In einer Welt, in der ständig nach neuen Steigerungen und Superlativen gesucht wird, erscheint es nicht verwunderlich, dass auch die Kommentatoren in diese „Trickkiste“ greifen und versuchen, Dinge aufzubauschen zwecks besonders großer Zuschaueranziehung. Wenn es also für jede Mannschaft pro Saison etwa acht „Endspiele“ und „fünf Spiele des Jahres“ gibt, dies zugleich beinahe monatlich mindestens einmal für irgendein weiteres Spiel gilt, so ist dies eine durchaus zulässige Übertreibung. Heute soll der Zuschauer dabei sein. Heute ist wichtig. Heute ist Dramatik und Spannung pur. Heute ist der Tag. Heute ist schlechthin „das Spiel“. Das müsst ihr schauen. So weit, so gut.
Dies ist die positive Richtung. Ein „Spiel des Jahres“ würde zwar theoretisch irgendwann unglaubwürdig klingen, wenn man es erst letzten Monat hatte und sich der Leser/Zuschauer erinnert – jedoch ist kaum zu erwarten, dass man es wegen dieser Übertreibung nicht anschaut. Man könnte sich vielleicht sagen: „Mensch, nun übertreiben sie aber etwas. Jenes letzten Monat, das war das Spiel des Jahres. Dies hier ist wichtig, klar, schauen tu ich auch, aber „Spiel des Jahres“ ist es nicht. Insofern: zulässige Übertreibung, die keinerlei Schaden anrichtet.
Da hier insgesamt aufgezeigt wird, dass die Berichterstattung allenthalben weit mehr als nur negative Tendenzen hat, sondern dass diese turmhoch überwiegen, hat sich dieser Trend der Suche nach neune Superlativen nun über Jahrzehnte bedauerlicherweise auch in negativer Hinsicht eingeschlichen – und dort felsenfest verankert. Selbstverständlich lautet die in diesem Zusammenhang hier aufgeworfene Frage gerne wieder, wenn auch leicht umformuliert: „Cui bono.“ Wem nützt es? Soll der Zuschauer vor den Bildschirm gelockt werden, weil er heute eine ganz besonders große Steigerung von Unzulänglichkeiten beobachten kann, so etwa wie bei „Upps, die Pannenshow“? Damit er tüchtig zu lachen hat, wie unbeholfen diese hoch bezahlten Kreaturen sich dort über den Platz schleppen, schleichen, und selbst wenn sie den Ball haben diesen nicht einmal über 5 Meter zum Mitspieler bekommen bei diesem „Fehlpassfestival“?
Man denke nur mal über diese Art der Übertreibung kurz nach: Das Fehlpassfestival. Dort, so ist anzunehmen, treffen sich alljährlich (!) die größten Künstler im Fehlpässe spielen und geben uns einen Einblick, wie schlecht man noch alles abspielen kann? Der Höhepunkt des Abends ist es, dass es einem Spieler gelingt, einen ruhenden Ball aus einem Meter nicht zum Mitspieler zu bringen, er sich stattdessen den Fuß bricht und dem Mitspieler dabei ein paar Zähne ausschlägt. Na, da gehen wir doch alle hin? Schade nur, dass es am gleichen Tag(!) in ganz Deutschland zehn solche Festivals gibt – so man den Worten der Kommentatoren glauben schenken darf.
