Diese Frage wird mir seit dem Beginn meiner Karriere immer wieder gestellt. Es drängt sich sozusagen auf, darauf mal ein paar allgemeingültige Beobachtungen und Überlegungen zu schildern. Es ist aus meiner Sicht keineswegs von Dauer, wie es im Moment gehandhabt wird. Es gibt viele Gesetzeslücken, die irgendwann mal grundsätzlich angegangen werden müssten. Es ist denkbar, dass Sie meine Position zu dem Thema überrascht. Das nehme ich gerne in Kauf. Ich habe auch nicht die Absicht, mich hier irgendwie „reinzuwaschen“. Es ist ein allgemeines Empfinden, dass das Unverständnis, auch auf Seiten der Judikative, zu groß ist, um einwandfreien Umgang damit zu gewährleisten. Ich schildere unterwegs gerne ein paar Beispiele, was so alles in der Praxis passiert ist.
Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass es einen Beruf wie „Wettprofi“, „Spieler“ oder Vergleichbares einfach nicht gibt. Es gibt aber definitiv Menschen, die ihren Lebensunterhalt davon bestreiten. Diese befinden sich demnach quasi in einer rechtsfreien Zone. Es ist ein hin- und herlavieren, wie man sich bemüht, staatlicherseits nicht belangt zu werden, nicht einmal belangt werden zu können. Der Staat seinerseits verlagert das Problem selber auch, indem er einfach bei manchen Spielen von „illegalem Glücksspiel“ spricht, ohne die Spiele im Einzelnen untersucht zu haben, inwieweit diese Spiele fairen Chancen für beide Seiten oder auch ausreichend Geschicklichkeitsanteil zu bieten haben. Skat gilt nicht als Glücksspiel, was kurios ist, da es einen eher höheren Glücksanteil hat als Backgammon oder Pokern.
Eines meiner ersten persönlichen Erlebnisse war das folgende: im Jahre 1984 war ein kleiner Backgammon boom in Deutschland (auch in Europa dann) ausgebrochen. Es gab ein paar Turniere hintereinander, es gab einen Backgammonkalender, es gab eine richtige Organisation, mit Reiseveranstaltung etc. Eines der sehr frühen Turniere sollte damals in Bad Wiessee/Bayern direkt am Tegernsee stattfinden. Ich und auch etliche andere Spielwütige fuhren voller Vorfreude da hin. Als wir aber dort ankamen und das Turnier starten sollte, stand plötzlich die Polizei vor der Tür: das Turnier wurde, samt Preisfonds, kurzerhand gecancelled. „Verbotenes Glücksspiel“ hieß es damals (wie im Kapitel „Goldene Würfel“ nachzulesen war auch das erste Turnier in Hamburg ohne Geldpreise). Wir mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren (ok, es hat sich hier oder da eine kleine Privatpartie ergeben).
Die Enttäuschung war natürlich groß. Unser Hauptbeschwerdepunkt war der, dass für uns alle Backgammon eindeutig ein Geschicklichkeitsspiel war. Es gab einen einigermaßen vertretbar hohen Anteil an Glück, der machte es spannend und eher, im Vergleich zum Schach, noch attraktiver. Aber vor allem verglichen wir es mit dem Skat. Dort ist, für uns Backgammonspieler, der Glücksanteil eindeutig höher und noch dazu hat die Teilnahme eines dritten Spielers teilweise verheerende Folgen (Schiebung?). Das entfällt beim Backgammon.
Wir hatten in der Spielergemeinschaft einen Staatsanwalt. Dieser war genau wie alle anderen der gleichen Überzeugung. Wir planten dann, das Verbot zu ignorieren und trotzdem erkennbar um Geld zu spielen, damit die Sache vor Gericht kommt . Dort hätte man dann eindeutig beweisen können, dass es sich nicht um ein Glücksspiel handelt. Die Beweisführung hatten wir uns auch schon zurechtgelegt.
Dieser Sache sind wir zwar nicht nachgegangen, aber dennoch wurde es eine Weile später stillschweigend toleriert. Ich glaube, es hing damals damit zusammen, dass es einen Backgammon Verband gab, wo man stillschweigend beigetreten ist. Da galten dann wieder andere Gesetze.
