Mannschaft führt. Was hat es damit nun auf sich? Wie sinnvoll ist diese Überlegung?
Der Fußball auf höchstem Niveau mag zwar in gewisser Weise sehr, sehr ausgeglichen sein — was möglicherweise früher nicht ganz so der Fall war — jedoch ist dabei die Frage zu stellen, inwieweit dieses wünschenswert ist? Gibt es vielleicht wahrhaftig keine erkennbaren Unterschiede in den Qualitäten der Spieler und Mannschaften mehr?
Man beachte, dass es eine angebotene Beweistechnik ist, Spiele zwar in voller Länge, aber mit unkenntlich gemachten Gesichtszügen und Trikotfarben einem der Möchtegern-Experten, ja, einem der Reporter, vorzuspielen und danach abzufragen, in welcher Liga das Spiel ausgetragen wurde und wer wohl der in der Tabelle oder Rangliste höher platzierte war? Abgesehen von der Frage nach einem Sieger oder wer es verdient hätte – um Abgleich natürlich mit dem tatsächlicen Ergebnis – was dann die Hilflosigkeit und Ahnungslosigkeit der Reporter aufdecken würde (er hat nämlich gerade nach 25 Minuten Spielzeit das Zweitligaspiel in die Champions League verlagert und Alemannia Aachen für Real Madrid gehalten; er dürfte natürlich auch gerne auf Objektivität umschalten und beginnen, die Schönheit und Spannung des Spiels unabhängig von der Leistungsklasse und den Spieler- oder Mannschaftsnamen einzufangen), jedoch andererseits, um aufzuzeigen, dass die Unterschiede sich mehr und mehr verwischen.
Falls dies tatsächlich der Fall wäre, würde es dem Fußball und seiner weltweiten Vermarktung sicher nicht all zu gut tun, da dann der Ausgang eines einzelnen Spiels mehr und mehr Würfelspielcharakter bekäme, was sicher nicht Massen anzulocken geeignet ist. Man braucht Leistungsunterschiede, man braucht die Zweikämpfe David gegen Goliath. Und ab und an soll David gewinnen, aber auch nicht zu häufig.
Wenn nun eine Mannschaft, ein designierter Favorit, das Spiel tatsächlich bestimmen sollte, ihm es gelingt, den Gegner unter Druck zu setzen, ihn nicht zum Luftholen kommen zu lassen, und womöglich alsbald einen Angriff zum ersehnten Führungstreffer umzusetzen, dann ist es vielleicht gar keine Frage der Taktik gewesen, dass der Gegner die eigene Hälfte kaum verlassen konnte? Wieso wird einfach von einer Defensiv- oder Igeltaktik gesprochen? Vielleicht – und in früheren Jahren war ein derartiges Verhalten absolut üblich – bemüht sich der Favorit gar, nach der erzielten Führung sich nicht selbst zurückzuziehen, um den Gegner kommen zu lassen und selber ein paar Konter zu setzen, sondern behält die ursprünglich eingeschlagene Taktik bei, die auch Ausdruck der Überlegenheit ist, und setzt den Gegner weiterhin unter Druck? In der in früheren Jahren ganz und gar üblichen Erkenntnis, dass man möglichst (bald) das zweite Tor erzielt, um nicht noch spät überrascht zu werden von einem plötzlichen Ausgleich?
Wenn also eine Mannschaft einfach angreift, mehr Ballbesitz hat, unabhängig vom Spielstand zumindest heute klar überlegen ist, dann kann man sicher nicht in allen Fällen von einer Defensivtaktik des Gegners sprechen. Wer es tut, behauptet damit zugleich, dass man alle Geschehnisse auf dem Rasen aktiv steuern kann. Und vergisst dabei den guten alten Sepp Herberger, der es den damals schon anstrengenden, aber längst nicht so dreisten Reportern so nett erklärte: Man spielt so gut, wie es der Gegner zulässt. Hierauf angewandt: man spielt so offensiv, wie es der Gegner zulässt.
