Heute, am 15. Juni 2010, ist die Fußball WM in Südafrika in vollem Gange. Da meine Erfahrungen, mich bezüglich meiner Überlegungen dazu begreiflich zu machen bisher wenig Erfolg zeitigten, gehe ich heute mal einen ganz anderen Weg. Ich streife dies und ich streife das. Ohne besondere Polemik, ohne Angriffslust. Es sind Beobachtungen, die geschildert werden sollen. Ein Konzept liegt nicht vor. Ich komme überall entlang, was mit dem Spiel Fußball zu tun hat, und gehe sogar sicher ein Stück darüber hinaus, da es schon beinahe um ein Weltbild geht.
Das Weltbild ist natürlich wie gewohnt das Denken in Wahrscheinlichkeiten. So sehe ich die Welt und ich habe keinen besseren Ansatz vorgefunden. Auf der anderen Seite ist es auffällig, dass sich die Menschen gegen das Denken in Wahrscheinlichkeiten sperren. Auch das wird nach und nach verständlich. Denn eine Aussage wie: „Ich komme morgen um 16 Uhr zu dir.“ ist beliebt. Sie kennzeichnet eine Verabredung. Eventualitäten existieren dabei nicht und sind unerwünscht. Es gibt Menschen, die gelten als zuverlässig und andere, die gelten als unzuverlässig. Je nachdem hat jeder sein eigenes Bild von der Eintrittswahrscheinlichkeit, verdrängt dieses aber sogleich. Manch einer fügt noch hinzu: „… falls nichts dazwischen kommt.“ Aber die Aussage: „Ich komme morgen zu 98.3% pünktlich um 16 Uhr und zu 1.63% werde ich mich verspäten, zwischen 1 und 30 Minuten, zu 0.04% komme ich aber gar nicht.“ Antwort: „Und wieso das nicht?“ Diese sollte man möglichst unterlassen, ansonsten gibt es die folgende Belehrung: „Der Ausfall von 0.04% unterteilt sich zu einem großen Teil in wirklich unvorhergesehen wichtige Dinge, die keinen Aufschub dulden, und eine Unfallwahrscheinlichkeit. Von den Unfällen sind natürlich Verkehrsunfälle die wahrscheinlichsten. Es könnte aber auch ein Haushaltsunfall sein, der nicht weit dahinter steht, abgesehen von den wirklich abstrusen Unfällen wie Blitzeinschlag oder Blumentopf fällt auf den Kopf. Von den Unfällen gibt es einen hohen Prozentsatz, der zwar mein Kommen für den Moment verhindert, aber mit einem ambulanten Krankenhaus Aufenthalt erledigt ist. Andere führen zu einem stationären Aufenthalt und die restlichen zu einer Überführung auf den Friedhof. Abgesehen davon unterteilen sich die Prozente noch in einen Teil, bei dem ich das Erscheinen rechtzeitig absagen kann – unter der Voraussetzung, dass du erreichbar bist – und jene, wo es mir nicht mehr rechtzeitig gelingt und letztendlich jenen, bei denen es mir unmöglich ist.“
Diese ziemlich wahre Antwort wird nicht nur nicht gerne gehört, sie ist sogar völlig ausgeschlossen anzulanden. Es hieße, man würde den Teufel an die Wand malen und mit einem solchen Gebaren dem Treffen von Verabredungen grundsätzlich im Wege stehen, also würden mit einem keine mehr getroffen werden. Man ist gezwungen, die Restprozente zu verschweigen. Mein Vater sagte dennoch ganz gerne den folgenden Zusatz: „Ich komme morgen um 16 Uhr. So Gott will.“ Weil es alles beinhaltet. Er war nicht gläubig, er hat es nur für andere so ausgedrückt, um sich schwierigere Worte zu sparen.
