Aus dem Seelenleben eines Spielers
Nicht nur, dass das Spielen, vor allem das professionelle Spielen, prinzipiell eine bestimmte Weltanschauung voraussetzt, es bringt auch bestimmte Konsequenzen für das tägliche Leben mit sich. Über die Beweggründe für das Spielen und die Gefahren des Spielens habe ich ja an anderer Stelle aufmerksam gemacht (Kapitel „Spielsucht“ zum Beispiel). Aber die Besonderheiten, die Befindlichkeiten, die Fehleinschätzungen, die Zeiteinteilung, denen man als Profispieler tagtäglich ausgesetzt ist und wie man (genauer: ich) versuche, damit umzugehen, möchte ich Ihnen gerne an dieser Stelle einmal zu vermitteln versuche.
Das auch ein Teil davon Frustbewältigung ist und ich mir meinen privaten „Seelenklempner“, nämlich Sie, ausgesucht habe müssen Sie jetzt bitte tolerieren und mir nachsehen. Vielleicht hilft ja, wie so häufig, Verstehen?
- Das Unverständnis
Im Kapitel „Mein Outing als Profispieler“ kann man auch nachlesen, wie man sich so teilweise fühlt als Profispieler. Man macht einen Job, vielleicht einen guten sogar, und bekommt garantiert keine Anerkennung. Die Form der Anerkennung, mit der man sich zufrieden geben muss, ist das Geld. Die Beurteilung der Bekanntschaft und Verwandtschaft bleibt im Prinzip obskur aber sicher skeptisch. Mein Vater zum Beispiel wollte bis kurz vor seinem Tode eigentlich nie wissen, was und wie ich es mache. Meine Mutter nahm das Wissen mit ins Grab, dass ich hoch verschuldet bin. Auf ihre Frage, wie es am Wochenende lief, und ich ihr die Antwort gab: „Ja, ganz gut, ich habe etwa 15000 DM gewonnen.“ kam prompt die nächste Frage: „Und wie viel hast du verloren?“ Bei einer Mutter übt man sich vielleicht gelegentlich in etwas mehr Nachsicht und entgegnet noch, mit einiger Geduld: „Ein Ergebnis von 15000 DM bedeutet: Auszahlung minus Einsatz, es ist das Endergebnis. Die Verluste sind in der Zahl mit drin.“ Aber im Grunde spürt man schon, dass es nicht hilft. Ich habe wohl verloren, ich muss mich damit abfinden. Das ist ein Gesetz.
Der Grund, warum ich meine Miete bisher doch immer bezahlt habe, kann also im Verständnis der Menschen in etwa sechs mögliche Gründe haben:
- Der Mann hat mindestens eine große Erbschaft gemacht
- Der Mann ist ein riesiger Glückspilz
- Der Mann ist ein (recht geschickter) Taschendieb
- Der Mann macht dunkle Geschäfte
- Der Mann hat eine reiche Frau geheiratet
- Der Mann hat ein (illegales) Wettbüro und will das nicht zugeben. Denn damit kann man gewinnen, nicht aber mit Wetten (mehr dazu im Kapitel „Mein Wettbüro).
Andere, beinahe tägliche, Begebenheiten, können etwa so aussehen. „Und, was machst du so beruflich?“ „Naja, es ist etwas schwer zu verstehen, aber ich bin Profispieler.“ Antwort: „Und davon kann man leben?“ Was bleibt einem dann noch? Soll ich jetzt „Ja“ oder „Nein“ antworten? Andere versuchen vielleicht, ihre Skepsis ein wenig zu verbergen und sagen: „Klingt ja interessant.“ Aber glauben tut es in Wahrheit keiner, und da dulde ich keinen Widerspruch.
