Was wäre wenn… das Regelwerk nicht so starr wäre?
Mit praktisch jeder Überschrift hier ist eine Aussage verbunden, von welcher zunächst eine Art von Glaubwürdigkeit zu überprüfen wäre? Zumindest ist es vermutlich so, dass man eine derartige noch nicht gehört hätte: „Hä, was meint der? Das Regelwerk ist starr? Ist doch beim Monopoly auch so, zum Glück?“ Oder wie auch immer. Jedenfalls ist die Aussage: das Regelwerk im Fußball ist starr. Es wird kaum verändert, und das über Jahrzehnte nicht.
Eine Art von Überprüfbarkeit oder Verifizierung wäre natürlich nicht leicht zu liefern, da die Starre ja lediglich als „zu hoch“ angesehen wird, was umgekehrt auf einen Mangel an Flexibilität schließen ließe. Auf jeden Fall ist eines sicher: man ändert nicht übertrieben gerne, übertrieben häufig und übertrieben rabiat oder umwälzend.
Da vermutlich die Aussage in dieser Form noch kein Thema war und ist, muss man in den folgenden Ausführungen einerseits dafür „Beweise“ liefern, andererseits es möglicherweise – wie an anderer Stelle auch schon geschehen – historisch und zugleich logisch herleiten und gut begründen. Falls man die Ursachen kennt, lägen der Akzeptanz der Behauptung vielleicht gar nicht mehr so viele Steine im Weg?
Historisch gesehen ist es einfach so, dass sich der Fußball mehr und mehr zur Nummer 1 entwickelt hat – vorwiegend vielleicht in Europa und Südamerika, aber auch Asien und Afrika haben gewaltig aufgeholt, was diese Sportart angeht. Lediglich Nordamerika hält sich etwas bedeckt – und auch dafür gute Gründe, wie an anderer Stelle ausgeführt. Auch hier besteht kein Absolutheitsanspruch in der Aussage, es ist eher intuitiv so gesagt. Ausreichend wäre es jedoch schon, wenn es nur auf einem einzigen Kontinent – im Beispiel: Europa – die Nummer 1 wäre. Das ist unbestritten so?! Wobei es gewisse Bedenken gäbe, dass es so zu erhalten ist…
Eine Nummer 1 entsteht vielleicht tatsächlich nicht einfach so und auch nicht rein zufällig. Wobei das Chaosprinzip schon ein ebenfalls anerkanntes ist, welches durchaus an Anhängerschaft zugelegt hat über die letzten Jahrzehnte. Dennoch gehe man zunächst mal davon aus, dass es sich beim Fußball um keine wirre Schmetterlingsaktion – links oder rechts fliegen: Handball oder Kegeln werden die Nummer 1? Mal sehn, ach links, ok, dann halt Fußball – gehandelt hat sondern dass es nachvollziehbare Gründe dafür gibt.
Ein nicht selten anzutreffender – also auch an anderer Stelle vertretener – Grund ist der, dass der Fußball so herrlich einfach ist. Wobei das Spielen des Balles mit dem Fuß durchaus seine Tücken hat, aber genau dies macht auch Teile des Reizes aus. Sprich: man möchte ein Spiel haben, welches man problemlos und schnell und überall spielen kann, was aber dennoch einen gewissen Ansporn durch einen vorsätzlich leicht angehobenen Schwierigkeitsgrad darstellt.
Um es kurz mit dem Handball zu vergleichen: selbstverständlich würde man, sofern erstmals ein Ball ins Auge springt, diesen, analog zu einem Stein oder einem Bonbon, zuerst einmal in die Hand nehmen wollen. Eine Art von „allgemeiner Materialkunde“ als Vorschulfach. Man würde den Ball in die Hand nehmen und im nächsten Augenblick vielleicht – angeleitet von einem Erwachsenen – beginnen, sich diesen zuzuwerfen. Sicher. Müde – matt spielen oder so etwas, wenn die Kinder denn größer sind. Dennoch dürfte der Schwierigkeitsgrad beim Spielen mit der Hand nicht so ohne Weiteres ins Auge springen und erst dann auftreten, wenn man sich tatsächlich in einen Verein begibt und das angeeignete „Geschick“ im Wettkampf ausprobiert. Da tauchen jedoch ganz andere als technische Probleme auf. Den Ball fangen und werfen kann wohl jeder bald.