Ja, die Fußball WM. Genau. Ich bin doch fast schon da. Deutschland wird Weltmeister. Hat die BILD doch grad geschrieben. Umfragen bestätigen das. Tatsächlich hat sich nach dem tollen Spiel und dem gigantischen Auftakterfolg gegen Australien der Wettmarkt bewegt. Die Quoten gehen in den Keller. War es vor der WM noch bei 15.0, so ist es heute bei der Wettbörse betfair zum Beispiel bei nur noch 11.5! Das ist schon eine gewaltige Bewegung nach nur einem Sieg gegen einen (vermeintlich klaren) Außenseiter. Und da wären wir auch schon bei dem Zusammenhang. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit wirklich? Gibt es überhaupt eine wirkliche Wahrscheinlichkeit? Statt „wirklich“ könnte man nämlich auch „wahre“ Wahrscheinlichkeit sagen. Das hätte einem in der Schule bereits einen Pleonasmus Fehler eingebracht. „Wahrscheinlichkeit“ beinhaltet bereits die Unwägbarkeit. Etwas scheint wahr. Es wird wahr oder es wird nicht wahr. Es tritt ein oder nicht. Da das Ereignis in der Zukunft liegt, scheint es nur wahr. Und das zu einem gewissen Prozentsatz.
Die Frage ist natürlich, ob es überhaupt eine Wahrheit gibt. Aber die Diskussion soll an dieser Stelle nicht zusätzlich eröffnet werden. Es gibt in der Zukunft liegende Ereignisse. Diese haben stets eine Eintrittswahrscheinlichkeit größer 0 und kleiner 1. Das Eintreten dieser Ereignisse ist möglich, aber nicht sicher. Unmöglich wäre 0, sicher 1. Nach der Durchführung des Experiments, nach dem das Ereignis stattgefunden hat, begibt sich der Wert von vorher irgendwo zwischen 0 und 1 auf exakt 0 oder 1. Vorher ist es niemals 0 oder 1, nachher ist es niemals anders als 0 oder 1.
Natürlich wäre jeder gerne schlau und wüsste, was kommt. Einschränkungen hierzu würden jetzt auch nur Verwirrung stiften (will man seinen Todestag wissen?). In der Erkenntnis aber, dass man es nie so ganz genau weiß, wartet man den Ausgang des Ereignisses gerne ab, um dann im Anschluss erklären zu können, warum es nur so ausgehen konnte. Experten darin sind übrigens deutsche Fußball Kommentatoren, die nach jedem Spiel Erklärungen für die Ausgänge haben. Als Propheten versuchen sie sich immer dann, wenn es 5 Minuten vor Schluss 2:0 steht. „Das Ding ist durch!“ Gewagt. Und für den Fall, dass es doch noch zum Ausgleich kommt, hat man natürlich eine Erklärung parat, die vor allem auf die Dummheit und den Leichtsinn anspielt, die im Gefühl des sicheren Sieges ein paar katastrophale Fehler produzieren ließ. Und damit nicht etwa den Reporter bloß stellt, sondern nur und ausschließlich die Leid tragende Mannschaft. Dass es eine Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass es noch immer zwei Tore geben kann, wird schlichtweg ignoriert. Dass man sich selbst und dem Zuschauer jegliche Spannung raubt mit der Bemerkung „Ding ist durch“ ist ein weiterer kleiner Nebenaspekt. Dass man an sich zum Reporter werden müsste, weil man immer hofft, das ganz große Spektakel einfangen zu können und eher umgekehrt darauf hoffen müsste, dass noch etwas passiert, gerade in diesem Spiel, dass man eigentlich die Verpflichtung hätte, den Zuschauer an das Geschehen zu binden, zu fesseln, indem man ihm die Hoffnung auf dieses kleine Wunder am Leben erhält, ist ein Aspekt, der an anderer Stelle von noch größerer Bedeutung sein wird.