Wenn einmal eine Mannschaft in einem Spiel 3:0 führen sollte und sich tatsächlich verständlicherweise auf der Gegenseite ein wenig Enttäuschung und damit nachlassende Kräfte bemerkbar machen, abgesehen von der seitens des Trainers nach dem 0:2 angeordneten „alle Mann nach vorne“ Taktik, so etwa 15 Minuten vor Schluss, sich bereits dadurch das 3:0 ergeben hat und nun, in der Schlussminute wieder ein Durchbruch gelingt gegen die von Offensivaufgaben weitest gehend enthobene Abwehr, sich also tatsächlich das 4:0 anbahnt, und die Chance verwertet wird, dann würde es absolut aus Reportersicht ausreichen, dies als erfreulich Zugabe für den neutralen Zuschauer hinzunehmen, da man sich doch, wenn schon nicht von Spannung über den Ausgang verwöhnt, so doch sich immerhin über ein Törchen hier oder da zu freuen bereit ist. Stattdessen aber wird auf den Hühnerhaufen, der sich Abwehr nennen will aufmerksam gemacht oder, noch besser und heute fast üblich, während man es früher vielleicht noch bei einem Trainingsspiel Vergleich belassen hätte, es umschreibt mit „im Training hat man da weit mehr Mühe, ein Tor zu erzielen.“ Ja, das ist die Steigerung, die es wirklich plastisch macht – falls man noch einen Zuhörer hätte, der bereit ist, über diesen unglaublichen tollen Wortwitz zu lachen oder überhaupt zuzuhören. Zu erwartende Haar sträubende Fehler, begleitet von niederträchtiger Häme und Schadenfreude als Einschaltargument zu verkaufen, dürfte auf die Dauer kaum ausreichen (nach hier vertretener Meinung tut es auch nicht, nur ist es schwer mit möglichen entgangenen Einschaltquoten zu argumentieren).
Ähnlich wurde schon gehört zuletzt, als einmal (na, keine Frage, der Spielstand war 0:2) die mangelhafte Zweikampfführung der einen Mannschaft angekreidet wurde – ein sehr beliebtes Statement, was so gut wie immer anwendbar ist und so gut wie nichts außer den Spielstand „aufdeckt“ (natürlich ihn zur Ursache hat, aber…) –, da wollte der gute Mann diese Aussage gerne noch einmal etwas plastischer bestätigen. „Wie sie die Zweikämpfe führen, nein, das ist keine Zweikampfführung, ach, das kann man ja nicht Zweikampfführung nennen. Wie sie die Zweikämpfe vermeiden.“ Ja, da weiß man doch … genau, wer führt. So wird es plastisch. Genau so macht man Dinge anschaulich. Und wie Recht er hat. So was möchte man nun wirklich nicht sehen, so ein Gegurke. Deshalb der wohl (so) gemeinte Rat: Nicht hinschauen, nicht hinhören, abschalten. Danke, längst geschehen.
Ein Effekt hat sich jedoch eingestellt, der merkwürdigerweise im Rahmen der (negativen) Übertreibungssucht am angestrebten Ziel der vergrößernden Häme vorbeigeht. Rein logisch gesehen wird sie sogar abgeschwächt. Nun, dies wäre vielleicht dann immerhin ein klein wenig erfreulich. Aber nur dann, wenn es auch so gemeint wäre. Ist es aber garantiert nicht. Es dreht sich wohl viel mehr um eine Art Verständnismangel, welcher sich vom Fußball auch auf Logik und Grammatik erkennbar ausweitet, seitens des dies Absondernden. Hier eine kleine Ansammlung von jüngst im Verlaufe eines Wochenendes (wiederholt) aufgeschnappten Steigerungen der Unzulänglichkeiten:
zu überhastet
zu ungenau
zu kompliziert
zu umständlich
zu zentral
zu unkonzentriert
zu statisch
zu unentschlossen
zu halbherzig
zu harmlos
zu passiv
zu einfach
Wenn man über diese Wortkonstrukte einen Augenblick reflektiert, was stellt man fest? Ja, allesamt negativ, keine Frage. Hat der Autor sicher gemeinerweise so ausgewählt?! Und das „obercool hoch drei“ oder „diese hier wird eingereicht zur Wahl zur präzisesten Flanke des Jahres“ oder „mehr als perfekt vorgetragen“, oder das „zirkelt den Ball millimetergenau, nein, nanometergenau, ach was sag ich, picometergenau ins Netz“, das hat er hier schön brav unterschlagen, der Miesmacher.
Nein, diese wurden nicht gehört, die Übertreibungen in die andere Richtung und jede Aufzeichnung, die deutschsprachig so etwas hervorbrächte, könnte später als Beweismittel — Abgesehen von dem wachsenden Wert — dienen, also vorsichtig und gut aufbewahren! Oder Einsenden!