Von mir wohl Gesonnenen aber immer noch Verständnislosen höre ich dann oft die Frage: „Was tippst du denn heute?“ oder: „Was sagt denn dein Computer, wie das Spiel ausgeht?“ Das lässt durchaus die freundliche Bemühtheit erkennen. Nur, wenn ich ein einziges Mal korrekt antworten dürfte… Ich gebe Ihnen hier mal die eigentlich fällige Antwort:
„Mein Computer macht keine Vorhersagen in dem Sinne, wer gewinnt. Er macht wesentlich weniger als das. Er macht Wahrscheinlichkeitseinschätzungen. Eine Wahrscheinlichkeitseinschätzung lässt jeden Ausgang offen. Wenn ich eine Wette auf das Spiel abgebe, dann bringe ich damit folgende Einschätzung zum Ausdruck: Die Eintrittswahrscheinlichkeit steht in einem günstigen Verhältnis zur Quote. Mein Computer sagt, die faire Quote im asiatischen Handicap mit –0.25 ist 1.85, ich bekomme 1.96, deshalb spiele ich Hannover. Außerdem habe ich bei dem Spiel over 2.75 Tore gespielt. Das bedeutet, bei 3 Toren insgesamt gewinne ich die Hälfte des Einsatzes Mal der Quote, ab 4 Toren gewinne ich den kompletten Einsatz Mal der Quote. Ich werde aber sicherlich live noch irgendwas spielen, wenn es sich anbietet. Übrigens spiele ich deshalb Hannover, weil der Markt ein bisschen zu sehr auf den Ausfall von Balitsch reagiert und das Ergebnis der Vorwoche, als sie in Bochum 0:3 verloren haben, vom Markt überbewertet wird. Das Ergebnis war auch nicht ganz korrekt, denn Hannover hatte genau so viele Chancen und war gar nicht schlecht. Die Quote auf das over ist übrigens 2.06, laut Computer wäre 1.92 fair, dazu kommt aber noch die Korrektur durch die performance aus den letzten 8 Spielen. Der Korrekturwert ist +0.13 Tore. Also spiele ich das over etwas teurer. Kann aber sein, dass ich live auch da etwas mache, wenn es nicht unbedingt nach over aussieht, oder aber ein frühes Tor fällt. Alle Fragen beantwortet?“
- Spaßverderber oder: mit wem schaut man ein Fußballspiel?
Wie würden Sie auf eine solche Antwort reagieren? Sicher jedenfalls nicht damit, dass Sie gleich sagen: „Hey, ich seh das genauso. Wollen wir das Spiel gemeinsam anschauen?“ Eher im Gegenteil. „Was der da erzählt und macht, da blicke ich nicht durch (nicht vergessen: Sie sind der Wohlwollende; der andere denkt natürlich ´blablabla, und davon will er leben? Es kommt das oder das, vor allem verliert Hannover heute, das spürt man doch´), aber ich schau mir das Spiel mit Freunden an, sicher nicht mit ihm.“
Wenn es mal jemand getan haben sollte, mit mir also ein Spiel zu schauen, dann hat er es garantiert bereut und nicht wiederholt. Ich verderbe wirklich jedem den Spaß. Der Besucher möchte sich an einer schönen Szene, an einer vergebenen oder auch nicht vergebenen Torchance erfreuen, er regt sich über einen Schiedsrichterpfiff auf oder überhaupt, ist er erstmal für die „Falschen“. Darüber reden können wir auch nicht, weil er eingeschüchtert ist und außerdem kommt trotzdem garantiert nicht das, was ich sage oder mir wünsche. Darüber hinaus möchte man einfach das Spiel schauen mit den eigenen Emotionen und die sind ganz sicher anders als meine. Eins ist gewiss: Einmal und nie wieder.
Ich kann ein Spiel nur mit jemandem vom Geschäft zusammen anschauen. Zumindest jemand, der weiß, wie die Marktgesetze sind, aus welchen Gründen man was gespielt hat und am liebsten jemand, der prinzipiell weiß, was Pech ist. Eine beliebige einzelne Wette zu gewinnen oder zu verlieren hat auch überhaupt keine Aussage. Nicht einmal, wenn man eine Kette von 100 Wetten betrachtet, gibt diese irgendeinen Aufschluss darüber, ob man gut oder weniger gut spielt.
- Das ganz normale Leben
In meinem ganzen Leben, und ich erinnere mich wirklich dabei schon an Kindergartenzeiten, habe ich immer den festen Wunsch und die Überzeugung gehabt, eines Tages auch Kinder zu haben. Ich wollte das unbedingt, es stand für mich fest. In Zeiten, als man so allmählich erfuhr, wie das eigentlich funktioniert, habe ich mich zwar grundsätzlich nicht von dem Plan abbringen lassen, war nur ein klein wenig skeptisch. Aber auch dann stand der Entschluss fest: Wenn es denn halt so sein muss, dann bitte schön. Aber nur einmal, und zwar ganz kurz und das Ganze im Badezimmer (das muss vor der Geschlechtsreife gewesen sein).
