Der Fußball ist weltweit die Nummer 1 unter den Sportarten. Das hat sicher ein paar Ursachen, definitiv aber auch Konsequenzen. Was diese im Einzelnen ausmacht und warum es sich lohnt, sich darüber Gedanken zu machen, möge hier kurz erläutert sein als prinzipielle Vorüberlegung.
Die Größe hat der Fußball dem einen, sicher entscheidenden Kriterium zu verdanken: dass er so einfach ist. Zwei Menschen (man kann sogar ganz alleine, an der Hauswand!), ein Ball, ein Untergrund, bevorzugt die Wiese, und los. Der Ball ist als Spielgerät schon faszinierend für Kinder, die noch nicht einmal das Wort aussprechen können. Was liegt näher, als gegen ihn zu treten? Warum Fußball attraktiver ist als Handball hat auch einen einfachen Grund, nur so nebenbei: Mit dem Fuß ist die Kontrolle erschwert. Wenn man ihn in die Hand nimmt, ist er eigentlich kaum zu erobern. Da mussten Sonderregeln her(auftippen, nicht erneut aufnehmen, die Sekunden, die man ihn halten darf etc.), weil diese Kontrolle zu einfach ist. Beim Fußball stellt sich diese Frage nicht: Er kann jederzeit vom Fuß prallen und von einem anderen Spieler aufgenommen werden. Keine Sonderregeln erforderlich: Den Ball raus und los, da man sogar auf die zwei (bis vier) Jacken oder Holzstöcke, die die Torgrenzen anzeigen verzichten könnte.
Man vergleiche dies mit Eishockey oder Tennis, Baseball oder Basketball, Volleyball oder Wasserball, wo eine Ausrüstung zum Spielen, höchst unterschiedlicher Art, Voraussetzung ist, zudem in aller Regel gewisse Voraussetzungen an das “Spielfeld” gestellt sind, welche nicht so ohne Weiteres zu schaffen sind oder vorhanden sind.
Wer Fußball selbst nicht spielt, kennt sich trotzdem aus. Man sieht es in jedem Park, auf den Sportplätzen, auf der Straße, am Strand, auf einer Wiese, wo auch immer: zwei oder mehr Menschen kicken sich den Ball zu, ein Spiel wird rasch organisiert, Ball hoch halten oder Elferschießen, Hochtechnik oder andere Spielformen. Das geht durch alle Bevölkerungsschichten und Altersgruppen, und dies weltweit.
Auch in den Medien liegt er natürlich ganz vorne. Zum Betreiben perfekt geeignet. Und sowie es genügend Betreiber eines Sports gibt, gibt es genügend Zuschauer. Fußball ist die Nummer 1, das kann man nicht verleugnen – selbst wenn in den USA nicht so arg gut angekommen.
Ob sie es auch bleiben wird? Sicher gibt es genügend Anhaltspunkte dafür, die Unverwüstlichkeit durch die Einfachheit ziemlich gesichert. Vielleicht gibt es aber auch ein paar Gründe, sich Sorgen zu machen? Wie attraktiv ist das Spiel selbst, auf dem allerhöchten Level? Ist die Anzahl der Spannungsmomente und Tore ausreichend hoch, um nicht nur Fans der beiden Mannschaften sondern jeden neutralen Anhänger des Spiels anzulocken?
Die Konsequenzen der Größe des Fußballs sind vielfältig. Eine ganz besondere ist die, dass die Überzeugung besteht, dass niemand etwas Neues sagen kann. Eine andere ist die, dass es aufgrund der Einfachheit keine Modifikationen erlaubt, die größere Eingriffe erfordern. Sofern es die berühmten Torvergrößerungen der Amis sein sollten, vorgeschlagen zur WM 1994 und für sie sicher kaum ein Problem darstellend, so muss man stets bedenken, dass man auf Millionen von Fußballplätzen das gleiche tun müsste. Denkt man über Torkamera, Videobeweis oder Chip im Ball nach, so muss man immer im Hinterkopf behalten, dass es sowohl für Amateur- als auch Profibereich gelten müsste. Sollten nämlich diese beiden Bereiche auseinander laufen, dann wären unerfreuliche Folgen zu befürchten. Vielleicht eine Abnahme der großen Verbreitung. „Entweder du wirst Profi und spielst richtig Fußball oder du gurkst bei den Amateuren rum, wo nix richtig funktioniert.“ „Na dann spiel ich lieber gar nicht.“
Eine weitere Konsequenz ist die, dass man aufgrund dieser so gesichert empfundenen gigantischen Verbreitung die Verantwortung abgelegt zu haben scheint, sich kritisch mit der bei Zuschauern ausgelösten Begeisterung auseinanderzusetzen. Fußball wird sowieso geschaut. „Daran kann sich nie etwas ändern.“ Egal, ob gerecht, spannend oder attraktiv. Der Fußball ist nicht kaputt zu kriegen.
Vielleicht doch, wenn er weiter so lieblos behandelt wird? Jeder müsste sich selbst fragen, ob er eigentlich noch ein ganzes Spiel über 90 Minuten schaut ohne eine Fanbeziehung zu einer der beiden Mannschaften. Man schaltet den Fernseher vielleicht immer noch ein – was den Sendeanstalten vorgaukelt, dass es weiterhin auf riesiges Interesse stößt – aber man schaut nicht mehr hin. Vor allem hört man hierzulande längst nicht mehr hin.
All dies wird hier zu bedenken gegeben, gerne im Einzelnen erörtert. Der Fußball ist die Nummer 1. Der Fußball ist wie ein Dinosaurierei. Er ist nicht kaputt zu kriegen. Weder mit Hammer, noch mit Beil, und auch nicht mit Säge. Aber warum sollte man überhaupt versuchen, ihn kaputt zu kriegen? Warum sollte man ihn nicht einfach hegen und pflegen und groß, noch größer bekommen?