Nein, was fällt daran noch auf? Am besten geht man die Wortgebilde einzeln durch:
Wenn bei einem Abschluss von „zu überhastet“ die Rede ist, dann ist zunächst klar, wie üblich, was geschehen ist: Ein Angreifer hat eine Chance nicht verwertet (das „nicht verwertet“ ist herkömmlich. heute heißt es „versiebt“, „kläglich vergeben“, „verstolpert“ und ganz modern und „state-of-the-reporter-art“ derzeit „die Chance hat er liegen gelassen“). Sicher. Wie groß die Chance aber war, bleibt offen. Der so harsch Kritisierte war sicherlich bemüht, rasch abzuschließen, bevor die Lücke sich wieder schließt, ein Verteidiger bei ihm war oder überhaupt. Man bekommt weder viel Zeit noch viel Platz im Fußball, noch weniger auf höchstem Niveau. Außerdem wissen wir natürlich, dass, wenn er ihn versenkt hätte, er nicht etwa das Lob vom „obercool“ eingeheimst hätte, sondern stante pede den Verteidigern die katastrophalen Stellungs-, Zuordnungs- oder Deckungsfehler unter die Nase gerieben worden wären, wenn nicht der so abgelutschte – von Wortschöpfung und Inhalt – „kollektive Tiefschlaf“ unterstellt worden wäre. Nein, das ist alles klar und die (eherne Reporterfloskel-)Regel, die beliebig durchsichtig völlige Ahnungslosigkeit offen legt. „Ahnung“ könnte ja nur bei Differenzierungen attestiert werden; so sind es eher nur Tonbänder, die ebenso beliebig nach Spielstand und Ausgang einzelner Aktionen aufgelegt werden könnten.
Aber es gibt noch etwas, was dabei auffällt: Es ist an sich eine unzulässige Steigerung. Grammatikalisch gesehen. Falls es steigerbar wäre, müsste es heißen (können): Überhastet, überhasteter am Überhastetsten. Das geht einfach nicht. In der Vorsilbe „über“ steckt hier die Steigerung schon drin. „Hastig“, „überhastig“, „überhastet“, was identisch ist mit „zu hastig“, aber nicht „zu überhastet.“ Das geht einfach nicht.
Nun, wenn dies das einzige Problem wäre, wäre es ja noch harmlos. Man müsste es nennen: journalistische Übertreibung, die sich auch in neuen Kreationen ausdrücken lassen darf, zu Unterhaltungszwecken. Sie sind nicht nur zulässig sondern an sich sogar erwünscht. Dass es nun ins Negative geht, könnte der Mann noch als „Einzelfall“ abtun, wie gesagt, auf die obigen, umgekehrten Übertreibungen verweisen. Beispiel: „Das Wort Sensation braucht eine Steigerung. Wie wäre es mit Sensationst.“ wenn einer vor Begeisterung ausflippt.
Nein. Es ist eine zulässige Form der Übertreibung, die hier lediglich deswegen anzukreiden wäre, weil jede derartige Schöpfung in Richtung Steigerung der Unzulänglichkeit läuft. Und damit nicht nur falsch, blöd, aufgeblasen, ungeeignet, nicht hörenswert, unangemessen wäre, sondern tatsächlich seinem Ziel möglichst viele Zuschauer an die Sendung zu fesseln zuwider läuft (wofür nun wieder der Programmdirektor verantwortlich wäre, darauf zu achten).
Nein, das größere Problem, was er mit seinem beabsichtigten Versuch der Steigerung erreicht, ist jenes, dass er sein Ziel logisch gesehen verfehlt. Man lasse es sich noch einmal auf der Zunge zergehen – weil es einfach so herrlich schlecht ist: „Zu überhastet.“ Man vergleiche es ganz kurz damit, wenn er schlicht gesagt hätte „überhastet“. Hat die Vorsilbe „zu“ nun eine steigernde Wirkung erzielt gegenüber dem „überhastet“, oder sie nicht? Bringen wir es auf den Punkt. Was ist schlechter: „überhastet“ oder „zu überhastet“? Die Behauptung nun: „zu überhastet“ ist weniger schlecht als nur „überhastet“.
