Der Fußball von heute – wie des Kaisers neue Kleider
Fußball hat das Potenzial zur größten Sportart der Welt. Zu einem großen Teil aufgrund seiner Schlichtheit. Überall auf der Welt kann man das Spiel quasi ohne Aufwand betreiben. Ein Ball genügt. Keine weitere Ausrüstung erforderlich. Ob barfuß oder im Lackschuh, ob in einem Hinterhof, auf einer grünen Wiese im Part, quer über die Spielstraße, am Strand, auf einem extra angelegten Spielplatz, sogar mit Toren oder tatsächlich auf einem richtigen Fußballplatz: es ist kaum eine Hürde.
Ebenfalls ist die Anzahl der erforderlichen Spieler kaum eine einschränkende Voraussetzung. Man kann es nämlich von eins bis zweiundzwanzig spielen und sollten sich noch mehr einfinden, macht man Mannschaften. Dies unterscheidet den Fußball von einer Vielzahl anderer Spiele, für welche oft entweder eine bestimmte Anzahl, ein bestimmter Spielplatz, eine bestimmte Ausrüstung erforderlich sind und dies als Einschränkung dient, dass es wesentlich weniger betrieben wird. Eine kurze Auswahl an Sportarten seien genannt: Tischtennis, Tennis, Volleyball, Eishockey, Handball oder Handball: für all diese muss man schon planen, Voraussetzungen schaffen, einen bestimmten Ort aufsuchen, eine bestimmte Ausrüstung dabeihaben. Tolle Spiele, aber längst nicht mit der Verbreitung wie der Fußball, aufgrund dieser Gegebenheiten.
Insofern müsste man sich um den Fußball keine Sorgen machen?! Nun, vielleicht nicht in dem Sinne, dass er irgendwann gar nicht mehr gespielt würde. Aber schon in dem Sinne, was das angeblich so gigantisch große Geschäft des Profifußballs angeht.
Genau an dieser Stelle erscheint der Vergleich mit „des Kaisers neue Kleider“ mehr und mehr angebracht. Der Kaiser hatte nämlich gar nichts an, und dennoch sollte, ja musste gar das gesamte Volk über seine Kleider staunen. Keiner traute sich, vielleicht verhohlen seinem Nachbarn nur zuzuraunen : „Siehst du, was ich sehe? Der Kaiser hat ja gar nichts an?“ Er musste fürchte, für verrückt erklärt zu werden. Jeder behielt es für sich, angesteckt von der Massenillusion. Genau so ist der Profifußball : es ist nichts mehr daran, was einem vielleicht einst mal Freude bereitet hat. Und keiner traut sich, das auszusprechen.
Dies tatsächlich eine vielfach bestätigte Beobachtung: eigentlich spürt es ein jeder, dass es von vorne bis hinten ein krankes Geschäft ist, das Spiel in sich selbst krank. Es gibt kaum Torszenen und Tore, man sieht nur noch Fouls, oftmals mit Verletzungsfolgen, man erlebt permanente Ungerechtigkeiten, welche sich jeder auf seine Art erklärt, die Experten und Medien ebenfalls diskutieren aber keine Antworten und keine Lösungen finden, man sieht nur noch pfeifende Fans, die ihrem Unmut auch auf andere Art gerne mal Luft machen, und hier wäre Pyrotechnik vielleicht sogar noch die harmloseste Version, man hört und sieht auch nur noch Spieler und Trainer, Manager, anderweitig Verantwortliche, welche Ansprüchen und Erwartungen herjagen und unzufrieden sind, von unerfreulichen Reporterfragen gequält. Nicht einmal richtigen Jubel gibt es mehr, die Freude an einem schönen Spiel, die Anteilnahme an einem unglücklichen Verlierer, wahre Emotionen der Leidenschaft, tatsächlich faire Gesten, auf oder neben dem Platz, wahre Freundschaften, Vereinstreue, wahre Identifikation, den Verzicht auf einen Vorteil, einfach so, im Sinne eines echten Fairplay, Wahrheiten, Ehrlichkeit. Es ist nichts mehr vorhanden. Jeder spürt es – keiner spricht es aus.
Deshalb sollen hier einmal die Missstände genannt werden. Alle aneinandergereiht, zusammengetragen, was jeder erspürt, was sich dennoch jeder auf seine eigene Art erklärt.
Es mag bei jedem damit beginnen oder einst begonnen haben, dass er selbst dem runden Leder nachjagte. Auf dem Schulhof, auf dem Bolzplatz, im Hof oder im Park, mit Freunden oder Bekannten, einfach so ein bisschen gekickt. Herrlich. Macht Spaß und jeder hätte sich wie selbstverständlich an die Regeln gehalten und vor allem schon rein intuitiv den Gegenspieler nicht gefoult.
Geht man nun erstmals ins Stadion, tut man es vielleicht, weil man eingeladen wird, weil ein Freund geht, weil der eigene Vater geht. Mag sein, dass es ganz am Anfang die Neugierde ist, wie der große Fußball so ganz in echt aussieht. Nur beginnt jetzt schon das erste kleine Problem: man ist fast gezwungen, seine Leidenschaft auf einen bestimmten Verein zu fokussieren. Entweder, man wird direkt Fan, meist der Heimmannschaft – oder man bleibt in Zukunft fern. Als Freund des schönen Spiels Fußball kehrt fast keiner wieder. Weil er nämlich weder schön noch fair ist.
Sobald man sich jedoch zur Anhängerschaft bekannt hat, wird in der Folge jegliche Ereiferung über eine beobachtete Ungerechtigkeit, über Unfairness, über Unschönes, über Foul oder Schwalbe, über falsches Abseits oder ein zu unrecht nicht anerkanntes Tor als Folge der Parteilichkeit ausgelegt. Die Objektivität wird einem abgesprochen. Der wahre Fan ist eben wahrer Fan und sieht was auch immer geschieht durch die vereinseigene Brille. Er fühlt sich und seine Mannschaft benachteiligt. Insofern ist seine Stimme „da stimmt was nicht“ nichts wert.
Der Fan ist zugleich ein treuer Anhänger seiner Mannschaft. Insofern leidet er mit, er reist mit, er kauft jede Saison das neue Trikot, er stattet sich mit vielen weiteren Fanartikeln aus. Ob er das Spiel selbst liebt, ob er das Spiel selbst überhaupt ernsthaft anschaut? Bereits eine offene Frage. Das Fansein selbst ist bereits Kult. Das findet überall Anerkennung. Nur ist einem sinnhaftes Denken bereits abgesprochen. Die volle Identifikation bedeutet: man tut alles für den Verein, man geht durch dick und dünn, man leidet vielleicht mehr als man sich freuen kann, weil die Ansprüche meist von Hause aus zu hoch gesteckt sind, aber dafür kann man die Freude über einen Sieg noch mehr auskosten. Die Fans feiern eigentlich längst sich selbst. Sie feiern nicht das Spiel Fußball. Zugleich jedoch besteht fast das gesamte das Geschäft finanzierende Volk nur noch aus Fans. Und eben nicht aus Fans des Spiels Fußball sondern allesamt als Fans ihrer Mannschaft. Sie mögen das Spiel auch nicht. Sie schauen kaum noch zu. Aber sie sind halt Fans. Sie treffen sich zu einem Event, nicht zu einem Fußballspiel und schon gar nicht aus Freude an dem Spiel oder aus Freude am Zuschauen. Man lebt seine Emotionen aus, das mag noch gelten, nur werden in der überwiegenden Anzahl die negativen angesprochen und insofern ausgelebt.
Es ist tatsächlich eines der Probleme, welche jedoch von den so-und-meist-selbst-ernannten Experten bisher weder erkannt noch angesprochen wurde. Der Zuschauer, auf welchen man das Geschäft stützt, ist Fan einer Mannschaft, mit allen seinen Konsequenzen. Den neutralen Zuschauer, den Freund des Spiels Fußball, den gibt es nicht mehr.
Falls zum Beispiel der Pay TV Sender Sky, der Hunderte von Millionen investiert hat für die Rechte, einen Abonnenten finden möchte, dann kann es nur einer sein, welcher die Spiele seiner eigenen Mannschaft schauen möchte. Einfach so ein Bundesligaspiel schauen? Wer täte das denn? Keine Chancen, keine Tore, viele, viele Fouls und noch mehr ärgerliche Ungerechtigkeiten. Warum sollte man das tun? Kein Wunder also: Sky geht es nicht gut. Sie haben einen Ladenhüter erworben und sie verstehen auch sonst wenig von Marketing, aber selbst falls sie es täten: es wäre vielleicht schon zu spät.
Falls der Sender seiner Verantwortung gerecht werden würde, den Fußball medial gut zu präsentieren, sich an den Bedürfnissen des Zuschauers zu orientieren, tatsächliche Missstände aufzuklären, sich hier und da um die Gerechtigkeit verdient machen würde, dann könnte es vielleicht doch eines Tages gelingen, ein paar Abonnenten hinzuzugewinnen?
