Es lohnt sich wirklich darüber nachzudenken. Ich hoffe, Sie können das bald bestätigen. Welches Spiel spielen Sie heute, haben Sie früher gespielt? Welches spielen Sie bis heute um Geld? Jedes Spiel hat seine Elemente, fast alle bilden eine Kombination aus Glück und Geschick. Ich möchte ein bisschen die Anteile von Glück und Pech untersuchen und auch das Potential zum Geld umsetzen. Denn auch das ist ein wichtiger Faktor. Also gut, dann hinein:
- Schach:
Über das Schachspiel ist an anderer Stelle ausreichend gesprochen worden. Die Eignung des Schachs als Geldspiel ist äußerst gering. Trotz der von mir erwähnten Glückselemente im Schach, welche von Schachspielern, besser gesagt den jeweiligen Gewinnern, zwar vehement bestritten werden (typischer Schachspielersatz nach einer gewonnenen Partie: „das hatte ich alles gesehen und so geplant“, was natürlich nicht stimmt), lässt sich dennoch der Sieger mit einer ausreichend großen Zuverlässigkeit vorhersagen, was den designierten Verlierern das Spielen und teilnehmen, vor allem das Spielen aber um höhere Einsätze, vollständig verleidet. Deshalb ist es in dieser Form der Hierarchie, auch als das „königliche Spiel“ und insofern unrechtmäßig, an unterster Stelle einzuordnen.
b) Skat:
Skat habe ich selber nur eine kurze Zeit studiert und ein paar Turniere gespielt. Der Glücksfaktor ist bei diesem Spiel ziemlich hoch. Dabei würde mich der Glücksfaktor selber nicht so sehr stören, wenn er nicht sehr wesentlich von den Spielzügen des dritten Mannes abhängen würde.
Wenn man selber ein Spiel spielt, hat man sozusagen „die Trümpfe in der Hand“. Wenn die Gegner noch dazu Fehler machen, umso besser. Aber wenn man mit einem Mitspieler ein Spiel umbiegen muss und dieser nicht die richtigen Karten spielt? Ist das Pech oder was? Und der entscheidende Punkt, bei der Überlegung das Spiel um Geld zu spielen kommt erst noch: Bei drei Mann am Tisch kann es immer passieren, dass zwei zusammen spielen. Und das geschieht auch tatsächlich oft genug. Dadurch ist das Spiel „verdorben“. Jeder weiß, dass es ihm passieren kann, dass er „in die Mitte“ genommen wird, also wird schon von Hause aus nur um kleinere Beträge gespielt.
c) Das Backgammon
Als ich das Backgammon Spiel entdeckte, hatte ich sofort das Gefühl, im früheren Leben schon mal Backgammonprofi gewesen zu sein. Alles schien mir so vertraut, so selbstverständlich. Die Züge, die Strategien, die Logik und auch die Mathematik. Aber auch die Schönheit und Ästhetik. Ich habe das Spiel also studiert und dann sehr bald die ersten Turniere gespielt. Und auch um Geld gespielt, man nennt das „moneygame“.
Der große Unterschied zum Schach: Man konnte plötzlich um hohes Geld spielen, viel höher als beim Schach. 20 DM pro Punkt waren nicht ungewöhnlich. Oder bei Turnieren die Startgelder 100, 200 DM, später bei der Weltmeisterschaft 1000 DM oder mehr. Das war ein anderes Flair.
Aber warum waren die Spieler bereit, bei diesem Spiel solche hohen Beträge zu riskieren? Die Antwort liegt auf der Hand: Es ist ein Glücksspiel. Das Würfelglück kann jedem hold sein, Fortuna jedem zulächeln. Und jeder hat es bei diesem Spiel schon erlebt, dass eine total gewonnene oder auch eine hoffnungslos verlorene Position in einem Wurf gedreht wurde (in einem meiner ersten Bücher stand der Satz: „Backgammon – the cruelest game“ Backgammon, das grausamste Spiel. Damit war wohl dieser Umstand gemeint).