Aber auch sonst ist dieses Denken weit verbreitet. Man hat ein Ergebnis und versucht, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, welche Entscheidungen die beeinflussbar waren, dieses Ergebnis verursacht haben. Jedoch vernachlässigt man dabei oft genug, dass man als einziges Kriterium den Ausgang hat. Möglicherweise hätte es andere Ausgänge gegeben. Möglicherweise waren diese sogar wahrscheinlicher und man hatte einen günstigen Einfluss darauf genommen, der in der Auswirkung nichts eingebracht hat. Dennoch bliebe die Schlussfolgerung die gleiche: Es gab Fehler. Und: es musste so kommen.
Den Beweis zu führen, dass man alles richtig gemacht hat und dennoch das falsche Ergebnis herausgekommen ist, ist allerdings schwer zu führen. Man hat das falsche Ergebnis, jenes, auf das man nicht gehofft hatte, und redet es sich damit angeblich schön, anstatt auf Fehlersuche zu gehen, die ja nach gängiger Meinung eine Erkenntnis bringen müsste. Objektivität ist das Zauberwort. Es gibt aber schon weit mehr als nur Bestrebungen, solche Analysen durchzuführen. Hier ist Backgammon das Spiel, bei dem die Computer bereits sehr weit damit gekommen sind. Die Backgammon Programme sind heute in der Lage, einem eine Siegwahrscheinlichkeit für ein Match auszurechnen, ausschließlich anhand der Qualität der eigenen Züge gegenüber jener des Gegner. Da dies unabhängig vom Ergebnis errechnet wird und die Urteile vom Computer längst nicht mehr angezweifelt werden (dieser ist so erstaunlich objektiv, dass er einem sogar in einem Zug, falls er auf der eingestellten Analysestufe zunächst als falsch, auf der nächst höheren aber als richtig einstuft, den Stempel „outplayed“ aufdrückt; man kann also den Computer in sehr seltenen Fällen mal ausspielen, einen besseren Zug finden als er gefunden hätte; die Objektivität steht gerade bei der Befähigung zu solchen Einschätzungen außer Zweifel), hat man zum Beispiel besser gespielt als der Gegner. Man hätte 58% gehabt auf das Match, selbst wenn es verloren wurde.
Dies übertragen auf ein Urteil in einem Fußballspiel: Man macht eine Auswechslung, Sehr beliebt hier das Beispiel der Auswechslung des Lothar Matthäus im Champions League Finale 1999, als Bayern gegen ManU 1:0 führte, Matthäus auch laut Legende die Auswechslung andeutete, Bayern so gut wie „home and dry“ war, aber in der Nachspielzeit noch zwei Tore kassierte. Im Nachhinein wurden Trainer und Matthäus für die Auswechslung kritisiert, teilweise gar verantwortlich gemacht. Meine Auffassung: Vielleicht hat die Auswechslung die Chance in diesem Moment von bereits sehr hohen 88% auf 90% erhöht, dass Bayern den Titel gewinnt. Denn Matthäus war angeschlagen und erschöpft (Spekulation!). Der frische Mann war die bessere Wahl. Und dennoch geschah das Unfassbare, oder, für das Beispiel besser ausgedrückt, das unwahrscheinlichere (man bedenke bitte, dass bei der Auswechslung noch einige Minuten zu spielen waren, ManU also auch schon vor Beginn der Nachspielzeit das 1:1 hätte erzielen können, insofern war die Chance vielleicht „nur“ bei 90% bei der Auswechslung; in der Nachspielzeit war sie natürlich weit höher). In diesem Fall hätte man mit der Auswechslung eine richtige Entscheidung getroffen, da man den Ausgang positiv beeinflusst hat, dennoch das falsche Ergebnis erzielt. Pech wäre der korrekte Begriff dafür.