Ein weiterer, damit bereits angesprochenen Missstand ist genau jener: man fragt den Zuschauer nicht, was er gerne sehen würde. Das genannte Problem ist bereits vorgeschaltet: zunächst wird man zum Fan werden gezwungen, aber genau nachdem dies geschehen ist, wird man entmündigt. „Was möchtest du gerne sehen? Ja, das wissen wir schon: Siege deiner Mannschaft.“ Schöne Spiele, Spannung, Action, Torszenen, Tore, Fairplay, Gerechtigkeit? Alles nicht gefragt, kein Thema mehr. Siege deiner Mannschaft. Auch das haben wir Medien allerdings vorgegeben. Also selbst da hätte der Fan keine Wahl der Meinungsfreiheit: „Ich sehe gerne ein schönes Spiel mit einigen Toren. Ich drücke meiner Mannschaft die Daumen. Ich leide auch mit ihr, wenn sie verliert. Auch das Leiden gehört aber dazu und stört mich gar nicht so sehr, wenn die Regeln eingehalten werden. Einen dreckigen Sieg meiner Mannschaft? Nein, das möchte ich nicht sehen! Meist bedeutet das: die Regeln zu unserem Vorteil ausgenutzt. Keine Fairness, Zeitspiel, eine Abwehrschlacht? Nein, das macht keinen Spaß. Sie sollen nach vorne spielen und versuchen, ein paar Tore zu erzielen. Falls dies dem Gegner besser gelingt: einverstanden und Glückwunsch an diesen. Vielleicht klappt es ja nächste Woche für uns?“
Die hier vertretene Ansicht ist die: der Zuschauer muss nicht Fan sein, damit ihm das Spiel Fußball Spaß macht. Falls man den neutralen Zuschauer fragen würde, was er gerne sehen würde, dann müsste jener zunächst antworten: „Ich schaue aber nicht. Nicht freiwillig.“ „Gut, dann wird die Frage umformuliert: unter welchen Umständen würdest du denn ein Spiel anschauen?“
„Gut. Darauf kann ich antworten. Ich würde schauen, wenn es fair zuginge. Ständige Fouls sind hässlich. Spieler verletzen sich und der Spielfluss wird unterbrochen. Es müsste viele Chancen geben, auf beiden Seiten, und es müsste öfter mal ein Tor fallen. Das macht Spaß, wenn man neutral ist. Dann müsste es gerecht zugehen. Also ein Elfmeter hier gegeben und dort verweigert, ein Abseits, hier fälschlich als solches erkannt, dort nicht erkannt, das ist ärgerlich und macht keinen Spaß. Zeitspiel ist so ziemlich das Schlimmste, was es gibt. Das kann man nicht ertragen, wenn ständig Spieler am Boden liegen und einer Behandlung zu bedürfen scheinen und stets das gleiche Trikot der gerade führenden Mannschaft tragen, nein, das kann man nicht mit anschauen.“
Sollte ein Zuschauer jedoch Fan sein, so könnte er noch immer eine eigene Ansicht vertreten dessen, was er im Spiel seiner eigenen Mannschaft sehen möchte. Ob ihm da eine Niederlage weh tut oder ob er sie ertragen könnte, ob er die Spielszenen vielleicht unterschiedlich bewertet aufgrund des Wunschgedankens, dass es zugunsten seiner eigenen Mannschaft geschähe. Nur wäre auch dieser Zuschauer nur dann Fan einer Mannschaft, wenn diese überhaupt spielt. In den vielen anderen Spielen, wo sie nicht teilnimmt, wäre er nicht nur als Zuschauer herzlich willkommen sondern könnte sich dort vorab vermutlich der Meinung anschließen: es macht Spaß, wenn Tore fallen und es gerecht zugeht und so weiter. Folglich wäre JEDER Zuschauer vielleicht ab und an mal Fan, aber viel häufiger wäre er selbst der so allseits vermisste, aber dringend zum Geschäftserhalt erforderliche neutrale Zuschauer.
Kurze Zusammenfassung: man müsste den neutralen Zuschauer für das Spiel zurückgewinnen. Dazu müsste man ihn zunächst fragen, was er gerne sehen würde, damit er zuschauen würde. Er würde sich garantiert dafür entscheiden, dass es viele Tore wären und ansonsten fair zuginge – um die zentralen Punkte herauszupicken.
Man könnte nur noch die Frage stellen, warum auf so etwas Einfaches noch keiner gekommen ist. Es ist immer wieder das gleiche Problem: die scheinbare Größe des Fußballs scheint jegliche derartige Überlegungen zu verbieten. Der Fußball ist schon groß, da muss man nicht mehr über den Zuschauer nachdenken oder ihn gar befragen. Zumal man ja zu wissen meint, was er sehen möchte: Siege. Seiner Mannschaft.
Antwort auf diese sich über Jahrzehnte haltende Überlegung des fehlenden Erfordernisses, sich am Zuschauer zu orientieren: es ist fünf vor zwölf. Die Zuschauer wandern in Scharen ab. Die wenigen genannten Zuschauer mögen erhalten geblieben sein, aber auch bei jenen regt sich Unmut, in alle Richtungen.
Ein weiteres Problem ist, dass Strafen für Regelverletzungen keineswegs darauf abzielen, eine Wiederholung derselben zu demotivieren. Foulspiel gehört dazu, so scheint man zu vertreten?! Warum wäre dies so? Ein jedes Spiel – mit der Möglichkeit, es auf das „richtige Leben“ oder auch „den Straßenverkehr“ zu übertragen – funktioniert nur, wenn sich alle an die Regeln halten. Sollten sich Sünder finden: man versucht, ein Strafmaß zu finden, welches eine abschreckende Wirkung hat. „Tu das nicht. Sonst schadest du dir.“ Im Fußball müsste man ergänzend hinzufügen: „Sonst schadest du dir und deiner Mannschaft.“
Sollte man heute ein fast beliebiges Foulspiel hernehmen und überprüfen, inwieweit die eine das Foul verübende oder jene das Foul hinnehmende Mannschaft davon profitiert. Es mag sich die Waage halten, falls nicht doch – nach hier vertretener Ansicht – die das Foul verübende Mannschaft häufiger profitiert. Jedoch wäre auch ein Gleichgewicht – mal profitiert dieser, mal jener – letztendlich eben kein faires Gleichgewicht. Denn es hieße für den ein Foul anvisierenden, ein Foul planenden, ein Foul ausführenden Spieler nur: tu es oder lass es sein. Kein Unterschied.
In letzter Konsequenz wäre es also egal, ob man nun foult oder nicht. Weder Vor- noch Nachteil. Und dies kann unmöglich im Sinne der Gerechtigkeit sein.
Eine Strafe für ein Vergehen muss immer so ausfallen, dass man möglichst keine Wiederholung sieht. Das muss das Ziel sein. Ein potenzieller Straftäter, ein Sünder, ein die Regel Verletzender Spieler müsste unbedingt dabei schlecht abschneiden, mit Nachteil herauskommen, von den Mannschaftskollegen ermahnt und nicht etwa belobigt werden. „Gut, dass du den umgehauen hast. So haben wir wenigstens kein Tor kassiert.“
Sinnbildlich dafür steht allein schon ein Begriff, welcher den Widersinn schonungslos aufdeckt, ohne dass der den Begriff erschafft habende davon Kenntnis hatte. Es ist ein entlarvender Begriff – wenn man nur genau genug hinschaut.
Der gemeinte Begriff ist das so genannte „taktische Foul“. Jeder, der ein solches verübt, könnte auf die Frage „warum hast du es getan?“ leider nur so ehrlich antworten: „Ich wollte meiner Mannschaft helfen.“ Eine Frage müsste man eigentlich vorausschicken und eine anschließen. Die anzuschließende wäre die: „Hat es geklappt?“ Darauf müsste der Sünder, allerdings mit Schamesröte im Gesicht, zugeben: „Ich habe zwar Gelb bekommen, wie es in den Regeln steht, aber dennoch haben mir die Mannschaftskameraden in der Kabine auf die Schulter geklopft mit den Worten ´gut gemacht. Du hast uns den Sieg gerettet.´“
Die vorausgehende Frage hätte lauten müssen: „Aber du wusstest doch, dass das Foulspiel von den Regeln her verboten ist?“ Diese Frage mag zwar Verblüffung auslösen – wie auch beim Leser hier –, aber man kann sie nur ehrlich beantworten mit: „Ja, na und?“
Es wäre vergleichbar damit, dass ein Mensch einer älteren Dame die Handtasche entwendet und zur Strafe diese zurückgeben müsste. Allerdings hätte er vermutlich zuvor Teile des gefundenen Geldes ausgegeben. Sprich: er hat profitiert, selbst im allerschlimmsten Fall.