Natürlich gab es auch einen anderen Wunsch, den ich hatte. Und der ging in etwa so: Ich möchte am liebsten mein Geld verdienen mit der Sache, die mir am meisten Spaß macht. Ob ich darin auch eine Begabung hatte, sei dahin gestellt. Aber welches waren diese Dinge? Jetzt muss ich sehr vorsichtig mit der Reihenfolge sein. Ok, ich geh alphabetisch vor: Fußball, Spielen, Rechnen, Computer. Komisches Alphabet? Sie müssen den 5.Buchstaben nehmen, wenn der gleich, den 1.
Nun haben sich alle diese Dinge auf merkwürdige Art und Weise vereinigen lassen. Und zwar in der Art: ich werde Profispieler, Betonung auf Fußballwetten. Dieser „Job“ hat aber, trotz der perfekten Eignung für mich, gewisse Nebenwirkungen. Vor allem, wenn man die beiden Lebenspläne unter einen Hut bringen möchte.
Ich habe es zu insgesamt vier Kindern gebracht und bin natürlich, ganz Vater, ganz stolz Erinnert mich immer mal wieder an diese kleine Geschichte: Früher fand ich immer so albern, wie alle Eltern auf ihre eigenen, natürlich in der Regel absolut durchschnittlichen Kinder so übertrieben stolz warn und einen das bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten wissen ließen. Das hielt so lange an, bis ich selber Kinder hatte. Aber nicht etwa, dass ich meine Meinung änderte. Im Gegenteil, Ich hatte so was von Recht: Die anderen Kinder sind wirklich alle absolut durchschnittlich.
Die Tatsache, dass meine Kinder, je zwei, von verschiedenen Müttern sind, deutet bereits an, dass der Weg dahin und auch währenddessen nicht ganz geradlinig war. Das „ganz normale Leben“ kann man mit mir und an meiner Seite einfach nicht führen. Es ist nicht nur mein Denken, was dabei „nicht normal“ ist. Es sind Arbeitszeiten, Umgang mit Geld, die Einstellung zur Sicherheit, sogar die Kindererziehung betrachte ich eher auch unter dem „Wahrscheinlichkeitsaspekt“, was sicher auf den ersten Blick kurios klingt. Und nicht nur Sie werden dann spontan erstmal sagen: „Leichtsinnig.“ Aber ich will jetzt nicht unbedingt auch noch meinem Werk „Kindererziehung in Theorie und Praxis“ vorgreifen.
Hier nur erwähnen, dass ein ganz normales Leben in diesem Beruf nicht geht. Natürlich möchte ich meine Kinder auch so normal wie möglich erziehen. Aber das Denken fließt einfach in alle Handlungen mit ein. Und für mein Denken muss ich mich nicht schämen, wie ich finde. Wie normal dann allerdings ein Gespräch mit dem Klassenlehrer oder mit der Freundesmutter ausfällt, darüber sollten Sie dann doch lieber die Betreffenden befragen.
Tatsächlich ist es also so, dass die meisten anderen Profispieler, die ich kenne, sich dann eher gegen diese Form der Normalität entschieden haben. Oft wohl Freundin, aber eben nicht mit Heiraten und Frau und Kinder und so. Man richtet sich eher in seiner Nische ein und kehrt der Normalität dann in gewisser Weise den Rücken. Es sind ja auch in aller Regel die Gesprächsthemen, die dann meist in eine andere Richtung gehen und die einem dann nicht durchgehend Freude bereiten müssen. Außerdem soll der Partner dann oftmals auf die Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, weil man gerade viel verloren hat oder so etwas. Das ist der ganz normalen Beziehung nicht unbedingt zuträglich. Da hat alles seine Ordnung und seinen geregelten Gang. Und vor allem sind Abende und Wochenenden frei, Abende für die Frau, Wochenenden für die ganze Familie. Deshalb lohnt es sich schon, mal ein normales
- Wochenende
von mir zu schildern. Bedauerlicherweise unterscheiden sich heute Wochenenden immer weniger von Wochentagen. Der einfache Grund: Es gibt beinahe täglich Fußballspiele, und nicht genug damit, man kann auch, mit der richtigen Ausstattung, eine gehörige Anzahl davon live im Fernsehen sehen. Es gibt ja jetzt sogar das Internetfernsehen, was das Angebot noch mal wesentlich erhöht. Es ist so, dass man bereits erheblich filtern muss.
