Die Berichterstattung hierzulande wird durchgehend als ausgesprochen schlecht dargestellt. Da es zugleich um positive Ansätze, Veresserungsideen ginge und nicht pures Nörgeln überwiegen soll, drängt sich die Frage auf, ob man es besser machen könnte und wenn ja, wie es zu machen wäre. Dabei kommt man auf den Gedanken, sich einmal umzuschauen, wie es woanders ist? Möglicherweise findet sich ein Vorbild, welches mit gutem Beispiel vorangeht und sich als nachahmenswert erweist? Oder ist es gar überall sonst anders und, in dem Sinne vielleicht nachahmenswert?
Nun wird hier kein besonderes Hehl daraus gemacht und bereits verschiedentlich im Text eingefügt an kleineren Beispiel, dass der Blick nicht zu sehr streifen muss, um dieses Vorbild zu finden. Das Mutterland des Fußballs, allein schon aufgrund der Sprache am leichtesten zugänglich, da hier schließlich Englisch als erste Fremdsprache gelehrt wird.
Sicher gibt es immer gewisse Traditionen, die mit dem Land zusammenhängen, mit Charaktereigenschaften, die sich vielleicht über hunderte von Jahren herausbilden und durchaus landesspezifisch sein mögen. Darüber hinaus hat die hier diskutierte Sportart, der Fußball, natürlich auch seine eigene Entwicklung genommen und man kann nicht einfach so mit allem brechen. Man möchte es auch gar nicht, da ja jedes Land seine eigene Existenzberechtigung und die internationale Konkurrenzfähigkeit – dies nicht nur im Fußball – längst unter Beweis gestellt hat, so dass der Sinn drastischer Veränderungsmaßnahmen schwerlich motiviert werden kann.
Dennoch gibt es gerade auf die Berichterstattung bezogen ein paar offensichtliche Dinge, die hier herausgearbeitet werden sollen und sich sogar auf ein paar grobe Schätzungen stützen dürfen. Denn: zunächst einmal sei hier erwähnt, dass England nicht so bevölkerungsreich ist wie Deutschland.
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hier der Vergleich der Zahlen Sky England – Sky Deutschland, im Verhältnis zur Bevölkerung, dazu ein Einkommensverhältnis Vergleich
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Über diese puren Zahlen darf man ruhig etwas angestrengter nachdenken. Sollte man sich dann auf die schlichte „Tradition“ und „ die Engländer sind halt so Fußball verrückt“ berufen, dann darf man dies getrost als Augenwischerei ansehen. Die viel mehr der Wirklichkeit entsprechende Behauptung steht im Raum : es gibt einen Zusammenhang zwischen der Qualität der Berichterstattung und den erzielten beziehungsweise zu erzielenden Einschaltquoten. Dies ist ohne nähere Begründung einsichtig. Worin besteht überhaupt das Problem, die Qualität einmal zu prüfen (hierzu auch an anderer Stelle mehr, Kapitel „ … „)? Reine Umfragen könnten bereits einen Fingerzeig geben: wer hört überhaupt zu, hier in Deutschland? Wer mag es so, wie es ist? Gibt es Kritikpunkte? Was könnte man besser machen? Diese paar Fragen an die Fußball interessierte Bevölkerung gerichtet, gerne auch zunächst nur von Sky an seine Abonennten, in Deutschland. Falls heraus kommt: “Gut gemacht, weiter so, wir schauen kräfitg und empfehlen Sie weiter”, dann schwiege man von hiesiger Seite aus.
Es gibt jedoch ein paar deutliche Erkennungsmerkmale im Verhältnis Deutschland/England, in aller Regel unterteil in schlecht/gut.
Um nun die teilweise gravierenden Unterschiede aufzuzeigen, seien ein paar Beispiele genannt.
- „This game could go either way“
Schaltet man ein Spiel mit englischem Kommentar ein, dann dürfte man beispielsweise diesem Satz, und das schon recht bald, begegnen: „This game could go either way.“ Zwangsläufig muss man denken : „Was denn, es gibt Menschen, denen es nicht darauf ankommt, klug zu sein, sondern die einfach ihre empfundene Spannung dem Zuschauer vermitteln mögen?“ Das scheint hierzulande undenkbar. „Dieses Spiel kann in jede Richtung gehen.“ Der Spielstand ausgeglichen, gut, kein “Ausnahmezustand”, beide können noch gewinnen.
Hier würde man vermutlich Folgendes vernehmen : für beide Mannschaften eher eine „gefühlte Niederlage“ oder „ das ist einfach zu wenig“. Vor allem wartet man ab mit einer Positionierung – bis ein weiteres Tor doch noch den Sieg bringt für diese oder jene Mannschaft. Im Anschluss stellt man die Zwangsläufigkeit dessen heraus, die der so turmhoch überlegene Sprecher selbstverständlich in jeder Szene zuvor schon bemerkt hatte. Wobei auch dann die Fehler(ketten)analyse keinesfalls ausbleiben würde.