Ein weiteres derartiges Unwort ist das Wort „Zeitspiel“. Wenn man genau übersetzt, was derjenige tut, der „Zeitspiel“ betreibt, dann klingt es etwa so: „Ich setze illegale Mittel ein, um etwas Zeit herauszuholen und damit meine Mannschaft dem Sieg näher zu bringen.“
Das Eingeständnis ist gegeben. Man spielt auf Zeit, weil man in Führung liegt und gerne den Sieg sicherstellen möchte. Die „Legalität“ dessen bezieht man vor allem daraus, dass niemand etwas dagegen tut und zugleich, dass man genau weiß, dass es der Gegner auch nicht anders tun würde, wenn er das Ergebnis auf seiner Seite hätte. Davon ist es aber noch lange nicht legal. Vor allem nicht insofern, als es sehr leicht erkennbar ist. Ein Einwurf wird nicht ausgeführt, ein Abschlag zieht sich ewig hin, ein Spieler wälzt sich verletzt am Boden, springt aber kurze Zeit später wieder auf und zeigt keinerlei Anzeichen einer Verletzung mehr. Vor allem: man nimmt eine Auswechslung vor, bevorzugt in der Nachspielzeit. Das Paradoxe daran: man möchte so ganz offensichtlich die dadurch verursachte, zusätzlich anzuhängende Extrazeit vermeiden, welche dann angehängt würde, wenn man es VOR Ablauf der neunzig Minuten und der Anzeige der Nachspielminuten täte. Sprich: die eine Minute, welche man mit dem Auswechseln verbringt, wird auf diese Art komplett eingespart. Nur hätte dies jeder bemerkt. Wenn man dies als Regelverantwortlicher vermeiden wollte, dann würde man nicht etwa EINE zusätzliche Minute anhängen, sondern analog zur Strafe für ein Foul, welche gegeben sein müsste, um dauerhaft Foulspiele zu eliminieren, müsste man ZWEI Minuten anhängen.
Man muss dabei immer berücksichtigen, dass sich die zuschauenden Fans hier neutralisieren dürften was die Leidenschaft angeht – was aber nicht heißt, dass es etwa gerecht wäre geschweige denn dadurch etwa aggressive Übergriffe ausblieben –, aber der neutrale Zuschauer selbst sich längst abwendet und nur noch den Kopf schüttelt. „Was soll das denn? Da kann man ja nicht mehr zuschauen.“ Und er tut es nicht. Er schaut einfach nicht. Nur wäre genau der neutrale Zuschauer derjenige, welchen es zurückzugewinnen gälte, da er nämlich einen wesentlich höheren Beitrag leisten könnte als die vielleicht in Zukunft in Unterzahl befindlichen wenigen Fans dieser oder jener Mannschaft.
- Fußball als reiner Fansport
- Des Kaisers neue Kleider
- Der Zuschauer hätte zu bestimmen, was er sehen möchte
- Rückgewinnung des neutralen Zuschauers
- Das Strafmaß. Es müsste, so wie im Straßenverkehr und im Gesetzbuch darauf angelegt sein, Regelverletzungen zu eliminieren – tut es im Fußball NICHT. Strafe als Belohnung?
- Das taktische Foul
- Zeitspiel
- Die Anomalie beim Elfmeterpfiff
- Die spielimmanente Ungerechtigkeit
- Die Angst vor Tore begünstigenden Fehlentscheidungen
- Elfmeter ist die falsche Entscheidung
- Die Abseitsproblematik
- Schwalben – Verteidiger oder Stürmer macht sie?
- Der von den Medien dazu gemachte „reine Ergebnissport“
- Das defensive Denken, gegen die Tore gerichtet, von Spieler, Trainern, Berichterstattern und vor allem Schiedsrichtern. „Bloß kein Tor“ oder „bloß keine Torszene“, dann wird es heikel.
- Die Dreipunkteregel
- Was ist ein Vorteil?
Es dürfte jeder einzelne Punkt in dieser Form noch nicht genannt sein, allgemein unbekannt, nicht diskutiert, die Aufmerksamkeit dafür höchstens einzeln mal gegeben, aber nie im größeren Zusammenhang. Dieser soll hier hergestellt werden in der Absicht, den Fußball wieder spannend, unterhaltsam, fair und gerecht und somit für jedermann zugänglich zu machen. Insgesamt sind die Alarmzeichen höchst Besorgnis erregend, ganz anders als „das ganz große und immer weiter wachsende Geschäft“ könnte sich um eine Luftblase handeln und, ähnlich wie ein Börsencrash, der große Einsturz bevorstehen, wenn diese Alarmsignale nicht richtig verstanden, gedeutet, interpretiert werden – und darauf reagiert wird.
Falls je von Änderungen die Rede ist, dann sind diese stets so anschaulich und einfach dargestellt, dass man sich ihnen spielend anschließen kann. Selbst wenn sie in dieser Form noch nicht gehört wurden.
Allgemein dürfte man hinzufügen, dass die derart angesprochenen einzelnen Punkte und Vorschläge, gerade aufgrund der Tatsache, in dieser Form noch nicht bekannt zu sein, auf eine spontane Abwehrreaktion stoßen. Man hätte doch längst … wenn da was dran wäre. Das Studium dürfte sich dennoch lohnen.
Über den Autor soll zumindest so viel vorweggeschickt werden: seit frühester Kindheit schon ein wahrer Anhänger des Fußballs, der jedoch die mangelnde Kleidung des Kaisers stets im Auge behielt und offen aussprach. Die Anhängerschaft bezieht sich jedoch bei ihm tatsächlich auf das Spiel Fußball und nicht eines Vereins oder eines Nationalteams.
Er hat nicht nur ab frühester Jugend schon den Fußball verfolgt und intensiv beobachtet, sondern zu allen Zeiten auch schon Statistiken angefertigt, welche sehr tief gehend sind und welche oftmals abweichende Erkenntnisse zutage förderten als sie ansonsten vorzufinden sind. Im Laufe der Zeit entwickelte er daraus Modelle zur Wahrscheinlichkeitsvorhersage von Spielausgängen und machte dies zu seinem Beruf, indem er mit diesen Modellen über dreißig Jahre lang am Wettmarkt erfolgreich war als Spieler und nicht etwa als Anbieter.
Die Kombination seiner Leidenschaften – wahrer Anhänger des Spiels zu sein gepaart mit der Berufswahl des professionellen Spielers – zwang ihn dabei zur absoluten Objektivität, was ihn somit von einem Großteil der Menschen, die selbst im Profigeschäft tätig sind, in den verschiedensten Rollen, aber auch den ansonsten den Fußball zu finanzierenden Zuschauern unterscheidet. Hierbei geht es lediglich darum, seinen Aussagen Gewicht zu verleihen.
Zu den einzelnen Problempunkten noch einmal kurz:
- Fußball als reiner Fansport
Das Problem hier: man muss Fan einer Mannschaft sein, um Spiele schauen zu können. Man schaut Fußball also nicht, weil es so ein schönes, faires, spannendes, gerechtes, unterhaltsames Spiel ist sondern weil man seine Mannschaft siegen sehen möchte. Als Problem so nicht erkannt, aber erwähnenswert. Vor allem im Zusammenhang mit Punkt 3), dass es quasi keine neutralen Zuschauer mehr gibt, welche aus purer Freude am Spiel dabei sind.
- Des Kaisers neue Kleider
Es deutet eine Menge darauf hin, dass sehr viele Menschen mit dem Fußball und seiner Art, der Kommerzialisierung, der Entwicklung der Regeln, der Spannung im Spiel, dem mangelnden Fairplay, der Berichterstattung unzufrieden sind und eigentlich erkannt haben, dass es vielleicht mal schön war und auch Spaß gemacht hat aber dies nur auf Reminiszenzen aufgebaut ist. Man schaut heute noch aus Tradition, aber nicht aus wahrer Begeisterung. Der Kaiser hat gar keine Kleider an – aber alle müssen staunen und keiner traut sich, die Wahrheit auszusprechen. Er ist nackt, er hat gar nichts an, so, wie der Fußball einfach keinen Spaß mehr macht, aber alle so tun als ob…
- Der Zuschauer hätte zu bestimmen, was er sehen möchte
Über den Fan ist bereits gesprochen worden. Jener mag weiterhin seine Bedeutung haben und für den Fußball wichtig sein und diesen mit am Leben erhalten. Jedoch müsste man sich viel mehr um den neutralen Zuschauer sorgen. Den neutralen Zuschauer gibt es im Prinzip nicht mehr. Jenen, der ein Fußballspiel über neunzig Minuten anschaut ohne eine Fanbeziehung zu dieser oder jener Mannschaft. Diesen müsste man befragen, warum er nicht mehr da ist. Dieser müsste mitbestimmen, was ihm am Fußball Freude machen könnte und wie er ihn gerne sehen wollte. Es gab nie Umfragen, was die Menschen gerne sehen wollten. Man hielt dies aufgrund der vermeintlichen Größe dieses Sports nicht für erforderlich. Die Ansicht besteht aber sehr dringend: man müsste es tun. Umfragen starten, was man gerne sehen würde und was nicht.
- Rückgewinnung des neutralen Zuschauers
Dies ist natürlich in 3) schon so weit behandelt. Sollte sich der neutrale Zuschauer überhaupt zu einer Umfrage bereit erklären, so müsste man nur noch auf die Ergebnisse der Umfrage eingehen.
Die theoretisch antizipierten Ergebnissen lauten in etwa so: der Ball soll rollen, es soll spannend, unterhaltsam und gerecht sein. Unsportlichkeiten sind unerwünscht, das möchte keiner sehen. Kein Foulspiel, keine Schwalben, keine Verletzungen, keine Rudelbildung, kein Zeitspiel. Dafür möglichst viele spannende Torszenen und Tore.
- Das Strafmaß. Es müsste, so wie im Straßenverkehr und im Gesetzbuch darauf angelegt sein, Regelverletzungen zu eliminieren – tut es im Fußball NICHT. Strafe als Belohnung?