Wenn das Empfinden sich nicht unmittelbar einstellt, hier eine logische Untersuchung dessen:
Man nehme an, es gäbe eine Skala, auf der diese Eigenschaft untersucht wird. Da es nicht für jeden Zustand einen passenden Begriff gibt, könnte man alles, was nicht auffällig ist, schlichtweg als „normal“ einstufen. Weder richtig noch falsch, weder gut noch böse. Normal. Nicht zu laut, nicht zu leise, nicht erwähnenswert, normal. Dem Begriff „überhastet“ könnte man hier vielleicht mal das „cool“ gegenüberstellen? Man vergleiche: der eine Stürmer bemüht sich um einen schnellen Abschluss, der andere verzögert, schaut, legt sich den Ball zurecht – und macht ihn rein. „Cool“ der zweite, „überhastet“ der erste? Ja, das ginge, ist vorstellbar. Also gibt es eine Skala von cool — normal — überhastet.
Da hier der Versuch von Abstufungen gemacht wird, gibt es also ein „sehr cool“, ein „obercool“ ein „am coolsten“, ganz oben. Dann gibt es eine ganze Reihe von „normal“, wobei hier begrifflich nichts gut passt. „Sehr normal“ könnte man zwar sagen, wäre dann aber eher, da auf „normal“ bezogen, möglichst genau in der Mitte und nicht am oberen Ende. Nun gut. Auf überhastet bezogen wäre es genauso. Sehr überhastet, etwa weniger überhastet, kaum überhastet. Alle möglichen Abstufungen, messbar gemacht.
Sowie man nun von einem „zu überhastet“ spricht, macht man automatisch das „überhastet“ zum Normalzustand. Sprich: wenn es nur „überhastet“ gewesen wäre, wäre es normal, also nicht falsch oder schlecht. Bemerkenswert war diese Szene nur deshalb, weil dieser Mann „zu überhastet“ war. Der Sprecher hat quasi die Bemessungsskala verschoben und die Begriffe „cool“ und „normal“ gar nicht betrachtet. Für ihn gibt es durch diese Wortschöpfung nur die Skala „überhastet“, auf der er einteilen muss. Dieser war kaum überhastet, also sehr gut. Der nächste war „normal überhastet“, na ja, eben, normal, nicht erwähnenswert. Dieser, der letzte, von dem grad die Rede ist, der hat sich eines erwähnenswerten Vergehens schuldig gemacht, Er war „zu überhastet“.
Wenn man den Abstand von der Normalität, den der Sprecher ja zu vergrößern gedachte, betrachtet, dann hat er diesen verkleinert (sofern die Skala insgesamt immer gleich bliebe). Der Abstand zwischen „ normal überhastet“ und „ zu überhastet“ ist jedenfalls kleiner als jener – auf der Gesamtskala – zwischen „überhastet“ und „normal“. Die versuchte Steigerung der Häme ist misslungen.
Bei „zu ungenau“ ist es das Gleiche. „Ungenau“ genügte, falls man auf eine Fehlleistung hinweisen möchte. Wenn man „zu ungenau“ sagt, legalisiert es quasi das „ungenau“, weil das „zu“ es nur mit „ungenau“ vergleicht und nicht mit „präzise“. Der war gar nicht ungenau, der war ein bisschen ungenau, der war sehr ungenau (na, geht grad noch), der war zu ungenau. Oh, das müssen wir erwähnen. Das normal ungenau würde durchgehen. Es hätte keinen Sinn, es zu sagen.
Natürlich treffen die gemachten Überlegungen auch auf all die anderen Kreationen zu. Dennoch ist es lustig, sie sich weiterhin anzuschauen: „Zu kompliziert“. Ja, es ist immer wieder gleich. Die Hoffnung besteht anscheinend, dass ein Angriff zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt. Man stellt sich das vor, irgendwie, der jetzt zu dem, jetzt schneller, der müsste ankommen, der zeigt sich dort, ja, hin mit dem Ball und drauf und rein. Die Verteidiger sind aber auch noch da und funken dazwischen, erfüllen somit ihre Aufgabe. Der deckt den grad noch frei stehenden, der läuft mit, der attackiert. Der Traum der Kombination wird nicht wahr. So oder so nicht.