Heute ist der 16.6. Man kann einmal die bisher gespielten Spiele durchgehen. Man kann sie auf Qualität und Unterhaltungswert untersuchen. Man kann das ganze Spiel Fußball unter die Lupe nehmen. Man könnte sich über die hierzulande wirklich traurige Berichterstattung auslassen, die mal wieder durch den gigantischen Auftritt der deutschen Elf gegen Australien gerechtfertigt zu sein scheint: Alles ganz, ganz schwache Spiele. Außer, wenn Deutschland spielt. Dennoch scheint mir etwas fragwürdig zu sein an dem Urteil ganz, ganz schwach. Günter Netzer übrigens nach dem Spiel Japan – Kamerun: „Der Gipfel des Grauens.“ Nur, dass es am nächsten Tag hieß, bei Neuseeland gegen Slowakei, dass das nun wirklich das schwächste aller bisher gespielten Spiele sei. Schlimmer geht’s nimmer.
Ja, ich habe verstanden. Ich soll nicht schauen. Es werden Milliarden dafür ausgegeben, damit der Zuschauer genüsslich in den Schlaf gewogen werden kann. Nein, wirklich: Die Sendung mit der Maus oder Queen Mum besucht Berlin zu schauen sind bei weitem attraktivere Zeitvertreibe.
Der Fußball ist heute so. Zunächst einmal sollte man das erkennen. Das Ausnahmespiel der Deutschen ausgeklammert. Es kommt praktisch nie mehr zu einem offenen Schlagabtausch. Es kommt auch nicht zu Torfestivals oder gedrehten Spielen. Die Spiele, in der beide Mannschaften überhaupt ein Tor erzielen muss man bereits mit der Lupe suchen. In diesem Turnier sind es bis zum heutigen Tag – nach 14 gespielten Spielen – vier Spiele, in denen dies beiden Teams gelungen ist. Dabei ist zunächst das 1:1 von Neuseeland gerade gestern eine wirkliche Sensation gewesen, da es in der Nachspielzeit fiel, als man sich, wie üblich, schon längst mit dem 1:0 Sieg abgefunden zu haben schien – auf Reporterseite sowieso aber hier auch bei den Mannschaften. Auf gut Deutsch: Der Zuschauer hatte bereits abgeschaltet oder geschlafen. Spannend war es dadurch nicht. Höchstens, dass man sich nach so einem Ereignis sagt: „Ach, es kann ja doch passieren. Dann schaue ich vielleicht nächstes Mal doch wieder zu.“ Das 1:2 Anschlusstor von Nordkorea am Abend gegen Brasilien war auch nur als Makulatur aufzufassen. Die Brasilianer führten bereits 2:0, hatten alles so weit im Griff. Spannung kam also auch da in den verbliebenen 5 Minuten nicht mehr auf.
Überhaupt ist es – von mir prognostiziert, aber ich wiederhole es gerne hier, da der Trend garantiert erhalten bleibt – die WM der Torarmut. Es hatte sich zuletzt schon angedeutet bei der WM 2006 in Deutschland, dass es gehörig bergab geht mit den Toren. Auch bei der letzten WM war es aber so, dass der Farbtupfer Deutschland einiges vergessen machte, was da an uninteressanten, langweiligen Spielen ablief. Es gibt weder spannende Verläufe noch viele spannende Szenen. Das hat sich erledigt. Und der Spruch: „Das Spiel lebt von der Spannung über den Ausgang“ hat sich längst abgenutzt, da man diese Spannung angesichts ausbleibender Torszenen schlicht nicht zu finden imstande ist.
Bei der jetzigen WM wird es auf die erste Spiele geschoben, bei denen die Anspannung und die Sorge vor einem schlechten Einstieg ins Turnier als Argumente verwendet werden, so dass niemand die Handbremse löst. Nur verspreche ich, dass es in der zweiten Runde kein bisschen anders aussehen wird. Erst recht nicht in der k.o.-Phase. Da werden die Sorgen noch größer, durch einen Fehler das ganze Turnier wegzuwerfen. Die Frage übrigens, wie ein Spiel steht, die so oft zu vernehmen war von Leuten, die bei einer Kneipe, wo der Fernseher steht, vorbeilaufen, kann man generell beantworten: „Es steht 0:0.“ Die wenigen Ausnahmen, in denen es 1:0 steht, kann man fast vergessen und bedeuten auch nur: „Ach, wie lange noch?“ „Ja, ist gleich vorbei.“ Der Sieger steht also fest. Es steht immer 0:0. So lange, bis das 1:0 fällt und dann weiß man, wer gewonnen hat. Spannung? Gleich 0.