Ein anderer Freund von mir, auch Profispieler, wurde einmal von einem übereifrigen Zollbeamten an der spanischen Grenze untersucht. Er war auf der Rückfahrt von Marbella und hatte dort einen stattlichen Betrag gewonnen. Der Mann vom Zoll entdeckte größere Bargeldbeträge, die mein Bekannter als Turniergewinn auszuweisen versuchte. Der Beamte gab nicht nach und erklärte die Geschichte ins Reich der Fabel. 8000 DM wurden abkassiert. Nun, es war wirklich nicht üblich damals, dass man bei höheren Gewinnen eine „Herkunftsbescheinigung“ bekam. Man kassierte das Geld und das musste genügen. Immerhin kam mein Freund dadurch zu einer (wenn auch traurigen und zugleich geringen) Berühmtheit: die Story wurde von der „Bunten“ aufgegriffen und veröffentlicht. Ob er sein Geld je zurückbekam ist mir nicht bekannt.
Eine erst viele Jahre später lustig zu empfindende Geschichte ist mir einmal passiert: ich war mal wieder auf Dauerreisen. Meine Schachleidenschaft war zwar längst nicht mehr so ausgeprägt, dennoch hatte ich mir das Spiel über die Jahre hinweg „erhalten“. Ich hatte so viel investiert, dass es schade gewesen wäre, gänzlich darauf zu verzichten. Allerdings löst das Schach spielen selber bei mir auch bis heute zwiespältige Gefühle aus. Einerseits bricht der Ehrgeiz immer aus und ich tauche ein in eine andere Welt, andererseits verachte ich es auch so sehr und belächle die Leute, die sich so tief reinknien, weil es letztlich eine brotlose Kunst bleibt. Ich hatte aber in diesem Frühjahr 1983 mal wieder die Chance genutzt, beim Schachfestival in Lugano mitzumachen. Dort ist es einfach traumhaft schön, dazu noch in der frühlingshaften Südschweiz in den Bergen wandern zu gehen mit der traumhaften Sicht auf die Seen. Das Schach spielt man dann nach Möglichkeit „nur nebenbei“, was mir doch immer recht schwer fiel.
Das Turnier war zu Ende, mein Freund Roland Ekström war auch dabei und er hatte noch eine Idee für uns: in Gstaad wäre ein Backgammonturnier, was in ein paar Tagen anfangen würde. Nun gut, meine Reisekasse war offensichtlich noch ausreichend gefüllt, anscheinend gab es auch niemand, der in Berlin (oder anderswo) auf mich wartete. Ich sagte spontan zu. Roland hatte eine andere Anreiseform gewählt, ich fuhr mit dem Zug. Auch diese Fahrt habe ich in höchst angenehmer Erinnerung. Vor allem die letzte Passage, als mich eine winzige Bimmelbahn den Berg hinaufbrachte.
In Gstaad war die Stimmung noch durchaus winterlich. Es lag jede Menge Schnee und das Skigebiet wurde entsprechend genutzt, obwohl im Dorf selber bei schönstem Sonnenschein schon eine Art von Tauwetter und Frühlingsstimmung auszumachen war. Wir meldeten uns gemeinsam zum Turnier an und teilten für die 4 Tage das Hotelzimmer in einer schönen, aber nicht absolut Topexklusiven (Budget bedingt) Unterkunft. Ebenso war Teilung für sämtliche Einnahmen vereinbart. Am Donnerstagabend begann das warm-up. Ich folg früh raus aber Roland kämpfte sich durch, sogar bis ins Finale. Der 1.Preis waren 2000 DM, aber das Finale musste verschoben werden.
Am Freitag dann Turnierbeginn. Ich hatte von Anfang an einen Lauf. Roland flog schon relativ früh aus allen möglichen Events raus; es gibt, je nach Teilnehmerzahl für die Verlierer im Main ein oder zwei Consollations und manchmal noch eine Last Chance. Als ich im Halbfinale auch noch den sehr starken Ami Ed O´Laughlin besiegte, spürte ich allmählich, dass ich auf dem Weg zu einem besonderen Erfolg war. Im Finale stand nur noch die Deutsche Backgammon Legende Ulli Koch im Wege. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt nicht nur gewachsen sondern eigentlich schon überlegen.
Das Finale wurde auch eine recht einseitige Angelegenheit. Ich lag immer vorne und hatte kaum kritische Momente zu überstehen. Der 1.Preis und der Pokal waren mir sicher. Roland gewann auch noch das Finale im warm-up, welches parallel ausgetragen wurde, so dass wir uns am Ende 10000 DM teilen durften. Ich hatte schon lange vorher beschlossen, dass ich mir bei Turniersieg endlich einen vernünftigen Koffer leisten würde. Dieser Plan wurde umgesetzt. Wir hatten noch einen kurzen Aufenthalt in Zürich anschließend, Rolands Heimat damals und ich begab mich zum nächsten Wochenende hin wieder Richtung Heimat. Es stand am kommenden Wochenende ein Schach Bundesligaspieltag auf dem Programm.