Ein Angreifer wartet mit einem Anspiel, weil er die Phantasie zwar auch hätte, dass er den liegenden Ball mit der Hacke über den eigenen Kopf genau in den Lauf des Mitspielers bekommen müsste und dieser ihn per Fallrückzieher in den Dreiangel jagen könnte, aber er weiß auch, dass es ihm jetzt nicht auf Anhieb gelingen würde, wenn überhaupt jemals, geschweige denn die Folgen wären gesichert. Also zögert er, schaut, wo ist der Mitspieler. Und, nicht ungewöhnlich für einen Angriff, er wird so nichts. Er wird kein Tor. Das betrifft weit mehr als 90% aller Angriffe. Es würde also auch im anderen Falle nichts werden. Der Klugscheißer meldet sich zu Wort: „Zu kompliziert.“
Ja, man könnte den Sprecher zwar immer fragen, was jetzt die richtige Aktion wäre und wie der Angriff exakt weiterzugehen hätte, damit er zufrieden damit wäre. Er würde auch antworten, bitte schön, sicher, ja. „Da links stand der doch völlig frei..:“ oder so. Nur wenn es geschehen würde — wäre eh die Abwehr wieder schuld und müsste mit seinen gesteigerten Bemühungen rechnen, indem sie beispielsweise „zu unkonzentriert“ war in der Situation. Nun ja, es geht eben nicht. Sicher ist aber auch: mit dieser versuchten Steigerung hat er im negativen Sinn nichts rausgeholt.
„zu zentral“ zeigt es auch noch etwas besser auf. Man bekommt also einen Ball aufs Tor, was sicher laut Trainern das Traumziel eines jeden Angriffs sein müsste. Denn a) kann der Ball wohl kaum reingehen, wenn er nicht aufs Tor kommt, b) enden nur wenige Angriffe mit einem Schuss aufs Tor, laut alter Fußballschule begnügt man sich eigentlich schon mit einem Abschluss, selbst wenn er daneben geht, und c) wird er vielleicht irgendwann reingehen, wenn man es oft genug probiert. Aber „zu zentral“ zur Schwäche zu erklären, ist schlichtweg Unsinn. „Zentral, zentraler, am zentralsten.“ Nein, der Abschluss war aufs Tor, ein primäres Ziel erreicht. Zum Einschlagen bedarf es mehr als das. Das ist keine Frage. Weil selbst platzierte Schüsse oft genug pariert werden. Nur hieße es dann „die mangelnde Chancenverwertung“ war schuld. Einfach nur so, anstatt den gelungenen, guten Abschluss zu loben. Wenn er einschlägt, weiß man ja, was man zu hören bekommt. Und in letzter Zeit soll der Jabolani Ball verantwortlich sein, wenn der Keeper mal einen durchschlüpfen lässt… vermutlich nach dem Modell Bahnschranke gefallen…
Ebenso gut kann man es aufzeigen bei „zu halbherzig“. Weil man eigentlich im Vergleich zu „zu zentral“ zum Beispiel hier bereits einen Wertmaßstab, eine Wertzahl einführt. Mit dem halben Herzen. Weniger als das halbe Herz wäre zum Beispiel dreiachtelherzig. Na, weil es grad so lustig ist: „sechsundzwanzigdreiundfünfzigstelherzig“. Wie wäre es damit? Das liegt sehr, sehr knapp unter „halbherzig“, könnte aber vielleicht schon „zu halbherzig“ sein? Oder wo fängt es an? Bei „zweisiebtelherzig“ vielleicht? Es geht nicht. Und es erzielt keinen Steigerungseffekt. Verpuffte Häme könnte man es nennen. Die Wortschöpfung war deutlich zu unüberlegtund wenn man dies genau bedenkt, dann wird der Mann damit in Schutz genommen. Wenn auch nur minimal und insofern versehentlich….
Auch das häufig gehörte „zu harmlos“ zeigt die Sinnlosigkeit dieses Konstruktes herrlich auf. Denn wenn man nur „harmlos“ sagte, wäre ja zumindest eines garantiert: Die Angriffe wurden kein Tor, wenn mal eines, dann durch Zufall und außerdem garantiert weniger als der Gegner (gut, logisch, bei klares Favoriten kann es passieren, dass es auch bei gleich vielen Toren gesagt wird). Der Angriff ist harmlos, der Sturm ist harmlos. So negativ es ist, wenn es zufällig wirklich mal stimmen sollte, dann würde es auf jeden Fall dem Sachverhalt gerecht werden. Das „zu harmlos“ erhebt das „harmlos“ zum Standard und erzielt somit keine Steigerung.