Auch diese Überlegung als solche noch nicht angetroffen. Eine jede Regelverletzung ist bei jedem Spiel unwillkommen. Die einwandfreie Durchführung und er Spielspaß ergeben sich, wenn die Regeln von allen Seiten eingehalten werden. Dafür sind sie da. Insofern müsste eine Regelverletzung stets so geahndet werden, dass eine Wiederholung derselben möglichst nicht wieder vorkommt. Gesichert müsste auf jeden Fall sein, dass dem Sündiger, dem Straftäter, aus einer Straftat kein Vorteil erwächst. Dies ist im Fußball genau wie im Straßenverkehr oder im Gesetzbuch dringend zu gewährleisten. „Crime don´t pay“ muss die Maxime lauten. Ist im Fußball nicht gegeben.
- Das taktische Foul
Zum Beweis für Punkt 5): es gibt das taktische Foul. Dieses begeht der Foulspielende deshalb, weil er daraus einen Nutzen zieht. Sonst wäre der Begriff hinfällig und es müsste durch „ein genauso dummes Foul wie jedes andere“ ersetzt werden. Das taktische Foul ist die Variante, wo der Begriff bereits den Wiedersinn der Regeln aufzeigt. Wenn du taktisch foulst, bekommst du zwar persönlich Gelb – aber das ist noch immer besser, als wenn du deinen Gegenspieler ziehen lässt.
- Zeitspiel
Dieser Begriff genauso paradox wie das taktische Foul. Sowie das Zeitspiel erkannt ist – sonst gäbe es den Begriff ja nicht – dürfte es bereits nicht mehr funktionieren. Es muss möglich sein, ein solches für den Zuschauer nicht erträgliches und hinnehmbares Gebaren auszuschließen. Wer auf Zeit spielt, hat davon Nachteile. Genau wie von jeder anderen Regelverletzung. So, wie es im Fußball praktiziert wird, ist es das ganze Gegenteil. Der Zuschauer wendet sich ab, sofern er nicht parteiisch ist. Wenn er parteiisch ist, erträgt er es ebenfalls nur, weil ihm das gleiche Unrecht davor auch schon mal zuteil wurde.
- Die Anomalie beim Elfmeterpfiff
Jede einzelne Regelübertretung hat eine ausgesprochen „milde“ Strafe zur Folge. Beim taktischen Foul ist die Strafe SO milde, dass man es gerne begeht, insofern sogar eine Belohnung erhält. „Was ist dir lieber, Gelb oder eine Torchance für den Gegner?“ „Gelb natürlich!“ „Was muss du dazu tun?“ „Nur eine kleine Regelverletzung.“ „Ah, gut. Also müssen wir das ändern.“
Nur beim Elfmeter ist es so, dass die Strafe in einem für den Angreifer günstigen Verhältnis steht. Das heißt: er würde jederzeit den Elfmeter nehmen, mit sehr wenigen Ausnahmen in jeder Situation, da es keine größere Torchance gibt. Nur tun sich die Schiedsrichter genau wegen dieses Missverhältnisses übertrieben schwer, einen Elfmeter zu verhängen. Es gibt die meisten Diskussionen um Elfmeter, genau, weil man sich dieses Problem eingehandelt hat, beispielsweise mit der Aufrechterhaltung dieser einzigen Strafe für eine Regelverletzung der Abwehrpartei im eigenen Strafraum. Siehe auch 11).
- Die spielimmanente Ungerechtigkeit
Es gibt eine spielimmanente Ungerechtigkeit. Diese spürt im Grunde jeder, nur gibt es Niemanden, der es ausspricht. Wobei diese Einschränkung für einige der genannten Punkte zutrifft.
Diese Ungerechtigkeit ist die folgende: Stürmer und Verteidiger haben unterschiedliche Rechte. Auch diese Äußerung so noch nicht gehört, aber es gibt eine Reihe von Belegen dafür.
Zunächst die Beobachtung: Verteidiger und Stürmer hätten im Zweikampf die gleichen Mittel eingesetzt. Dann wird man in weit mehr als 90% der Fälle entweder auf Stürmerfoul entscheiden oder auf Weiterspielen. Der Verteidiger HAT dann nicht gefoult. Wobei es über das „beide haben gehalten, gezogen, gezerrt“, was ein Kommentator dann befindet, noch darüber hinaus zu beurteilen wäre, von wem die Regelverletzung ausging, sozusagen die alte Kindergartenfrage: „Wer hat angefangen?“ Und tatsächlich ist es in dem Falle so, dass in der überwiegenden Mehrzahl diese Frage klar zu beantworten ist: der Verteidiger tut es. Er ist auf Torverhinderung aus, also ist er der Zerstörer, leider auch der Zerstörer des sehenswerten Fußballs. Sein Zerstörerrolle beinhaltet dabei, den positiven Fußball nicht zuzulassen. Er MUSS dazwischen gehen, das wird von ihm verlangt. Und er muss die Regeln so weit ausdehnen, wie es geht. Oder halt noch ein Stückchen weiter (siehe 5) und 6)). Er foult eben, wenn es sein muss. Dies hat zugleich etwas mit seiner fußballerischen Veranlagung zu tun. In aller Regel ist der Angriffsspieler der ballgewandtere und häufig schnellere Spieler. Also: die Foulaktion geht vom Verteidiger aus.
Der Angreifer hat im Gegenzug zwei Möglichkeiten: entweder, sein Schicksal hinzunehmen oder sich zu wehren. Wenn er das Schicksal hinnimmt, verliert er den Ball und erzielt so oder so kein Tor. Wehrt er sich, hat ER gefoult. Er erzielt ebenfalls kein Tor und der Ball ist weg.
Die Belege für diese Beobachtung sind zum Beispiel in der Reaktion der Spieler zu finden. Ein Verteidiger, der einen Gegenspieler behindert aber hofft, ohne Freistoß gegen sich davon zu kommen, hebt rein intuitiv die Arme. „Ich habe nichts getan.“ Wobei er damit zugleich bekennt, DOCH etwas getan zu haben. Wozu sonst überhaupt eine Geste?
Der Angriffsspieler erobert den Ball, auf die gleiche oder eine wesentlich weniger foulträchtige Art. Es erfolgt ein Pfiff und er läuft kopfschüttelnd davon. Diese ebenfalls intuitive Geste sagt aus: „Was soll ich denn jetzt schon wieder gemacht haben?“ Und genau so ist die Geste auch zu deuten: er hat tatsächlich nichts getan und wird dennoch dafür bestraft. Meist dafür bestraft, dass er nun eine Torchance hätte, welche vom Schiedsrichter nicht zugelassen wird.
Eine Art weiterer Beleg wäre zunächst eher ein Test, eine Art Gedankenexperiment. Man müsste Szenen zusammenschneiden, über welche Schiedsrichter zu befinden hätten, ob sie Foulspiel/Handspiel oder nicht waren. Diese Szenen werden so erhalten, wie sie sind. Nur erkennt man nicht den Ort auf dem Spielfeld. Näher an diesem oder an jenem Tor? Im Mittelfeld, im Strafraum? Nun müsste man die Entscheidungen, welche bei Ansicht dieser Bilder getroffen würden mit jenen vergleichen, die im Spiel tatsächlich getroffen wurden. Ohne jeglichen bösen Willen. Einfach nur so: entscheidet mal bitte, ob das ein Foul oder ein Handspiel war. Das war Foul? Gut, so würdet ihr es jetzt entscheiden. Wie war die Entscheidung im Spiel?
Die Überzeugung besteht hier: a) die Schiedsrichter würden sich darauf nicht einlassen.
b) falls sie es doch täten, käme heraus, dass sie wesentlich häufiger gegen die Stürmer entschieden haben, im Spiel, als sie es im Nachhinein, in Unkenntnis der Position auf dem Feld, getan hätten oder auch
c) sie würden erkennen, dass sie eine Entscheidung NUR DANN treffen können, wenn sie wissen, wo die Situation war. Dies würde sie allerdings auch überführen in dem Sinne, dass die Stürmer benachteiligt wären.
- Die Angst vor Tore begünstigenden Fehlentscheidungen
Dies ebenfalls ein so wohl noch nie gehörtes Phänomen. Warum sollte man Angst vor Toren haben, vor Entscheidungen, welche diese begünstigen könnten?
Das Problem ist vielschichtig. Eine der Schichten ist diese: ein einzelnes Tor ist, aufgrund der geringen Anzahl der Treffer insgesamt, sehr häufig entscheidend. Selbst wenn nicht immer spielentscheidend, so doch zumindest die Wahrscheinlichkeiten extrem verschiebend, aber auch den Spielverlauf direkt so beeinflussend, dass man dafür lieber nicht verantwortlich sein muss.
Eine andere Schicht ist diese, dass eine gewaltig erhöhte Wahrnehmung für eine derartige Fehlentscheidung die Folge ist. Also: dieser Fehler hat ein Tor verursacht und damit das Spiel entschieden. Das wird noch wochenlang heiß diskutiert.
Ein anderer Fehler, welcher lediglich einen Angriff unterbunden hat aufgrund einer fälschlich erkannten Abseitssituation, wäre bereits im nächsten Moment vergessen. „Oh, das war ja gar kein Abseits. Na, das war aber auch schwer zu erkennen und sehr knapp.“ Ein Irrtum hier , ein Tor gegeben, welches nicht regulär war – eine riesige Aufregung. Ein Irrtum dort, ein Tor, welches möglicherweise hätte gefallen sein können, wenn nicht die Fahne hochgegangen wäre — kein Hahn kräht danach.
