Die „Berechnung“ eines Fußballspiels
Sowie der Begriff der „Berechnung“, noch dazu in Bezug auf ein Fußballspiel auftaucht, dürfte die Skepsis des Lesers in Bezug auf die Sinnhaftigkeit des Weiterlesens wohl den Höhepunkt erreichen. Einerseits hätte dies natürlich etwas damit zu tun, dass man, sowie man „rechnen“ hört, eh am liebsten Reißaus nimmt, andererseits, weil es eine feststehende Tatsache ist, dass es da „nichts zu berechnen gibt“.
Nun, insofern soll hier ein sehr vorsichtiger, möglichst einfacher, dafür aber umso anschaulicher Weg gewählt werden, die dennoch vorhandene Möglichkeit näher zu bringen. Zunächst müssen dennoch ein paar Voraussetzungen geschaffen werden.
1) Die Ziele
Zur Formulierung des Zieles der Berechnung muss man möglicherweise nicht all zu viele Worte verlieren. Erwähnenswert hier jedenfalls außer, dass es höchst spannend und wissenschaftlich interessant sein könnte, dass man die Ergebnisse am Wettmarkt zum Einsatz bringen kann – und je besser die Qualität der Berechnung, umso besser langfristig gesehen die finanziellen Ergebnisse. Selbst wenn es nicht ausreichen sollte – und diese Illusion hier auch nicht geweckt werden soll — , um sich davon zu ernähren, so kann man doch entweder eine billige und angenehme Zusatzunterhaltung genießen oder sogar pari bis leicht positiv abschneiden am Wettmarkt.
2) Was soll berechnet werden?
Was man „berechnen“ möchte, dürfte in diesem Zusammenhang ebenfalls hoch interessant sein und muss zunächst aufgeklärt werden. Hier muss jedenfalls, sei es auch eine kleine Enttäuschung, erwähnt werden, dass es sich keinesfalls um die möglicherweise ausgelöste, aber naive Vorstellung handelt, dass der Ausgang eines Spieles, der nächste Weltmeister oder der nächste Deutsche Meister vorhergesagt , „ausgerechnet“ werden sollen. Es können nur die einzelnen Wahrscheinlichkeiten in ihrer Verteilung möglichst gut bestimmt werden.
3) Kann man die Qualität der ermittelten Zahlen prüfen?
Sofort daran schließt sich die Frage an, ob man nun, wenn man einfache Wahrscheinlichkeiten bestimmt hat, überhaupt irgendetwas damit anfangen kann in wissenschaftlichem Sinne. Dazu müsste man also zumindest eine Prüfmethode für die Qualität der Zahlen anbieten können. Denn bei einer Wahrscheinlichkeit spürt jeder sofort, dass sie das Eintreten und das Nichteintreten ermöglicht, einräumt – selbst wenn es sich um ein Verhältnis von 90:10 oder 99:1 handelt. Es kann dennoch „schief gehen“ oder, noch besser gesagt, kommen oder nicht kommen. Dies ist insofern bemerkenswert, als derjenige, dem das „zum Vorwurf“ gemacht würde, also dem Berechnenden, im Sinne von „Hey, du sagtest doch, dass das zu 99% kommt. Ist aber nicht.“, schlichtweg mit Schulterzucken quittieren könnte: „Na, ist halt das eine Prozent gekommen. Deshalb habe ich es ja hingeschrieben. Na und?“
Wenn man es noch ein klein bisschen weiter verfolgt – auch später, im aufklärenden Text — müsste man feststellen, dass er eigentlich sogar sagen müsste: „Ein Glück ist das gekommen. Denn wenn das eine Prozent nie kommen würde, dann hätte es ja gar kein ganzes Prozent gehabt, sondern viel weniger. Insofern bestätigt das Eintreten sogar meine Vorhersage.“ Ja, das Schulterzucken wird dann vermutlich die Seite wechseln. „Hä?“ Für den Leser ist es entweder verständlich – oder er nimmt den Verweis auf die spätere Aufklärung dankend (und in der Folge lesend) an.
Eine Methode existiert jedenfalls, diese Zahlen zu überprüfen. Scherzhafterweise wird immer gerne gesagt, dass es natürlich, sowie man mit den Zahlen am Wettmarkt antritt, eine viel schlichtere Methode gibt, die Qualität der ermittelten Zahlen zu überprüfen: Das verbliebene Geld zählen. Wenn es denn alle ist, hat man eine recht zuverlässige Antwort…
4) Wie soll „berechnet“ werden?