Also mit ein bisschen Glück kann doch hier jeder gewinnen. Ja, so ist es auch. Aber es gibt einen Geschicklichkeitsfaktor, ganz offensichtlich und unbestritten. Nur gehen die Auswirkungen der guten Züge oft genug verloren. Sprich: Man macht den richtigen oder die richtigen Züge und verliert. Eben grausam. Aber dankbar muss der Profispieler dafür sein, denn, im Gegensatz zum Schach, gewinnt nicht so oft und mit der gleichen Sicherheit und Zuverlässigkeit der Bessere. Also bleibt der Schwächere dabei und sagt sich vielleicht: „Heute ist mein Glückstag, ich werde gewinnen.“ Aber ein ganz wichtiger Aspekt ist auch hier die Eitelkeit: Der Schwächere schreibt seine Verluste oft nur dem Pech zu. Er sieht auch tatsächlich, dass der Gegner hier und da eine Partie nur durch Glück gewinnt. Später denkt er nicht über seine Fehler nach, sondern über die unglücklich verlorenen Partien.
Dennoch gibt es auch da irgendwann Einschränkungen.
Es vergeht einige Zeit. Die Profis, die Besseren, gewinnen und leben gut. Die Verlierer merken irgendwann, dass ihre Geldbörsen schlanker werden. Dann kommt auch noch das ungnädige Computerzeitalter. Mit diesem die Backgammonprogramme. Die guten Backgammon Programme sind wie die heutigen Schachprogramme: Der Mensch hat keine Chance mehr. Das Programm deckt die Fehler auf, rechnet sie in „equity“ und in „error rates“ um. Der Verlierer verliert die Möglichkeit, seine Verluste auf das Pech zu schieben. Der Computer hat die Partien analysiert, die Fehler liegen offen.
Irgendwann dann die unerfreuliche Folge: Das Spiel verliert seinen Reiz. Es gleicht sich in diesem Sinne dem Schachspiel an: Selbst wenn Glück oder Pech vorhanden, am Ende gewinnt der Bessere, auch wenn das Ende in weiterer Ferne liegt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Backgammon bleibt ein tolles und reizvolles Spiel. Es wird weiterhin um Geld gespielt. Man kann es auch im Internet spielen, das Spiel „läuft“. Nur läuft es doch allmählich etwas schlechter, der ganz große Boom ist vorbei, und das ist einem anderen Spiel zuzuschreiben, dem
d) Pokern
Ja, das ist nun das neuzeitliche Spiel. Obwohl es natürlich auch schon eine längere Geschichte hat. Das Pokern „boomt“ gerade jetzt wirklich. Es wird beinahe täglich im Fernsehen etwas über Pokern gezeigt. Es scheint sogar die Zuschauer zu faszinieren. Die Faszination liegt sicher zum Teil an der Größe der Beträge, die dort über den Tisch wandern. Aber sicher auch, weil der Zuschauer die Spannung miterleben kann. Durch die Kameras sogar meist mehr weiß als der Spieler. Der Spieler sitzt am Tisch und schwitzt um einen riesigen Geldbetrag. Der Zuschauer weiß schon, was er tun müsste, ob er gewinnen kann oder verlieren wird. Fold, call oder raise?
Wie kam der Pokerboom zustande? Das Pokern ist einfach das ultimative Spiel. Es ist die ideale Kombination von Glücksspiel und Fähigkeiten. Die hohen Beträge kommen nur dadurch zustande, dass so viele Leute spielen. Und dass so Viele spielen liegt daran, dass man, wie beim Backgammon, ganz einfach auch Glück haben kann. Der entscheidende Unterschied zum Backgammon ist der: Die Fehler sind obskur, verdeckt.
Wenn man zum Beispiel ein schlechtes call macht am Schluss mit einer verlorenen Hand (das call ist, wie früher auch so genannt, „zum Sehen“), der Gegner zeigt also seine Karten, man hat verloren. Gut. Aber man muss die Karten nicht mehr zeigen. Wie groß oder schrecklich der Fehler war, wird nie ein Computer errechnen können. Der Fehler bleibt ein für alle Mal verdeckt. Wenn man ein dummes raise macht, der andere bezahlt und gewinnt anschließend, ist es fast das Gleiche: Man zeigt selber die Karten, man hat mit einer schlechten Hand verloren. Aber man sagt (sich oder laut): „Ja, ich wollte mal einen Blöff versuchen. Ich dachte, du glaubst mir, dass ich die gute Hand habe. Es war ein Versuch.“ Beim nächsten Mal gelingt er vielleicht auch tatsächlich. Der Gegenspieler passt. Dann kann man die Karten zeigen, also den Blöff aufdecken, um die Gegner zu narren oder zu ärgern, oder man gibt die Karten verdeckt zurück. Keiner wird es je erfahren.