Als dritte Ebene könnte man die psychologische anführen. Angenommen, ein Tor wird anerkannt, welches nicht hätte zählen dürfen. Ein anderes fiel und hätte gelten müssen, wurde aber fälschlich nicht gegeben. Nun ist der Einfluss auf den Ausgang des Spiels bei beiden Fehlern im Grunde gleich groß. Nur ist die Wahrnehmung logischerweise bei dem Treffer, welcher einen Eintrag findet in die Geschichtsbücher, zumindest in die Tabellen, wesentlich größer als bei jenem, welches zwar hätte zählen müssen aber nie auf dem scoresheet auftauchte. Also unabhängig von der generellen Auslegung der Regeln zu Ungunsten der Angreifer würde dieses Problem immer bestehen bleiben, aufgrund dieser psychologischen Nuance. Sobald man sich das klar macht allerdings hat man die Chance, dagegen zu steuern.
- Elfmeter ist die falsche Entscheidung
Die Entscheidung „bei Foulspiel oder Handspiel im Strafraum gibt es Elfmeter“ ist wohl die problematischste im gesamten Spiel. Man dürfte im Grunde bei jedem ausgetragenen großen Fußballspiel (also jedem Spiel im Profibereich) mindestens eine, meist mehr als eine dieser „kritischen Szenen“ erleben, welche diskutiert werden. Sowohl bereits während des Spiels, von Kommentatoren, den Spielern, teils dem Schiedsrichter, heute auch dem Videoassistenten. Diese Diskussionen sind oftmals kontrovers und führen selten zu einem klaren Ergebnis. Mehr und mehr trifft man heute die so genannte fifty-fifty Situation an, bei welcher es angeblich offen ist und einer so, der andere so entscheidet. Dies ist zwar ein Irrtum, würde aber selbst wenn es stimmte nicht viel ändern. Rein intuitiv möchte der Schiedsrichter nicht auf Elfmeter entscheiden (müssen).
Er weiß auch, dass das eine Tor, welches in der überragenden Vielzahl der Fälle daraus entsteht, das Spiel entscheiden könnte beziehungsweise würde, aber auch, dass das erkannte Foulspiel fast immer an der Grenze war. Also der Abwehrspieler dürfte sich Mühe geben, nicht etwa ein KLARES FOUL zu begehen, damit es möglichst einfach wird für den Schiri sondern er wird versuchen, möglichst nur so zu behindern, dass es nicht auffällt, nur ganz wenig schubsen, ziehen, zerren, halten, sperren, dass es kein Foul ist aber halt auch kein Tor wird. Insofern überwiegen in der Vielzahl der Fälle letztendlich die Zweifel und er entscheidet gegen den Strafstoß.
Das Problem ist übrigens auch hier teilweise ein psychologisches beziehungsweise von den Medien die Aufmerksamkeit schon lange in die falsche Richtung gelenkt. Angeblich möchte der Stürmer IMMER einen Elfmeter haben, so dass er sehr argwöhnisch beobachtet wird. Er wäre auf einen aus gewesen, deshalb ist es hier keiner, so in etwa. Aus der Position des Stürmers heraus könnte man es umgekehrt aber so beschreiben: fällst du hin bekommst du ihn nicht, weil du gefallen bist und ihn haben wolltest. Ein Foul war da, aber nur ein ganz leichtes, ausreichend um einen aus dem Tritt zu bringen. Fallen oder weiterspielen? Entscheidest du dich für weiterspielen bekommst du ihn nicht, weil du offensichtlich weiterspielen konntest und ihn genauso offensichtlich gar nicht haben wolltest. Du bekommst ihn also so nicht und so auch nicht – aber ein Tor wird es auch nicht, da du ausreichend aus dem Tritt oder dem Gleichgewicht gebracht wurdest. Kein Elfer, kein Tor.
Ein letzter Aspekt ist der, dass ein Elfmeter tatsächlich in den meisten Fällen eine gewaltige Anhebung der Torchance ergibt. Ohne Foul, ohne Elfer, einfach so, aus der Situation heraus wären es 10%, manchmal 20% für ein Tor. Nach dem Pfiff oder durch den Pfiff wären es auf einmal 80% oder sogar mehr heutzutage. Auch davor scheut sich der Schiedsrichter. „Ich kann denen doch dafür kein Tor schenken? Nein, das reicht nicht aus.“
Das Spiel entscheiden UND die kleine Torchance aufwerten? Nein, alles spricht dagegen. Da fehlt der Mut. Dies ist allerdings auch in der Wahrnehmung der Medien, der anderen Beteiligten sowie der Zuschauer so. „In so einem wichtigen Spiel kann er doch nicht einfach mal so auf den Punkt zeigen?“ So in der Art könnte ein, manchmal nur intuitiv empfundener Gedanke sein, aber sogar gelegentlich so ausgesprochen.
Die Regel wurde einmal so vor weit über 100 Jahren niedergeschrieben und im Anschluss zwar hier und da geringfügig modifiziert, dennoch blieb das Wesentliche erhalten: eine riesige Torchance, fast die größte denkbar mögliche. Nur: warum denkt man nicht darüber nach, diese anzupassen, zu ändern? Zumindest sollte es möglich sein, eine alternative Strafe einzuführen für geringwertige, aber dennoch klar erkennbare Vergehen. Beispiele wären: eine kurze Ecke oder einen freien Schuss aus sechzehn Metern, gerne auch die Entfernung weiter variieren. Also vierzehn, sechzehn, achtzehn, je nach Schwere des Vergehens. Die kurze Ecke wäre dem Hockey entlehnt. Mal schauen, ob sich da nicht ein paar interessante, torgefährliche Varianten entwickeln ließen, die ein Tor gut möglich aber längst nicht so wahrscheinlich wie bei einem Strafstoß machen?
- Die Abseitsproblematik
Die Abseitsregel ist vergleichbar mit der des Elfmeters. Sie ist eine der überragend kritischen, sollte aber dennoch im Grunde erhalten bleiben. Zu verändert das Spiel, wenn man hier etwas ändern wollte.
Wichtig bei dieser Entscheidung wäre jedoch, sie absolut korrekt anzuwenden. Dies gelingt leider nicht und sorgt, ähnlich wie die Elfmeterentscheidungen, regelmäßig – praktisch in jedem Spiel – für Diskussionen, Unmut, Zweifel, Fehler. Falls man das Abseits vermeiden könnte, hätte man meist eine sehr große Torchance. Der Stürmer startet genau rechtzeitig, der Pass kommt exakt, kein Abseits, zwei Meter Vorsprung, ein Tor. So wäre eine Form des Ideals. Die Chance ist jedenfalls sehr groß, wenn man auf diese Art die Abwehr ausspielt.
Das Denken ist hier grundsätzlich wie beim Elfmeter. Falsch beziehungsweise gegen die Tore gerichtet. Die Angst des Mannes an der Linie, die Fahne unten zu lassen, ein Tor zuzulassen und später zu erfahren, dass es doch abseits war ist der Albtraum. Dies würde, wie beim Elfmeter, oft wochenlange Diskussionen hervorrufen und als spielentscheidender Fehler in Erinnerung bleiben. Der umgekehrte Fall, die Fahne hoch zu nehmen und im Anschluss festzustellen, dass es knapp aber falsch war ist in der Wahrnehmung fast gleich null. Also lautet die Devise: zur Sicherheit immer die Fahne hoch.
Die USA haben zur WM 1994 nur diesen kleinen Vorschlag gemacht. Seitdem ist es eher wie ein geflügeltes Wort, die Umsetzung blieb komplett aus. Ihre Idee war: im Zweifel für den Stürmer. Also: ist der Assistent nicht ganz sicher, soll er die Fahne unten lassen. Dass er in der Folge nicht beschimpft wird für den spielentscheidenden Fehler, dafür sollte diese Empfehlung dienen. Du bist nicht sicher: du darfst dich irren. Bloß nicht zu Ungunsten der Tore irren bitte! Die Tore sind das, die das Spektakel zu einem wahren Spektakel werden lassen, es ist das, was die überragende Anzahl der Zuschauer sehen möchte.
Hätte man diese Regel je angefangen zu beherzigen, so hätte dies natürlich den berühmten Fortpflanzungseffekt. Hier unten gelassen, knapp falsch, ein Tor, aber macht nichts, die meisten haben sich gefreut. Dort unten gelassen, ein minimaler Fehler, wie das Standbild zeigte: auch schade, aber es gab in Vorgängersituationen auch schon das Beispiel: nicht so schlimm, weiter so. Das ist nicht das Problem. Das Problem wäre – bei Umsetzung der Empfehlung – umgekehrt: ein Spieler zu Unrecht zurückgepfiffen: „Was sollte das denn? So etwas darf aber nicht passieren, wir alle hätten uns über ein Tor gefreut, der Assistent hatte was dagegen. Die Regeln hätten ihm ein anderes Handeln angeraten. Dies hat er vernachlässigt oder gar verletzt. Nein, so wollen wir das nicht.
- Schwalben – Verteidiger oder Stürmer macht sie?