Im Unterschied zum Fußball dürfte man dennoch gerne anmerken, dass die auftauchenden Schwierigkeiten beim Handball sich im Prinzip nur dann zeigen, wenn man es in einer Art Wettkampf spielt. Beim Fußball jedoch wird vermutlich jeder kleinen Hobbykicker es schon einmal, beim Warten auf die Kumpels oder auch einfach so, zum Zeitvertreib, weil eben kein Spielkamerad da war, probiert haben, den Ball nur mit dem Fuß in der Luft zu halten, ihn dabei wiederholt mit den verschiedensten Körperteilen zu spielen. Wie müsste man sich diese Art der Geschicklichkeitsentwicklung beim Handball vorstellen? Wie oft hat man schon Kinder Bälle gegen Wände werfen sehen, um die Rückkehrer aufzufangen, im Vergleich dazu, wie oft es mit dem Fuß probiert wird? Hierbei ist noch lange nicht die Rede davon, welche Sportart sie später wählren werden. Lediglich dies: man macht es intuitiv viel eher so, dass es einen Anspruch stellt an die Geschicklichkeit, und da täte man es bei einem Ball viel eher mit dem Fuß, sogar, wenn ganz alleine damit draußen und unabhängig von einer späteren Bevorzugung der ausgewählten Sportart, die sich dennoch teilweise daraus ergibt.
Welches Spiel auch immer man dann zum Vergleich heranzieht und ob mit Ball oder als Mannschafts- oder Einzelsport: fast immer müsste man bei einer beliebigen anderen Sportart – hier soll sogar Denksport nicht gänzlich außen vor bleiben – zumindest ein paar Mitspieler finden sowie gewisse andere Voraussetzungen mitbringen in Form von Spielmaterial. Volleyball? Klar, den Ball mal ein paar Minuten hin under her pritschen. Aber ohne Netz? Schwer auf Dauer. Zum Netz bräuchte man aber auch noch eine Spielfläche – und diese haben längst die Fußballer besetzt.
Beim Fußball braucht man auch etwas: einen Ball. Aber das wäre es denn auch schon. Es kann sofort losgehen. Sogar in Hofpausen oder im Park, beim Spaziergang, am Strand, oft genug auf der Straße oder in den häufiger anzutreffenden kleinen Käfigen, die an Spielplätze angeschlossen sind. Jedenfalls ist dies eine fast entscheidende Voraussetzung bei der Entwicklung zur Nummer 1: jeder kann es jederzeit und ohne große Voraussetzungen und fast überall und sogar notfalls alleine einfach so spielen. Damit wäre dieser Teil geklärt? Fußball ist die Nummer 1, und das ist kein Zufall.
Nun hat eine besonders große und dorthin gewachsene Sache dennoch diesen klitzekleinen Haken: weil es so groß ist und so gigantisch geworden ist, wagt man sich nicht mehr heran an die Regeln. Der Hauptgrund ist jedoch eher ein intuitiver und von den Regeloffiziellen und auch sonstigen Experten nicht so ausgesprochener oder je genannter, erwähnter Grund. Wenn Kaiser Franz sagt: „Lossts den Fußball, wie er ist.“ Dann denkt er dabei keineswegs darüber nach, dass er es nur deshalb sagt, weil es sich über Jahrzehnte so gut entwickelt hat, er sagt es aus dem Bauch heraus, intuitiv eben. Aber es steht eindeutig dahinter: vielleicht bliebe er ja gar nicht die so gigantisch große Nummer 1, wenn man nach Belieben herumdoktorn würde und jeder winzig kleinen „Verbesserungsidee“ nachgehen würde und direkt die Regeln umwälzen oder bewährte über den Haufen werfen würd?e
In diesem Zusammenhang gab es mal eine Studie, in welcher lediglich diese Aussage erinnerlich geblieben ist, die aber als relevant aufgenommen wurde: bei einer funktionierenden Sache würde man sogar dann Änderungen verwerfen, wenn man gesichert wüsste, dass es in Nuancen Verbesserungen darstellen würde. Ganz einfach: weil das Altbewährte, Gewohnte einem zugleich diese gewisse Behaglichkeit dieser Gewohnheit eben verschafft. Man könnte ändern, man wüsste, es würde besser – und dennoch würde man es nicht tun wollen.
Ein Teilergebnis der Studie war somit – ohne auch nur im leisesten Ansatz eine Herkunft angeben zu können –, dass man Veränderungen lediglich dann aufgeschlossen gegenüber stünde, wenn es erhebliche Missstände auslöschen könnte oder ein erhebliches Verbesserungspotenzial erkennbar wäre oder ein anderes drignendes Erfordernis vorläge.
Dies klingt jedoch ausreichend logisch, um es auch ohne Referenz so hinzunehmen: lassts den Fußball wie er ist, weil man sonst doch gar keine Ahnung hätte, wo er wäre. Nirgends hätte diese Aussage mehr Gültigkeit als beim Fußball. Falls man nur einen einzigen Vergleich haben wollte: beim Tischtennis würde man sich wohl wesentlich weniger darum sorgen und rasch mal die Satzlänge von 21 Punkten auf 11 Punkte reduzieren, weil man sich sagt: ob nun ein paar mehr oder ein paar weniger: mal schaun, was dabei herauskommt. Dies wäre – um im Vergleich zu bleiben — beim Fußball schlichtweg undenkbar. „Lass uns doch rasch mal aus zwei Halbzeiten drei Drittel machen – mal schaun, was passiert?“ Nein, das täte man nicht, jedenfalls nicht ohne einen mehr als triftigen Grund.
