Die Erkenntnis, dass Backgammon „mein Spiel“ war, dass sich dort perfekt meine (eingebildeten) Fähigkeiten vereinigen ließen, hatte ich längst in grenzenloser Selbstüberschätzung gewonnen. Sämtliche verfügbaren Bücher hatte ich durchgelesen und noch ein Gefühl dabei entwickelt: ein einem früheren Leben muss ich Backgammonprofi gewesen sein. Die sich allmählich anhäufenden Turniererfolge ließen die Illusionen wachsen und gedeihen.
Natürlich wusste ich auch, dass im Sommer jedes Jahr die Backgammon Weltmeisterschaft ausgetragen würde. Noch dazu im Spielerparadies Monte Carlo. Und was hatte ich nicht schon vorher so alles über Monte Carlo gehört! Ich hatte sogar mal so eine Art Einladung vorgefunden, bei welcher man angeblich gratis Unterkunft bekommen könnte, dafür würde man selbstverständlich an den Spieltischen ganz gerne und häufiger mal begrüßt werden. Die einzige Voraussetzung für das gratis spielen: man musste ein Konto anlegen, dort, beim Casino, auf welchem dann 10.000 DM zum Spielen zur Verfügung stehen müssten.
Ich dachte auch da schon lange über dieses Angebot nach. Ich hatte keine 10,000 DM, sicher nicht. Aber man könnte sie vielleicht irgendwie bekommen? Dazu hatte ich das Black Jack inzwischen komplett durchgerechnet und für die wirklich sehr guten Black Jack Regeln in Monte Carlo aus Sicht des Spielers spuckten mir meine Berechnungen einen verschwindend kleinen Nachteil von 0.3% aus. Wenn man dann ein klein wenig Routine im Cardcounting entwickelt, würde man ganz sicher ohne Nachteil, natürlich bei Anwendung der Gewinnstrategie wirklich mit Vorteil spielen. Nur war auch hierfür die Voraussetzung: Kapital. Wenn ich dann noch weiter überlegte, was an weiteren Kosten auf mich zukommen würde, als da wären Anfahrt und Ernährung, so konnte ich guten Gewissens Niemandem das ernsthaft als „Erwerbsquelle“ vorschlagen.
Es blieb also beim Traum. Und diese Weltmeisterschaft mitzuspielen war zunächst auch nur ein Traum. Ich wusste, dass das Startgeld in etwa 1800 DM (6000 FF) betragen würde. Auch über die Preisgelder hatte man schon Legenden gehört. So unglaubliche Beträge wie 100.000 DM für den Sieger. Noch dazu war ein Boom ausgebrochen. Man konnte mit deutlich anwachsenden Teilnehmerzahlen rechnen. Genauso wusste ich, dass die Amis, aus deren Büchern ich so viel gelernt hatte, mir sicher noch weit voraus an Wissen und Verständnis waren. Ich mir der angeborenen Überheblichkeit hatte es natürlich relativ leicht, mir das auszureden. Aber ein potenzieller Sponsor?
Ich erinnere mich auch noch gut an diese Zeiten: Ende 1983 Erlernen des Spieles. Backgammon Zeitgleiches Ausarbeiten des Black Jack Systems. Erste Turniere mit Erfolgen im Jahre 1984. Erste Black Jack Gehversuche im selben Jahr. Aber alles eine Frage des Kapitals. Am besten aber erinnere ich mich daran, wie ich immer wieder rätselte, warum es mir niemals gelang, mehr als 1000 DM als „Reichtum“ anzuhäufen. Ich kam öfter auf diese 1000 DM, aber nie wirklich darüber hinaus. Waren die Kosten, die das Unternehmen „Backgammon Profi“ mit sich brachte, doch einfach zu hoch? Ich war ständig auf Reisen und sicher, trotz gelegentlicher privater Unterbringung doch überwiegend in Hotels.
In allen Disziplinen befand ich mich im Einstieg. Aber war ich wirklich befähigt, die Profilaufbahn einzuschlagen/beizubehalten? Mit 26 Jahren kann man noch immer umkehren, wieder ins Studium einsteigen, das abschließen und eine bürgerliche Existenz gründen.
Ich wollte, ich musste einfach nach Monte Carlo. Es musste doch einen Weg geben, auch um mir endgültige Gewissheit zu verschaffen, ob ich es versuchen sollte. Mit den Besten messen und am liebsten sehen, dass man mithalten kann?! Und der Traum vom großen Coup, die 100.000 DM, Ruhm, Ehren und Reichtum. Wie stelle ich es an?
Sicher stellt man dann so Überlegungen an wie: „Was solls, ich habe 1000 DM, ich gehe ins Casino, stelle sie irgendwo rauf, Black Jack oder Roulette, egal, und wenn ich Glück habe, gewinne ich die 5.000 und kann los. Wenn sie weg sind ändert sich nicht viel.“ Aber etwas hielt mich davon ab. Mühsam ernährt sich, oder wie heißt es so schön?
Ich hatte noch einen Pfeil im Köcher: