1) Statistik
Hier wäre mal ein Beispiel für eine Regel, die von offizieller Seite eingeführt wurde, sicher in der Absicht, für mehr Tore zu sorgen. Von daher dient das Kapitel im wesentlichen dazu, aufzuzeigen, dass auch von anderer – an sich höchster – Seite durchaus ein Mangel erkannt und das Bestreben erkennbar ist, für Steigerung der Attraktivität durch mehr Tore zu sorgen. Natürlich, so mag man sich erhofft haben, könnte die reine empfundene Dramatik in einem Spiel erhöht werden durch das beiderseitige Bemühen, auf die ausgelobten drei Punkte auszugehen, sofern eine Partie in der Endphase ausgeglichen stehen sollte. Jedoch hätte das an sich auch nur die eine Folge, selbst wenn nicht explizit formuliert: es fallen dadurch (hoffentlich) mehr Tore, als wenn die Mannschaften sich beispielsweise in den letzten 20 Minuten mit dem 1:1 „abfinden“, einen Nichtangriffspakt schließen.
Die Grundidee war positiv. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Auswirkung, wenn überhaupt, sehr gering war. Die Unentschiedenhäufigkeit hat sich nicht drastisch reduziert, der Toreschnitt ist nicht angestiegen. Das einzige verbliebene Argument der Befürworter der Regel besteht darin, zu sagen, dass andernfalls der Toreschnitt (noch drastischer) gesenkt worden wäre, insofern wurde vielleicht dem Trend des Absinkens Einhalt geboten. Hier seien zunächst mal exemplarisch die Zahlen von den drei Spielzeiten der deutschen Bundesliga vor und nach der Einführung der Dreipunkteregel angegeben:
Zweipunkteregel
1993: Remis: 29.29% Tore ø: 2.936
1994: Remis: 27.21% Tore ø: 2.918
1995: Remis: 28.10% Tore: ø 3.016
Dreipunkteregel
1996: Remis: 35.29% Tore ø: 2.715
1997: Remis: 22.87% Tore ø: 2.977
1998: Remis: 27.78% Tore ø: 2.879
Schnitt mit Zweipunkteregel: Remis: 28.20%
Tore ø: 2.957
Schnitt mit Dreipunkteregel: Remis: 28.64%
Tore ø: 2.857
Es zeigt sich ziemlich klar und deutlich: Die Regel hat die von ihr erhoffte Wirkung nicht erzielt. Die Unentschieden sind angestiegen, der Toreschnitt ist gesunken, gerne kann man es als Stagnation bezeichnen, die in etwa bis heute Bestand hat. Dazu die Zahlen der Saison
2010: Remis: 28.10% Tore ø: 2.830
Die Unentschieden sind ein wenig seltener aufgetreten, zugleich ist der Toreschnitt aber auch minimal weiter gefallen. Nun, wie gesagt, Stagnation trifft es am besten, die man ruhig positiv auslegen darf, da die Werte sich nicht nachteilig entwickelt haben über einen recht langen Zeitraum. Sicher ist es müßig, darüber zu spekulieren, wie es sich ohne die Einführung der Regel dargestellt hätte. Interessant ist es allerdings, sofern man sich mit den
2) Ursachen
für die Wirkungslosigkeit beschäftigt.
Man kann die Mentalität nicht einfach so steuern. Spieler und Trainer nehmen die Regel nicht an. Selbstverständlich gehen auch hier die Medien (mit schlechtem Beispiel) voran. Sie haben die Macht, weiterhin auf die Verlierer in der Kommentierung Jagd zu machen. Sofern sie bei dieser Strategie bleiben, werden Spieler und Trainer einen Teufel tun, sich auf eine Niederlage durch bewusste Erhöhung des Risikos einzulassen, um sich dann nicht nur von den Medien zerreißen zu lassen, sondern auch noch in der Folgewoche ihren Stuhl vor der Tür vorzufinden. Die Trainer werden weiterhin entlassen nach der zweiten Niederlage, welche womöglich als Ursache lediglich die bewusste Entscheidung hatte, einen dritten Stürmer für einen Abwehrspieler zu bringen, um das Siegtor zu erzwingen. Der Spieler, der den Ball im Vorwärtsgang verliert und so das Gegentor verschuldet, findet sich auf der Bank wieder. Keiner der Verantwortlichen macht das mit. Die Idee ist gut, aber das Risiko lohnt sich im besten Falle mathematisch.