Das Pokern hat sich nicht durch Zufall durchgesetzt. Es ist das beste Spiel für hohe Geldumsätze Jeder hat Rechtfertigung für seine Züge. Und Fehler sind praktisch nie nachzuweisen, weil immer das Element bleibt: „Ich dachte…“ Und keiner kann widersprechen. Man dachte halt, hat diesmal falsch gedacht, aber nächstes Mal vielleicht richtig.
Der wichtigste Aspekt dabei ist, dass niemand sich blamieren möchte, dumm da stehen möchte. Wenn jemand beim Schach einen dummen Zug macht, einen Anfängerfehler, können die Zuschauer, alle können es sehen. Schau mal, diese Stellung und er macht so einen Zug, so einen groben Bock. Und das soll ein Großmeister sein? Beim Backgammon werden die Fehler mittlerweile auch entlarvt: Der Computer sagt, der Zug ist falsch, man verschenkt so und so viel equity. Es ist auch nicht mehr obskur.
Beim Pokern kann es nie nachgewiesen werden. Der langfristige Verlierer, der schlechtere Spieler wird beschützt bei seinen Fehlern. Dabei nehme ich ausdrücklich die live-TV Übertragungen aus. Die beruhen ja gerade darauf, dass der Zuschauer alles sehen kann und teilweise auch die Fehler entlarvt werden. Aber das muss man eher als Werbung fürs Pokern bezeichnen. Die Spieler, meist sind es die Top-Spieler der Welt, wollen zwar durchaus die guten und richtigen Züge machen und als „stark“ anerkannt werden, aber ein Fehler wirft sie nicht um. Der Werbeeffekt spielt die wichtigere Rolle. Außerdem bleibt ein Effekt im Bezug auf Fehler erhalten, auch wenn der Zuschauer (und damit im Prinzip jeder) die Karten sehen kann. Das ist der Effekt, dass man zwar mit einer verlorenen Hand bezahlt, gar geraised hat, jeder sieht, dass man nicht gewinnen kann, aber man kann auch dann noch sagen: „Ich dachte…“ oder „ich habe geglaubt, du hast nicht…“.
Jeder Zug kann zum gegebenen Zeitpunkt sogar richtig sein. Das hat mich zu der Überlegung geführt, beim Pokern einen Zug zu suchen, der garantiert und nachweislich falsch ist. Und das ist nicht mal ganz einfach. Hier die Überlegung:
Wenn man sich folgende Situation vorstellt: Man hat die kleinstmögliche Hand, der Gegner spielt an, also man muss den Betrag bezahlen, „callen“ oder „folden“. Ist dann „fold“ richtig, immer? Nein, denn der Gegner könnte ja die gleiche Hand haben, das ist zumindest möglich.
Es gibt zwei Situationen, wo ein Zug garantiert falsch ist: Die erste ist die, wenn man als Letzter dran ist und die „nuts“ hat, die bestmöglich Hand. Wenn man jetzt nicht spielt, also keinen Betrag wettet, einsetzt, engl. „bet“ macht, dann hat man sicher etwas verschenkt. Denn der/die Gegner kann/können jetzt drei Dinge machen: „Call“, „Fold“ oder gar „Raise“. Bei „Fold“ gewinnen der Spieler mit der nuts genauso viel wie wenn er gar nicht spielt. Aber bei „Call“ oder „Raise“ gewinnt er mehr. Also ist es garantiert besser, zu spielen. Wie viel man spielen muss, ist hingegen völlig unklar. Wenn man, nur um eine Zahl zu nennen, 100 Euro spielt und keiner bezahlt, dann war 100 vielleicht die falsche Zahl. Vielleicht wären 50 Euro noch bezahlt worden, von einem oder gar mehreren, das weiß man nicht. Möglich ist sogar, dass noch mehr auch bezahlt worden wäre, weil einer sich denkt: „Wenn er so viel spielt, dann muss es ein Blöff sein. Wenn er wirklich die Gewinnerhand hätte, würde er bestimmt weniger spielen. Also calle ich.“
Der zweite offensichtliche Fehler wäre es, wenn Sie mit der „nuts“, der bestmöglichen Hand, selber „folden“, wenn der Gegner anspielt. Selbst wenn Teilung des Pots theoretisch möglich ist, „Fold“ ist falsch, unter allen Umständen. Ansonsten kann jeder Zug in einer bestimmten Situation richtig sein. Es bleibt dabei, „ich dachte…“.