Ja, damit die Mathematik möglichst lange im Hintergrund bleibt – und damit der Leser „bei der Stange“ – soll die verwendete Methode gut hergeleitet und erklärt werden, ohne überhaupt Zahlen, geschweige denn Formeln anzuführen.
Man stelle sich also vor, dass man ein Fußballspiel nur schlichtweg simulieren möchte. Natürlich, logisch, möglichst „realistisch“ – was und wie auch immer das sein mag. Die erste Konsequenz wäre: man hätte ein Spielergebnis erzeugt. Ein zufälliges, ein beinahe beliebiges. Werder Bremen – VfB Stuttgart 2:1. Toll. Soll es deshalb so ausgehen? Da hätte ich auch würfeln können! Immerhin dürfte man so viel bestätigen können: „Ja, so könnte es ausgehen.“ (Dies wäre anders, wenn hier nun 13:8 stehen würde).
Ja, die erste Voraussetzung, die geschaffen werden müsste, wäre die, dass man die Simulation eben „realistisch“ hinbekommt, Vorher möge man sich aber bei Vorhandensein einer solchen „Funktion“ den Unterschied zur Realität vor Augen halten: In der Realität wird das Spiel ein einziges Mal unter den gegebenen Voraussetzungen durchgeführt. Im Gegensatz zum Würfeln, dem Fall der Roulettekugel oder der Ziehung der Lottozahlen eben, bei der man zwar ziemlich sicher ist, die Wahrscheinlichkeiten recht gut zu kennen, aber zusätzlich eine Statistik zur Überprüfung oder einfach aus Spaß oder auch aus Zweifel anfertigen kann, wegen der Wiederholbarkeit des Ereignisses. Ein sehr wichtiger Aspekt.
Wenn man sich diesen Unterschied nun mit der gegebenen, möglichen (und realistischen) Simulation vor Augen hält, ein Fußballspiel wiederholbar zu machen durch diese Simulation – bei jeder erneuten Durchführung selbstverständlich mit exakt den gleichen Chancenverteilungen –, dann fällt recht bald auf, welchen Vorteil man hätte: Wenn man es 1000 Mal durchgeführt hätte auf diese Art, dann ist doch anzunehmen, dass ein vernünftiges Verhältnis von Siegen für Werder, von Unentschieden und von Siegen Stuttgart herauskäme? Die Voraussetzung bleibt. „Möglichst realistisch“ muss es sein — und diese Forderung wird vielleicht zur entscheidenden Hürde. Aber zunächst mal, falls die Funktion existierte, hätte man bei 100facher Widerholung ein Ergebnis in Form von relativen Häufigkeiten (keinen Schreck bekommen!), welcher eine vernünftige Prozentabschätzung für die einzelnen Spielausgänge liefern würde.
Ja, nicht nur das. Man könnte daran sogar die Wahrscheinlichkeiten für den 2:1 Sieg, die 0:3 Niederlage oder das (unerfreuliche) 0:0 ablesen, da auch diese Ergebnisse in etwa in der zu erwartenden Häufigkeit auftreten müssten, bei ausreichend hoher Anzahl von Durchläufen.
Wenn man noch einen Schritt weiter denkt, dass man diese Simulation für alle Spiele einer Saison durchführen kann, wird klar, dass man sogar ganze Spielzeiten simulieren kann – und durch Wiederholung des Verfahrens vernünftige Einschätzungen dafür bekommt, wie wahrscheinlich es ist, dass alle Experten Recht behalten: Bayern holt die Schale. (Eine soeben am 10.9.2010, durchgeführte Simulation ergab „nur“ 40.2% für dieses Ereignis; allerdings war es vor dem dritten Spieltag der Saison 2010/2011, als Bayern schon gegen Kaiserslautern ein Spiel verloren hatte, was selbstverständlich einen gewissen Prozentsatz an Chancen kostet).
Alles in allem ist eine Simulation der entscheidende Ansatz. Was man herausbekommen möchte ist klar. Was man damit anfangen könnte auch. Wie man es prüfen könnte wird später genauer erläutert, muss hier zunächst akzeptiert werden (die Geldzählmethode war doch auch ein Vorschlag?). Wie man es angehen möchte ist nun auch klar. Nun muss man nur noch die Hürde, wie man es „möglichst realistisch“ hinbekommt, nehmen, allerdings hat sie, zugegebenermaßen entscheidenden Charakter.