Vermutlich genau wie jeder andere Punkte: so etwas hat man noch nie gehört. Ein Verteidiger macht eine Schwalbe? Das gibt es doch gar nicht! Ganz richtig. Es gab noch nie eine Entscheidung, mit welcher eine Schwalbe eines Verteidigers angezeigt oder geahndet wurde. Bedeutet dies aber zugleich, dass so etwas noch nie vorgekommen ist?
Die Geschichte der Schwalbe ist vielleicht historisch gesehen eine sehr lange, aber man könnte es vielleicht auch kurz zusammenfassen: der Begriff „Schwalbe“ wurde dafür eingeführt, dass ein Stürmer im Strafraum ein an ihm begangenes Foul vortäuscht, indem er sich meist – in der Theorie – theatralisch fallen lässt, obwohl er nicht einmal berührt wurde. Für solch schändliches Verhalten, welches — bei Gelingen – aus einer Nicht-Torchance beinahe ein ganzes Tor macht sieht die Regel die gelbe Karte vor sowie Freistoß für die verteidigende Mannschaft. Das mag in diesem Fall tatsächlich angebracht sein. Es war nichts, man hat aber etwas vorgetäuscht und dafür den maximalen Lohn erhalten.
Es mag ein paar berühmte Beispiele dafür geben und es hat sich so festgesetzt in den Köpfen, dass Schwalben so ziemlich das übelste ist, was dem Sport angetan werden kann. Würde man heute eine Umfrage starten, welche Unart man verbannen möchte und dem Befragten freie Wahl lassen – also nicht etwa eine Vorauswahl anbieten – dann würde man vermutlich unter den Top drei die Elimination von Schwalben finden.
Diese übertrieben scharfe Wahrnehmung dieses Täuschungsversuchs hat vielleicht auf diese Art historisch ihre Bewandtnis sowie eine gewisse Berechtigung, jedoch hat sich daraus etwas bis heute (Stand: 2019) weiter entwickelt, was so längst nicht mehr stimmt, richtig ist, fair ist, dem Fußball und der Gerechtigkeit sowie der Spannung zuträglich ist.
Denn: die Aufwertung, welche die Torsituation, die sich gerade anbahnt, durch den Zuspruch eines Elfmeters erfährt liegt nicht in der Verantwortung des Stürmers. Die angreifende Mannschaft möchte nur gerne angreifen dürfen und am besten dabei nicht durch Foulspiele gestört werden. Wenn diese doch stattfinden soll bitte die im Regelwerk vorgesehene Strafe verhängt werden. Falls dies Elfmeter ist? Nehmen wir gerne. Nun wird quasi jedem Angreifer unterstellt, auf diese Aufwertung aus zu sein. Da dieser jedoch die Erfahrung längst gemacht hat, dass er mit diesem Bestreben keinen Erfolg hat, sondern stattdessen meist verwarnt aber falls das nicht, so auf jeden Fall keinen Elfmeter bekommt, so unterlässt er das Verhalten. Es gibt eigentlich gar keine Schwalben mehr. Die Unterstellung jedoch bleibt.
Was es längst gibt – siehe auch Punkte 8 )und 11) – sind Stürmer, die zwar leicht, schwerer oder richtig, gefoult werden, die aber dennoch versuchen, weiter zu spielen. Sie versuchen sogar manchmal, nicht einmal mehr zu Boden zu gehen, trotz klarer Behinderung, und dies aus drei guten Gründen: a) sie würden eh keinen Elfer bekommen, b) eher bestünde die Gefahr, verwarnt zu werden als einen Elfmeter zu bekommen und c) haben sie vielleicht trotz der Behinderung noch immer die Chance, ein Tor zu erzielen. Also: bloß nicht fallen geschweige denn fallen lassen. Man sieht sogar vermehrt in der heutigen Zeit Spieler, die sogar zu Boden gehen, da sie eigentlich schon etwas schwerer gefoult wurden, aber nicht etwa am Boden liegen bleiben, sich womöglich noch den Knöchel oder das Bein haltend, sondern stattdessen direkt wieder aufspringen und damit anzeigen wollen: „Siehste, Schiri, es war AUF KEINEN FALL eine Schwalbe.“ Dass sie damit aber ausschließen wollten, dass sie keinen Elfmeter bekommen dürfen, weil sie so deutlich gemacht haben, keine Schwalbe vorgeführt zu haben? Nein, dies ist keineswegs Teil ihrer Aussage. Nur wird in allen Fällen der Schiedsrichter sich daran nicht orientieren.
Die Kurzfassung lautet: fällst du hin als Stürmer bekommst du keinen, weil du gefallen bist, fällst du nicht bekommst du keinen, weil du nicht mal gefallen bist. Das war so weit schon bekannt. Es kommt dazu: solltest du versehentlich oder unvermeidbar doch gefallen sein, so stehe bloß rasch wieder auf, damit ja kein Verdacht auf dich fällt. Den Elfmeter bekommst du unter keinen Umständen, ein Tor wird es auch nicht, aber wenigstens hast du Gelb vermieden.
Nun drehen wir den Spieß mal um: warum wurde noch nie ein Verteidiger wegen einer Schwalbe belangt? Nun, weil der Begriff nicht darauf ausgerichtet war. Ok. Das mag man so durchgehen lassen. Dennoch gibt es reichlich Spielsituationen, in denen die Verteidiger zu Boden gehen im beliebigen Kampf um den Ball. Die Beobachtung sagt: sobald dies geschieht, war es ein Stürmerfoul. Da gibt es weder einen Einsatz des Videoassistenten noch überhaupt den geringsten Zweifel. Der Verteidiger fällt hin, da muss er doch gefoult worden sein?
Das Verhalten der Abwehrspieler wird in dieser Hinsicht immer dreister. Nicht nur fallen sie immer, bei der geringsten Berührung schon und längst viel übler täuschend als es die Stürmer je taten, nein, sie tun es auch ohne jegliche Berührung und zwar nach jedem Ballverlust, aber wenn es so weit ist, fallen sie, sofern der Ball in Reichweite – und das ist er oft – direkt mit den Händen auf den Ball noch lange bevor der Pfiff des Schiedsrichters ertönt ist. Nun sind sie darauf gefallen, legen ihn sich direkt zum Freistoß hin und führen diesen aus. Ob der Schiri bis dahin überhaupt gepfiffen hat? Unwichtig. Das ist das selbstbestimmte und so entschiedene Foul mit Freistoßfolge und darüber gibt es keine Diskussion. Der Schiri lässt auch keinerlei Zweifel daran. Denn: sollte sich der Stürmer nun beschweren, a) darüber, dass er gar nichts getan hat, b) dass der Gegenspieler gefallen wäre, ohne berührt worden zu sein und somit der Strafbestand der Schwalbe erfüllt wäre, c) dass der Gegenspieler noch vor dem Pfiff den Ball mit der Hand gespielt hätte und d) dass überhaupt das Ganze hier zum Himmel schreit, dann bekommt er erneut Gelb, und zwar ohne Wenn und Aber.
Wenn es später über die Stürmer heißt, sie gingen dahin, wo es weh täte, dann hat man unbeabsichtigt den Nagel auf den Kopf getroffen: das ist Vergewaltigung der Seele und der Gerechtigkeit, was permanent an ihnen verübt wird. Und diese tut enorm weh.
Dass all dies weiterhin nur gegen die Torsituationen gerichtet ist, wie jede andere der vorzitierten Aktionen auf dem Feld auch, ist so oder so offensichtlich. Und dass man damit dem Spiel Fußball den maximalen Schaden anrichtet, indem man an allen Ecken und Enden die Torsituationen unterbindet ist in dem Falle auch überflüssig, erneut zu erwähnen.
Sollte das Umdenken eines Tages stattfinden, dass man gerne Tore sehen möchte und dass es das ist, was den Fußball am Leben erhält, was die Stadien und die Kassen füllt und was den Menschen Spaß macht, dann wäre ein weiterer Effekt garantiert in der Folge: eine jede Entscheidung für die Torsituation, zugunsten der Stürmer, der Angriffspartei, im Sinne des Spiels, der Zuschauer und der Unterhaltung und im Sinne der von den USA ausgesprochenen Empfehlung „im Zweifel für den Angreifer…“, dann würde eine jeder dieser Entscheidungen nicht mehr den riesigen Einfluss auf den Spielausgang und den Spielverlauf haben, wie er es heute hat. Mehr Tore è weniger Bedeutung eines einzelnen Tores.
Nicht nur an dieser Stelle würde man etwa sieben Fliegen mit einer Klappe schlagen, wie das tapfere Schneiderlein es wohl tat?
- Der von den Medien dazu gemachte „reine Ergebnissport“
Die Medien machen die Vorgaben. Sie haben darin fast freie Wahl. Catchen ist eine große, gewachsene Sportart. Wenn man das Catchen an den Mann bringen möchte, dann muss man ihm das, was sich dort abspielt, geschickt und gut verkaufen. Dies ist anscheinend so weit gut gelungen. Es geht NICHT um die Ermittlung des Siegers. Es ist Sport und es ist Unterhaltung, es ist Show.
Dieses kleine Beispiel soll nur untermauern, dass es den Medien obliegt, was sie aus dem Dargebotenen machen.