Abgesehen davon drängt sich tatsächlich immer die Frage auf, wenn man wieder mit dieser zweifelhaften „Spielanalyse“ konfrontiert wird, die man dem Kommentator gerne stellen möchte: „Wie, bitte schön, stellen Sie es sich vor, dass man offensiv spielt, wenn man den Ball nicht hat?“
- Noch mehr zur „Abschlussschwäche“
Es ist eine reine Reporterfloskel, wenn ihnen nichts mehr einfällt und sie ganz einfach die Termini „Glück“ und „Pech“ nicht in den Mund nehmen dürfen, geschweige denn die Tatsache selber überhaupt anerkennen würden. Wenn einem wirklich nach einem Spiel die Argumente ausgehen und der Trainer der Verlierermannschaft mal wieder nicht anders kann, als darauf aufmerksam zu machen, dass seine Mannschaft sehr Vieles richtig gemacht hat und eine Menge guter Chancen hatte. Allerdings kennt auch er das eherne Gesetz, nicht vor laufenden Kameras die Worte „Glück“ oder „Pech“ in den Mund nehmen zu dürfen, in der begreiflichen Absicht, sich nicht zum Spielball der Medien zu machen, die einem jeden, der sich darauf berufen wollte – natürlich, tun doch immer die Verlierer, nicht wahr? Den Gewinnern fällt die Beachtung des Gesetzes leicht, da es ihnen gleichgültig sein kann, ob sie das Glück was sie hatten nun aussprechen oder sich einfach das „verdient, weil nun mal die Tore zählen“ andichten lassen –, automatisch jeglichen Sachverstand absprechen würden. Im Gegensatz zu dem ihm gegenüberstehenden riesigen Fragezeichen weiß er allerdings von der Existenz dieser Elemente.
Nachdem der Verlierer-Trainer nun also auf die Überlegenheit in punkto Ballbesitz, Eckenverhältnis und Torchancen aufmerksam gemacht hat und der Befragende eigentlich das gleiche Spiel gesehen haben müsste und sich vor der Tatsache nicht verschließen könnte, dass es sich ganz einfach um den Verlauf eines Fußball Spieles handelt, der gerne akzeptiert wird, weil es eben passieren kann, dass die Mannschaft mit der größeren Anzahl der Chancen dennoch nicht gewinnt oder gar verliert, es zusätzlich von winzigen Kleinigkeiten abhängt, ob eine Chance „verwertet“ wird und weiterhin die Chancen unterschiedliche Größenordnungen haben, dadurch der Zufall eine mitentscheidende Rolle spielt, fällt dem aufsässigen Reporter nichts mehr ein, außer sein komplettes Fachwissen, welches sich aus der viel bewunderten Kunst des Torezählens und der fehlerfreien Verwendung der Beziehungen >, < und = zusammensetzt, in die Waagschale zu werfen und zu sagen: „Ja, wenn Sie mehr Chancen hatten und dennoch verloren haben, dann hat ihre Mannschaft doch eine deutliche Abschlussschwäche?“
Nein, hat sie nicht. Antworten wird der Trainer zwar so oder so, ohnehin ausweichend, vorsichtig, vor allem angepasst an die gesamte Medienlandschaft, also niemals in dem Sinne „ehrlich“ – sprich: er möchte so schnell wie möglich in Ruhe gelassen werden –, mag sogar sein, dass er schmunzelnd, dem Mann auf die Schulter klopfend, was dieser glücklicherweise nicht als „mitleidig“ auffassen würde aufgrund allgemeiner Erkenntnisdefizite, antwortet, dass er sich um den Abschluss keine Sorgen machen würde, sondern er nur dann Sorgen hätte, wenn seine Mannschaft gar keine Torchancen gehabt hätte, jedoch wird das auf keinen Fall dazu geeignet sein, diesen Menschen zu erhellen, sagen wir mal, für die nächste sehnsüchtig erwartete Fragerunde, bei der er das „Gelernte“ (äh, die Begriffe „Reporter“ und „Lernen“ schließen sich irgendwie aus) zur Anwendung bringen könnte und im Ergebnis mal eine einzige etwas weniger dämliche Frage stellen könnte.
Gibts nicht geht nicht? Oder umgekehrt?! Doch: Reporter!