Fußball ist die Nummer 1, ok, hergeleitet, verständlich gemacht, so ist es. Die Nummer 1 hat mit Abstand das geringste Bedürfnis, einschneidende Änderungen in Erwägung zu ziehen. Lossts ihn wie er ist – und das nicht nur, weil der Kaiser gesprochen hat.
Nun darf man dennoch getrost weiter darüber nachdenken. Nämlich in dieser Form: Fußball ist keineswegs deswegen zur Nummer 1 geworden, weil das damals, etwa 1861 in England niedergeschriebene Regelpaket so lückenlos und einwandfrei war. Er hat dies lediglich dem Umstand zu verdanken, wie weiter oben angegeben: überall und jederzeit und ohne Komplikationen und sogar ohne Mitspieler durchführbar. Wie auch immer die Regeln sich seitdem entwickelt haben und wie häufig Eingriffe vorgenommen wurden – welche damit die Aussage „das Regelwerk ist starr“ erneut in Frage stellen würden: es gibt keine groben Eingriffe in den letzten Jahren, vielleicht Jahrzehnten. Jeder, der nun also erneut skeptisch ist, müsste diese Regeländerungen nennen, an welche er sich erinnert – und die somit als „Gegenargumente“ anzuführen wären.
Man schaue ruhig auf ein paar durchgesetzte Regeln der letzten Jahrzehnte: Dreipunkteregl? Ok. Hat aber nichts gebracht von wegen mehr Tore oder mehr Unterhaltung oder mehr Angriffsschwung. Dies an anderer Stelle Thema, aber ohnehin sofort einsichtig: zwar ein recht erheblicher Eingriff, jedoch keiner, der das Spiel auf dem Platz betrifft.
Anstoß muss nicht mehr nach vorne ausgeführt werden: das ist eher eine Art Alibi, dass man doch etwas täte? Sinnlos auf jeden Fall, dass der Ball nach vorne gespielt werden musste. Bedeutung der Änderung? Nicht gegeben. Null.
Handspiel im Strafraum: reichlich viele Änderungen in vielen Jahren, die nur Diskussionen und viel mehr strittige Szenen hervorgerufen haben. Ein erheblicher Eingriff, gerne so anerkannt, jedoch keineswegs zum Vorteil für das Spiel.
Die einzig wirklich sinnvollen kleinen Änderungen gab es zur WM in den USA 1994: nach einem Rückpass darf der Torwart den Ball nicht mit der Hand aufnehmen – hat sich bewährt, die Regel, da zumindest minutenlanges Zurückspielen des Balles zum Torwart, Aufnehmen, ihn wieder abrollen, wieder zurückspielen etc. ausbleiben seitdem, welche einfach nur unschön und als reines Zeitspiel, ohne in Schwierigkeiten zu geraten, aufzufassen waren.
Die zweite Änderung war eigentlich die entscheidende und als höchst sinnvoll zu erachtende, die jedoch an der Umsetzung komplett scheiterte und das Gegenteil dabei herauskam, ohne dass diese Referenz noch je sinnvoll eingesetzt würde: im Zweifel für den Angreifer auslegen und die Fahne unten lassen, wenn man sich bei einer engen Abseitssituation nicht sicher ist. Es klappt nicht – hätte den Fußball aber entscheidend nach vorne bringen können und könnte dies bis heute. Siehe auch hierzu das entsprechende Kapitel.
Die Anzeige der Nachspielzeit sollte ebenfalls erwähnt sein, die jedoch nach hier vertretener Ansicht – siehe das entsprechende Kapitel – nicht die geringsten Vorteile, sondern stattdessen eher Nachteile mit sich brachte.
Ansonsten sind es meist völlig unbedeutende Kleinigkeiten, an welchen geschraubt wird, welche jedoch meist nachteilige Folgen haben. Der Videobeweis? Selbst wenn die Folgen derzeit (August 2017) ausstehen: es kann nicht von daraus resultierenden Vorteilen ausgegangen werden. Die Gründe jedoch auch an anderer Stelle genannt.
Fazit: das Regelwerk ist angeblich aus guten Gründen so starr. Jedoch sind die Gründe unreflektiert und falls man es täte würde man erkennen: es sind die falschen. Der Fußball ist nicht wegen seines einwandfreien und guten Regelwerks so groß geworden sondern wegen seiner Einfachheit. Also müsste man sich, dies erkennend, auf die unangetastete Größe und Verbreitung verlassen – und sich ruhig an die Regeln heranwagen. Der Fußball wäre so oder so nicht kaputt zu kriegen, wie ein Dinosaurier Ei etwa. Man kann umwälzend ändern, ohne um ihn fürchten zu müssen. Da kann gar nichts passieren. Also: ruhig ein paar der im Gesamttext vorgeschlagenen Anpassungen vornehmen?