Der für die Maßnahme und damit für die Niederlage verantwortliche Trainer – typische Vertreter wären hier Ralf Rangnick oder Mirko Slomka – rechnet dann im Interview dem Medienvertreter vor, dass seine Mannschaft lediglich eine 33.3%ige Chance benötigt hätte, das Siegtor zu erzielen, gegenüber den 66.7%, die sie für ein Gegentor einräumten. So sehr er mathematisch Recht hätte, so wenig würde es ihm seinen Stuhl retten, der ohnehin schon vorab angesägt war.
Jedoch wäre es auch ohne Medieneinfluss nicht leicht, sich auf die Regel sinnvoll einzulassen. So lange eine Partie Unentschieden steht hat man immerhin den Spatz in der Hand. Es ist einem schwer begreiflich zu machen – dies mit Sicherheit ursächlich auch für dieses Sprichwort verantwortlich – den Spatz erstmal loszulassen, in der Hoffnung, die auf dem Dach befindliche Taube zu bekommen. Intuitiv tut man das nicht. Die Regeloffiziellen haben diese psychologischen Widerstände mit Sicherheit bei der Erfindung der Regel nicht ernsthaft erwogen. Tatsache bleibt: Man möchte nicht verlieren, so einfach ist es. Business as usual. Risiko? Nein danke. Ich riskiere doch nicht einfach so meinen Job?
3) Gedankenspiele
a. Der korrekte Deal
Auf den modernen Fußball bezogen muss man zwangsläufig etwas weiter denken, rechnen wäre kein so tolles Wort im Zusammenhang mit Fußball, träfe es hier aber im Ansatz. Sofern man sich ernsthaft über die Rentabilität des möglichen Deals – Spatz weggeben, Taube jagen — Gedanken macht, kommt man zumindest nicht zu nachweislich eindeutigen Ergebnissen. Heutzutage birgt ein übertrieben offensives Auftreten eine deutliche Erhöhung des Gegentor Risikos. Nicht ganz umsonst und auch wahrhaft nicht zu Unrecht wurde einmal das Sprichwort geprägt, dass der Angriff Spiele, aber die Abwehr Meisterschaften gewinnt. Sofern man einfach so, nicht mit Rehhagelscher Mentalität der kontrollierten Offensive, nach vorne spielt, ohne Rücksicht auf Verluste, kann es sein, dass die Chance, das Siegtor zu erzielen, geringer ist als die mathematisch erforderlichen 33.3% im Vergleich zu der Chance, eines zu kassieren (diese Chance muss deshalb nur halb so groß sein, da man zwei Punkte erobern kann – von 1 auf 3, aber nur einen verlieren kann – von 1 auf 0).
Abgesehen davon müsste sie natürlich deutlich höher liegen als 33.3%, da das der Minimalwert wäre und der weiter oben erwähnte intuitive Schutz vor der Niederlage immer noch hinderlich im Wege stehen würde. Selbst wenn einem vorgerechnet würde, dass man 35% hätte, den Sieg zu erzwingen gegenüber den 65%, sich die Niederlage einzuhandeln, würde man intuitiv weiterhin zurückschrecken
Man bedenke stets, dass für die Statistik nur die Spiele Berücksichtigung finden müssten, in denen das Siegtor fällt; für diesen oder jenen. Logischerweise sind alle, in denen das Risiko erhöht wurde, vielleicht beiderseits, und dennoch nichts passiert, (oder gar beide erfolgreich sind), irrelevant, tauchen darin nicht auf Es ist ja nach wie vor eine Außenseiterchance, der man nachgeht. Das Eintreten würde einen eher überraschen. Es wäre eben lediglich mathematisch korrekt aufgrund der doppelten zu erzielenden Punktzahl. Es bliebe dabei: Man würde es unterlassen. Erst ab etwa 40% — welche einem Spieler, am besten natürlich durch den Trainer nachgewiesen würden — könnte man davon ausgehen, dass sich in der Praxis durchsetzt, dass tatsächlich das Risiko erhöht wird. Denn schon darin steckt die Krux der Sache: Risikomentalität ist offensichtlich eine, die eine deutlich erhöhte Schadenschance einräumt. Man könnte in dem Falle nur von dem berühmten „kalkulierten Risiko“ sprechen.