Sehr häufig wird in letzter Zeit gesagt, dass sich die Mannschaft oder auch ein einzelner Spieler im Zweikampf „zu passiv“ verhalte. Natürlich gilt hier das gleiche wie bei jedem anderen „zu“-Konstrukt: Die Steigerung ergibt keinen Sinn, sondern schwächt es eher ab. Über das „zu passiv“ könnte man nur insoweit philosophieren, dass es immer dann verwendet wird, wenn ein Angriff entweder tatsächlich zu einem Tor führt oder zumindest höchste Gefahr bringt (wo dann bei wiederholtem Scheitern der Angriff als „zu harmlos“ tituliert wird, klar, somit also schlichtweg, wie üblich, beide Mannschaften schlecht sind, und zwar viiieeeel zuuuuuuuu schlecht). Jedoch müsste man doch zumindest bei einem Bundesligaspiel, wo der Kommentator an sich neutral zu sein hätte (was er in dem Sinne eh nicht ist, da ihm auf beiden Seiten immer nur die katastrophalen Fehlleistungen ins Auge fallen) und er an sich über einen gelungenen Angriff mit einer Toraktion erfreut sein sollte, zugleich er diese Freude dem Zuschauer/-hörer zu vermitteln hätte. Man besinne sich ruhig ab und an auf Sepp Herberger, dass man immer so gut spielt, wie es der Gegner zulässt, was auch auf einen einzelnen Zweikampf zutrifft. Wenn der Angreifer im Einzelfall mal die besseren Mittel hat und seinem Gegenspieler tatsächlich mit einer Finte entwischt, die Flanke in den Strafraum bekommt oder gar den Ball Richtung Tor abfeuert, dann sollte man es a) dankend hinnehmen und b) sich an der besseren Replik des Stürmers erfreuen. Denn leugnen sollte man nicht, dass fast immer die Abwehrspieler über die besseren Mittel aufgrund des Verhinderungsbedürfnisses verfügen.
„zu einfach“ ist zwar wirklich nicht in die Kategorie einzuordnen, da es sowohl eine Steigerung — einfach, einfacher, am einfachsten – gibt, als auch tatsächlich das Phänomen. Manchmal geht etwas eben „zu einfach“. Da macht es keinen Spaß mehr. Man hat ein Rätsel vor sich, hat sich die beliebte Tasse Kaffee (nein, Tee, Tee muss es ein!) dazu bereitet und freut sich auf die beliebte Ruhestunde „nur für sich“. Wenn nun das Rätsel in fünf Minuten ausgerätselt ist, sitzt man da mit seiner siebenachtelvollen Tasse Tee. Hmm. Schön, dass ich es raus habe. Ich bin wohl ein Genie. Aber blöd, dass es jetzt nichts mehr zu rätseln gibt. Vielleicht nehme ich mir morgen eines mit höherem Schwierigkeitsgrad? Das war „zu einfach“. Genau.
Auf Fußball und die Berichterstattung übertragen ist es in diesem Kapitel nur erwähnt, weil das „zu einfach“ genau immer dann eingesetzt wird, wenn eines der anderen Attribute mal nicht verwendbar ist. Wenn also der Traum vom gelungenen Torschuss realisiert wurde, und weder zu kompliziert noch zu überhastet noch zu ungenau noch zu unkonzentriert und auch nicht „zu passiv“, (an sich ein Ding der Unmöglichkeit, aber)…, dann war es eben — „zu einfach“, da der Gegner gar keinen Widerstand leistet. Also falls der Mann Augen hat – woran es kleinere Zweifel gibt –, dann ahnt man, was er damit sehen kann. Schwarz und Weiß. Mehr gibt es nicht. Bedauerlich. Höchst bedauerlich. Bedauerlichst. Nur: Warum muss er ausgerechnet Fußballspiele kommentieren? Da gibt es doch unter anderem einen grünen Rasen und einen runden Ball?