Dieses Spiel könnte in jede Richtung weiter gehen, sagt der Engländer. Es ist einfach spannend, lasst uns mal schauen, was passieren wird. Man muss eigentlich zwangsläufig als Zuschauer hinschauen. Beide probieren etwas, ein Duell auf Augenhöhe, keine Rede von Fehlern oder von Ansprüchen oder Erwartungshaltungen. „Wir sind gespannt, wir bleiben gespannt und selbst wenn wir etwas wissen sollten würden wir es auf keinen Fall verraten.“ Natürlich nicht unerwähnt soll hier bleiben, dass es de facto niemand wissen kann, es also schlichtweg die Wahrheit darstellt.
- Der Tonfall
Der Tonfall ist von Hause aus im Englischen in „bedeutungsschwanger“ gehalten. Hier passiert etwas, hier wird etwas passieren, etwas Großartiges, für das ich das exklusive Recht erhalten habe, es zu übermitteln. Es schwing timmer mit in der Stimme, der Sprecher suggeriert nicht nur, dass er gespannt ist, nein, er ist es wirklich. Fußball macht ihm Spaß und selbst wenn man es als “seinen Job” bezeichnen könnte: es ist einer, den er freiwillig und gerne gewählt hat. Er ist dankbar, hier sitzen zu dürfen und fühlt sich verpflichtet, den Zuschauer zu unterhalten und teilhaben zu lassen an einem tollen Event, einem Spektakel.
Es hat nichts Prophetisches oder Herabwürdigendes. Es zeigt den Respekt vor den Akteuren, aber auch gerne vor dem Schicksal, welches jetzt noch nichts über seine zukünftige Entwicklung und seine Absichten bekannt geben möchte. Der Außenseiter hat mit Sicherheit auch seine Chance, die er bereit ist, beim Schopfe zu packen, sobald sie sich bietet. Er hat genau den gleichen Respekt verdient wie der vermeintliche Favorit, der diese Favoritenstellung auch mit Leistungsnachweisen, also auf dem Platz, erbringen muss. Jedoch gilt das gleiche für den Außenseiter, dem man zuzubilligen bereit ist, über sich hinauszuwachsen, ihm, ohne dass der Favorit schwach spielt oder grobe Fehler machen muss, dennoch zu gewinnen einräumt, es für möglich hält und das entsprechende Lob gerne hörbar macht.
Dieser Tonfall ändert sich niemals. Wenn es 10 Minuten vor Schluss 3:0 stehen sollte, dann kann es natürlich schon passieren, dass man die Erkenntnis zu hören bekommt: „The game ist virtually over as a contest.“ Das Spiel ist vorüber, was den Wettkampfcharakter angeht, oder so. Man sollte nun wirklich nicht mehr mit einer Wende rechnen. Dennoch behält man sich vor — „…over as a contest“ –, dass noch einiges an reinem Fußball geboten wird, was ebenfalls sehenswert sein kann. Warum auch nicht? Nur, weil feststeht, dass es „um nichts mehr geht“ werden nicht gleich die Tornetze abgenommen. Das Spiel bekommt Freundschaftsspiel Charakter – was durchaus unterhaltsam, spannend, interessant sein kann. Noch schöner gar: man kann vielleicht ein Tor zu sehen bekommen, eines mehr als sonst, gerade weil es entschieden ist.
In Deutschland hätte der Abgesang längst begonnen, das Fazit wäre längst gezogen, mit herablassendem Tonfall für die unterlegene Seite vernichtend ausgefallen, mit der glücklichen Begleiterscheinung, dass es dafür keine Zuhörer gab, da diese längst ihre Freizeit für etwas Sinnvolle(er)es eingeteilt hatten.
- Zwei Kommentatoren
Die zwei Kommentatoren haben in England Tradition, es geht nicht ohne. In Deutschland ist es eine Ausnahme und wenn ein zweiter dabei ist, ist er kein ausgebildeter oder erfahrener Co-Kommentator. Einem lockeren Dialog zweier absoluter Experten zu lauschen ist jedenfalls von Hause aus weit spannender – abgesehen vom Umstand der weit höheren Objektivität – als von einem einzigen mit den seinerseits vorher mit Löffeln gefressenen Weisheiten überschüttet zu werden.