Der Fußball ist heutzutage so. Die Antworten des geschätzten Otto Rehhagel, die da lauten: „Wer gewinnt, hat gut gespielt.“ sind leider archaisch. Man muss an den zahlenden Zuschauer denken, an alle Zuschauer denken. Der Fußball steht kurz vor dem endgültigen Ruin. Nur merkt es keiner. Das reine Ergebnisdenken, was die Medien vorgeben, gehört längst abgeschafft. Es muss für Spektakel gesorgt werden, unabhängig von der (eingeforderten) Gerechtigkeit und der Konsequenz der Regelanwendung. Wenn es noch ein bisschen weiter so geht, dann schaut es irgendwann keiner mehr. Es ist eine Mogelpackung, die man nur noch aufrechterhalten kann, weil die Leute beinahe gezwungen werden. Natürlich, genau, da jeder einer Nation angehört und somit deren Schicksal oder auch die Spiele verfolgt.
Ansonsten: man fragt nach dem Ergebnis (der anderen Spiele), aber man schaut doch kein Spiel mehr. Es ist unmöglich, etwas als spannend verkaufen zu wollen, indem man einem Zuschauer erklären möchte, dass er nur noch 10 Minuten geduldig hinschauen müsse, dann werde es bestimmt mal einen Torschuss geben. Die 10 Minuten wären eh schon zu lang, abgesehen davon, dass der Torschuss ja nicht einmal das Ziel trifft und wenn er es trifft, natürlich locker abgefangen wird, dazu noch mit dem Kommentar „zu unplatziert“ versehen, so dass man, falls bisher noch nicht geschlafen, spätestens danach einschläft. „Weck mich nach dem Spiel und sag mir, wie es ausgegangen ist. 0:0 oder 1:0? Und wenn 1:0 dann: für wen?“ Breiter ist die Palette nicht mehr. Die drei anderen Spiele mit Toren für beide Mannschaften – beinahe schon sensationell – waren 1:1 Spiele. Dann gab es noch zwei Mal ein 2:0, wo der bereits geschlagene Gegner (klar, denn: wie soll man ein 0:1 aufholen?) noch ein zweites kassierte bei seinem sinnlosen Anrennen.
Es gibt natürlich ein sehr einfaches Mittel, um für Spannung zu sorgen. Die Spannung – dabei denke man an einzelne spannende Szenen, die natürlich heißen müssen „Torszenen“ aber auch an spannende Verläufe; ein gedrehtes 0:2 oder überhaupt ein 3:3 Endergebnis – kommt mit den Toren. Das ist einfach so. Das banale „Salz in der Suppe“, ohne die sie einfach nicht schmeckt. Das Mittel: Umdenken. Das bezieht sich in erster Linie auf Offizielle, Medien und die Referees. Die Offiziellen müssten die so einfach formulierte, für die WM ausgerechnet in den USA 1994 formulierte Regel, speziell bei Abseitsentscheidungen „im Zweifel für den Angreifer“ anfangen, zunächst für Abseits und später auch für Foulsituationen oder Handspiele anzuwenden.