Um nun eine „möglichst realistische“ Simulation hinzubekommen, müssen noch weitere Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu lautet eine weitere Frage: Wie möchte man überhaupt simulieren? Nun, es ist an sich recht einfach: Die Mannschaften bekommen hier und da eine Torchance und nach dem Zufallsprinzip wird diese ab und an verwertet. Nun muss nur noch bestimmt werden, wie viele Chancen jede Mannschaft bekommt, und wie groß die Chance ist, eine einzelne zu verwerten. In der vorgestellten Version der Simulation wurde davon ausgegangen, dass quasi jeder Ballbesitz eine Art von Torchance darstellt Sicher ist das so, denn man müsste ihn doch nur vom Mitspieler zum Mitspieler und so weiter, bis zum Tor bringen und ihn dann versenken? Die Chance ist da, sei sie auch sehr klein.
Ein anderer Ansatz ginge davon aus, so wie es im Sportmagazin „ Kicker“ mitgezählt wird, nur „echte“ Torgelegenheiten zu erzeugen, quasi Torschüsse, mit einer gewissen Frequenz, die dann, je nach Spielvermögen, mit vorgegebenen Wahrscheinlichkeiten zu Toren führen. Die beiden Ansätze nehmen sich nicht viel, da es bei dem gewählten nur um die Größe der Chance geht, einen Ballbesitz in eine Torchance zu verwandeln. Wenn diese ausreichend (realistisch) klein ist, dann fallen genau so viele Tore wie bei der anderen Methode.
Also gehen die Fragen so weiter: wie viele Chancen bekommt jede Mannschaft und wie groß ist die Chance, eine zu verwerten? Wie werden realistische Bedingungen geschaffen? Zunächst mal kann man diese auch reduzieren auf die reine Frage nach der Größe. Obwohl dieser Teil nicht ganz realistisch im Sinne von „so verläuft ein Fußballspiel“ ist, so ist er doch praktisch gesehen weitest gehend identisch. Das verwendete Modell geht davon aus, dass pro Minute zwei Mal der Ballbesitz wechselt und somit beide Mannschaften gleich häufig ihre Torchancen haben. Verglichen mit der Realität müsste man hier sagen, dass der Favorit, die bessere Mannschaft häufig mehr Ballbesitz hat, was sich jedoch lediglich in der Häufigkeit der Ballwechsel niederschlüge. Logisch, denn entweder hat die eine Mannschaft den Ball oder die andere, also bleibt es bei gleich häufigem Ballbesitz. Nur wären die Phasen der Ballbesitzzeiten auf der einen Seite länger, auf der andern kürzer. Auch dies wäre noch lange kein Manko. Nur wäre es bei großer Überlegenheit der einen Mannschaft unrealistisch, von der gleich großen Frequenz der Ballbesitzwechsel auszugehen. Ansonsten wird der Rest einfach durch die Höhe der Verwertungschance eines Ballbesitzes abgebildet. Ein hoher Favorit hat einen hohen Verwertungsprozentsatz, der klare Außenseiter einen sehr geringen.
Ein weiteres Zauberwort liegt natürlich nun in den zu bestimmenden „Parametern“, welche die beiderseitigen Größen der Torchancen für ein konkretes Spiel bestimmen. Welche Parameter sind dafür verantwortlich? Offensichtlich dürfte sein, dass diese für alle Mannschaften unterschiedlich sind. Jede Mannschaft hat ihre Spielstärke. Nur wie stellt man sie auf und wie bestimmt man ihre Werte?
Die hier vorgenommene Unterteilung fällt zunächst so aus, dass jeder Mannschaft eine Offensivstärke und eine Defensivstärke in Form einer messbaren Zahl zugeteilt wird. Die Offensivstärke jeder Mannschaft bestimmt dabei, wie gut sie ihre eigenen Chancen verwerten, die Defensivstärke bestimmt, wie gut sie Torchancen sozusagen vereiteln können. Sobald zwei Mannschaften aufeinander treffen, werden die Offensiv- und die Defensivstärken mit einem einfachen, aber sehr logischen, Algorithmus miteinander verrechnet. Als Folge hätte man „Torerwartungen“ für das konkrete Spiel. Diese Torerwartungen würden direkt bestimmen, wie groß die Verwertungschancen pro Ballbesitz sind.
Nur muss man nun noch zunächst wenigstens einen Parameter mit berücksichtigen. Dieser ist so eindeutig, dass man ohne ihn nie und nimmer hinkäme. Jedoch bringt es bei der folgenden konkreten Berechnung eine unerwünschte Komplexität hinein. Insofern wird er hier zunächst nur erwähnt: Es ist der Heimvorteil. Er gilt für jee Mannschaft, wenn auch nicht in völlig identischer Höhe. Sicher ist aber, dass sich die Chancen stets zugunsten der Heimmannschaft verschieben, was völlig unabhängig von der grundsätzlichen Spielstärke gilt.