Man stelle sich vor, dass ein mathematisch weniger begabter Berichterstatter eine Statistik aufstellt, in der er nachweist, dass eine Mannschaft viel öfter in den Schlussminuten entscheidende Gegentore kassiert hat als sie welche erzielt hat. Dieses Szenario wäre sehr gut denkbar. Die Richtigstellung, die Rehabilitierung des Trainers, der dann erklären möchte, dass er dieses Risiko bewusst eingegangen ist und ihm klar war, dass es seltener gelingen würde als misslingen käme viel zu spät. Die Verantwortlichen haben längst die berühmte Reißleine gezogen, angesichts der Schreckensbilanz, und diese Rechtfertigung nicht erhört. Warum also sollte er zuvor den Weg des Risikos gehen? Die mathematische Erläuterung würde vermutlich die Auffassungsgabe aller Verantwortlichen übersteigen.
b. Die Phantasie
Hier wäre nun tatsächlich interessant, was passieren würde, wenn sich beide Mannschaften optimal verhielten beziehungsweise was optimales Verhalten wäre. Es ist ein bisschen vergleichbar mit dem Gefangenen Dilemma. Man muss sich schon eine Weile mit diesem Problem beschäftigen, um den Zugang dazu zu finden, insofern kann es hier nur als Hinweis für den damit vertrauten Leser angegeben werden. Auf dem Fußballplatz stellt es sich in etwa so dar:
Sofern ein Spiel Unentschieden steht, gibt es die mathematische Rechnung, die einem rät, das Risiko zur Offensive dann einzugehen, wenn man auf mindestens eine halb so große Chance kommt, ein Tor –und damit den Sieg — zu erzwingen gegenüber der Chance, ein Tor zu kassieren – und damit die Niederlage quittieren zu müssen. Wenn man jedoch ein bisschen weiter denkt, dann stellt sich dies für die gegnerische Mannschaft exakt genauso dar. Auch sie hätte die allergleichen Voraussetzungen. Auf Offensive setzen und mit dem Risiko der Niederlage zu leben, vertrauend auf das gesunde Verhältnis dieser beiden Chancen.
Wenn nun aber eine Mannschaft in dem Bewusstsein, dass der Gegner das Risiko korrekterweise zu erhöhen gedenkt, einfach auf Defensive, natürlich Augen zwinkernd auf den erfolgreichen Konterangriff ausgehend, umschaltet, dann hätte sie eventuell ihre Chance – siehe Gefangenen Dilemma — wirklich deutlich erhöht, das Siegtor zu erzielen. Nur könnte auch dieses Verhalten, sobald erkannt, wieder von der gegnerischen Mannschaft kopiert werden. Was kommt heraus? Vermutlich das, was man heute zu sehen bekommt: Die Mannschaften belauern sich, wer den ersten Fehler macht, wer als erster die Nerven verliert, wer so dumm ist, für einen Moment nur, zu weit aufzurücken.
Es ist wie im Gefangenen Dilemma. Da es sich um ein „Dilemma“ handelt, suggeriert bereits der Begriff etwas Unerfreuliches. Und bei jenem Dilemma der Gefangenen ist es nur ein Gedankenexperiment (was im Übrigen aufgrund der besonderen Brisanz desselben in praktischen Experimenten getestet wurde; man informiere sich bei Interesse bei Wikipedia). Im Fußball ist es zwar auch eine Art Experiment, jedoch ein höchst praktisches, dessen Auswirkungen wir tagtäglich beobachten können. Gibt es einen Ausweg daraus? Wie macht man es nun richtig?
4) Die nicht ganz verwandte Situation
Bevor der Ausweg aus dem Dilemma angeboten wird, kann aber eine (nicht ganz verwandte) Spielsituation zur Illustration herangezogen werden. Diese Spielsituation ergibt sich, wenn eine Mannschaft mit einem Tor in Führung liegt.