Es gibt bei jeder Ecke Gerangel im Strafraum. Das sieht man einfach. Es gibt aber nie Elfmeter, sondern immer nur Stürmerfoul. Ist denn die Meinung ernsthaft die, dass immer nur die Angreifer foulen? Für mich ist der Fall sogar klar, dass die Verteidiger mehr „arbeiten“ am Gegenspieler. Vor allem ist es so, dass die Verteidigerintervention, das leichte Zupfen oder Schieben oder Ziehen in der Auswirkung so gigantisch ist, dass es einfach keinen kontrollierten Kopfball aufs Ziel ergeben kann. Wenn der Stürmer also genauso zieht, drückt, schiebt, dann stört das den Verteidiger kaum, da er sowieso nur in irgendeine Richtung – außer ins eigene Tor – köpfen muss. Umgekehrt beim Angreifer, den die winzige Behinderung schon vom gezielten Schuss abhält, so dass er entweder abgewehrt wird oder das Ziel verfehlt. Umdenken auch hier: Im Zweifel für den Angreifer. Oder auch nur so: Ausgewogen. Mal für. mal gegen. Jedenfalls wird das „offensive“ Denken eingefordert: Wir wollen Torszenen. Die ganze Welt benötigt wieder die Spannung. Forderung an alle, Schiris und Offizielle: die Toraktion ist die wünschenswerte. Der Pfiff ist der Anti-Climax.
Vielleicht gibt es dann zunächst etwas zu viele Elfmeter. Aber wem schadeten sie? Nur den paar Fans – im Vergleich zur ganzen Welt, die einfach nur Fußball und Spektakel wollen – der betroffenen Mannschaft. Deren Lobby kann doch gar nicht so groß sein, um das verhindern zu wollen/können? Später aber lernen die Verteidiger, was man darf und was nicht. Dann sieht man faire Zweikämpfe. Und man würde staunen, wie oft es den wirklich exzellenten Angreifern gelingen würde, daraus Tore zu machen. Alles wäre wieder gut.
Ebenso bei Handspielen. Der Ist-Zustand: Wenn sie einem Stürmer an die Hand springen, die Bälle, nur minimal, er den Ball dadurch kontrolliert, wird unterbrochen. Freistoß! Wenn es einem Verteidiger geschieht, er sogar den Arm rausstreckt, bewusst vorsätzlich, wird großzügig übersehen. „Wie konnte er nur…?“ mag man zwar hören. Er hat aber, und ihm entsteht kein Schaden. Also wiederholt er.
Aber wehe, wenn der Schiri andernfalls ein Verteidiger Handspiel ahndet – und damit ein Spiel durch den Elfmeter entscheidet, – welches nicht eindeutig von allen Seiten als ein solches eingestuft wird. Das war es mit seiner Karriere. So etwas darf einfach nicht geschehen. Die Schiris haben eine einfache Methode entwickelt und fahren damit absolut solide: Immer und so früh es geht gegen den Stürmer zu entscheiden. Diese „Fehler“ – sofern als solche nachgewiesen – werden sehr gnädig übersehen und milde behandelt.
Auch hier hilft das Umdenken. Ein nicht gegebenes Tor, welches genauso ein Spiel entscheiden kann wie ein gegebenes, müsste in der Medienaufmerksamkeit die gleiche Wirkung erzielen. Ein Abseits, welches zu Unrecht gepfiffen wird und der angreifenden Mannschaft oft klare Gelegenheiten unterbindet müsste entweder genauso schlimm erachtet werden wie ein nicht erkanntes, oder als noch schlimmer. In der Wirkung geschieht es aber viel öfter, dass Abseits gegeben wird, wenn es keines war, als dass laufen gelassen wird, wenn es Abseits war. Grund ist natürlich einerseits die Medienreaktion, andererseits aber auch die Sorge, durch eine Fehlentscheidung das ganze Spiel zu entscheiden – was nur bei gegebenen Toren, die eigentlich keine Anerkennung verdienten so empfunden wird –, bewirken das emotionale Reagieren der Schiedsrichter, sicherheitshalber zu unterbinden, wann immer es sich gerade noch rechtfertigen lässt. Betrogen ist zumindest der neutrale Zuschauer, dem Torszenen geraubt werden.