Wenn man also im Fußball das Siegen als das allein selig machenden ausruft, dann ist es nur ziemlich logisch, dass sich jeder diesen Gegebenheiten unterordnet. Sollten die Medien jedoch befinden, dass es nur darum geht, guten und fairen Sport, gerne mit Kampf und viel Einsatz geführt, aber bitte die Regeln einhaltend, und gerne auch am Ende einen Sieger kürend, welcher dann tatsächlich von allen Seiten seine verdiente Anerkennung bekäme, da jeder erkannt hätte, dass er sich – genau wie alle anderen – im sportlich fairen Wettstreit als der Beste erwiesen hätte, dann würden sich die Verantwortlichen – Spieler, Trainer, Manager, Vereinsbosse, aber auch die Zuschauer – sehr bald an diesen Vorgaben orientieren. Sollte man nämlich beispielsweise nach einem der in letzter Zeit so viel zitierten „dreckigen Siege“ – Anmerkung: solche gibt es erst seit etwa zwanzig Jahren, von der Bezeichnung her, was einem eine gewisse Entwicklung als Grundannahme aufdrängt – den Sieger in die Mangel nehmen, ihm die unfairen Mittel, welche er eingesetzt hätte, um diesen dreckigen Sieg zu erzielen und dass dies nun wirklich kein Mensch sehen möchte, nicht nur im Sinne der Gerechtigkeit sondern auch in der Ausübung des eigentlich so schönen Sports – dann würde man vermutlich nie wieder einen derartigen sehen.
Hier wird die Ansicht unbedingt vertreten, dass die Zuschauer, selbst wenn sehr deutlich positioniert in ihrer Leidenschaft für eine der beiden Mannschaften oder für einen der vielen Teilnehmer, im beliebigen Sport oder Wettkampf, sehr wohl eine Niederlage hinnehmen könnten und würden und nicht nur sehr wohl sondern sogar recht gerne. Sie litten vielleicht mit, hätten die ganze Zeit über, den Wettkampf entlang, das gesamte Spiel hindurch, die Daumen gehalten, haben nun aber, nach Beendigung, nicht etwa nur unangenehme Gefühle sondern, beispielsweise in Form von Anteilnahme, Trauer, Mitgefühl, ebenso Gefühle, die einfach dazu gehören und die man ab und an gerne hinnimmt, gerade aus der Erkenntnis heraus, dass sich erst durch die gegenteilige Wahrnehmung das positive Gefühl, wenn es denn später eintritt, erst so richtig auskosten lässt. Höhen und Tiefen gehören einfach dazu. Ein dauerhaftes Feiern würde zur Selbstverständlichkeit werden und die Feier würde nach und nach zur Farce.
Da die Medien uns den Fußball als reinen Ergebnissport verkaufen, ist alles ziemlich fad und hat man zugleich keinerlei Mitgefühl mit einem unglücklichen Verlierer. Die Siege werden eingefordert und wenn nicht geliefert, wird das Team ausgebuht. Jeder dreckige Sieg scheint herzlich willkommen und das Gebaren, welches einem einen solchen einbringt ist geheiligt, wird gar zur Maxime gemacht: „Wir würden gerne mal ein paar dreckige Siege einfahren“ unter dem Schmunzeln des Reporters und des Interviewten gerne mal gehört. Jeder weiß, was gemeint ist: wenn man die Siege eingefahren hätte, würden die Mittel garantiert als letztes in Frage gestellt werden aber so oder so auch das Zustandekommen.
Es ist nichts Schönes mehr an dem Sport zu entdecken. Und leider hatte Otto Rehhagel schon vor dreißig oder mehr Jahren die richtige Erkenntnis: die Medien sind an allem schuld. Würden sie jedoch diese „schuld“ positiv umsetzen, so würde es zur Verantwortung werden und sie wären, bei positiver Umsetzung, urplötzlich derjenige, dem man zum Dank verpflichtet wäre, weil es so viel Spaß macht. Welche Version ist nun die wünschenswerte? Dies möge jeder für sich selbst beantworten. Anfangen kann man an allen Stellen und jeder Einzelne könnte es.
- Das defensive Denken, gegen die Tore gerichtet, von Spielern, Trainern, Berichterstattern und vor allem Schiedsrichtern. „Bloß kein Tor“ oder „bloß keine Torszene“, dann wird es heikel.
Dieser Punkt quasi natürlich schon in den vorherigen mit abgehandelt. Sollte man die sich daraus ergebende Psychologie jedoch absolut richtig deuten und anwenden, dann ergibt sich daraus sogar eine weitere Beobachtung: die Schiedsrichter haben regelrecht eine innere Angst davor, in kritische Entscheidungssituationen zu geraten. Sobald der Ball also im Strafraum ist, ist höchste Alarmbereitschaft. Man kann mit einem Pfiff das Spiel entscheiden. Und ständig diese kritischen Situationen. War das Foul, war das Hand, war das Abseits? Wenn ich jetzt pfeife, dann sitze ich in der Tinte. Vor allem, wenn ich es falsch täte. Falsch ist immer dann, wenn ein Tor fällt und vorher irgendeine Art von Ungereimtheit stattgefunden hat. Die Ungereimtheit könnte überall gewesen sein. Sollte ich ein Foul an einem Stürmer nicht erkennen, versehentlich die Fahne heben? All dies wesentlich geringer in der Auswirkung, viel weniger, was mir als Fehlleistung angekreidet wird. Also: in allen Fällen lieber keinen Elfmeter, lieber doch Abseits, vorsichtshalber Stürmerfoul.
Gut, all diese Punkte waren schon angesprochen, sind hier nur noch einmal wiederholt. Die Psychologie weitet sich aber aus: man möchte lieber gar nicht erst in die Situation geraten, in welcher darüber zu befinden wäre, ob es Foul oder Hand war, ob es Abseits war oder ob das Tor regulär war. Man hat es als Schiedsrichter viel lieber, wenn der Ball sich im Mittelfeld aufhält. Da kann nichts passieren, selbst wenn die Fehlerhäufigkeit nicht geringer ist. Die Folgen sind jedoch fast immer unbedeutend. Also: man entscheidet, wenn es irgend möglich ist, darauf, dass der Ball gar nicht erst die torgefährliche Zone erreicht.
Und dies die in diesem Abschnitt genauso ungeheuerliche Behauptung: die Schiedsrichter unterbinden Torsituationen bereits in ihrer Entstehung, so gut es geht. Sie wollen nicht in die kritische Situation geraten, also besser, sie tritt gar nicht erst ein oder eben so selten wie möglich. So weit dürfte es nachvollziehbar sein? Nun wäre nur die Frage, wie man das aktiv mitgestalten kann?
Ja, es ist möglich und nicht nur das: es geschieht ständig. Und keiner merkt etwas. Ein Beispiel wäre das Stürmerfoul nach einem Eckball. Der Schiedsrichter sieht den Flankenball hereinsegeln, er sieht natürlich, dass das übliche Gerangel stattfindet. Ein Pfiff ertönt. Keine Frage: gegen die Angreifer, Stürmerfoul. Was er genau gesehen hat? Dafür gibt es weder eine Zeitlupe noch einen Einsatz des Videoassistenten. Keine kritische Entscheidung, Freist0ß, erneut kein Tor, keine Torchance. Die Spannung kann sich der Zuschauer malen, aber gut, das auf einem anderen Blatt…
Ein weiteres Beispiel sieht man oft, wenn eine kritische Situation gerade so abgefangen wurde. Also eine große Torchance, Torwart hält, der Ball bleibt im Strafraum, sofort gibt es Zweikämpfe, Gerangel, Hektik, viele Beine. Man spürt oftmals, dass der Schiedsrichter nur einen beliebigen Moment abwartet, um endlich unterbrechen zu können. Das wird ihm zu aufregend. Es fallen x Spieler hin, Beine fliegen herum, Chaos im Strafraum, irgendwann ein Pfiff: ohne weiter Diskussion, die Abwehr hat den Ball.
Wenn man einmal anfängt, darauf zu achten, stellt man es ständig fest. Es sind eben auch die winzig kleinen Situationen in ihrer Anbahnung. Ein Beispiel dafür wäre sogar im Falle einer Vorteilsituation, welche dann per Foulpfiff unterbunden wird. Der Schiedsrichter entschuldigt sich dann zwar, aber es ist zu spät: er hat schon gepfiffen und nun muss ein Freistoß erfolgen, selbst wenn sich die angreifende Mannschaft viel mehr über den Vorteil gefreut hätte. Sie sind zwar böse, aber das hilft ihnen auch nichts. Die Frage wäre, ob der Schiedsrichter tatsächlich nur versehentlich gepfiffen hätte oder ob sein Unterbewusstsein ihm diesen Streich gespielt hat? Lieber hier ein Freistoß als dort eine direkte Torchance. Der Ball wäre auf jeden Fall näher am Tor, wenn man laufen ließe. Und je näher am Tor, umso häufiger eine kritische Entscheidung, welche man lieber vermeiden würde.
- Die Dreipunkteregel
Dies wäre ein sehr gutes Beispiel für die eigentlich irgendwann mal doch erkannte Absicht, die Spannung zu erhöhen, für mehr Tore zu sorgen, den Unterhaltungswert durch mehr Torsituationen erhöhen zu wollen. Denn: selbst wenn man später nie mehr davon gehört hätte, so könnte die Absicht doch nur gewesen sein, eine Vielzahl langweiliger, mit 1:1 oder 0:0 spät dahinplätschernder Spiele anzuheizen und für einen Anreiz zu sorgen, dass etwas mehr Action nur gut tun könnte. Man möchte Spannung und Tore. Man möchte Angriffsfußball sehen und keine Abwehrschlachten. Also: grundsätzlich muss dahintergestanden haben, dass der Unterhaltungswert zu gering war und man sich mehr Tore wünschte.