Ich schlenderte also noch die letzte Stunde vor Zugabfahrt durch die Zürcher Innenstadt und entdeckte plötzlich im Schaufenster einen wunderschönen cremefarbenen Leinenanzug. Er schien mir auch für 400 Sfr recht günstig, also griff ich zu.
Nur wenige Stunden später musste ich das bereuen. Nämlich genau bei der Ausfahrt aus der Schweiz, als mich die Zollbeamten nach der Herkunft des guten Stückes befragten. Ich antwortete, ordnugsgemäß und wahrheitsgetreu, dass ich mir diesen in Zürich vor der Abfahrt käuflich erworben hätte. Bis heute kann ich die Gesetzeslage nicht ganz nachvollziehen, als mir die Beamten noch weitere 400 Sfr abknöpften, denn als „Schmuggler“ kann ich mich noch immer nicht fühlen. Auch, dass ich die Schweiz oder Deutschland geschädigt haben soll, will mir einfach nicht eingehen. Zumal ich dann noch in meiner naiven Phantasie überlegte, was eigentlich gewesen wäre, wenn ich den Anzug kurzerhand angezogen gehabt hätte? Oder gar geleugnet, dass ich ihn gerade jetzt erworben habe? Und was war eigentlich mit dem Nachbarn im Zugabteil? Ich hatte den Eindruck, dass seine Schuhe maximal erst 3 Gehkilometer hinter sich hatten. Warum wurde der eigentlich nicht belangt?
Eigentlich wollte ich über die Rechtslage reden. Hier erwähne ich jetzt noch einmal, dass das ganze Kuddelmuddel, inklusive der unklaren Rechtslage durch die Geldspiele im Internet, einfach nur eine dicke fette Grauzone ist. Man soll es nicht tun, das ist das Verdikt. Es wird aber getan. Und es ist auch nicht aufzuhalten. Es ist eine Form der Unterhaltung. Und es gibt ein paar gute bis sehr gute Spieler, in allen Bereichen, deren Fähigkeiten ausreichen, um sich langfristig davon zu ernähren. Egal, wie die Gesetze umgeschrieben werden, das wird garantiert so bleiben. Wenn man diese Menschen dazu zwingt, es hinter vorgehaltener Hand zu tun, dann tut man es eben so.
Mein Vorschlag allerdings wäre ein ganz anderer und ein viel einfacherer: es gibt einen neuen Beruf. Dieser Beruf heißt Profispieler. Die Gesetzesgeber erkennen an, dass es diese Möglichkeit gibt, durch rein spielerische Fähigkeiten sich anderen Spielern als überlegen zu erweisen – gleichgültig dabei, ob in einem so genannten „Glücksspiel“ wie Backgammon oder Pokern, einem Casinospiel wie Black Jack oder gar Roulette, auch Toto oder der Börse – und sich davon langfristig zu ernähren.
Die Konsequenzen sind dabei folgende: diese Spieler werden einerseits ganz normal am Steuersystem beteiligt. Ich sehe darin prinzipiell gar kein Problem. Ich nutze genauso alle staatlich subventionierten Einrichtungen, das Verkehrssystem oder genieße Kunstwerke, stelle Anträge oder baue auf den Schutz durch die Polizei. Ich fühle durchaus eine Verpflichtung, mich auch an der Finanzierung dieses komplexen Systems zu beteiligen. Das würde ich dann tun, sowie mir der Status, den ich auch einnehme, zugesprochen wird.
Im Gegenzug aber träume ich davon, endlich aus dem Halbschatten heraustreten zu können. Niemand mehr, der mich für Taschendieb oder Betrüger hält, keiner mehr, der denkt, dass ich nur spinne, kein Autohaus, was mir das Auto nur gegen Bargeld überlässt, keine Bank, die mir die Konten sperrt, weil sie mich zum Drogendealer oder Auftragsmörder erklärt, wegen hoher Geldeingänge. Eher im Gegenteil: eine gepflegte Konversation, bei der alle ihre Berufsbilder bekannt geben und, wie gewohnt, bei allen Anwälten und Ärzten alle Beteiligten den Hut ziehen, aber plötzlich auch bei mir sagen: „Wow, du bist Profispieler? Ja, davon habe ich auch mal geträumt. Alle Achtung!“