Also Fußballspiele gibt es jeden Tag, live sehen kann man sie auch noch. Allerdings ist es wochentags so, dass die Spiele dann doch fast ausschließlich auf die Abendstunden fallen. Man kann natürlich hier oder da, wie ja bereits der Begriff „filtern“ andeutet, das eine oder andere Spiel auslassen. Es gibt aber auch zwei Aspekte, die einen davon abhalten können: Erstens dient jedes beobachtete Spiel dem Informationsupdate. Es ist nicht nur so, dass ich die Mannschaften versuche, gut einzuschätzen, sondern sogar einzelne Spieler. Das hat den Vorteil, dass man bei den häufig vorkommenden Vereinswechseln zum Beispiel bereits eine Vorstellung hat, außer der Ablösesumme, was ein Spieler kann. Und es ist auch bei diesem Beruf so: Man entwickelt Vorlieben. Es gibt gewisse Spieler, die man dann einfach „mag“, für wertvoll, für unterschätzt hält, andere, wo es umgekehrt ist. Mein Lieblingsspieler? Ganz klar: Francesco Totti. Wen ich nicht mochte: Bernd Schuster. Der Grund? Er war mir zu ähnlich (hahaha; es stimmt aber dennoch. Weder kämpferisch noch defensiv verwendbar). Also, ein Spiel schauen empfindet man natürlich irgendwann auch als Pflicht, ich sage aber nicht „lästige“. Es macht doch immer wieder Spaß.
Der zweite Aspekt, warum man das Spiel schauen möchte, ist übrigens der, dass es ja immer die Möglichkeit gibt, damit Geld zu verdienen. Meist ist es so, dass, wenn irgendein Spiel (kann auch nur Montagabend das Zweitligaspiel sein) ansteht, man doch irgendeinen Grund findet, warum man die eine oder die andere Mannschaft stützen möchte. Bei den sehr engen Quoten am asiatischen Markt (seihe auch Kapitel „Der Wettmarkt“) ist es ja fast immer auch so, dass sich eine Seite anbietet, die der Computer vorschlagen würde zu spielen. Abgesehen von over/under Wetten und von den stets möglichen (und immer mehr in den Vordergrund tretenden) Livewetten.
Das Wochenende unterscheidet sich nur insofern, dass die Kinder dann zu Hause sind und an Arbeit doppelt so viel ist, wenn nicht mehr. Ein Wochentag ist also in der Regel ein „normaler Arbeitstag“, ein Wochenende sind zwei „harte Arbeitstage“. Das ist aber in erster Linie auf die Menge der Arbeit bezogen. Ich erfasse ja im Computer die Spiele von ca. 30 Ligen. Und fast alle haben am Wochenende immer noch ihre Hauptspielzeiten. Ich kenne mich auch mittlerweile in ziemlich vielen Ligen einigermaßen gut aus. Natürlich sind das hauptsächlich die Ligen, in denen man auch Live Fußball geboten bekommt.
Der Freitag beginnt also gewöhnlich um 18 Uhr mit den Zweitligaspielen. Danach kommt das Erstligaspiel live (Stand: 10.12.08; allerdings wird das Fernsehangebot durch die Veränderungen garantiert nicht geringer). Dazu läuft häufig genug noch ein englisches Spiel, was ich durch meine Satellitenantenne und den Sky Decoder sehen kann.
Auf Sky läuft aber nicht nur die Premier League sondern auch die Spielklassen darunter, bis einschließlich Conference, also insgesamt fünf Ligen. Die schottische Premier League dazu. Dann selbstverständlich in Deutschland die 1., 2, und 3 Bundesliga. Die österreichische Liga ist auch am frühen Abend, die spanische Liga später mit zwei Spielen in den Abendstunden vertreten, die italienische (per Internet TV) mittlerweile auch mit zwei Livespielen. Das macht also an einem gewöhnlichen Sonnabend (sagen wir ruhig in der Hauptsaison) alleine mindestens 7 Live Spiele. Einige davon laufen natürlich parallel.
Am Sonntag sieht es auch nicht wesentlich anders aus. Ein weiteres Mal ca. 7 Livespiele Fußball. Ich möchte auch garantiert nicht klagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere das Leben als Profispieler für etwas leichter hielt. Wenn man dazu berücksichtigt, dass die Datenerfassung, die allgemeine Datenpflege, die Informationsbeschaffung (Zeitungen lesen, Zusammenfassungen schauen) und auch die nicht zu vernachlässigende Programmweiterentwicklung eine nicht unerhebliche Zeit verschlingt, dann erscheint dieses Leben irgendwann vielleicht gar nicht mehr so rosig, falls es das überhaupt jemals getan hat.