Wenn man nun eine solche Regeländerung einführt, dann dürfte man doch zumindest erwarten, dass man eines Tages eine Abgleich vornimmt: wie war es vorher, wie ist es nun, was hat es gebracht?
Das Ergebnis soll hier einmal vorweggenommen werden: es hat nichts gebracht. Der Toreschnitt hat sich nicht verändert, die Anzahl der Unentschieden ist auf dem gleichen Stand wie vorher. Dies kann man statistisch untersuchen und belegen – gerne an anderer Stellen.
Falls man sich dem Ergebnis anvertraut – jeder dürfte seine eigene Beobachtung einbringen und sich fragen, ob er denn nun bei einem 1:1 gegen Ende je mehr Action gesehen hätte als vorher –, dann müsste man vielleicht untersuchen, wieso der erhoffte Effekt ausgeblieben ist? Wenn man darauf eine gute Antwort gefunden hat, dann unterlässt man womöglich direkt die Untersuchung der Statistik, weil die Antwort so einleuchtend ist?
Es gibt jedoch mehr als eine Erklärung. Die überzeugendste dürfte hierbei im Punkt 14) zu finden sein: im reinen Ergebnissport mag zwar noch immer ein Sieg weitaus mehr zählen als ein Remis, aber das Verlieren ist das schlimmste, was einem passieren kann. Man kann es schlichtweg auf die Trainer beziehen. Wer verliert, fliegt. Also ist die Taktik darauf ausgerichtet, bloß nicht zu verlieren. Vor Einführung der Regel und danach noch mehr. Allerdings nur deshalb noch mehr, weil noch mehr Trainer entlassen werden als früher, weil nämlich permanent falsche, also zu hohe, Erwartungen gestellt werden und diese untererfüllt, folglich der Trainer verantwortlich und gefeuert. Aber auch das nur nebenbei bemerkt.
Also: verlieren verboten. Wir riskieren nicht mehr. Es ist nur in der Theorie lohnend, ein Risiko einzugehen.
Eine weitere Antwort lautet so: im modernen Fußball ist es, aufgrund der sämtlichen vorher angesprochenen Punkte, aber auch sonst prinzipiell, tatsächlich so, dass sich Angriffsspiel nicht wirklich lohnt. Wer angreift, muss irgendwann hinter sich Räume lassen. Die Ballverluste sind vorprogrammiert – auch eben eingedenk der genannten Regelauslegungen und -anwendungen, mit deutlichen Vorteilen für die Abwehrreihen –, das Umschaltspiel wird allenthalben besonders trainiert, die Räume werden blitzschnell besetzt, der Gegner wird ausgekontert, die Chance ist größer, aus der einen Situation heraus ein Tor zu erzielen gegenüber jener Chance, welche die zuvor angreifende Mannschaft in der gleichen Zeitspanne aus drei Torsituation produziert hätte. Also: die Rechnung geht nicht einmal ganz auf, dass es sich lohnen würde, auf die drei Punkte zu gehen.
Ein dritter Punkt wäre noch, dass sich die Mannschaften, als Konsequenz der vorherigen Überlegung, gegenseitig belauern. Also sprich: „greift ihr nur an und versucht, die drei Punkte zu holen. Wenn ihr es tut, seid ihr schön blöd, denn dann kontern wir euch aus.“ Da beiden dieses Grundverständnis haben, tut keiner dem anderen mehr den Gefallen. Sprich: es bleibt alles so, wie es immer war. Ob nun zwei oder drei Punkte für den Sieg.
Eine etwas fortgeschrittenere Theorie lautet so: durch die ausgelobten drei Punkte wird ein Sieg noch wertvoller. Die Regel findet ihre Anwendung nämlich nicht nur bei Gleichstand Anwendung sondern auch und vor allem, wenn eine Mannschaft in Führung liegt. Diese Mannschaft wird seit dem Ausloben des höheren Gegenwerts nun alles tun, um diesen höheren Lohn auch in den Händen zu behalten. Also: wenn man 1:0 führt, dann zieht man sich unmittelbar zurück und verteidigt diesen wertvollen Vorsprung. Aufgrund dieser Überlegung wäre die Einführung der Regel sogar eher als Eigentor zu bewerten: man fördert das Defensivspiel anstatt in der Phantasie das Offensivspiel. Denn: noch immer gibt es in einem Fußballspiel häufiger einen unausgeglichenen Spielstand als einen ausgeglichenen. Und in all diesen Fällen ist das Angriffsspiel demotiviert.
In der Summe erkennt man die gute Absicht – mit dem Autoren Hand in Hand gehend, dass mehr Tore und mehr Action und mehr Spannung erwünscht sind, nur hat man ein untaugliches Mittel gewählt. Also auch hier: dringend Umdenken und in die richtigen Bahnen einlenken: wie wollen mehr Tore und es ginge ganz einfach.
Die gewisse Ungerechtigkeit, welche man sich mit der Einführung eingehandelt hat, soll ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Warum sonst hörte man so häufig nach einem unentschiedenen Spiel, dass das ein Punkt ist, der keinem so recht weiterhilft? Dies ist allein eine Folge des Punktediebstahls, welche man diesen als Strafe angetan hat. Selbst wenn beide nun also perfekt umgesetzt hätten, was von ihnen erhofft, erwartet, verlangt war und Angriffsfußball vom Feinsten geboten hätten, bei maximaler Zuschauerunterhaltung: sollten beide versehentlich gleich viele Tore erzielt haben, wird ihnen noch immer ein halber Punkt abgezogen gegenüber der Konkurrenz.
Die geringe Möglichkeit der Manipulation, dass sich zwei Teams, die gegen den Abstieg spielen bereits vor der Saison einig würden, dass jede ihr Heimspiel gewinnt und sie sich somit beide drei wertvolle Punkte gegenüber der Konkurrenz sichern, welche vielleicht im Gegenzug nach zwei ausgekämpften Unentschieden in Hin- und Rückspiel jeweils nur zwei Punkte ergattert hätten mag reine Phantasie sein und keineswegs eine Anleitung zum Betrug darstellen. Vorgekommen könnte es aber trotzdem schon sein? So etwas handelt man sich ein, falls man nicht gründlich über eine derartige Änderung nachdenkt und nicht wenigstens mal überprüft.
- Was ist ein Vorteil?
Es gibt die so genannte Vorteilsregel. Nur fehlt dieser jegliche sinnvolle Anwendung und Überzeugungskraft. Falls ein Stürmer beispielsweise in einer der genannten Situationen oben ein Foulspiel ignoriert und im Strafraum dennoch weiterspielt und gar aufs Tor schießt – stets eingedenk der Überlegung, dass ihn die erkannte Behinderung noch immer ein paar wertvolle Prozente bei der Verwertung der Chance gekostet hätte –, dann kann man, falls er das Tor verfehlt, doch unter keine Umständen mehr von einem „Vorteil“ reden?
Dies ist aber die gängige Anwendungsmethode. Nicht nur Marek Mintal hat damals die Schattenseiten erfahren müssen, als er trotz Foulspiels das Tor erzielen wollte, aber nur den Pfosten traf, von Trainer Hans Meyer im Nachhinein kommentiert mit „natürlich werde ich ihm sagen, dass er sich nächstes Mal fallen lassen soll“, mit dem offensichtlichen Sarkasmus darin, sondern gab es auch etliche andere Beispiele, in denen es erkennbar keinen Vorteil aus der Situation gab.
Bei einem Elfmeter ist es bereits offensichtlich genug, aber auch in anderen Situationen ist ein gepfiffener Vorteil oftmals KEIN Vorteil. Nur: wenn er denn abgepfiffen wird – wie ebenfalls zuvor schon mal angesprochen, als Reflex des Schiedsrichters, zwecks Vermeidung der sonst noch größeren Torchance –, dann wäre es einer gewesen. Also in allen Fällen: die angreifende Partei geht mit Nachteil heraus. Erneut gegen die Tore und gegen die Action, Spannung und Unterhaltung sowie die Gerechtigkeit.
Falls man eine sinnvolle Vorteilsregel schaffen wollte, so müsste man sich nur am Eishockey orientieren. Ein Foul ist erkannt, der Schiedsrichter hebt den Arm, weil er es erkannt hat, ab diesem Zeitpunkt läuft der Angriff so lange weiter, bis der Ball entweder im Tor ist oder verloren ist. Falls sich eine weitere Regelwidrigkeit im Anschluss ergibt, so wäre eine „Doppelbestrafung“ keinesfalls ein Problem. Man spielt weiter, ahndet nachher beide Vergehen und spielt von dort weiter, wo es günstiger für die Angriffspartei ist. Also zwei Foulspiele, eines davon näher am Tor, der Freistoß wird dort ausgeführt. Falls Verwarnungen: können sogar beide Sünder eine bekommen.
Die Umsetzung dieser Regel dürfte kaum eine Hürde sein. Ein Regelverstoß sollte so oder so nicht denjenigen begünstigen, welcher ihn begangen hat.