Zurück zu den Wahrscheinlichkeiten: In jedem Spiel gibt es eine Markteinschätzung. Diese wird in Quoten ausgedrückt. Der klassische Buchmacher hat vielleicht noch immer seine Rechtfertigung, aber der größere Umsatz wird schon fast bei Wettbörsen gemacht, wo Privatperson gegen Privatperson wettet. Dadurch entfällt (beinahe) die Gewinnmarge, die sich der Anbieter der Wettbörse nur noch für die Vermittlung der Wette vom Gewinner auszahlen lässt, im unteren Prozentbereich. Die Quoten reflektieren mit einer recht einfachen mathematischen Beziehung die Einschätzung, beziehungsweise die Eintrittswahrscheinlichkeit. Man nennt diese Beziehung einen Kehrwert. Der Kehrwert der Eintrittswahrscheinlichkeit ist die Quote, der Kehrwert der Quote ist (in etwa) die Eintrittswahrscheinlichkeit.
Wenn also Deutschland mit einer Quote von 11.0 bezahlt wird, dann liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Ereignis „Deutschland wird Fußballweltmeister 2010“ in etwa bei 1/11 oder bei 9.1%. Das ist natürlich nur die Markteinschätzung. Man kann nun, falls man es für wahrscheinlicher hält, auf Deutschland wetten, indem man bei betfair auf „back“ klickt, oder, wenn man es für unwahrscheinlicher als 9.1% hält, kann man auf „lay“ gehen und bezahlt den Kurs. Falls man gewinnt. nimmt sich der Anbieter, hier betfair, etwa 5% vom Nettogewinn(!).
Heute ist der Kurs übrigens auf 10.0 gefallen. Der Grund, für mich klar: Die angeblich schwache Vorstellung der Brasilianer gegen Nordkorea. Dennoch rangieren die Brasilianer weiterhin vor Deutschland, ihre Quote auf Weltmeister liegt bei 6.2, ihnen werden also grob gerechnet 1/6.2, ca. 16% eingeräumt.
Hier eine Tabelle der Chancen für das Weiterkommen am 16. Juni. Basis für die Zahlen sind die Ergebnisse einer Simulation des eigens entwickelten Fußball Programms.
Weiterkommen Ausscheiden
Holland 95.10% 4.90%
Deutschland 92.90% 7.10%
Spanien 91.80% 8.20%
Argentinien 91.20% 8.80%
Brasilien 86.40% 13.60%
Italien 81.10% 18.90%
England 80.90% 19.10%
Ghana 68.00% 32.00%
Japan 66.70% 33.30%
Paraguay 64.20% 35.80%
USA 63.90% 36.10%
Frankreich 61.10% 38.90%
Republik Korea 57.90% 42.10%
Portugal 57.70% 42.30%
Uruguay 56.00% 44.00%
Elfenbeinküste 50.40% 49.60%
Mexico 48.40% 51.60%
Chile 47.70% 52.30%
Slowenien 44.80% 55.20%
Nigeria 43.70% 56.30%
Südafrika 34.50% 65.50%
Slowakei 31.50% 68.50%
Schweiz 31.00% 69.00%
Honduras 29.50% 70.50%
Neuseeland 23.20% 76.80%
Serbien 21.20% 78.80%
Dänemark 19.90% 80.10%
Kamerun 18.30% 81.70%
Australien 17.90% 82.10%
Algerien 10.40% 89.60%
Griechenland 7.20% 92.80%
Korea DVR 5.50% 94.50%
Dass Holland der größte Favorit ist, hat einen guten Grund: Sie haben den größten Konkurrenten in ihrer Gruppe im Auftaktspiel mit 2:0 geschlagen. Die kommenden Gegner Japan und Kamerun haben zwar einen Sieger ergeben (Japan), dieser hat aber „nur“ 1:0 gewonnen, was am Ende auch zu Hollands Vorteil gereichen könnte. Deutschland auf 2 ist klar: Hoher Sieg und leichte Gruppe. Spanien hat zwar noch gar nicht gespielt, ist aber auch für den Computer der Favorit auf den Titel, was ihnen natürlich auch in der (leichten) Vorrunde eine hohe Favoritenstellung verschafft. Argentinien hat es trotz Auftaktsieges bereits etwas schwerer: Der Gegner Südkorea hat höher gewonnen (2:0 gegenüber 1:0) und auch Griechenland wird trotz schwachen Spiels nicht als „walkover“ angesehen. Noch schwerer die Situation für Brasilien, die „nur“ den leichtesten Gegner hatten (Nordkorea) und auch „nur“ 2:1 gewonnen haben. Portugal und Elfenbeinküste kosten sie als namhafte Gegner einiges an Prozenten.