Wie gesagt, ich klage nicht. Eine gewisse Suche nach Anerkennung für Geleistetes, für die Arbeit selber und noch dazu für die Kunst, das Problem auf mathematische Art und Weise „in den Griff“ zu bekommen, täte hier und da ganz gut. Aber ich bin und bleibe zuversichtlich, sozusagen Berufsoptimist.
- Urlaub?
Im „normalen Leben“ hat man ein paar wertvolle Urlaubstage. Diese werden sorgfältig für und mit Familie geplant. „Wo fahrt ihr denn nächstes Jahr hin?“ „Wir? Wie jedes Jahr, nach Italien.“ „Wir machen nächstes Jahr Urlaub auf einem Bauernhof.“ Planungen, Sicherheit, Gewissheit, Planungssicherheit? Jedenfalls habe ich stets spontan gelebt und mir das auch bis heute so erhalten. Man fragt sich nur immer, wie es auf die Kinder wirkt, gerade manchmal im Umgang mit Klassenkameraden oder Freunden. Fühlen sie sich dann auch nicht ganz normal?
Wir haben dennoch alljährlich unsere Reisen gemacht. Allerdings meist spontan, fast ohne Planung. „Wie wärs, ich hätte so etwa zwei Wochen Zeit, wollen wir morgen los?“ „Ja, gut, was meint ihr, Kinder?“ Die Kinder wollen sowieso. Die Zeit, die sich dafür anbietet, ist dann meist Ende Mai bisher. Das war aber im Kindergartenalter. Zu Schulzeiten muss man sich etwas anderes einfallen lassen, zumindest die Ferienzeiten berücksichtigen.
Nun gut, noch mehr war die Überschrift allerdings auf die Möglichkeit überhaupt bzw. auf die Jahreseinteilung der Arbeit bezogen. Alle zwei Jahre gibt es ein großes Turnier, Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft. Diese sind nicht nur für Profispieler absolute „Pflichtveranstaltungen“. Allerdings ergibt sich oft ein erheblich höherer Arbeitsaufwand für meinen Teil. Die Einschätzungen für die Mannschaften (gerade bei Weltmeisterschaften) stellt ein nicht ganz unerhebliches Problem dar. Vor allem, da die Exoten nur wenige Vergleichsmöglichkeiten mit den bekannten Mannschaften bieten (hat sich heute auch etwas verändert; es gibt mehr Vergleiche in Form von Freundschaftsspielen). Dennoch: Es bieten sich vor allem bei diesen Turnieren aufgrund der größeren Teilnahme an Spielern (Wettern) ganz andere, bessere Verdienstmöglichkeiten.
Insofern muss man die geraden Jahre etwas anders betrachten. Es ist aber auch so, dass in den Jahren der großen Turniere (den geraden also) die reguläre Saison etwas früher beendet ist, da sich alle Mannschaften noch in intensiven Trainingslagern vorbereiten wollen (die FIFA regelt das so). Es gibt also vor den Turnieren eine längere spielfreie Zeit, die ich dann einfach nutzen muss zum Urlaub. Die Turniere fangen aber immer Anfang Juni an. Die Ferienzeiten richten sich einfach nicht nach Wettprofis.
Aber auch sonst ist der Sommer zwar, zugegenermaßen, eine wesentlich ruhigere Zeit. Allerdings erfasse ich ja längst auch die skandinavischen Ligen. Und die spielen ihre Saison ganzjährig, also vor allem den Sommer durch. Darüber hinaus erscheinen im Verlaufe des Sommers nach und nach die Spielpläne für die kommende Saison. Diese Spielpläne erfasse ich dann ch in meinem Computer. Auch in den Wintermonaten gibt es schon lange keine Winterpause mehr. In England sowieso nicht (die englische Liga hat immer über die Weihnachtsfeiertage Hochbetrieb), aber auch andere Ligen spielen (fast) durch. Also zusammengefasst: Spielfreie Zeit bedeutet auf keinen Fall arbeitsfreie Zeit. Und wirkliche spielfreie Zeit gibt es auch noch nicht mal.
- Was man gerne macht ist doch keine Arbeit!
