Warum ist Deutschland ausgeschieden, im Achtelfinale der Fußball EM 2021?
Nun, der Wettmarkt hatte sein Urteil gesprochen: ziemlich ausgeglichen, aber ein leichter Vorteil für die Engländer. Woher dieser kommt? Einfache Antwort: die Kaderanalysen, welche ich mithilfe aller meiner Daten und Software so gut es mir möglich war abstellen konnte, ergaben: fast genau ausgeglichen. Möglich, dass noch mehr Menschen auf der Welt zu dieser Erkenntnis kamen? Die Mannschaften sind gleich stark. Gibt es mit dieser Einschätzung ein Problem? Vermutlich nicht?! Viele Spieler auf beiden Seiten, die bei den absoluten Top-Clubs spielen.
Es gibt sowohl eine Vorgeschichte für diese Partie als auch eine Vorgeschichte, was die reinen Ergebnisse der Nationalmannschaften angeht. Möglich also, dass diese beiden Betrachtungen ebenfalls Einfluss hatten auf die Bewertung dieser Partie, natürlich der „im Vorfeld“? Das hat es, davon ist auszugehen. Führt zu folgendem Ergebnis: im direkten Vergleich hat sich Deutschland sehr häufig durchgesetzt — Glück oder Pech hin oder her –, und in den jüngsten Ergebnissen hingegen die Engländer vorne. In der Summe: die beiden Betrachtungen neutralisieren sich. Es bleibt wie es war: ausgeglichen.
Nun kommt der ominöse Heimvorteil hinzu. Nun, dieses Spiel fand in England statt. In London, in Wembley, wo die Geschichte auch mehr oder weniger im Jahre 1966 begann mit dem legendären (Wembley-Nicht-)Tor?! Seither jedoch Deutschland vorne, wie schon erwähnt. Dennoch: hier und heute, am 29.6.2021, musste man den Engländern, vor 45.000 Zuschauern, meist englischer Herkunft, diesen gewissen Vorteil verschaffte.
Der Wettmarkt hat es so eingeschätzt: leichter Vorteil für England. Das klingt absolut realistisch und überzeugend. Und, mal eine Frage nebenbei: wer glaubt eigentlich, dass der Wettmarkt Fehler macht? Nun, er tut es zwar — aber nicht in diesem Spiel. Und: daran glauben tun viele nicht. „Am Ende gewinnt immer die Bank“, hört man häufig genug.
Nun diese Überlegung: glaubt man denn, dass Bundestrainer Jogi Löw, direkt nach der Chancen- und Quotenermittelung des Marktes nun noch einen Einfluss darauf hätte? Falls er es hätte: dann hätte man falsch gerechnet. Davon ist jedoch nicht auszugegehen.
Nun findet das Spiel statt, unter den gegebenen Voraussetzungen: Deutschland kommt zu 45% weiter, England zu 55%. Warum sollte nun also Deutschland weiter kommen? Man könnte natürlich fragen, ob sie irgendetwas falsch gemacht haben, sicher. Aber: die Fehleranalyse kommt auf jeden Fall und sie läuft darauf hinaus: „Das musste man besser verteidigen und natürlich die eigenen Chancen nutzen.“ Man hatte aber keinen weiteren Einfluss auf die Chancenverteilung. Sie blieb, trotz allen Bemühens, bei 55 zu 45.
Kurios nun, dass man in Deutschland das Ergebnis einfach nicht so hinnehmen kann oder so hinnehmen möchte. Der leichte Favorit hat gewonnen, es ist das normalste der Welt. Überraschend wäre es gewesen — so überraschend es ist, wenn die 45% kommen, statt der 55% –, wenn Deutschland weitergekommen wäre.
Man muss dennoch schon während des Spiels von einem Kommentator hören, was alles falsch war und dass Löw besser 2018 aufgehört hätte. Sollte uns das nicht zu denken geben? Wenn man es ganz doll möchte, dann sind 45% plötzlich 95% — und diese kommen auch noch? Oder wie stellt man es sich in Deutschalnd vor? Auf jeden Fall gibt es „keinen Anlass zum Weinen“, wie man ebenfalls erfuhr. Was aber, wenn man mal ausnahmsweise traurig wäre? Was wäre, wenn man nicht böse wäre, sondern mitfühlen würde? Was wäre, wenn man einfach mal aufmuntern würde und sich bei den großartigen Fußballern – von beiden Seiten — bedanken würde für die großartige Unterhaltung, die sie einem geboten hat, in dem Wissen, dass am Ende doch immer nur einer gewinnen kann?
Nein, wir sollen böse sein und Löw — oder wem auch immer — die Schuld geben für ein erneut uns vorenthaltenes Glückserlebnis? Nein, daran ist so ziemlich alles falsch. Deutschland hat gut gespielt und hat dennoch verloren. Sie haben sich genau im Verhältnis der vorher berechneten Wahrscheinlichkeiten verhalten. Das kommt der Wahrheit am nächsten.