Ganz hinten verständlich, dass es Nordkorea betrifft: Auftaktspiel verloren und noch Portugal und Elfenbeinküste als Gegner. Ganz schwer. Griechenland hat es fast ebenso schwer: Gegen Südkorea verloren, Nigeria und Argentinien vor sich. Kaum zu lösen, aber immerhin verbleiben 7.2%. Auch Algerien hat gegen einen leichteren Gegner (Slowenien) verloren und England und USA vor sich. Auch Australien hat trotz relativ leichter Gruppe und Niederlage gegen einen Topfavoriten (Deutschland) schlechte Chancen, immerhin trotzdem noch stattliche 17.9%.
Hier noch die Chancen für den Titelgewinn. erzeugt mit der gleichen Simulation:
Wer wird Weltmeister?
Spanien 24.50%
Argentinien 13.00%
Brasilien 11.20%
Holland 10.70%
England 8.60%
Deutschland 8.60%
Italien 5.40%
Portugal 2.40%
Uruguay 2.10%
Frankreich 1.90%
Mexiko 1.60%
Nigeria 1.40%
Paraguay 1.30%
USA 1.10%
Ghana 0.90%
Südafrika 0.80%
Chile 0.80%
Japan 0.70%
Serbien 0.60%
Republik Korea 0.50%
Elfenbeinküste 0.50%
Slowakei 0.40%
Honduras 0.40%
Griechenland 0.20%
Dänemark 0.20%
Slowenien 0.10%
Australien 0.10%
Algerien 0.00%
Kamerun 0.00%
Neuseeland 0.00%
Korea DVR 0.00%
Schweiz 0.00%
100.00%
Verblüffend, dass Spanien auch hier als klarer Favorit hervorgeht, vor allem, da sie noch kein Spiel bestritten haben, was ihnen gegenüber der bereits siegreichen Konkurrenz zum Nachteil gereichen müsste. Argentinien auf 2 verwundert auch ganz leicht, kann aber sehr wohl mit günstigen Folgepaarungen nach der Vorrunde zu tun haben, da sie im Achtelfinale auf Mannschaften aus der recht einfachen Gruppe A treffen werden. Brasilien bleibt natürlich immer dabei, Holland ist bereits diskutiert, dahinter noch immer England, was angesichts des ungünstigen Ergebnisses im ersten Spiel verwunderlich scheint, jedoch aus der relativ leichten Auslosung in ihrer Gruppe mit Algerien und Slowenien immer noch ziemlich gut den 1. Platz erreichen können, womit sie vermutlich Deutschland aus dem Weg gehen, dadurch mit dem Gruppenzweiten wieder ein leichtes Los hätten. Spekulationen, sicher. Aber in der Computerlogik kommt Prozent zu Prozent, auf seine Art. Deutschland folgt also erst auf Rang 6, was aber im Wesentlichen auch der Markteinschätzung entspricht.
Es gäbe viele weitere spannende Ergebnisse, für heute soll es mal bei diesen beiden bleiben.