Die Befindlichkeiten habe ich vielleicht noch nicht ganz so deutlich gemacht, und versuche das jetzt hier an dieser Stelle: Es bleibt dabei, dass mir der Job Spaß macht. Wie viel Suchtverhalten dabei enthalten ist, kann man auch im Kapitel „Spielsucht“ nachlesen. Es ist immer eine gewisse Aufregung, fast täglich. Man bereitet vielleicht die Wetten, auch zum Teil routinemäßig vor, schließt sie ab, für den heutigen Tag. Trotzdem ist man dann ein klein bisschen gespannt, wie denn die Spiele wohl ausgehen werden. Dieses Empfinden bleibt, trotz aller Routine. Ich habe in den letzten Jahren auch die Japanische, Brasilianische, Amerikanische und Argentinische Liga mit aufgenommen, abgesehen von der NBA, der Amerikanischen Basketballliga. Japan spielt früh am Morgen, die anderen drei spät abends bis nachts, die NBA sowieso nachts. Also man hätte fast rund um die Uhr „action“. Man könnte Umsätze tätigen, den Computerempfehlungen folgend oder auch die Intuition mit einbeziehend. Und als Rechtfertigung hat man mindesten zwei Punkte: Es ist mein Beruf. Ich habe Vorteil (natürlich nicht bei jeder Wette, aber man bemüht sich). Und: Ich muss einen gewissen Umsatz machen, um mein Geld zu verdienen (Kapitel „Umsätze“).
Durch die nächtlichen Spiele sieht es offen gestanden teilweise so aus: vorm Schlafen gehen habe ich noch ein paar NBA Spiele gewettet (kann natürlich auch am Nachmittag erfolgt sein). Meine Nachtruhe war eigentlich nie zusammenhängend und auch nie besonders lang. Aber wenn ich jetzt mal um 5 Uhr aufwache, dann kann es schon passieren, das mich die Neugier, Unruhe, Anspannung, Spielsucht raustreibt und ich die Ergebnisse und damit natürlich meine Wettergebnisse sehen möchte. Manchmal läuft dann sogar noch ein Spiel live (Amerika ist ein großes Land und der Westen dort spielt einfach 2, 3 Stunden später, bei uns 4 Uhr oder 4:30 Uhr Anpfiff). Dann kann man doch gleich wach bleiben und das noch mitverfolgen?
Vielleicht vergaß ich zu erwähnen, dass sämtliche Ergebnisse heutzutage über live Ergebnisdienste brandaktuell zu erfahren sind. Die beste und allerschnellste Seite hat übrigens ein Wettkollege aus Nordhausen gefunden: es ist eine chinesische Seite. Der Beweis ist schnell erbracht. Wenn man ein Zweitligaspiel anschaut (nur als Beispiel, extra unterklassig) und live sieht, dass ein Tor fällt, dann sieht und hört man ja, wie schnell das angezeigt wird auf welcher Seite. Und bei den Chinesen kann man optional noch einen frei wählbaren Klingelton einschalten, der dann im Falle eines (weltweiten) Tores ertönt. Und der klingelt meist innerhalb von Sekunden. Wie die das machen, ist mir ein (kleines) Rätsel. Aber es funktioniert. Nachteil dabei: die sind so aktuell, dass sie oftmals Tore sofort vermelden, die dann gar keine Anerkennung finden. Es gibt also eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit. Am schlimmsten macht sich diese bemerkbar, wenn man eine Mannschaft gespielt hat, ein Tor für sie gemeldet wird, das dann zurückgenommen und anschließend das Tor für die andere Mannschaft zählt. Es ist das 0:1 gefallen aber man bekommt ein 1:0 zunächst eingeblendet.
Irgendwann weiß man dann auch einfach, dass zwar (genügend) Geld reinkommt. Aber dennoch beschäftigt man sich fast täglich auch mit der Frage: Habe ich heute Glück? Denn eines ist sicher: Bei ausreichend viel Pech hilft auch die Mathematik nicht weiter. Außerdem ist das Ergebnis von einem Tag kaum von der Mathematik abhängig. An einem Tag, auf 50 Wetten oder so, kann Jeder gewinnen, auch der Affe, der rein zufällig etwas ankreuzt. Also ist das Ergebnis für den heutigen Tag vordergründig vom Glück abhängig. So wie bei jedem Spieler. Das macht die Empfindungen vergleichbar.
Es macht mir Freude. Ich schaue mir die Spiele an. „Schaust du gerne, macht es dir Spaß?“ „Ja.“ „Na, dann ist es doch keine Arbeit.“ Genau.