Auch in dieser Lage besteht für die zurückliegende Mannschaft die Gefahr, die Abwehr zu entblößen und durch einen Konterangriff das 0:2 zu kassieren. Aber die zwei riesigen Unterschiede zum ausgeglichenen Spielstand: Wenn man bereits verloren hat, also 0:1 zurückliegt, kann man seine Chancen nur verbessern. Man ist im Augenblick bei 0 Punkten angekommen. Alles ist Recht, um das zu verändern, auch das Eingehen von (erhöhten) Risiken.
Noch gravierender aber der andere Unterschied: Die führende Mannschaft hat ebenfalls die Chance, durch eine genutzte Kontergelegenheit ein Tor zu erzielen. Jedoch ginge nur eine geringe Chancenverschiebung zu ihren Gunsten damit einher. Man hat auch bei 1:0 alle drei Punkte. Das bedeutet, dass man die Situation gar nicht voll ausnutzt. Bei einem ausgeglichenen Spielstand wäre es ratsam, nachzurücken, bei einer Führung nicht. Man würde zwar gerne, man muss aber nicht und eins steht über allem: Nur nicht zu viel riskieren! Also tut es die führende Mannschaft nicht.
5) Der Ausweg
Logischerweise geht dieser zunächst über die Medien. Sofern man die Regel von offizieller Seite unbedingt aufrecht erhalten möchte – was an sich nicht erforderlich wäre, da hier genügend Angebote gemacht werden, wie die Anzahl der Tore pro Spiel höchst simpel erhöht werden kann, damit für die erhoffte Spannungssteigerung sorgen könnte, ohne gravierend in die Regeln einzugreifen –, so dürfte man natürlich nicht die Verlierer als Versager darstellen. Dies gilt zwar generell ohnehin schon, aber insbesondere an dieser Stelle empfiehlt es sich. Man sieht auf dem Platz, dass (beiderseits) die drei Punkte angestrebt werden. Man dankt für das spannende Spiel, den in der Schlussphase erhöhten Offensivgeist auf beiden Seiten – und bedauert den in diesem Spiel unglücklichen Verlierer, gerne als “zweiter Sieger”. Er hat nichts falsch gemacht, vielleicht klappt es nächste Woche oder beim nächsten Versuch, dass sie die drei Punkte einheimsen.
Genau hier griffe nämlich die mathematische Grundlage: ein Spiel verloren, wegen erhöhtem Risiko, eines gewonnen, wegen des erhöhten Risikos. In der Summe DREI Punkte aus zwei Spielen und nicht etwa, bei Risikovermeidung, nur zwei, für die zwei Remisen.
Die Akzeptanz der Regel und der mit ihr einhergehenden Gesetzmäßigkeiten müsste medienseitig vorgegeben werden.
Jedoch wäre es sehr einfach, die anderen Vorschläge umzusetzen – wozu natürlich dennoch ein fairer Umgang mit allen Verlierern gehört als unverzichtbarer Teil des Spektakels – und zur Zwei-Punkte-Regel zurückzukehren. Tore gäbe es — bei Befolgen der gemachten Vorschläge — ohnehin dann satt, und gerechter ist sie sicher.
6) Die Analyse der Regelprüfer
Es wurde schon des Öfteren aufgeschnappt, dass die Drei-Punkte-Regel angeblich “keinen Effekt einbrachte”, von irgendwelchen Statistikern “errechnet”, mit einer allerdings sehr merkwürdigen Begrüdnung, woran sie dies festmachen wollten. Die Bergündung lautet nämlich so: die Tabellenbilder würden fast identisch ausfallen., egal ob man sie nach der alten Zwei-Punkte-Regel oder nach der Drei-Punkte-Regel erstellt.
Warum dieser beobachtete Effekt so weit nach hinten sortiert wurde? Ganz einfach: Wegen seiner völligen Gehaltlosigkeit. Irgendein selbst ernannter Statistiker hat einmal die Tabellen daraufhin überprüft – sie also erstellt, als ob mit zwei Punkten oder mit drei Punkten abgerechnet wurde – und festgestellt, dass sich nur sehr geringfügige Veränderungen ergeben.