Jetzt wird es aber wirklich mal wieder lustig zwischendurch:
Ich trug diese Überlegungen einem anderen Profispieler vor. Ich war überzeugt davon, dass ich die zwei Situationen gefunden hatte, wo man tatsächlich einen Fehler nachweisen kann, jetzt und immerdar. Er muss mir einfach Recht geben. Und was tat er? Er widersprach. Na klar. Und das Argument war absolut richtig und einleuchtend: Einen ganz groben und offensichtlichen Fehler zu machen, kann einem in der Zukunft helfen.
Man macht also absichtlich eine richtige, erkennbare Dummheit, egal welche Art von offensichtlichem Fehler. Das macht man zum Beispiel, wenn man an einen neuen, fremden Tisch kommt, wo man die Mitspieler allesamt nicht kennt. Das ist wirklich nichts Ungewöhnliches. Damit erzeugt man ein image. Dieses image lautet: Freier, Anfänger, der Mann kann nichts.
Das alleine würde diesen Fehler noch nicht rechtfertigen. Es ist die folgende Überlegung, die das erreicht: Die Menschen machen sich oft recht schnell ein Bild von einem Menschen. Das geschieht nicht nur beim Pokern sondern auch im richtigen Leben. Diese erste und schnelle Einschätzung hält man so lange es geht aufrecht. Man ist nicht bereit, diese zu korrigieren. Wenn Sie also in der Folgezeit fehlerlos spielen, würden trotzdem viele, welche die Dummheit gesehen haben, ihr Urteil beibehalten. „Der Mann ist schwach, er kann nix. Weißt du, was der mal gemacht hat? …“
Man kann es beim Pokern sogar noch anders ausdrücken: Es gibt berechenbare Wahrscheinlichkeiten. Mit welcher Wahrscheinlichkeit mache ich eine Strasse, eine Farbe, ein Fullhouse oder einen Dreier (ich spreche übrigens in der Regel von der populärsten Pokervariante, dem Texas Hold´em). Das ist identisch zum Backgammon. Der Unterschied kommt jetzt: Es gibt jede Menge Eventualwahrscheinlichkeiten. Das sind die folgenden: Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Gegner blöfft? Wie wahrscheinlich ist es, dass er tatsächlich die Hand hat? Wie wahrscheinlich ist es, dass, wenn er die Hand hat, er auch seine Karten trifft?
Und letztendlich: Wie wahrscheinlich ist es, dass er diese bzw. jene Hand hat? Sehr gute Spieler „setzen“ den Gegner auf eine Hand. Sie schließen das aus dem Gesamtcharakterbild. Dann kommt die Spielabfolge bei einem bestimmten Pott dazu. Hat er ein frühes raise gemacht? Wenn ja, in welcher Position befand er sich? Hat er nach dem Flop wieder gespielt? Wenn ja, wie viel, wenn nein, hat er gecalled als ein anderer gespielt hat?
Die Wahrscheinlichkeiten sind nicht zu berechnen. Das ist unmöglich. Man kann spekulieren, mutmaßen und die Wahrscheinlichkeiten für die Verbesserung der eigenen Hand kennen und mit einbeziehen. Aber über die gegnerischen Züge bleibes es immer bei Mutmaßungen.
Alle diese Informationen zusammen ergeben dennoch: Man kann durch Verbesserung der Spielstärke die Wahrscheinlichkeiten steigern, die Hände richtig zu lesen, den/die Gegenspieler korrekt einzuschätzen. In der Folge trifft man natürlich bessere Entscheidungen, selbst wenn man sich hier und da auch mal irrt.
Pokern steht in meiner Hierarchie der Spiele ganz oben. Das Spiel ist für lange Zeit perfekt geeignet, dass es um (hohes) Geld gespielt wird. Der Boom ist noch lange nicht zu Ende. Selbst wenn die Anzahl der aktiven Spieler nicht mehr anwachsen würde, so würde sie doch für längere Zeit zumindest konstant bleiben. Und sehr hoch ist sie schon.