Jede fragliche Szene – und es gibt sie in jedem Fußballspiel reichlich, da jeder Zweikampf „auf Messers Schneide geführt“ bereits vom Begriff her für Diskussionsstoff und Uneinheitlichkeit sorgen kann – wird durch die Erörterung von zwei Menschen mit hervorragenden Fähigkeiten und Erfahrungen bereits fast gesichert ein gutes, objektives, richtiges Ergebnis liefern – sofern man überhaupt die Absicht hätte, sich festzulegen. Warum soll bitte schön der Zuschauer nicht einfach mal anderer Ansicht sein? In England eine Selbstverständlichkeit – es wäre dies sogar ohne den zweiten Kommentator, der dennoch einen sinnvollen Beitrag mit seiner Auffassung liefern kann –, in Deutschland quasi eine Unmöglichkeit. „Yeah, this may have been a foul. I´m not sure.“ Ist nicht nur sympathischer sondern auch viel näher an der Wahrheit. Hierzulande hieße es: „Ja, klares Foulspiel da, sehen wir gleich noch mal, in der Wiederholung. Ja, da sehen Sie es: er hält ihn am Trikot.“ Mit Sicherheit ist es nicht das, was man sieht, aber falls doch, so ist es nicht das Einzige, was man sieht, abgesehen davon, dass man gar nicht permanent bevormundet werden möchte, selbst wenn Gott – für den sich dieser Herr (vielleicht nicht nur für diesen Moment) ausgibt — mit uns spräche.
Sofern man die zwei Komentatoren hier etablieren würde, würde man recht bald die positive Reaktion – da fast zwangsläufig der Tonfall sich mit anpassen müsste aufgrund des neben einem sitzenden Mithörers – bekommen im Sinne erhöhter Einschaltquoten. Vermutlich steht dem jedoch im Wege, dass sich keiner dieser herausragenden Einzelkönner jemanden beiseite setzen lassen würde. Die berühmte Eitelkeit. Nun, es müssen ja nicht die derzeit „Etablierten“ sein?!
- „You´re live on Sky“
Eine tolle Idee, eine Sendung, die sich in England etabliert hat. „You´re live on Sky“ wird wöchentlich einmal durchgeführt. „Sie sind live auf Sendung.“ Die Zuschauer dürfen anrufen und was immer ihnen am Herzen liegt vortragen. Das Gespräch wird live ausgestrahlt. Was spricht dagegen, die Reaktion der Zuschauer aufzunehmen? Hier ist alles so anonym. Der Zuschauer hat weder Mitspracherecht noch Meinung zu haben, geschweige denn sich hörbar zu machen. Was würde nur herauskommen, wenn man ein einziges Mal die Sendung durchführen würde und der erste Anrufer Bedenken an der Qualität der Berichterstattung anmelden würde? Da würden die Leitungen wahrscheinlich sehr bald zusammenbrechen, vermutlich Deutschland weit die Telefonnetze. Und das sollte man nun wirklich nicht riskieren….
- Nachberichten bedeutet lange nicht nachkommentieren
Wenn in England am heiligen Sonntag die vormittägliche Nachberichterstattung des Samstages stattfindet, dann haben sich schon wieder ein Haufen tatsächlicher Experten zusammengefunden. Sie plaudern in lockerer Atmosphäre über die Spiele vom Vortage. Es werden aber durchaus kritische Dinge angesprochen, nur von der Expertenrunde in aller Regel sehr erfreulich aufgeklärt.
Dies nur als Randbemerkung, weil es hierzulande höchstens Aufgewärmtes vom Vortage gibt – na, falsch, es wird nicht einmal aufgewärmt, es ist nur noch ein bisschen fader als am Tage davor. Logisch, klar, blöde Überlegung: von welchem Geld sollten denn die Experten nun schon wieder bezahlt werden? Nein, das geht nun wirklich nicht.
Tatsache ist aber, dass sämtliche Szenen, die vom Vortage aufgearbeitet werden sollen, abgespielt werden mit dem Original Kommentar. Das ist insofern bemerkenswert, als es tatsächlich — sobald man diesen Tonfall hört — zwangsläufig wieder hinschaut. Hier in Deutschland ist eine Nachberichterstattung wegen des gegenüber dem Live- noch weitaus belehrerenderen Tonfalls an sich unerträglich. Wohl vor allem, da man das gute Vorbild gar nicht kennt?!
Jedenfalls wäre es hier tatsächlich unmöglich, eine Szene mit dem Originalkommentar abzuspielen. Denn dieser war bereits so schlecht, dass man ihn wirklich nicht noch einmal hören möchte… Da der Nachkommentar nicht viel besser ist (sagen wir: eine Sauce), hört man weder dies noch das, kein erstes und kein zweites Mal.
Wie wäre es stattdessen, es auch in Deutschland mal live mit einem guten Kommentar zu versuchen?