Ja, selbst wenn, – hier ungeprüft – war das irgendwo als Vorgabe abzulesen? Hat die UEFA bei Einführung der Regel ein Rundschreiben rausgeschickt an alle Verbände, dass sie mit der Einführung der Regel hofft, dass endlich mal ein krasser Außenseiter Meister wird durch den damit eingebrachten größeren Zufall? „Wir wollen, dass die Tabellen nicht mehr so wohl geordnet sind. Das wird auf die Dauer langweilig.“ War es das?
Nein, davon ist weit und breit nichts zu erkennen. Es ging um Steigerung der Attraktivität – jede Belehrung wird auch von offizieller Seite gerne entgegengenommen –, mehr Spannung in den Schlussminuten und allgemein mehr Tore.
Übrigens: selbst wenn es die Absicht gewesen wäre, dass die Tabellen sich etwas zufälliger ergäben und Tabellenbewegungen leichter zu erzielen sind durch einen höheren Lohn für Siege, dann wäre noch immer die Frage offen, wie sich die Mannschaften verhalten hätten bei Gültigkeit der Alternativregel. Sprich also: eine Tabelle, die sich bei Anwendung der Drei-Punkte-Regel ergeben hat herzunehmen und diese schlichtweg umzuwandeln, so als ob die Zwei-Punkte-Regel verwendet worden wäre, wäre banal gesagt unfair. Die Mannschaften hätten die einzelnen Spiele ja unter teilweise völlig veränderten Bedingungen ausgetragen, ihr Bestreben auf dem Platz wäre ganz anderen Vorgaben gefolgt, was nicht nur für die Schlussrunden, sondern für alle Spieltage, wenn auch etwas eingeschränkter, gilt.
Man nehme nur beispielsweise an, dass bei Anwendung der Zwei-Punkte-Regel der Zweitplatzierte vor dem letzten Spieltag noch Meister werden könnte, bei der Drei-Punkte-Regel es aber nicht mehr schaffen könnte. Die Mannschaft verliert, hat sowieso Platz 2 sicher. Hinterher sagt man ihr, dass sie doch Meister hätte werden können bei der Zwei-Punkte-Regel und dass sie es doch bitte versucht hätte haben müssen, damit die Statistik eine Veränderung belegt, für die die neue Regel gesorgt hätte? Sinnloser geht es nicht.
Eine solche „Statistik“ liefert also einen Beleg für die umgangssprachliche Einschätzung: “mit ´ner Statistik kannst du alles beweisen.” Nämlich auch kompletten Unsinn.
7) Zusammenfassung
Die Einführung der Drei-Punkte-Regel hat sich nicht gelohnt. Es war ein gut gemeinter Versuch, der nicht nur aufgrund der praktischen Ergebnisse nicht wirkungsvoll war. Es bleibt dabei, dass in diesem Zusammenhang die Medien ihre Macht ausspielen könnten. Sofern sie nach einem tollen Spiel, welches durch ein Tor in letzter Minuten für eine Mannschaft 2:3 verloren geht – als Folge des erhöhten Risikos wegen der angestrebten drei Punkte, aber auch einfach so – beiden Mannschaften und den Trainer danken für ein tolles Spiel. Das ist der Fußball, den man sehen will und nicht die verkrampfte Verteidigung eines 0:0 oder 1:1.
Also, man könnte eigentlich genau so gut zur Zweipunkteregel zurückkehren. Sie ist einfach gerechter. Es gibt eine Tabelle mit Plus- und Minuspunkten, die Ergebnisse sind besser vergleichbar – auch bei den unvermeidlichen Spielausfällen gäbe es eine besser lesbare Tabelle – und auch die Medienkommentare, die nicht nur (unerfreulicherweise) angetroffen werden, sondern (bedauerlicherweise) dennoch den Nagel in etwa zwischen Stirn und Ohren, also fast auf den Kopf, treffen, würden nur noch sehr bedingt zutreffen: „Dieses Unentschieden hilft keinem weiter.“ oder „hier gibt es eigentlich zwei Verlierer.“ Denn: Leid tragend und in dem Sinne Verlierer bleibt in allen Fällen an sich immer derselbe: Der (und sei es auch nur der neutrale) Zuschauer.
Für einen Effekt mag die Regel allerdings gesorgt haben: Wenn man bei ihrer Gültigkeit weit zurückliegt in der Tabelle, wert entfernt von irgendwelchen Saisonzielen, dann kann man folgende Aussage wirklich unterschreiben: „Es geht recht schnell, das aufzuholen bei der Drei-Punkte-Regel. Drei Siege, und wir sind wieder dran.“ Nur: Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun? Inwieweit ist es in Einklang mit irgendwelchen Vorüberlegungen zur Einführung der Regel zu bringen? Es wäre lediglich ein „zufällig“ auftretender Effekt. Und: Zu der Mannschaft, die davon profitiert (es geht schnell bei der Regel…) gibt es auch (mindestens) einen Leid tragenden.
8) Die Verbesserungsidee
Es gibt noch eine Möglichkeit, auch diese eigentlich gute Idee praktisch zu verbessern. Auch hier ist sie nicht nur dem Eishockey entlehnt, sondern ähnlich in den USA (!) umgesetzt worden, und das sogar im Fußball, in der Major League Soccer.
In jedem Spiel werden drei Punkte vergeben. Wenn es nach 90 Minuten einen Sieger gibt, so erhält dieser die gesamten drei, der Verlierer natürlich 0. Wenn das Spiel Unentschieden steht, hat jede Partei einen Punkt sicher. Der dritte Punkt wird in einer Verlängerung und/oder dann in einem Penaltyschießen ermittelt. Hier wird extra das Penaltyschießen und nicht das Elfmeterschießen angeregt. In der Major League Soccer in den USA war es so, im Eishockey ist es so und im Fußball ist die Einführung des Penaltys mit 35 Metern Anlauf und 6 Sekunden Verwertungszeit des einsamen Angreifers gegen den ebenso einsamen Torwart bereits an anderer Stelle angeregt.
Das Risiko lohnte sich in allen Spielphasen in angemessener Weise. Man kann einen dritten ganzen Punkt erzielen, wenn man in der regulären Spielzeit das Siegtor schafft. Aber der dritte Punkt ist bei einem Remis nicht endgültig verloren, für keine der beiden Mannschaften, er ist weiterhin umkämpft. Er wird trotzdem ausgespielt, sicher auch zur Unterhaltung des Zuschauers beitragend. Die Gerechtigkeit gibt es ebenfalls in der Tabelle zu sehen. Es gibt wieder Plus- und Minuspunkte. Wer viele Spiele regulär gewinnt, hat nach wie vor die besten Karten. Und es wäre zu hoffen, dass für Spannung gesorgt ist.
Die Schattenseite einer solchen Regelung sei hier aber nicht unerwähnt: Man wüsste nicht mehr exakt die Spielzeit. Das könnte sowohl für die Übertragung in den Medien für Schwierigkeiten sorgen, als auch beim zahlenden Fan im Stadion, der lieber eine Zeitplanung hätte. Andererseits: Im Pokal klappt es seit Jahrzehnten schon so. Vermutlich also nach einer Eingewöhnungszeit so hingenommen, dieses kleinere Problem? Der Planungssicherheit entgegen steht bei derzeitig gültiger Regelung ja schon längst die Anzeige der Nachspielzeit, welche hier und da auch durchaus mal recht lange ausfallen kann. Ausgedehnte Spielunterbrechungen (hier oder da verletzungs- oder wetterbedingt anzutreffen) gewährleisten dem Fan auch dieser Tage lange nicht den pünktlichen Besuch zu Kaffee und Kuchen bei der Mutter, zur fest verabredeten Zeit.
Abschließender Kommentar: erkennbar war, dass ein höherer Unterhaltungswert erwünscht war. Spannung, Action, Tore, Spaß hängen unmittelbar miteinander zusammen. Diese können dem Spiel nur gut tun. Die Maßnahme, drei Punkte für einen Sieg zu vergeben war jedoch ein Griff in die Mülltonne. Es gibt Maßnahmen, wie man viel einfacher dieses Ziel erreichen kann, ohne die gewisse Ungerechtigkeit, die man bei der Verteilung von drei Punkten pro Sieg und nur jeweils einem für ein Unentschieden, in Kauf nehmen zu müssen.